Der Falke - Günter Dönges - E-Book

Der Falke E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Butler Parker genierte sich. Er hielt es für äußerst exaltiert, daß Lady Agatha Simpson mit ihm Schlitten fahren wollte, denn er war der Ansicht, daß die Dame nicht mehr auf den Rodelhang gehörte. Zudem hatte Lady Agatha sich für seinen Geschmack etwas zu bunt gemustert. Die majestätische Frau trug einen Skidreß, in dem sie wie ein Astronaut aussah. Natürlich fiel Agatha Simpson in dieser Kleidung auf. Die Wintersportler winkten ihr lachend zu und freuten sich offensichtlich über ihren Sportsgeist. Mylady winkte zurück und stampfte durch den tiefen Schnee hinauf zum Start. An sich war es überraschend, wie mühelos sie die Steigung nahm. Es zeigte sich, daß Lady Agatha körperlich noch durchaus fit war. Sie fühlte sich auch pudelwohl. Am Vortag war sie mit ihrem Butler und ihrer Gesellschafterin in Aviemore in Zentral-Schottland, nicht weit vom berühmt-berüchtigten Loch Ness entfernt, angekommen. Der Winter hatte viel Schnee gebracht und das »Aviemore-Zentrum« war überfüllt. Es handelte sich um ein Ferienparadies, das immer sehr gut frequentiert wurde. Lady Agatha wollte sich keineswegs kriminalistisch betätigen, sondern nur amüsieren ... Sie hatte auf ihre übliche Reise in die Schweiz verzichtet, um die heimische Wirtschaft und Fremdenindustrie zu unterstützen. Sie wohnte zusammen mit Parker und Kathy Porter in einem Holzhaus, das an ein Schweizer Chalet erinnerte. Versorgt wurden sie von einer ausgezeichneten Hotelküche, die jeden noch so ausgefallenen Wunsch erfüllte. »Sie bewegen sich wieder mal wie eine Schnecke«, tadelte sie ihren Butler, der in dieser weißen Schneepracht deplatziert aussah. Josuah Parker trug selbstverständlich seinen dunklen Zweireiher, derbe, schwarze Schuhe, seinen schwarzen

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Butler Parker – 118 –

Der Falke

Günter Dönges

Butler Parker genierte sich. Er hielt es für äußerst exaltiert, daß Lady Agatha Simpson mit ihm Schlitten fahren wollte, denn er war der Ansicht, daß die Dame nicht mehr auf den Rodelhang gehörte. Zudem hatte Lady Agatha sich für seinen Geschmack etwas zu bunt gemustert. Die majestätische Frau trug einen Skidreß, in dem sie wie ein Astronaut aussah.

Natürlich fiel Agatha Simpson in dieser Kleidung auf. Die Wintersportler winkten ihr lachend zu und freuten sich offensichtlich über ihren Sportsgeist. Mylady winkte zurück und stampfte durch den tiefen Schnee hinauf zum Start. An sich war es überraschend, wie mühelos sie die Steigung nahm. Es zeigte sich, daß Lady Agatha körperlich noch durchaus fit war. Sie fühlte sich auch pudelwohl.

Am Vortag war sie mit ihrem Butler und ihrer Gesellschafterin in Aviemore in Zentral-Schottland, nicht weit vom berühmt-berüchtigten Loch Ness entfernt, angekommen. Der Winter hatte viel Schnee gebracht und das »Aviemore-Zentrum« war überfüllt. Es handelte sich um ein Ferienparadies, das immer sehr gut frequentiert wurde. Lady Agatha wollte sich keineswegs kriminalistisch betätigen, sondern nur amüsieren ...

Sie hatte auf ihre übliche Reise in die Schweiz verzichtet, um die heimische Wirtschaft und Fremdenindustrie zu unterstützen. Sie wohnte zusammen mit Parker und Kathy Porter in einem Holzhaus, das an ein Schweizer Chalet erinnerte. Versorgt wurden sie von einer ausgezeichneten Hotelküche, die jeden noch so ausgefallenen Wunsch erfüllte.

