Der Himmel über Hawaii - Elizabeth Lowell - E-Book
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Der Himmel über Hawaii E-Book

Elizabeth Lowell

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Beschreibung

Zwischen Palmen und Vulkangestein – zweite Chance für die Liebe an Hawaiis paradiesischer Küste Vulkanologe Dr. Chase Wilcox weiß, wie es sich anfühlt, alles zu verlieren. Seit seine Ehefrau ihm den Rücken kehrte und mit der gemeinsamen Tochter verschwand, ist er ein emotionales Wrack – weshalb bei ihm auch alle Alarmglocken läuten, als sein verheirateter Bruder am Telefon verliebt von der hinreißenden Tänzerin Nicole Ballard schwärmt! Kurzerhand beschließt er, nach Hawaii zu fliegen, um die gefährlichen Funken der Liebe zu löschen und das Familienglück seines Bruders zu retten. Vor Ort stellt sich allerdings heraus, dass Nicole nicht nur eine begabte Tänzerin ist, sondern auch noch eine äußerst scharfsinnige Wissenschaftlerin und alles andere als interessiert an amourösen Abenteuern … Und auf einmal ist es Chase, der Gefahr läuft, sein Herz ein weiteres Mal zu verbrennen. A match made in Hawaii – Atmosphärische Love-and-Landscape-Romance für Fans von Marie Force und Nora Roberts! »Elizabeth Lowell ist unvergleichlich!« Romantic Times

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Seitenzahl: 497

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Über dieses Buch:

Vulkanologe Dr. Chase Wilcox weiß, wie es sich anfühlt, alles zu verlieren. Seit seine Ehefrau ihm den Rücken kehrte und mit der gemeinsamen Tochter verschwand, ist er ein emotionales Wrack – weshalb bei ihm auch alle Alarmglocken läuten, als sein verheirateter Bruder am Telefon verliebt von der hinreißenden Tänzerin Nicole Ballard schwärmt! Kurzerhand beschließt er, nach Hawaii zu fliegen, um die gefährlichen Funken der Liebe zu löschen und das Familienglück seines Bruders zu retten. Vor Ort stellt sich allerdings heraus, dass Nicole nicht nur eine begabte Tänzerin ist, sondern auch noch eine äußerst scharfsinnige Wissenschaftlerin und alles andere als interessiert an amourösen Abenteuern … Und auf einmal ist es Chase, der Gefahr läuft, sein Herz ein weiteres Mal zu verbrennen.

Über die Autorin:

Elizabeth Lowell ist das Pseudonym der preisgekrönten amerikanischen Bestsellerautorin Ann Maxwell, unter dem sie zahlreiche ebenso spannende wie romantische Romane verfasste. Sie wurde mehrfach mit dem Romantic Times Award ausgezeichnet und stand bereits mit mehr als 30 Romanen auf der New York Times Bestsellerliste.

Die Website der Autorin: elizabethlowell.com

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin »Der weite Horizont Australiens« sowie »Der Himmel über Hawaii«, ihre historischen Liebesromane »Begehrt von einem Ritter«, »Verführt von einem Ritter« und »Geküsst von einem Ritter« sowie ihren Thriller »48 Hours – Rette dein Kind« Außerdem veröffentlichte sie ihre Romantic-Suspense-Romane »Dangerous Games – Dunkles Verlangen«, »Dangerous Games – Tödliche Gier« und die Donovan-Saga mit den Bänden »Thrill of Desire«, »Thrill of Seduction«, »Thrill of Passion« und »Thrill of Temptation«.

***

eBook-Neuausgabe Juli 2024

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2002 unter dem Originaltitel »Eden Burning« bei William Morrow,an Imprint of Harper-Collins Publishers Inc., New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2003 unter dem Titel »Flammendes Paradies« bei Goldmann.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2002 byTwo of a Kind Inc., based on Fires of Eden

Copyright © by Ann Maxwell, Writing as Elizabeth Lowell.

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2003 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98952-162-9

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Elizabeth Lowell

Der Himmel über Hawaii

Roman

Aus dem Amerikanischen von Sabine Beckmann

dotbooks.

Widmung

Für all jene, die je davon geträumt haben,

sich im Paradies zu verlieben.

Prolog

»So eine Frau hast du noch nie gesehen. Das Foto, das wir dir geschickt haben, wird ihr einfach nicht gerecht. Kein Foto könnte das.«

Chase Wilcox saß in Oregon auf dem Rand eines Motelbettes (denn die Stühle waren alle mit Stapeln von Berichten belegt) und betrachtete misstrauisch das Telefon angesichts der offensichtlichen Zuneigung, die aus der Stimme seines jüngeren Bruders Dane zu hören war. Seines verheirateten jüngeren Bruders. Des jüngeren Bruders, der eine wunderbare Frau und zwei prächtige Kinder hatte. Desselben jüngeren Bruders, der nicht aufhören konnte, von irgend so einer unglaublich tollen Bartänzerin zu reden, die seiner Tochter Tanzstunden für Hula gab.

Mein Gott, ausgerechnet Hula!

Nicht dass Chase etwas dagegen gehabt hätte, wenn seine Nichte Sandi diesen Tanz lernte. Er hatte noch nicht oft gesehen, wie Hula getanzt wurde, und es hatte nach guter Gymnastik ausgesehen. Das Problem war Sandis Daddy. Er war für Chase’ Geschmack viel zu angetan von der Lehrerin.

Diese Lehrerin sah so sexy aus, als könnte sie einen Stein in Flammen setzen.

Fast widerwillig berührte er das mit dem Bild nach unten liegende Foto, das mit dem letzten Brief seines Bruders aus Hawaii gekommen war. In der Hoffnung, dass es doch nicht so eindrücklich war, wie er es in Erinnerung hatte, drehte er es langsam um.

Es war noch ausdrucksstärker.

Die Lust traf ihn so hart, tief und heiß, wie sie nicht einmal seine wunderschöne, geschickt sexuell manipulierende Exfrau in ihm hatte hervorrufen können.

Die Frau auf dem Schnappschuss war fotografiert worden, als sie Chase’ kleine Tochter in den Armen hielt und sie herumwirbelte. Lisa lachte unglaublich gelöst. Er hatte befürchtet, diesen Ausdruck nie wieder zu sehen, nachdem ihre Mutter sie so gemein, fast grausam behandelt hatte. Dafür, dass sie Lisa geholfen hatte, war er Danes Frau Jan sehr dankbar. Jan war sanft und geduldig, andere zu lieben war ihr so selbstverständlich wie das Atmen.

Chase war der Tänzerin »Pele« für etwas ganz anderes dankbar. Dieser Frau mit den hüftlangen, flammend roten Haaren und den leuchtend goldenen Katzenauen. Pele, die Erotik ausstrahlte wie ein Feuer die Hitze. Er konnte nicht erkennen, was sie unter all dem brennenden Haar für einen Körper hatte, aber Chase war sicher, dass ihr Körper von der Bauart war, wie ein Showgirl ihn brauchte. Frauen, die sich auf der Bühne vor grölenden, geifernden Männern präsentierten, hatten gewöhnlich auch etwas vorzuweisen.

»He, Bruderherz, bist du noch da oder bringst du inzwischen deinen Schnurrbart in Form?«, fragte Dane.

