Parker lässt den "Onkel" schmoren - Günter Dönges - E-Book

Parker lässt den "Onkel" schmoren E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Butler Parker war konsterniert. Er beobachtete die beiden etwa zehnjährigen Jungen, die aufgeweckt und sachkundig wirkten. Sie befanden sich wie er in einer Abteilung für Modeschmuck und hatten gerade zwei Halsketten in ihre Taschen verschwinden lassen. Nun widmeten sie sich zielbewußt modischen Uhren-Anhängern und nahmen eindeutig Maß. Sie konzentrierten sich auf reich verzierte Quarzuhren, die man leichtsinnigerweise auf einer Glasauflage deponiert hatte. Josuah Parker stand hinter einer mit Weckern bestückten Vitrine. Durch die Scheiben sah er die kleinen Einkäufer sehr genau. Sie hatten sich über die Quarzuhren gebeugt und sichteten ausgiebig. Der Verkäuferin bediente inzwischen eine Kundin, warf jedoch häufig prüfende Blicke auf die Zehnjährigen. Als sie ihre Kundin abgefertigt hatte, wollte sie zu den Jungen hinübergehen, doch in diesem Moment erschien ein weiterer Käufer, um sich beraten zu lassen. Dieser Interessent war nach Parkers Schätzung etwa sechzehn Jahre alt und machte einen höchst selbstsicheren Eindruck... Die Zehnjährigen nutzten ihre Möglichkeit. Blitzschnell langten sie wieder zu und räumten etwa zehn Quarzuhren ab, die in den Taschen ihrer modischen Parkas verschwanden. Danach schlenderten die kleinen Diebe weiter, als wäre nichts geschehen. Der Sechzehnjährige schien übrigens nicht das gefunden zu haben, wonach er suchte. Er schüttelte verneinend den Kopf und ging weiter. Parker tat es ihm nach. Er fiel in dem weltbekannten Warenhaus in der Londoner City nicht weiter auf. Als Urbild eines hochherrschaftlichen Butlers trug er zu seinem schwarzen Zweireiher und dem Eckkragen eine Melone und einen altväterlich gebundenen Regenschirm. Sein glattes, ausdrucksloses Gesicht verlieh ihm ein altersloses Aussehen.

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Butler Parker – 231 –

Parker lässt den "Onkel" schmoren

Günter Dönges

Butler Parker war konsterniert.

Er beobachtete die beiden etwa zehnjährigen Jungen, die aufgeweckt und sachkundig wirkten. Sie befanden sich wie er in einer Abteilung für Modeschmuck und hatten gerade zwei Halsketten in ihre Taschen verschwinden lassen. Nun widmeten sie sich zielbewußt modischen Uhren-Anhängern und nahmen eindeutig Maß. Sie konzentrierten sich auf reich verzierte Quarzuhren, die man leichtsinnigerweise auf einer Glasauflage deponiert hatte. Josuah Parker stand hinter einer mit Weckern bestückten Vitrine. Durch die Scheiben sah er die kleinen Einkäufer sehr genau. Sie hatten sich über die Quarzuhren gebeugt und sichteten ausgiebig.

Der Verkäuferin bediente inzwischen eine Kundin, warf jedoch häufig prüfende Blicke auf die Zehnjährigen. Als sie ihre Kundin abgefertigt hatte, wollte sie zu den Jungen hinübergehen, doch in diesem Moment erschien ein weiterer Käufer, um sich beraten zu lassen. Dieser Interessent war nach Parkers Schätzung etwa sechzehn Jahre alt und machte einen höchst selbstsicheren Eindruck...

Die Zehnjährigen nutzten ihre Möglichkeit.

Blitzschnell langten sie wieder zu und räumten etwa zehn Quarzuhren ab, die in den Taschen ihrer modischen Parkas verschwanden. Danach schlenderten die kleinen Diebe weiter, als wäre nichts geschehen. Der Sechzehnjährige schien übrigens nicht das gefunden zu haben, wonach er suchte. Er schüttelte verneinend den Kopf und ging weiter.

Parker tat es ihm nach.

Er fiel in dem weltbekannten Warenhaus in der Londoner City nicht weiter auf. Als Urbild eines hochherrschaftlichen Butlers trug er zu seinem schwarzen Zweireiher und dem Eckkragen eine Melone und einen altväterlich gebundenen Regenschirm. Sein glattes, ausdrucksloses Gesicht verlieh ihm ein altersloses Aussehen.