»Sie bewegen sich wieder mal wie eine Schnecke«, tadelte sie ihren Butler, der in dieser weißen Schneepracht deplatziert aussah. Josuah Parker trug selbstverständlich seinen dunklen Zweireiher, derbe, schwarze Schuhe, seinen schwarzen Covercoat und die obligate Melone. Selbst auf seinen altväterlich gebundenen Regenschirm hatte er nicht verzichtet. Korrekte Kleidung ging ihm stets über alles. Nachlässigkeiten auf diesem Gebiet hätte er sich niemals geleistet.

Er zog einen Rennrodelschlitten hinter sich her, den Lady Agatha später zu benutzen gedachte. Da der Hang hier präpariert worden war, ließ es sich relativ leicht gehen. Dennoch drang Schneewasser in Parkers Schuhe. Der Butler wußte dieses Schmelzwasser überhaupt nicht zu schätzen. Und ihm graute schon jetzt davor, sich zusammen mit Lady Agatha in die Tiefe zu stürzen. Sie hatte sich nämlich vorgenommen, ihrem Butler die Schönheiten des Rodelns zu zeigen.

Der Betrieb auf dem Rodelhang war beträchtlich. Kinder, Halbwüchsige und Erwachsene rauschten an ihnen vorüber und erfüllten die Luft mit fröhlichem Geschrei. Links und rechts von der Rodelbahn standen große und kleine Schneemänner. Und immer neue kamen hinzu. Eine Art Seuche schien da ausgebrochen zu sein. Man schien sich zu bemühen, recht abenteuerliche Gebilde aus Schnee zu formen, Gestalten, die mit einem normalen Schneemann überhaupt nichts mehr zu tun hatten.

»Erinnern Sie mich daran, daß wir auch noch einen Schneemann bauen müssen«, sagte Lady Simpson, zu ihrem Butler gewendet.

»Wie Mylady befehlen«, erwiderte Parker und lüftete seine schwarze Melone. Parker erinnerte sich, daß die Ferienbetreuer zu einem großen Wettbewerb ausgerufen hatten. Der schönste oder eigenwilligste Schneemann sollte prämiert werden.

Einen sinnloseren Wettbewerb hätte Parker sich nicht vorstellen können. Daß seine Herrin mitmachte, wunderte ihn kaum, denn da waren einige Preise ausgesetzt worden, Nichtigkeiten, die kaum einen materiellen Wert besaßen. Auf solch einen Preis aber spekulierte Lady Simpson, die immens vermögend war und sich natürlich jede Extravaganz leisten konnte. Sie hatte nichts dagegen, mit kindlicher Freude sich an einem Wettbewerb zu beteiligen, sofern Preise winkten.

Ergeben stapfte der Butler hinter Lady Agatha Simpson her und stellte dann weit oben auf der Startlinie den Rennrodel zurecht.

»Ist das nicht ein wunderschöner Tag, Mister Parker?« Die energische Dame warf sich in die nicht gerade unterentwickelte Brust und deutete dann mit der Armbewegung eines Feldherrn auf die verschneiten Hügel, Hänge und Wälder.

»Ich hatte Sie etwas gefragt, Mister Parker«, erinnerte Lady Agatha, während ihr Butler konstant schwieg.

»Ein wahrhaft weißer Traum, Mylady, wenn ich es so ausdrücken darf«, antwortete Josuah Parker jetzt höflich.

»Eben«, sagte Lady Agatha. »Und jetzt wollen wir den Hang nehmen, Mister Parker. Ich möchte eine rasante Abfahrt erleben.«

Sie ließ sich auf den Rodelschlitten krachen, der daraufhin weitere zehn Zentimeter im Schnee verschwand. Lady Simpsons Körpergewicht war keineswegs als leicht zu bezeichnen. Sie rückte sich auf dem schmalen Schlitten zurecht und wandte sich dann ungeduldig nach ihrem Butler um.