»Ja, ich bin da und höre gähnend zu, wie du fast überschäumst vor lauter Lob irgendeiner exotischen Tänzerin, die nicht deine Frau ist.«

Dane in Hawaii lachte, obwohl er auch die Stirn runzelte angesichts der bissigen Einstellung seines Bruders zur Menschheit im Allgemeinen und Frauen im Besonderen – mit Ausnahme von Jan, seiner Schwägerin. Seine Gefühle für sie waren ebenso sanft wie die für seine Tochter. Nur deswegen hatte Dane noch immer die Hoffnung, dass sein Bruder eines Tages die Bitterkeit überwinden könnte, die von ihm Besitz ergriffen hatte, als er damals das Sorgerecht für seine Tochter verlor.

»He, mach dir da keine Sorgen. Jan ist sogar besonders begeistert von Nicole«, sagte Dane. »Sie kann gut mit Kindern umgehen und hat großes künstlerisches Talent. Warte nur ab, bis du ihre Zeichnungen gesehen hast, dann wirst du verstehen, warum wir denken, sie sollte die Illustrationen für ...«

Während sein Bruder immer weiter von Nicoles alias Peles Fähigkeiten als Künstlerin und als wissenschaftliche Illustratorin schwärmte, trommelte Chase mit schwieligen Fingern leise auf dem Schreibtisch des unverbindlichen Motelzimmers, das zur Zeit sein Heim war. Draußen vor dem Fenster, unsichtbar hinter der gewohnten Wolkendecke des pazifischen Nordwestens, dampfte und brodelte der zerrissene Kegel des Mount Saint Helen und wartete darauf, dass die Kraft von Innen wieder seine Spitze absprengte.

Chase würde nicht ganz so lange warten müssen, bis er selbst explodierte. Er hatte genug davon, dass sein Bruder immer weiter von jener Idealfrau schwärmte, die ganz zufällig eine Bartänzerin war. Jan mochte zu sanft und gutgläubig sein, um zu sehen, welche Gefahr sie für ihre Ehe darstellte, Chase war das aber ganz und gar nicht. Da er einst mit einer wunderschönen Ehezerstörerin verheiratet gewesen war, fiel es ihm nicht weiter schwer, eine Frau von dieser Sorte zu erkennen, wenn sie ihre Hüften vor seinem kleinen Bruder schwenkte.

Plötzlich beschloss Chase, dass er nicht länger warten konnte. Seine Lebensaufgabe war es, die Rückkehr des Lebens auf vernarbten Vulkanhängen zu untersuchen. Er hatte keine Lust, seinem Bruder dabei helfen zu müssen, die Zerstörung zu überstehen, die die Tänzerin Pele mit sich bringen würde. Chase kannte sich zu gut aus mit jener Art von Leiden – die betäubenden Selbstzweifel, die Verzweiflung, der kalte Hass. Er würde nicht zulassen, dass so etwas Dane, seiner Frau oder den Kindern geschah.

Mit der Rücksichtslosigkeit des älteren Bruders unterbrach Chase Dane mitten im Wort. »Ich habe eine Zusage bekommen, Kipukas zu erforschen. Ich komme also nach Hawaii, sobald ich hier ein paar Kleinigkeiten abgeschlossen habe.«

»Wirklich?«, sagte Dane sofort. »Lisa wird sich schrecklich freuen. Sie vermisst dich.«

»Nicht so sehr, wie ich sie vermisse.«

Seine Stimme klang rau. Er hatte nicht gewusst, wie sehr er seine Tochter liebte, bis er vor zwei Jahren vor Gericht stand und seine Wut gegen einen Richter unterdrückte, der zu sehr von Lynettes engelhafter Schönheit geblendet gewesen war, um die absolut egoistische Persönlichkeit darunter zu erkennen. Lisa – die sanfte, scheue, kluge Lisa, ein kleines Mädchen, das gerade fünf Jahre alt geworden war – wurde in die alleinige Sorge einer Frau gegeben, der man nicht einmal die Sorge für eine Kiesgrube hätte übertragen sollen.

Chase’ Hand schloss sich zur Faust als Reaktion auf den Schmerz darüber, dass er von seiner Tochter getrennt war. Er sehnte sich danach, sie in die Arme zu nehmen und zu spüren, wie ihre kleinen Finger seine »Kuschelhaare« auf der Brust tätschelten und er kleine Schmetterlingsküsschen auf ihre Wange drückte. Er brauchte das Gefühl, sie seiner Liebe zu versichern, um sich selbst darüber klar zu werden, ob die Sünden ihrer Eltern das Selbstwertgefühl des kleinen Mädchens nicht für immer geschädigt hatten.

»Es war völlig richtig von dir, sie bei uns zu lassen, nachdem diese Schlampe sie einfach vor deiner Tür abgesetzt hatte«, sagte Dane schnell. »Es ist eben einfach nicht möglich, sie mitzunehmen, wenn du über die Hänge von Mount Saint Helen oder deine geliebten südamerikanischen Vulkane kriechst, besonders weil sie sich ja erst einmal von der Lungenentzündung erholen musste. Und selbst wenn du ein wirklich gutes Kindermädchen gefunden hättest, na ja, das ist eben einfach nicht dasselbe wie eine Familie.«

»Ich weiß.« Chase’ Stimme klang müde und ärgerlich. Er war müde und ärgerlich.

Es sah ganz so aus, als hätte er seit jener letzten Verhandlung, in der es um das Sorgerecht ging, viel Zeit in diesem Zustand verbracht. Ganz sicher hatte es in den letzten Wochen in seinem Leben zu viel Arbeit und Ärger gegeben. Er hatte achtzehn Stunden am Tag gearbeitet, um seine alten Projekte abzuschließen, damit er bald eine Woche Zeit für Hawaii hatte und dort sein neues Projekt in die Wege leiten konnte. Jetzt müsste er dort auch noch das Leben seines dummen jüngeren Bruders wieder in Ordnung bringen. Danach würde Chase sich dann endlich für mindestens zehn Jahre mit Lisa auf der »großen Insel« Hawaii ansiedeln können, um zu untersuchen, wie sich dort in faszinierender Weise das Gleichgewicht von Zerstörung und Schöpfung einstellte und wie es dem Leben in seiner Sturheit immer wieder gelang, auf die Beine zu kommen, so schwierig es auch sein mochte.

»Nach dem Leben bei Lynette brauchte Lisa die Sicherheit einer Familie, die sie liebt, und einer Frau wie Jan«, sagte Chase und gab sich Mühe, die alte Bitterkeit nicht in seiner Stimme hörbar werden zu lassen. »Lisa brauchte das Gefühl, von einer Mutter geliebt zu werden und sie lieben zu können. Wenn ich das Lächeln auf den Fotos sehe, die du mir geschickt hast, weiß ich, dass ich dir und Jan mehr Dank schulde, als ich je geben kann.«

»War uns ein Vergnügen. Und vergiss Nicole nicht. Sie kann wirklich gut mit Kindern umgehen. Sie und Lisa –«

»Oh, ich vergesse Nicole bestimmt nicht«, unterbrach ihn Chase. »Das verspreche ich dir. Gib Jan einen dicken Kuss von mir.« Und dir selbst einen kräftigen Tritt in den Hintern, weil du so leichtgläubig bist, fügte er im Stillen hinzu.