Der Butler folgte den beiden bargeldlosen Einkäufern unauffällig. Die Zehnjährigen kreuzten den Weg des Sechzehnjährigen, womit Parker schon fest gerechnet hatte. Die drei Jungen verschwanden für einen Augenblick hinter einer Dekorationswand. Nach Parkers Einschätzung fand jetzt ein Austausch der Beute statt.

Der Sechzehnjährige erschien vor einer Gruppe modisch ausstaffierter Puppen und strebte den Fahrstühlen zu. Die Zehnjährigen setzten dagegen ihren Beutezug fort und wechselten hinüber in die Spielwarenabteilung.

Josuah Parker mußte sich entscheiden.

Sollte er weiterhin die kleinen Ladendiebe beschatten? Oder war es sinnvoller, sich um den Sechzehnjährigen zu kümmern, der ungeduldig auf den Fahrstuhl wartete? Nun, Parker hatte inzwischen die Wahl getroffen. Sie galt dem Sechzehnjährigen, der wohl die Beute in Sicherheit bringen sollte.

Zusammen mit anderen Besuchern des Warenhauses fuhr man hinunter. Der junge Mann musterte Parker beiläufig, knetete mit seinen Zähnen hingebungsvoll einen Kaugummi und schien keinen Verdacht zu schöpfen. Einen Mann wie den Butler hielt er mit Sicherheit für harmlos.

In der Tiefgarage angekommen, schritt Parker würdevoll und gemessen zu seinem hochbeinigen Monstrum. Es handelte sich dabei um ein ehemaliges Londoner Taxi älterer Bauart, dem eigentlich bereits ein Ehrenplatz in einem Verkehrsmuseum gebührte. Hier angekommen, beobachtete Parker den noch sehr jungen Mann, der zielsicher einen Morris ansteuerte. Er öffnete den Kofferraum, schlug den Deckel wieder zu und ging zurück zum Fahrstuhl.

Als der Sammler von Beutegut verschwunden war, suchte Parker den Morris auf, dessen Kennzeichen er sich erst mal einprägte. Anschließend bemühte der Butler sein kleines Spezialbesteck, das dem eines passionierten Pfeifenrauchers ähnelte. Er brauchte nur wenige Sekunden, bis er das Schloß des Kofferraumes geöffnet hatte. Dann erlaubte sich Parker, ausgiebig zu staunen Im Kofferraum befand sich ein kleines Warenlager.

Der Butler entdeckte nicht nur den Modeschmuck und die Quarzuhren. Er fand auch Modell-Loks, Lederwaren und eine Kollektion von teuren Cashmere-Shawls. Man war bereits sehr intensiv in dem Warenhaus tätig gewesen.

Als Parker sich aufrichtete, hörte er in seinem Rücken ein feines Geräusch. Bevor er jedoch reagieren konnte, erhielt er einen harten Schlag auf die Melone, die ihm tief in die Stirn getrieben wurde.

Parker, keineswegs bewußtlos, täuschte diesen Zustand jedoch sicherheitshalber vor. Er knickte ein, legte sich über den Rand des Kofferraumes und nahm anschließend auf dem Betonboden der Tiefgarage malerisch Platz. Er wollte erst mal abwarten...

*

Parker hörte das Öffnen und Zuschlägen einer Wagentür. Wenig später wurde der Motor in Gang gesetzt. Der Butler, der knapp neben dem Heck des Wagens lag, unterdrückte einen aufkommenden Hustenreiz. Die Auspuffgase belästigten ihn nachdrücklich.

Deutlich war zu vernehmen, wie ein Gang eingelegt wurde. Instinktiv rollte Parker sich auf die Seite und entging so dem peinlichen Kontakt mit dem linken Hinterreifen des Wagens.

Man hatte ihn eindeutig überfahren wollen!

Während des seitlichen Wegrollens hatte der Butler seine konventionelle Kopfbedeckung wieder in die richtige Lage gebracht. Dicht an ihm vorbei rollten die Wagenräder. Und dann beugte der Fahrer sich auch noch aus dem geöffneten Fenster. Der Mann wollte sich vergewissern, daß er sein Opfer auch wirklich nachhaltig erwischt hatte.

Josuah Parker nutzte die Gelegenheit, den bleigefüllten Bambusgriff seines Universal-Schirmes einzusetzen. Er klopfte bei dem Fahrer kurz und hart an und benutzte als Zielfläche dessen Stirn. Der Getroffene, völlig überrascht, sackte sofort in sich zusammen und zeigte Wirkung.

Er gab dabei allerdings Vollgas und ließ den Wagen mit dem Heck gegen die Betonwand der Tiefgarage krachen. Ein durchaus häßliches Knirschen von Blech war zu vernehmen. Glas splitterte. Dann starb der Motor.