»Worauf warten Sie noch?« fragte sie grimmig.

»Mylady bestehen darauf, daß meine bescheidene Wenigkeit sich an der Schußfahrt beteiligt?«

»Was dachten denn Sie? Der Schlitten muß ja wieder an den Start hochgebracht werden.«

»Mylady haben dann möglicherweise übersehen, daß das Raumangebot des Gleitinstrument.es nicht ausreicht.«

»Du lieber Himmel, stellen Sie sich doch nicht so an! Für Sie wird schon noch ein Plätzchen abfallen. Ich rücke ein Stück nach vorn. Mister Parker, ich merke, daß Sie wenig Sportsgeist haben.«

Josuah Parker nahm von einer Antwort Abstand. Er beugte sich hinunter und versuchte ernsthaft, den schwer belasteten Rodelschlitten in Bewegung zu setzen. Es war ihm ein wenig peinlich, daß seine Versuche in dieser Richtung von aufmerksam gewordenen Wintersportlern beobachtet und kommentiert wurden. Sie feuerten ihn sogar mit mehr oder weniger passenden Zurufen an.

Der Butler schaffte es nach einigen Versuchen, den Rennrodelschlitten in Fahrt zu bringen. Dabei erwies sich sein Universal-Regenschirm allerdings als ein wenig hinderlich.

»Schneller, schneller!« Lady Agatha geriet jetzt in Begeisterung. Sie feuerte ihren Butler ebenfalls immer wieder an, der sich ehrlich abmühte, den Schlitten zu beschleunigen. Er wollte nämlich so schnell wie möglich aus der Nähe der frotzelnden Wintersportler.

Plötzlich gerieten die Kufen auf eine feste, glatte Schneedecke. Der Schlitten tat förmlich einen Sprung nach vorn und sauste los. Parker hielt sich die schwarze Melone fest und schaffte es im letzten Augenblick, dicht hinter Lady Agatha Platz zu nehmen. Viel konnte er nicht sehen, denn Lady Agathas Schultern nahmen ihm jede Sicht. Er mußte sich allein auf ihre Steuerkünste verlassen.

In Josuah Parker stieg allmählich der häßliche Verdacht auf, daß Lady Simpsons Fertigkeiten im Steuern eines Rodelschlittens nicht besonders groß waren. Der Schlitten schlingerte, beschrieb abenteuerliche Kurven und raste dann auf einen Steilhang zu, der mit der Rodelstrecke leider überhaupt nichts mehr zu tun hatte.

Trotz der kalten Luft bildeten sich kleine Schweißperlen auf Parkers Stirn. Lady Simpson schien sich in den kleinen Bergwald rechts der Piste verliebt zu haben und schlingerte auf die ersten Bäume zu. Dann legte der Schlitten sich auf die linke Seite, passierte diese Bäume und schoß über einen Steilhang hinunter zum Ufer eines kleinen Waldsees, wo sich eine Allee der Schneemänner befand. Dicht nebeneinander standen hier die Gebilde aus Schnee und Eis. Sie warteten nur darauf, von der Preisjury beurteilt zu werden.

Plötzlich stieß Lady Simpson einen Schrei aus und visierte ungewollt einen dieser Schneemänner an. Ein Zusammenstoß ließ sich nicht mehr verhindern. Parker schloß ergeben die Augen und wartete.

*

»Mann, das darf doch nicht wahr sein«, sagte der untersetzte und etwa dreißigjährige Mann in einem etwas altmodischen Skidreß. Er sprang auf und beugte sich weit über die Brüstung der kleinen Veranda. Er schaute durch ein Fernglas zum See hinunter.

»Was liegt denn an, Pete?« erkundigte sich ein zweiter Mann, der in einem Liegestuhl lag und die Sonne genoß. Er war vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt, schlank und wirkte durchtrainiert. Er trug einen brandneuen Skianzug und sah darin aus wie ein Sportas.