Er legte auf und starrte hinunter auf die Fotos von Lisa mit Dane, Lisa mit Danes Kindern, Lisa und Jan, Lisa, die neben einem der riesigen Baumfarne von Hilo winzig wirkte, Lisa, die schüchtern hinauflächelte zu einem dunkelhaarigen, gebräunten hawaiianischen Jungen, dessen Gesicht darauf schließen ließ, dass er einmal stark und schön werden würde. Genau wie Lisa. Obwohl erst sieben Jahre alt, war sie so reizend, dass die Leute sie oft anstarrten.

Wie ihre Mutter, war sie beinah zu schön, um wirklich zu sein.

Doch im Gegensatz zu Lynette war Lisa auch verletzlich. Um ihretwillen und um Danes willen musste die hüftenschwingende, Hula tanzende Ehezerstörerin verschwinden.

Chase hoffte nur, dass sein kleiner Bruder nicht in den paar Wochen, bis er nach Hawaii kam, alles hoffnungslos in den Sand setzte.

Kapitel 1

»Du wirst schon sehen«, sagte Dane und sah seinen älteren Bruder schelmisch an. »Es wird mir großes Vergnügen bereiten zu sagen: ›Ich hab’s dir doch gesagt‹. Nichts auf der Welt ist vergleichbar mit Nicole, wenn sie tanzt.«

Chase unterdrückte, was ihm zum Thema Hormone und dumme Männer in den Sinn kam. Es half ihm ein wenig, wenn er nicht weiter auf seinen Bruder achtete. Wenn er Dane und sein selbstgefälliges Lächeln jetzt ansah, würde er ihm womöglich einen Schwinger versetzen.

Im schwachen Licht des Kipuka Clubs betrachtete Dane Chase’ Gesicht, in der Hoffnung, so etwas wie versteckte Begeisterung oder wenigstens Interesse am Thema Nicole darin zu entdecken. Doch er sah nichts als harte Kanten, das helle Blitzen grauer Augen, das Tintenschwarz der kurzen Haare und des Schnurrbarts seines Bruders. Falls Chase noch etwas anderes außer Langeweile und Müdigkeit empfand, ließ er es keinen bemerken, nicht einmal seinen jüngeren Bruder.

Mit leichtem Stirnrunzeln wandte Dane den Blick ab, erinnerte sich an eine andere Zeit, einen völlig anderen Mann, der jünger gewesen war und über Witze lachen und über einen kleinen Hund lächeln konnte, der hinter einem Ball hersauste. Doch das war VDH gewesen: vor der Hexe. Nach Lynette hatte Chase kaum noch gelächelt und noch seltener gelacht. Obwohl Dane Mitgefühl hatte – wer wollte sich schon gern von einer hübschen Hexe das Fell über die Ohren ziehen lassen –, meinte er, dass es für seinen älteren Bruder schon längst an der Zeit wäre, seinen Fehler zu überwinden und sich des Lebens wieder zu erfreuen. Schließlich war Chase nicht der erste Mann auf der Welt, der seine Ehe in den Sand gesetzt hatte.

Dane und Jan hatten sich oft Sorgen um ihn gemacht, nachdem er den Kampf um das Sorgerecht verloren hatte. Sie machten sich immer noch Sorgen. Darum hatten sie auch beschlossen, dass Hawaii genau der richtige Platz für Chase war, um wieder zu sich zu kommen.

Und Nicole Ballard war genau die richtige Frau, um ihm zu beweisen, dass Jan nicht die einzige großzügige, sanfte, liebende Frau war, die es gab.

Chase trank sein Bier und wartete, dass die heiße Bartänzerin auf die Bühne kam, um ihren Körper bewundern zu lassen. Der Ärger, der in seinem Innern kochte, war von außen genauso unsichtbar wie die glühende Lava im lebendigen Herzen eines Vulkans. Er war ein Mann, der auf die harte Art gelernt hatte, dass Gefühle verräterisch waren, besonders wenn es um schöne Frauen ging.

Und heute Abend ging es ganz sicher um eine schöne Frau.

Obwohl sieben Tage vergangen waren, seit Chase Nicole Ballard auf jenem Schnappschuss gesehen hatte, brannte das Bild immer noch in seinen Gedanken. Und zwischen seinen Beinen. Die Frau auf dem Bild war nichts als Sex, Gelenkigkeit und Energie, mit langem goldrotem Haar, das sie umflog, während sie sich mit einem lachenden Kind in den Armen drehte.

Als er die massive erotische Wirkung des Schnappschusses auf seinen Körper überwunden hatte, faszinierte ihn die Mischung aus Intelligenz und Vitalität, die Nicoles Gesicht ausstrahlte. Doch beim nächsten Atemzug traf es ihn dann wieder genauso heftig wie zuvor, der Anblick der sinnlichen, feurigen Wolke ihres Haars und das Glück im Gesicht seiner Tochter, die so im Herzen des Feuers herumgewirbelt wurde. Pele, die Frau des Feuers.

Das Bild verfolgte Chase.

Es war kein angenehmes Gefühl. Jedes Mal, wenn er das Foto betrachtete, fiel ihm wieder ein, wie leicht Lynette ihn zum Narren gehalten hatte und wie verletzlich Dane war. Jeder Mann wäre das an seiner Stelle. Jan hatte dieser rothaarigen Versucherin, die sich ins tägliche Leben der Familie einzuschleichen versuchte, nichts entgegenzusetzen.

Keine Frau konnte Nicole etwas entgegensetzen.

Jedes Mal, wenn er den leicht unscharfen Schnappschuss betrachtete, traf es ihn wie ein Schlag ins Herz, und etwas wie ein Stoß fuhr durch seinen Körper. Immer wenn das geschah, wurde sein Ärger noch hitziger und dringlicher. Dane konnte einer solchen Versuchung unmöglich lange widerstehen.

Kein Mann könnte das.

Darum saß Chase jetzt in einem privaten Nachtclub in Hilo, sein Körper litt unter Jetlag, und sein Verstand war angefüllt mit all dem, was er beruflich hinter sich gelassen und was er beruflich und privat vor sich hatte. Er war früher als geplant nach Hawaii gekommen. Er versuchte immer noch Faxe, E-Mails und ungläubige Anrufe von den Vulkanologen umzulenken, die er auf zwei verschiedenen Kontinenten beaufsichtigt hatte.

Was schlimmer war: Er hatte nicht einmal Zeit gehabt, seine Koffer auszupacken oder zu duschen, bevor Dane ihn mit in den Kipuka Club geschleppt hatte, damit er Pele tanzen sehen konnte.

In diesem Augenblick fühlte sich Chase müde, verärgert und überhaupt barbarisch genug, um sein Fleisch roh zu essen. Bei genauerer Betrachtung war das genau die richtige Stimmung, um einer ehrgeizigen Bartänzerin entgegenzutreten. Unglücklicherweise liefen Jan, Lisa und Sandi hinter der Bühne herum, also würde heute Abend wohl nichts passieren.

Er wusste, dass er eigentlich dankbar für diese Verzögerung sein müsste. Er war nicht in ausreichend guter Verfassung, um jene Art von kaltblütigem Krieg durchstehen zu können, wie ihn eine zweite Lynette erforderte.

Er war aber nicht dankbar. Er wollte nur die ganze hässliche Sache hinter sich bringen, um sich auf seine Tochter und Hawaiis berühmte Vulkane konzentrieren zu können.