Parker öffnete die Wagentür und kümmerte sich um den Fahrer. Er hatte es mit einem Mann zu tun, der etwa dreißig Jahre zählte, eine dunkle Lederhose und eine schwarze Lederweste trug. Der Butler interessierte sich verständlicherweise für den Tascheninhalt und entdeckte zu seiner Überraschung eine Brieftasche, die er an sich nahm. Dann förderte er noch eine Automatic und ein Springmesser zutage. Mit einem durchschnittlichen Kriminellen hatte er es also ganz sicher nicht zu tun.

Josuah Parker wartete nicht, bis der Mann wieder zu sich kam. Er wechselte hinüber zu seinem hochbeinigen Monstrum, wie sein Wagen gern genannt wurde, setzte ihn in Bewegung und verließ die Tiefgarage. In der schmalen Seitenstraße, in die die Ausfahrt der Tiefgarage mündete, hielt er und harrte geduldig der Dinge, die seiner Ansicht nach kommen mußten.

Es dauerte knapp fünf Minuten, bis der lädierte Morris in der Ausfahrt erschien. Er war nicht mehr besonders fahrtüchtig, doch er ließ sich immerhin noch bewegen. Der Mann am Steuer war der Dreißigjährige, der den Morris zur nahen Durchgangsstraße brachte.

Parker löste sich vom Straßenrand und nahm diskret die Verfolgung auf. Er hatte die schwarze Melone abgenommen, um nicht erkannt zu werden. Sein ehemaliges Taxi fiel im dichten Straßenverkehr ohnehin nicht auf.

Der Morris passierte Blackfriars Bridge, ließ die Themse hinter sich und fädelte sich in den Verkehr von Southwark ein. Parker blieb dem Wagen diskret auf den Fersen und nahm zur Kenntnis, daß der Dreißigjährige den lädierten Morris schließlich durch eine Toreinfahrt in den Hinterhof einer Häuserzeile stellte. Im Erdgeschoß dieses Blocks waren Geschäfte, ein Eis-Café und eine kleine Zoohandlung untergebracht.

Josuah Parker fuhr weiter, bog in die nächste Seitenstraße und hielt hier. Er verließ seine Trickkiste auf Rädern, wie sein Wagen auch respektvoll genannt wurde, schritt gemessen zurück zur Hauptstraße und hielt Ausschau nach dem Dreißigjährigen.

Als Parker die Toreinfahrt passierte, entdeckte er den Fahrer des Morris. Er inspizierte gerade eingehend den Schaden am Heck des Wagens. Neben ihm stand ein wesentlich älterer Mann, der einen grauen Arbeitskittel trug, Parker aber leider den Rücken zuwandte.

Der Butler nahm zur Kenntnis, daß dieser ältere Mann eine blankpolierte Glatze besaß. Als die beiden Männer sich vom Wagen lösten, ging Parker weiter. Er wollte natürlich nicht entdeckt werden.

Der Butler wechselte die Straßenseite und betrat einen kleinen Gemischtwarenladen, in dem auch ein Post-Office untergebracht war. In einer Ecke des etwas chaotisch aussehenden Ladens befand sich ein Schalter für die Abwicklung der Postgeschäfte.

Parker kaufte eine Briefmarke und trat vor das Pult, das erfreulicherweise in der Nähe der Schaufensterscheibe aufgestellt war. Von hier aus konnte er die gegenüberliegende Straßenseite einsehen.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis der dreißigjährige Morris-Fahrer aus der Zoo-Handlung trat. Er zündete sich eine Zigarette an, überquerte die Straße und verschwand in einem Wohnblock.

Daraufhin trug Parker die frisch erworbene Briefmarke hinüber zur Zoo-Handlung.

*

Der glatzköpfige Fünfziger hatte ein volles, rundes Gesicht und zwei lustige, dunkelbraune Augen. Er hieß Paul P. Platters, wie auf dem Namensschild an der Eingangstür stand. Er beschäftigte sich gerade mit zwei Jungen, die sich für einen Hamster interessierten, der in einem geräumigen Käfig untergebracht war. Paul P. Platters richtete sich auf, als Josuah Parker das Ladenlokal betrat, und blickte seinen neuen Kunden erwartungsvoll an.

»Man erlaubt sich, einen wunderschönen Tag zu wünschen«, grüßte Parker und lüftete die schwarze Melone. »Mister Platters, wenn man sich nicht sehr irrt?«

»Paul P. Platters«, antwortete der Zoohändler und erkundigte sich dann nach Parkers Wünschen.