»Da hat gerade einer unseren Schneemann gerammt! Ist denn das zu fassen! Ausgerechnet unseren!« Petes Aufregung steigerte sich noch. Sein volles, rundes Gesicht verzog sich zu einer Grimasse.

»Wie war das?« Der Mann sprang aus dem Liegestuhl und riß Pete das Fernglas aus den Händen. Er korrigierte die Scharfeinstellung und beobachtete nun ebenfalls das Seeufer. Dabei preßte er die Lippen fest aufeinander.

»Wir müssen sofort runter, Hale«, sagte Pete, der rundliche Mann, nervös.

»Wie stellst du dir das vor?« fragte Hale und setzte das Glas ab. »Wir dürfen uns da unten nicht blicken lassen, Pete.«

»Saudummer Zufall«, stellte Pete fest. »Was machen wir jetzt?«

»Laß mich nachdenken. Die beiden Leute da unten werden bestimmt die Polizei alarmieren.«

»Scheinen schon verdammt betagte Leute zu sein, Hale.« Pete zündete sich eine Zigarette an. »Wenn du die Ski nimmst, bist du in ein paar Minuten unten.«

»Aber wir haben doch Befehl, uns nicht wegzurühren.« Hale blieb bei seinen Bedenken.

»Jetzt herrscht Ausnahmezustand«, meinte Pete nachdrücklich. »Ich nehm’s auf meine Kappe, Hale. Schnall dir die Bretter unter und zisch nach unten. Schau mal, was da jetzt läuft.«

Der rundliche Pete nahm wieder das Fernglas hoch und beobachtete das Ufer des kleinen, zugefrorenen Sees. Nach wenigen Sekunden nickte er seinem Partner Hale zu.

»Schwirr ab, denn wenn wir nichts tun, werden wir bestimmt Ärger bekommen.«

»Und ... Und was soll ich tun?« Hale wußte es ganz sicher, doch er wollte noch die letzte Bestätigung seines Partners Pete. Der Rundliche grinste vielsagend, sagte aber kein Wort.

»Komm mit«, forderte Hale ihn auf.

»Ich bleibe wegen des Telefons hier oben. Außerdem kann ich nicht besonders gut mit Skibrettern umgehen. Das weißt du doch. Beeil dich jetzt, bevor die da unten verschwinden!«

Hale hatte sich entschieden. Er lief in das kleine Holzhaus, kramte dort in seinem Gepäck herum und ging dann nach draußen. Wenig später erschien er vor der fast ebenerdigen Veranda und schnallte sich die Bretter unter. Er nickte seinem Partner Pete knapp zu und stieß sich dann mit den Skistöcken kraftvoll ab.

Pete beobachtete ihn durch das Glas, wechselte dann den Blickpunkt und konzentrierte sich auf die beiden Rodelfahrer. Sie waren inzwischen deutlicher zu erkennen, hatten sich den Schnee von ihrer Kleidung geklopft und sahen recht unterschiedlich aus. Es handelte sich da um eine sehr stämmige und große Frau, die doch tatsächlich von einem richtigen Butler begleitet wurde. Ein komisches Paar. So etwas hatte Pete schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Er grinste unwillkürlich und war natürlich beruhigt. Dieses Duo konnte für Hale nur einen Klacks bedeuten.

Die Allee der Schneemänner war um diese Zeit völlig leer. Hale brauchte nur schnell und entschlossen zu handeln.

Pete ging in das kleine Ferienhaus zurück und langte nach dem Telefonapparat. Es wurde höchste Zeit, den »Falken« zu informieren. Anschließend wollte er sich dann auf den Weg machen, um Hale bei der Beseitigung zweier Winterurlauber zu helfen. Es galt, noch ein paar zusätzliche Schneemänner zu bauen.

*

Agatha Simpson stand zwischen den Trümmern des Rodelschlittens und schaute auf die Reste jenes Schneemannes, den sie über den Haufen gefahren hatte. Sie war sehr beeindruckt.