Mit einem verborgenen Blick aus eishellen Augen betrachtete er seinen jüngeren Bruder. Man musste nicht Gedanken lesen können, um zu sehen, dass Dane ganz nervös war vor Ungeduld, Pele endlich zu sehen. Nicht zum ersten Mal fragte sich Chase, wie tief die rothaarige Jägerin ihre Klauen schon in seinen vertrauensvollen Bruder geschlagen hatte. Offensichtlich nicht so tief, wie sie wollte, sonst würde Dane sich ja scheiden lassen wollen.

Tja, sah ganz so aus, als würde Pele kein Glück haben, sagte sich Chase grimmig. Sie wusste es noch nicht, aber ihr kleiner Hulatanz für Dane war vorüber. Sie würde sich aufmachen müssen, einen anderen reichen, vertrauensvollen Dummkopf zu finden.

Unbewusst bewegte sich Chase, als stände er hinter der Sturmlinie und riefe Zahlen in Erwartung dessen, dass der Football klatschend in seine Hände flöge. Er wollte das Spiel zu Ende bringen, nahe genug an Pele herankommen, um ihre Gier gegen sie selbst wenden zu können. Dann würde er einen Keil in die Sache treiben und sie bis nach unten spalten, damit endlich die Bedrohung für die Ehe seines Bruders zu Ende war.

Bis dieser Augenblick kam, konnte er nur warten, sämtliche Muskeln gespannt, weil es ihm so schwerfiel, seine Abscheu zu verstecken. Er gab sich Mühe, seine Gefühle gut zu verbergen. Er wusste, dass Dane die Frau für tugendhaft, intelligent, warm, liebevoll, freundlich und all das andere hielt, was Frauen als Lüge und Verlockung einsetzten, um leichtgläubige Männer herumzukriegen.

Chase war nicht mehr leichtgläubig. Lynette hatte ihn davon durch und durch kuriert. Jedes letzte Restchen von Illusion, das er noch in Bezug auf den weiblichen Charakter gehabt haben mochte, war verflogen, als Lynette ihn vor sechs Wochen angerufen und ihm verkündet hatte, sie wäre seiner kränklichen Tochter jetzt müde, ihr neuer Freund hasse weinerliche Kinder, und so könne Chase sie ruhig wiederhaben. Für immer. Sie wolle die Blage nie wieder sehen.

Es war typisch für Lynette, dass Lisa in der Nähe gestanden und zugehört hatte, als ihre Mutter sie fallen ließ.

Schon bei der Erinnerung an diese beiläufige Art von Grausamkeit spannte sich Chase’ ganzer Körper vor Wut. Er hatte geheiratet, weil er sich ein Kind gewünscht und gedacht hatte, Lynette ginge es ebenso. Bald war klar geworden, dass sie Lisa überhaupt nicht wollte; sie hatte nur selten Lust, das Baby auch auf den Arm zu nehmen. Er hatte geglaubt, sie brauche einfach Zeit, weil vielleicht nicht alle Frauen von Natur aus mütterliche Gefühle hatten.

Falsch.

Nichts hatte sich geändert, es war nur schlimmer geworden. Bis Lisa vier Jahre alt war, hatte Lynette schon eine ganze Reihe von Gigolos verschlissen. Als Chase sie gebeten hatte, zu einem Eheberater oder Psychiater zu gehen, hatte sie gelacht und erklärt, sie brauche nichts als mehr Geld von ihm. Ihr wäre langweilig, und deswegen ließe sie sich mit anderen Männern ein.

Chase hatte sich geweigert, Lynette mehr Geld zu geben. Als Nächstes kam sie ohne Vorankündigung mit den Scheidungspapieren und forderte alleiniges Sorgerecht für Lisa mit der Behauptung, eine Tochter brauche ihre Mutter, und Chase wäre sowieso ständig unterwegs. Was sie wirklich gewollt hatte, war Zugang zum Reichtum der Familie Wilcox.

Der Richter war schwach geworden angesichts von Lynettes kleinem, herzförmigem Gesicht und den mit leiser Stimme vorgebrachten Lügen über die Freuden der Mutterschaft. Und so blieb Chase ohne Frau, ohne Kind – mit Ausnahme ganz geringer Besuchsrechte – und ohne Illusionen darüber, was Frauen wirklich von Männern wollten.

Mutterschaft, so ein Blödsinn. Lynette hatte sich mit Lisa über Wasser gehalten, bis sie einen anderen reichen Dummkopf gefunden hatte, den sie heiraten konnte.

Chase war dankbar, seine Tochter zurückzuhaben, obwohl das zu keinem schlimmeren Zeitpunkt hätte kommen können, was seine berufliche Situation betraf. Als Lynette anrief, war er in Mexiko gewesen, um drei Personen zu helfen, die sich in einer Notlage befanden. Der Leiter einer Expedition hatte eine Lunge voll giftiger Gase des Vulkans El Chichon abbekommen. Ihm war ein Monat Aufenthalt in einem Krankenhaus auf Meereshöhe verordnet worden. Chase hatte die Aufsicht über das Projekt übernommen, damit die Forschungsarbeiten nicht auf halbem Weg abgebrochen werden mussten.

Als wäre das noch nicht genug gewesen, begann auch der Mount Saint Helens zu rumoren, rumpelte und schwoll, und Chase hatte nur drei Monate vor dem Abschluss des ersten Teils einer Langzeitstudie über die Rückkehr des Lebens auf die verwüsteten Hänge des Vulkans gestanden.

Weder El Chichon noch Mount Saint Helens war ein geeigneter Ort für ein dünnes, scheues siebenjähriges Kind, das sich noch von einer Lungenentzündung erholen musste.

Chase hatte sich schon hingesetzt und einen Brief angefangen, in dem er von der Mount-Saint-Helens-Studie zurücktrat, als Jan ihn anrief und fragte, ob er einverstanden wäre, wenn Lisa für den Sommer bei ihnen auf Hawaii blieb. Es war typisch für Jan gewesen, dass sie ihre Frage so klingen ließ, als würde Chase ihr einen Gefallen tun, wenn er Lisa erlaubte, bei ihnen zu sein.

Verdammter Idiot, dachte Chase ärgerlich und betrachtete das dunkle, wohlgeformte Profil seines Bruders. Wusste Dane denn nicht, was für einen unglaublich seltenen Schatz er in Jan besaß? Sie war die leuchtende Ausnahme von der bitteren Regel, dass Frauen Huren waren, die sich an den Mann mit dem höchsten Gebot verkauften.

Also warum in aller Teufel Namen war Dane hinter irgend so einer tollen Stripperin her?

Chase hatte unter dem Tisch die Hände zu Fäusten geballt. Er wünschte, er wäre nur beruflich als Vulkanologe auf Hawaii und nicht als unerwünschter Eheberater. Für ihn war Hawaii nicht die »Große Insel«, sondern die Vulkaninsel, das brennende Paradies, in dem die größten und aktivsten Vulkane der Welt lagen. Er gehörte hinauf auf die klaren Hänge der Berge, nicht an einem Donnerstagabend in irgendeinen düsteren Club in Erwartung der Tussi, wegen der sich sein jüngerer Bruder zum Narren machte.

» ... ist mein Bruder, Dr. Chase Wilcox«, sagte Dane und schubste seinen Bruder unter dem Tisch unsanft an.