»Erst nach Ihren beiden Kunden, Mister Platters«, sagte Parker. »Alles sollte seine Ordnung haben.«

»Wir sind uns bereits einig geworden«, meinte der Besitzer und zwinkerte den Jungen zu. »Ich habe mich im Preis wieder mal drücken lassen. Weiß der Himmel, wie ich überhaupt noch zurechtkomme.«

Er holte den Hamster aus dem Käfig und setzte ihn behutsam in eine Transportschachtel. Dann kassierte er die Münzen, die über das Zahlbrett geschoben wurden, und brachte seine Kunden zur Ladentür. Als er sie wieder geschlossen hatte, wandte er sich an Parker.

»Womit kann ich dienen?« wollte er höflich wissen.

»Meine Wenigkeit sucht nach einer sogenannten diebischen Elster«, erwiderte Parker in seiner höflichen Art.

»Eine diebische Elster?« staunte Paul P. Platters gekonnt.

»Eine diebische Elster«, wiederholte der Butler. »Sie bot sich meiner bescheidenen Wenigkeit in der Gestalt eines jungen Mannes an, der etwa dreißig Jahre alt sein könnte und ein Fahrzeug der Marke Morris fuhr.«

»Ich verstehe kein Wort«, behauptete der Zoohändler und runzelte die Stirn. »Sagen Sie, reden wir aneinander vorbei?«

»Im Kofferraum des erwähnten Morris befindet sich ansehnliches Diebesgut«, erklärte Parker. »Falls Sie Wert darauf legen, woran sicher kaum zu zweifeln ist, sollte man vielleicht, gemeinsam einen Blick in den Kofferraum des Wagens werfen.«

»Da werfen Sie einiges durcheinander«, meinte der Zoohändler und lächelte mild. »Aber das werden wir gleich haben. Warten Sie, ich hole nur meine Wagenschlüssel.«

Während er noch redete, trat er hinter die Verkaufstheke und öffnete die Kassenlade. Als er die Hand wieder hervorzog, umspannten die Finger eine Automatic.

Keineswegs lange allerdings, wie sich zeigte ...

Josuah Parker hatte mit solch einer Eskalation der Dinge gerechnet und reagierte auf seine Weise. Mit dem bleigefütterten Griff seines Universal-Regenschirmes schlug er dem Zoohändler die Waffe aus der Hand. Der Mann war erst gar nicht dazu gekommen, die Automatic auf ihn zu richten.

Der freundliche Mr. Platters verwandelte sich gründlich.

Sein Gesicht nahm einen haßerfüllten Ausdruck an, seine Augen wurden glänzend. Er warf sich auf die Waffe, die vor seinem Regal lag, in dem Hunde- und Katzenfutter gelagert wurde. Seine rechte Hand langte blitzschnell nach der Automatic, doch sie erreichte die Waffe nicht.

Josuah Parker stieß mit der Spitze seines Schirmes in die rechte Gesäßhälfte des Zoohändlers und veranlaßte ihn auf diese Art, den Schwung noch zu intensivieren. Paul P. Platters verlor dadurch sein ursprüngliches Timing und rammte mit dem Kopf das Regal, das seine Standfestigkeit verlor.

Die ersten Packungen rutschten vor und regneten auf Platters hinunter. Der Mann verlor sein ursprüngliches Ziel aus den Augen und griff ins Leere.

»Sie sind hoffentlich gut versichert, Mister Platters«, sagte Josuah Parker und benutzte noch mal den Bambusgriff seines Regendaches. Er gebrauchte ihn diesmal in der Art eines Enterhakens und brachte das Regal aus der Senkrechten. Nach kurzem Ruck krachte es über dem Zoohändler zusammen und begrub ihn. Die diversen Futterpackungen ergossen sich über Platters, der danach nur noch andeutungsweise zu erkennen war.

Der Mann schlug verzweifelt um sich, richtete dabei ansehnlichen Flurschaden unter den Packungen an und tauchte endlich zwischen dem Trockenfutter auf. Er blickte den Butler entgeistert an und öffnete leichtsinnigerweise den Mund.

Parker schob ihm einen Hundekuchen in den Mund und lüftete höflich die schwarze Melone.

»Es dürfte sich laut Packungsaufschrift um eine pikante Mischung aus Pansen und Geflügelleber handeln«, sagte er zu Platters. »Hoffentlich wissen Sie die kleine Zwischenmahlzeit zu schätzen. Auf der Verkaufstheke finden Sie meine Visitenkarte. Meine Wenigkeit geht davon aus, daß Sie im Lauf des restlichen Nachmittags noch anrufen werden. Man wünscht noch einen ereignisreichen Tag.«

Josuah Parker verließ die kleine Zoohandlung, während Paul P. Platters sich mühsam aus den Köstlichkeiten für Vierbeiner hervorarbeitete.