»Nun sagen Sie schon endlich etwas«, forderte sie ihren Butler auf, der die Reste des Schneegebildes mit der Spitze seines Universal-Regenschirms untersuchte. »Hatten Sie damit gerechnet?«

»Diese Frage, Mylady, kann ich mit dem besten Gewissen verneinen«, gab Josuah Parker würdevoll zurück. »Daß der Schneemann eine männliche Leiche enthielt, stand kaum zu erwarten.«

Parkers Worte entsprachen den Tatsachen.

Inmitten der Reste des Schneemannes lag ein Mann, der völlig normale Straßenkleidung trug. Er mochte vielleicht dreißig Jahre alt sein, war schlank und etwas über mittelgroß. Äußere Verletzungen ließen sich nicht erkennen.

»Wie lange mag die Leiche bereits im Schneemann gewesen sein?« fragte die Detektivin. »Ich glaube, Mister Parker, ich könnte jetzt einen Kreislaufbeschleuniger brauchen. Diese Überraschung ist mir doch in die Glieder gefahren.«

Josuah Parker war auf alle Eventualitäten eingerichtet. Er griff in die linke Innentasche seines schwarzen Covercoats und holte eine lederumhüllte, flache Flasche hervor, deren Verschluß als Becher diente. Parker servierte seiner Herrin ohne Hast einen guten, weichen Kognak, den Lady Agatha sehr gekonnt kippte.

»Der Mann ist natürlich ermordet worden«, stellte die Sechzigjährige dann fast erfreut fest. »Hätte man ihn denn sonst in einen Schneemann verpackt?«

»Ich möchte mir die Freiheit nehmen, mich Myladys Ansicht anzuschließen«, antwortete der Butler gemessen.

»Und was machen wir jetzt weiter?« Agatha Simpson baute sich neben der Leiche auf und beugte sich über sie. »Wann mag der Mann umgebracht worden sein?«

»Die Kälte dürfte genaue Schlüsse vorerst nicht zulassen«, antwortete Parker bedauernd. »Sie wirkt unfreiwillig als Konservator, was der oder die Mörderin wahrscheinlich mit einkalkuliert haben.«

»Ich möchte der Polizei nicht ins Handwerk pfuschen«, meinte Lady Simpson. »Nachdem Sie mir noch eine kleine Erfrischung gereicht haben, sollten Sie die Taschen des Toten untersuchen, Mister Parker.«

»Ich möchte nicht direkt widersprechen«, erwiderte Parker. »Mylady sollte aber den Skiläufer zur Kenntnis nehmen, der sich für meine Begriffe ein wenig zu verstohlen nähert.«

»Das klingt gut, Mister Parker. Wo steckt der Lümmel?« Die Detektivin hatte überhaupt keine Angst. Sie wirkte sogar äußerst unternehmungslustig. Sie hoffte auf eine Abwechslung, wandte sich um und suchte das Wäldchen oberhalb des Seeufers ab.

»Der bewußte Skiläufer ging gerade hinter einem Baum in Deckung, Mylady.« Auch der Butler ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Man sollte vielleicht hinter den Schneemännern in Deckung gehen, wenn ich mir diesen Vorschlag erlauben darf.«

Bruchteile von Sekunden später war ein schwaches Geräusch zu vernehmen, als sei eine Weinflasche geöffnet worden. Gleichzeitig zischte dicht vor Lady Simpsons Füßen ein Geschoß auf das Eis, prallte ab und jaulte als Querschläger weiter in die winterliche Landschaft hinein.

Die Lady aber erwies sich als äußerst schnell. Sie schnaufte gereizt auf und hastete dann hinter einen noch intakten Schneemann, der ganz in ihrer Nähe stand. Es war glücklicherweise ein großer Schneemann, der sie zu schützen vermochte.