Automatisch wandte Chase seine Aufmerksamkeit von den bitteren Gedanken ab, die in seinem Hirn spukten. Er hob die Lippen zu einem höflichen Lächeln und stand auf, um wieder einem Vulkan beobachtenden Wissenschaftler, einem Ethnologen von der Universität oder einem Eingeborenen von Hilo vorgestellt zu werden. Das Kipuka war ein Club nur für Mitglieder, der von verschiedenen Universitätsleuten getragen wurde, zusammen mit Vulkanwanderern, Wissenschaftlern und Freiwilligen, aber auch eingeborenen Hawaiianern wie Bobby Kamehameda, dem Clubbesitzer, der auch für die Tänzer Schlagzeug spielte.

Als Chase aufstand, um Bobby die Hand zu geben, war er überrascht. Mit einem Meter zweiundneunzig und von Natur aus kräftiger Statur war er gewöhnlich der mächtigste Mann in jedem Raum.

Bobby war mächtiger. Viel mächtiger. Mindestens zehn Zentimeter größer, aber auch um die dreißig Kilo schwerer als Chase. Bobby besaß die verräterisch glatte, fast weich wirkende Erscheinung, wie sie bei vollblütigen Polynesiern oft vorkommt.

Chase wusste allerdings, dass man sich auf die glatte Oberfläche nicht verlassen durfte. Er hatte schon mit mehr als einem Inselbewohner Football gespielt. Sie rammten einen wie ein fallender Berg und fühlten sich auch genauso hart an. Bobbys Kraft war an seinem ruhigen Blick und dem kräftigen Handschlag gut zu erkennen.

»Jemanden wie Sie hätte ich im College gebrauchen können.« Während Chase sprach, wurde sein Lächeln weniger beruflich, eher persönlich. »Die Verteidigung hat mich immer in den Boden gerammt.«

»Spielen Sie profimäßig?«

»Nee, zu klein.«

Bobby lachte und glaubte ihm kein Wort. »Wohl eher zu schlau. Dane hat mir unter anderem von Ihrem Mount-Saint- Helens-Projekt erzählt. Es ist Hawaii eine Ehre, Sie hier zu haben.« Plötzlich grinste der große Mann. »Selbst wenn Sie wieder einer von diesen verdammten reichen Haoles sind.«

Chase lachte erfreut auf angesichts der unerwarteten scherzhaften Provokation. Er ließ Bobbys Hand los, aber der Hawaiianer fasste sofort wieder danach. Breite, stumpfe Fingerspitzen folgten den Schwielen an Chase’ Handflächen und Fingern.

»Sach mir nur nich, der trommelt«, sagte Bobby in lässigem Pidgin-Englisch zu Dane.

Es war nicht das wirkliche Pidgin der Insel, denn das hätten nur Einheimische verstehen können. Bobby sprach eine lässige Version von Englisch, die sich in der kulturellen Hefe der vielsprachigen Inseln entwickelt hatte.

»Frach nich«, gab Dane zurück und grinste.

Bobby sagte etwas in melodischem Hawaiianisch, von dem Chase vermutete, dass es alles andere als musikalische Bedeutung hatte.

Danes Grinsen wurde noch breiter.

»Freunde«, sagte Bobby sehr würdevoll und wieder in vollendetem Englisch, »sollten in Bezug auf Fragen von derart großer, ja weit reichender Bedeutung nicht zu fragen brauchen.« Er legte Chase freundschaftlich einen massigen Arm um die Schultern. »Du bist mein Bruder. Lange hierbleiben, sicher-sicher.«

Chase betrachtete die Sammlung von modernen Bongos, die in einer Ecke der Bühne aufgestellt waren und nickte. »Gut, dass du in dieser Beziehung nicht zu sehr an der Tradition hängst. Auf Holzbalken zu trommeln hat mich noch nie besonders angesprochen.«

»Meine Vorfahren lebten, so gut sie konnten, so lange sie konnten und haben sich immer das Beste angeeignet, das gerade verfügbar war.« In den schwarzen Augen des Hawaiianers glitzerten Vergnügen und Intelligenz. »Das ist die einzige hawaiianische Tradition, an der ich mich festzuhalten bemühe. Die Poi und die sechzig Pfund schweren Surfbretter überlasse ich den verrückten Haoles.«

»Ich bin zwar verrückt, aber so verrückt auch wieder nicht«, sagte Chase und gab Bobby einen freundlichen Schlag auf die Schulter, bei dem die meisten Männer aus dem Gleichgewicht gekommen wären.

Bobby grinste und erwiderte den Schlag.

Dane lachte, und es klang beinahe erleichtert. Jan hatte vorausgesagt, dass Chase und der manchmal etwas bissige Hawaiianer sich spontan mögen würden, während Dane so seine Zweifel gehabt hatte. Manche großen Männer hatten es nicht gern, wenn andere Männer in ihrer Nähe groß waren. Chase gehörte nicht zu ihnen. Er war erleichtert zu sehen, dass es bei Bobby ähnlich war. Seit Nicole Dane und Jan vor einem Monat in den Club eingeführt hatte, hatten sie mehr neue Freundschaften geschlossen als in den ganzen zwei Jahren, die sie auf der Insel waren. Bobby Kamehameha war einer dieser Freunde.

Die Lichter flackerten heftig.

»Die Haoles«, sagte Bobby nachdenklich, »sind heute Abend unruhig. Kann ich ihnen nicht vorwerfen. Pele ist wieder da. Sie kann den Fels von Mauna Loa wieder zum Schmelzen und Fließen bringen. Muss gehn, schnell-schnell.«

Mit diesen Worten versetzte Bobby Chase noch einen freundlichen Schlag und stieg auf die Bühne.

Dane sah zu seinem älteren Bruder hinüber. »Bobby hat einen Doktor in mittelalterlicher Ikonographie. Und einen zweiten in nonverbaler Kommunikation.«

»Kann ich mir vorstellen. Nachdem ich den kennen gelernt habe, kann ich mir alles vorstellen.« Chase hatte plötzlich einen hoffnungsvollen Gedanken. »Ist er Peles Liebhaber?«

Danes dunkles, elegantes Gesicht wirkte überrascht. Genau wie sein Bruder war Dane größer als die meisten anderen. Aber im Gegensatz zu Chase hatte er eher die Statur eines Langstreckenläufers als die eines Quarterback, der jede Tracht Prügel auf sich nehmen konnte, die die Gorillas des Gegners auszuteilen hatten.

»Bobby ist verheiratet«, sagte Dane.

»Seit wann kann das eine Frau von irgendwas abhalten?«

Chase’ Stimme klang genauso sardonisch, wie die schmale Linie seiner Lippen aussah.

Dane schüttelte nur den Kopf. »Nicole ist nicht so.«

Ärger und Müdigkeit überwältigten Chase. Noch bevor er es verhindern konnte, gab er heftig zurück: »Sie ist doch eine Frau, oder?«

Dane zuckte zusammen angesichts der Bitterkeit, die aus Chase’ Worten hörbar wurde. »Nicole schläft nicht einfach so mit irgendwelchen Männern. Punkt.«

»Sprechen wir über Nicole, ›Pele‹ oder eine Säulenheilige?«

»Jetzt kommst du langsam drauf.« Danes Lächeln zeigte alle Zähne. »Pele ist der Spitzname, den Bobbys Mutter Nicole gegeben hat, als sie sie zum ersten Mal sah – er bedeutet Göttin des Vulkans.«

Unter dem Tisch ballten sich Chase’ Hände wieder zu Fäusten. Sein Bruder näherte sich der Katastrophe und bemerkte es nicht einmal. Angesichts des Lachens und der Zuneigung, die aus Danes Stimme zu hören war, wenn er von Nicole sprach, hätte Chase am liebsten irgendetwas geschlagen. Seinen Bruder zum Beispiel. Doch das wäre keine gute Idee, also biss Chase die Zähne zusammen und unterdrückte den Drang, seinem naiven jüngeren Bruder die Wahrheit über die unvermeidliche Beziehung zwischen Frau und Geld in den Schädel zu hämmern.