*

»Sie wissen hoffentlich, Mister Parker, daß Sie alles völlig falsch angepackt haben«, sagte Lady Agatha Simpson. Sie befand sich in der großen Wohnhalle ihres altehrwürdigen Fachwerkhauses in Shepherd’s Market und maß ihren Butler mit vorwurfsvollem Blick.

Lady Agatha, die mit Sicherheit das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, war eine majestätische Erscheinung. Groß und mehr als nur vollschlank, verfügte die Dame über die eindrucksvollen Gesten einer Bühnen-Heroine.

Immens vermögend, fühlte sie sich als einmalig begabte Detektivin. Sie konnte sich jeden exzentrischen Wunsch erfüllen, war auf der anderen Seite aber oft sparsam bis zum schottischen Geiz.

Sie überschätzte sich grundsätzlich und ahnte kaum, daß der Butler stets seine schützende Hand über sie hielt.

»Ich hätte das alles völlig anders angepackt, Mister Parker«, meinte sie, als er auf ihre erste Bemerkung nicht eingegangen war. »Mir gegenüber hätte dieses Subjekt natürlich ein volles Geständnis abgelegt.«

»Mit letzter Sicherheit, Mylady.«

»Jetzt wird dieser Lümmel natürlich längst das Weite gesucht haben, Mister Parker.«

»Und wohl auch das Diebesgut beiseite geschafft haben, Mylady.«

»Das natürlich auch, Mister Parker.« Sie nickte grimmig und nachdrücklich. »Inzwischen dürften alle Spuren verwischt sein.«

»Eine Möglichkeit, Mylady, mit der man durchaus rechnen muß.«

»Sie haben mich um einen Fall gebracht«, warf sie ihrem Butler vor. »Von den kleinen Dieben mal ganz zu schweigen. Ich hätte sie natürlich pädagogisch betreut.«

»Mylady hätten die drei Jungen auf den sogenannten Pfad der Tugend zurückgebracht.«

»Nun ja, Sie sehen wenigstens ein, daß Sie wieder mal Fehler gemacht haben«, freute sie sich und nickte Parker wohlwollend zu. »Selbstverständlich muß ich noch mal eingreifen. Ich werde mir diesen Mann kaufen, Mister Parker.«

»Er dürfte sich bestimmt früher oder später freiwillig melden, Mylady.« Parkers Stimme klang gemessen und höflich wie stets.

»Freiwillig melden?« Sie lächelte wissend. »Er wird sich selbstverständlich hüten, Mister Parker.«

»Mister Paul P. Platters dürfte inzwischen wissen, daß meine Wenigkeit die Ehre hat, Mylady dienen zu können«, schickte Parker voraus. »Damit weiß der erwähnte Mister Platters, mit wem er es tatsächlich zu tun hat.«

»Mit mir natürlich, Mister Parker, daran besteht kein Zweifel.« Sie lächelte mild.

»Damit dürfte ihm bekannt sein, welche Gefahr von Mylady ausgehen.«

»Ich habe tatsächlich einen bestimmten Ruf in der Unterwelt. Ich bin gefürchtet.« Sie strahlte.

»Mister Paul P. Platters, Mylady, verfügt über eine Schußwaffe«, führte Parker behutsam und geduldig weiter aus. »Er war bereit, sie gegen meine Wenigkeit einzusetzen. Dies weist ihn als einen Gangster aus, der sicher nicht nur Halbwüchsige und Kinder als Diebe in Warenhäuser schickt.«

»Daran, Mister Parker, denke ich bereits die ganze Zeit«, behauptete Agatha Simpson. »Aber reden Sie nur weiter.«

»Man wird sicher versuchen, Mylady daran zu hindern, sich einzuschalten.«

»Das möchte ich mir aber auch ausgebeten haben, Mister Parker. Was vermute ich also? Ich hoffe, Sie haben sich ein paar gute Gedanken gemacht.«

»Mylady denken bestimmt bereits intensiv an die sogenannten Baby-Gangs.«

»Ununterbrochen«, schwindelte sie. »Und was soll das sein?«

»Es handelt sich bei der Bezeichnung Baby-Gang um eine Begriffsschöpfung der Presse, Mylady«, erläuterte der Butler. »In jüngster Zeit muß die Polizei sich immer wieder mit kleinen Gangs auseinandersetzen, deren Mitglieder Halbwüchsige und sogar Kinder sind.«