Josuah Parker wählte ein Schneegebilde aus, das aus quadratischen Blöcken bestand und ebenfalls ein Schneemann sein sollte. Hier mußte ein eigenwilliger »Bildhauer« am Werk gewesen sein. Parker präparierte seinen Universal-Regenschirm, der es im wahrsten Sinn des Wortes in sich hatte. Mit diesem Schirm ließen sich auch kleine Pfeile verschießen, die an Stopfnadeln erinnerten und deren Schaft zur Stabilisierung mit kleinen, bunten Federn besetzt war. Angetrieben wurden diese Geschosse mit komprimierter Kohlensäure, die sich in einer Stahlpatrone befand. Parker wartete nur darauf, daß der tückische Schütze sich zeigte.

Nun, er zeigte sich nicht, aber er schoß erneut.

Diesmal hatte er es auf Josuah Parker abgesehen. Das Geschoß riß ein Stück aus dem Schneemann und zwang den Butler in die Knie. Josuah Parker gefiel das gar nicht. Er haßte unnötige Anstrengungen.

»Hoffentlich tun Sie endlich etwas, Mister Parker«, ließ Lady Simpson sich unwillig vernehmen. »Zahlen Sie es diesem Flegel zurück!«

»Ich werde mich bemühen, Mylady«, antwortete der Butler und überlegte, wie er den Schützen, der mit einem Schalldämpfer arbeitete, überlisten könnte.

Alle erdenklichen Vorteile waren auf der Seite dieses Mannes dort oben zwischen den Bäumen. Er beherrschte von seinem Platz aus das Seeufer und auch die Allee der Schneemänner. Die Sicht war leider zu ausgezeichnet.

Mit Störungen war ebenfalls nicht zu rechnen. Um diese frühe Morgenzeit tummelten sich die Wintersportler auf den Hängen. Mit dem Bau weiterer Schneemänner war erst gegen Mittag zu rechnen. Solange aber konnte der Butler nicht warten.

Butler Parker war ein Mann, der auch auf eine gewisse Grundausstattung nie verzichtete. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, stets gerüstet zu sein. Zu dieser Grundausstattung gehörten unter anderem die vielen Kugelschreiber, die er mit sich trug. Sie sahen völlig normal aus, doch sie hatten es in sich. Sie waren von ihm in seiner »Bastelstube« in London präpariert worden. Es handelte sich um kleine Meisterwerke der Verteidigungstechnik.

Da die Sicht gut war, mußte das eben geändert werden. Josuah Parker knöpfte seinen schwarzen Covercoat auf, dann den Zweireiher und wählte mit Bedacht einen der Kugelschreiber aus, die ihm zur Verfügung standen. Daß er dabei von einem weiteren schallgedämpften Geschoß gestört wurde, mußte er hinnehmen. Schnee- und Eisbrocken flogen ihm um die Ohren, was ihn aber nicht weiter störte.

Endlich hatte er gefunden, wonach er suchte. Er löste den Kugelschreiber aus einer der Westentaschen und verdrehte beide Hälften gegeneinander. Er drückte auf den Halteclip und warf das seltsame Schreibgerät dann ein paar Meter vor seinem Schneemann in den Schnee.

»Mylady sollen den jetzigen Standort tunlichst nicht wechseln«, rief er der älteren Dame zu. »Der Attentäter wird davon ausgehen, daß die Positionen geändert werden. Das Gegenteil dürfte ihn verunsichern.«

Der Butler hatte seinen Hinweis noch nicht ganz beendet, als der Kugelschreiber eine überraschend große und dichte Nebelwolke produzierte.

Sie breitete sich sehr schnell aus und wurde zu einer hohen Wand, die jede Sicht nahm. Der Schütze oben im Wäldchen reagierte wütend. Er setzte Schuß auf Schuß ab, doch sie waren jetzt nicht mehr gezielt. Der Attentäter verließ sich nur noch auf sein Glück und hoffte auf einen Zufallstreffer.

Parker hatte seine Herrin nicht umsonst gebeten, hinter ihrem Schneemann zu bleiben, denn auch er rührte sich nicht vom Fleck. Lange hielt die Nebelwand ohnehin nicht vor. Zudem wurde so der vom Schützen erwartete und erhoffte Zufallstreffer vermieden.