»Was hält denn Jan von dieser ... Tänzerin?«, fragte Chase gespannt und setzte im letzten Moment Tänzerin anstelle eines Wortes, das er nie in der Öffentlichkeit verwendete.

»Meine Frau ist Nicoles größter Fan.«

Chase’ böser Fluch ging in einem Wirbel von Trommelschlägen unter. Die Lichter im Club gingen aus. Punktscheinwerfer leuchteten auf und erhellten die kleine, leicht erhobene Bühne in unterschiedlichen Goldtönen.

Pele war angekommen.

Kapitel 2

Nicole Ballard sah das Licht wie eine Schwertschneide durch den Spalt im grünen Samtvorhang dringen. Sie lächelte den sieben Jugendlichen, die vor ihr aufgereiht standen, ermutigend zu. Auf ihr Zeichen drehten sie sich um und wandten sich dem geschlossenen Vorhang zu.

Einen Moment lang legte sie ihre Hand auf das glänzende kastanienbraune Haar von Sandi Wilcox, um das nervöse Mädchen zu beruhigen. Sie und ihre Freundin Judy übten schon seit Monaten im Stillen, um ihre Väter zu überraschen. Die Männer wussten, dass ihre Töchter zum Tanzen gingen, aber sie hatten keine Ahnung, wie elegant und weiblich ihre beiden Teenager tanzen konnten.

»Denk immer daran«, murmelte Nicole so leise, dass nur Sandi es hören konnte, »du bist eine Göttin.«

Mit einem letzten zärtlichen Streichen über das Haar des Mädchens verließ Nicole die Bühne. Ihre nackten Füße machten keinerlei Geräusch auf dem Fußboden.

Jan stand seitlich der Bühne und hielt die Hand eines kleinen, schlanken Mädchens mit klaren grauen Augen und Haar so schwarz und glänzend wie vulkanisches Glas. Als Nicole herüberkam, streckte das kleine Mädchen die freie Hand nach ihr aus.

Mit einem Lächeln griff Nicole nach den kühlen Fingern und hüllte sie in ihre Wärme. Zusammen warteten sie mit angehaltenem Atem, beinah genauso nervös angesichts der kommenden Vorstellung wie die Mädchen auf der Bühne.

Der Hula würde eine alte Geschichte erzählen von verschlagenen Göttern, die Feste feierten, und von klugen Menschen. Der Mythos war durch unendliche Generationen von Hawaiianern weitergegeben worden und schließlich in den Akten des ethnologischen Instituts der Universität gelandet. Während ihrer freiwilligen Hilfe beim Institut war Nicole auf die Form des Sprechgesangs beim witzigen Tanz gestoßen. Mit Hilfe von Bobbys Mutter – einer Frau, die sowohl anmutig als auch massig war – hatte Nicole die Bewegungen des Tanzes rekonstruiert und sie den Kindern beigebracht.

Das Ergebnis war wie der Kipuka Club selbst: eine Mischung aus Tradition und Moderne, nicht die strenge Einhaltung von Ritualen längst vergangener Zeiten.

Heute Abend trugen die Mädchen für ihren Tanz weder moderne Kunststoffröcke noch traditionelle Ti-Blätter. Getreu Bobbys Devise »lieber die Wahrheit als die Fakten der Tradition« waren die Kostüme der Mädchen eher samoanisch als hawaiianisch – Bobbys Meinung nach besser das am ehesten Erreichbaren als das Authentischste.

In diesem Falle hatten die Lavalavas seine Zustimmung gefunden. Diese Wickelröcke waren kurz, aus Seide, vor dunklem Hintergrund mit vielfarbigen Blüten bedruckt und saßen eng an den Hüften. Die so genannten Grasröcke aus Kunststoff waren nach Bobbys Meinung kaum mehr als eine Art raschelnder Beinah-Striptease. Lavalavas betonten die Anmut der Bewegungen beim Tanz, nicht das Geschlecht der Tänzerinnen. Jedes Mädchen trug ein passendes Oberteil, eine Hibiskusblüte über dem Ohr und ein Lei aus duftenden Plumeriablüten.

Keine einzige lila Orchidee war zu sehen.

Bobby hatte mit dem ganzen Nachdruck seiner Masse darauf bestanden, dass es keine Leis aus lila Orchideen geben würde. Sie waren keine moderne Weiterentwicklung hawaiianischer Traditionen. Sie stanken. Sie kamen ihm nicht durch die Tür – nicht mal durch die Hintertür.

Genauso war es mit der berühmten hawaiinischen Musik mit Stahlgitarre und Ukulele. Auf keinen Fall. Niemals.

Punktum. So sehr die Kunden auch darum bitten oder argumentieren mochten, jene jammernde, quengelnde Musik war innerhalb der geschnitzten Holzwände des Kipuka Clubs verboten.

Nicole war ganz seiner Meinung. Kunststoffröckchen und Stahlgitarren waren nicht auf der Liste ihrer hundert Lieblingsdinge. Nicht einmal unter dem zweiten Hundert.

Orchideen stanken allerdings nicht. Sie waren zart, prächtig, sinnlich und ... na gut, ein paar Orchideen rochen wirklich wie gammelige Nahrungsmittel. Aber viele hatten einen sanften, himmlischen Duft.

Trotz ihrer persönlichen Freude an Orchideen hatte sie es aufgegeben, mit Bobby über die Blumen zu streiten. Es war ein kleines Opfer, um zu den drängenden, exotischen Rhythmen der Bongos, Bobbys Bassgesang und den kehligen, fast unheimlichen Klängen bolivianischer Panflöten tanzen zu können, die er liebte. Jedes Mal, wenn Bobby einen anderen Schlagzeuger finden konnte, spielte er auf jenen mystischen, magischen Flöten.

Heute Abend musste er sich auf die Bongos beschränken.

Ein kaum spürbarer Puls von Bewegung durchlief die Novizinnen im Tanz, als Bobby den schnellen Rhythmus zu einem gemächlichen Tempo drosselte. Er begann mit sanfter Stimme den Sprechgesang, in dem die Geschichte des Hula in fließendem Hawaiianisch erzählt wurde. Gleichzeitig öffnete sich der Vorhang und zeigte nicht Pele, sondern sieben junge Tänzerinnen.

Aus dem Publikum kamen gedämpfte Laute der Überraschung, als die Eltern ihre Töchter erkannten.

Nicole lächelte, denn sie wusste, dass es genau das Richtige für die nervösen Mädchen war, ihre Namen im Publikum geflüstert zu hören. Die Überraschung bei den Zuschauern war gelungen und würde, während die Mädchen tanzten, nur noch wachsen. Sie hatten hart gearbeitet, das war an den leichten Bewegungen ihrer Hände erkennbar, mit denen sie im Halbdunkel der Legende folgten. Der Hula wurde langsam und fließend getanzt, jede Bewegung war ein unabhängiges Motiv, ein Satz in einer ungesprochenen Sprache.

Als die Musik endete, bekamen die Mädchen begeisterten Applaus von Tanten, Onkeln, Vätern, Müttern, Geschwistern und Nachbarn. Lächelnd und sehr darum bemüht, nicht zu kichern, eilte Sandi mit den anderen Tänzerinnen von der Bühne und warf die Arme um den Hals ihrer Mutter.

»Hast du deinen Vater gesehen?«, fragte Jan und grinste.

Sandi schüttelte den Kopf. »Die Lichter waren zu hell.

Aber ich habe ihn gehört. Und Onkel Chase, der lachte.« »Nicht über dich, Liebes«, sagte Jan schnell.

»Oh, das weiß ich«, sagte Sandi entspannt und selbstbewusst. »Er hat Daddy wegen irgendetwas auf den Arm genommen. Das konnte man an seinem Ton hören. Wirklich, die zwei sind schlimmer als ich und Mark.«

»Schlimmer als du und dein Bruder? Hmm, darüber müssen wir bei Gelegenheit noch mal reden«, sagte Jan und verbarg ihr Lächeln, indem sie sich vorbeugte und Lisa auf den Arm nahm.

Lisa kicherte und schlang ihre Finger um zwei von Nicoles Fingern. Mit leuchtenden Augen schaute das kleine Mädchen von einer der beiden Frauen zur anderen, die ihr dabei halfen, den Schmerz zu heilen, den sie durch die Zurückweisung ihrer Mutter erlitten hatte.

Von beiden Seiten der Bühne begannen Studenten der Universität auf der Bühne hinter dem Vorhang Aufstellung zu nehmen. Nicole umarmte Sandi einmal kurz mit einem Arm und knabberte dann neckend an Lisas Fingern. Das kleine Mädchen kicherte noch einmal und ließ Nicole los.

»Bleibst du noch?«, fragte Nicole Jan.

»Kann ich nicht. Dane wird dich nach Hause fahren. Ich muss Lisa ins Bett bringen und meinen Antrag fertig schreiben.«

»Um was geht es diesmal?«

»Grünes Paradies.«

Nicole legte nachdenklich den Kopf schief und nickte dann. »Das ist eine angenehme Abwechslung zu den üblichen Titeln von akademischen Arbeiten. Gefällt mir wirklich gut.«

»Ich hoffe nur, dass die Pacific Rim Educational Foundation das auch findet. Wusstest du, dass noch niemand eine umfassende, wissenschaftlich präzise Arbeit über die Botanik dieser Inseln geschrieben hat?«, fragte Jan, und ihre Stimme hob sich in Unglauben und Verblüffung. »Wenn man bedenkt, dass –«

Ein Wirbel von Trommelschlägen unterbrach sie.

Der Rhythmus zupfte an Nicole, ließ ihr Herz ein wenig schneller schlagen, denn er versprach ihr die Freiheit des Tanzes.

»Sag mir doch, ob du nicht ein paar Zeichnungen für deinen Antrag willst«, sagte sie hastig zu Jan. »Ich habe ein paar von Waimea Canyon, die genau passen – in allen Grüntönen.« Sie gab Lisa einen schnellen Kuss. »Wir sehen uns dann morgen, Süße.« Nicole wandte sich Sandi zu und strich ihr über das glänzende Haar. »Du warst wie eine Göttin. Ich werde noch meinen Job verlieren.«

Obwohl Sandi kicherte und den Kopf einzog, war ihr Lächeln strahlender als die Scheinwerfer auf der Bühne.

Gerade als der Vorhang sich öffnete, nahm Nicole ihren Platz auf dem hinteren Teil des erhöhten Holzbodens ein. Die fortgeschrittenen Studenten des polynesischen Tanzes standen vor ihr. Sowohl Männer als auch Frauen trugen bunte Lavalavas, die tief um die Hüften gebunden waren. Duftende Leis lagen um ihren Hals.

Die Tänzer verdienten ein Taschengeld und lernten, mit dem Publikum umzugehen, indem sie vier Abende in der Woche im Kipuka Club tanzten. Manche der Tänzer waren Studenten der Volkskunde, die ihrem Fach so näherkommen wollten. Andere studierten Naturwissenschaften und brauchten eine Abwechslung, oder sie waren Taucher, die so ihre Ausdauer verbesserten. Woher sie kamen oder wohin sie gingen, war unwichtig für Nicole, solange sie nur das Tanzen genug liebten, um daran zu arbeiten.

Obwohl Nicole deutlich jenseits der Scheinwerfer stand, entdeckte sie das Publikum sofort. Ein gemurmeltes »Pele« war aus der Menge zu hören.

Wie alle anderen beugte sich auch Chase vor, in dem Bemühen, die Frau zu sehen, die die Bühne sogar aus dem Schatten beherrschte. Er sah nichts als eine dunkle Gestalt, die von Feuer umgeben schien, das bei jeder fließenden Bewegung ihres Körpers schimmerte und sich bewegte. Er hielt den Atem an, als ihm klar wurde, dass er nicht Feuer sah, sondern ihr flammenfarbenes Haar, eine prächtige Fülle von rotgoldenen Locken.

Mit herzergreifender Grazie hoben sich die Arme der Frau, und ihre weiche, goldene Haut war umrahmt von der seidenen Macht ihres gelösten Haars.

Pele, die Göttin des Feuers.

Kapitel 3

Einen Augenblick lang fürchtete Chase, er hätte diesen Gedanken laut ausgesprochen. Beim nächsten Herzschlag wurde ihm klar, dass er die Worte auch hätte schreien können, ohne dass es jemand bemerkt hätte. Ein donnernder Sturm von Applaus hatte sogar das Grollen der Trommeln übertönt.

Als Nicole sich nicht aus den Schatten herausbewegte, seufzte das Publikum und lehnte sich wieder zurück. Pele würde tanzen, aber erst dann, wenn sie es wollte, nicht das Publikum.

Bobbys tiefer Sprechgesang und die sanft pochenden Rhythmen seiner Trommeln verwoben sich mit den Bewegungen der Tänzer, während er seine Vorstellung von »traditioneller« Unterhaltung verwirklichte. Es war eine sehr eigenwillige Verbindung von alt und modern zu einer elektrisierend neuen Art des polynesischen Tanzes. Manchmal änderte er während seiner Erzählung die Sprache von Englisch zu Pidgin oder zu einer rhythmischen, humorvollen Verbindung der beiden, die seine eigene Erfindung war.

Das Publikum lachte, während die Bewegungen der Tänzer und Bobbys Gesang davon erzählten, wie die Menschen ihre Götter und einander überlisteten. Die Leute klatschten im Takt zu der Geschichte vom Triumph der Menschen über das Meer und sahen gespannt zu, wie zwei Liebende von einem eifersüchtigen Geist dazu gebracht wurden, sich gegenseitig in den See von Lava zu werfen, der im schwarzen Schlund des Kilauea glühte.

Regungslos sah Chase genauso gespannt zu wie die anderen im Raum, nur dass er ausschließlich Nicole beobachtete, nicht die anderen Tänzer. Sie existierten überhaupt nicht für ihn. Er sah nichts auf der Bühne als die Frau mit dem brennenden Haar und der goldenen Haut.

Unbewusst beugte er sich sogar noch weiter vor, versuchte die Einzelheiten ihrer Erscheinung zu erkennen. Es gelang ihm nicht. Sie war zu gut von ihrem weich wehenden, hüftlangen Haar und den Schatten im Hintergrund der Bühne verborgen.

Langsam entwickelten sich die Rhythmen der Trommeln aus dem gesetzten, würdevollen Tempo des hawaiianischen Hula zu den spielerischen, sinnlichen Rhythmen Tahitis. Einer nach dem anderen traten die Tänzer außer Nicole vor, um ihr Geschick in dieser neuen Form des Tanzes zu zeigen. Ihre Bewegungen waren anmutig, schnell, fordernd. Tahitianischer Tanz erforderte gleichermaßen Kraft und Ausdauer wie Koordinationsvermögen und Grazie.

Bald schon begannen die Körper zu glänzen wie poliertes Gold oder Mahagoni. Abseits von den Scheinwerfern bebte auch die Dunkelheit mit dem rollenden Donner der Trommeln. Der Rhythmus nahm an Tempo und Komplexität zu, forderte die Tänzer dazu heraus, es seiner treibenden Präsenz gleichzutun. Diejenigen, die es mit dem stetig steigenden Tempo nicht mehr aufnehmen konnten, bewegten sich zur Seite der Bühne und setzten sich hin wie die Teilnehmer an einem Fest. Von dort aus riefen sie den verbleibenden Tänzern Lob und kleine Sticheleien zu, um sie anzuspornen.

Die Anzahl der Akteure auf der Bühne reduzierte sich auf fünf, dann vier, dann zwei – Nicole und ein junger polynesischer Wissenschaftler namens Sam Chu Lin. Er war nicht ganz so groß wie Nicole mit ihren ein Meter fünfundsiebzig und trug wie sie eine kurze Lavalava. Doch im Gegensatz zu ihr trug er sonst nichts. Wie er ihr so gegenüberstand, war seine hervorragende körperliche Verfassung an jedem Muskel zu erkennen. Er wiegte sich herausfordernd, verlockend, um sie dazu zu provozieren, es ihm gleichzutun.

Zum ersten Mal trat Nicole ganz ins Rampenlicht.

Ihr Haar strahlte plötzlich auf, was ein leises Raunen der Bewunderung und Freude im Publikum bewirkte. Rhythmisch sich wiegend, beantwortete sie die Herausforderung des Tänzers mit Bewegungen, die den seinen genau entsprachen.

Bobby stieß einen kurzen Ruf der Ermutigung aus und beschleunigte den Rhythmus noch einmal.

Sam antwortete mit sich windenden, kraftvollen Bewegungen seiner Hüften. Ihr Ausdruck war ebenso schwierig wie eindeutig sinnlich. Mit jeder seiner vielfältigen Bewegungen näherte er sich ein wenig Nicoles verlockendem, glänzendem Körper.

Sie zog sich nicht zurück. Sie wiegte ihre Hüften in derartigem Tempo in einer achtförmigen Schleife, dass das bunte Muster auf ihrer Lavalava zu verschwimmen schien. Ihr Haar wirbelte um sie herum, als sie sich umwandte und Sam den Rücken zudrehte, sodass er ihre wild schwankenden und perfekt disziplinierten Hüften deutlicher sehen konnte.

Dann lächelte sie ihm über die Schulter zu. Es war ein Lächeln, das die Menschheit seit Evas Zeiten kannte, eine weibliche Herausforderung, die so feurig war wie ihr flammenfarbiges Haar, das jede schnelle, sinnliche Bewegung ihres Körpers betonte.

Unter Bobbys fliegenden Händen strömten treibende Rhythmen aus den Trommeln hervor. Es erschien unmöglich, dass es irgendetwas geben könnte, das mit dem Tempo dieser Hände mithalten konnte, doch den Tänzern gelang es.

Als Nicole sich Sam wieder zuwandte, sprang er in die Luft. Als er leichtfüßig wieder auf der Bühne landete, war sein eindringlich schwankender Körper dem ihren nähergekommen, so nah, dass ihr Haar wie Flammen über ihn hinzüngelte und an seiner heißen, glänzenden Haut klebte.

Er lächelte ihr zu, ein elementares, männliches Lächeln, dessen Absicht ebenso unverkennbar war wie die machtvollen Bewegungen seines Körpers.

Sie antwortete mit einer gleitenden, unmöglich geglaubten Beschleunigung ihres Tanzes, und ihr Körper glühte heller als ihr Haar.

Chase fühlte sich, als hätte er einen Faustschlag in den Bauch bekommen. Er atmete mit einem rauen Geräusch aus, das beinah schmerzlich wirkte. Das Blut durchströmte ihn rasend, bis seine Erregung mit dem nachdrücklichen Rhythmus der Trommeln pulsierte. Jede hitzige Bewegung verkündete, dass Tanz in Tahiti ein erotisches Ritual war, in dem beide Tänzer einem möglichen Partner ihre körperlichen Verlockungen darstellten: Kraft, Ausdauer, Grazie und eine ursprüngliche Sinnlichkeit, der zuzusehen regelrecht atemberaubend war.

Chase hätte viel dafür gegeben, der Mann an den Trommeln sein zu können, um die primitiven Rhythmen immer weiter bis zu ihrem unvermeidlichen Höhepunkt zu treiben. Er hätte sogar noch mehr dafür gegeben, in Pele sein zu können, tief in ihr, um jenen heißen, schönen Körper höher und höher zu heben, bis sie vor Genuss aufschrie.

Als die Trommelschläge jetzt noch einmal dichter und schneller wurden, tanzten Nicole und Sam, die Zehen ganz dicht voreinander und so schnell, dass einzelne Bewegungen ihrer Körper kaum noch auseinander zu halten waren. Verlockend, provozierend, herausfordernd zeigten der Tanz und die Tänzer einen Ausbruch der Sexualität, der Chase verblüffte. Es gab kein anderes Geräusch mehr als das rasende, primitive Schlagen der Trommeln und das weiche Stampfen nackter Füße, die auf den Holzboden trafen, so wie es der Tanz verlangte.

Die Geschwindigkeit nahm ebenso gnadenlos zu wie Chase’ Verlangen nach der rothaarigen Tänzerin. Er versuchte nicht, gegen diesen Hunger anzukämpfen, denn er registrierte nicht, dass da etwas war, gegen das er hätte ankämpfen können. Er spürte sich als Person nicht mehr. Er kannte nur noch die lebendige, pulsierende Sexualität von Pele.

Der Schweiß gab Nicoles Haut etwas Irisierendes, so als brenne sie von innen. Ihr Partner strengte sich noch mehr an. Schweißtropfen glänzten, sammelten sich in goldenen Rinnsalen und strömten von Sams Körper. Sein Atem ging jetzt schwer und heftig, während er darum kämpfte, es mit Nicoles unbarmherzigem Tanz aufzunehmen.

Doch kein Mensch war der Göttin des Feuers gewachsen.

Mit einem rauen Aufschrei ließ sich Sam fallen, sodass er zwischen den anderen Tänzern auf der Bühne zu sitzen kam.

Nicoles Tanz gab nicht einen Augenblick nach. Mit einem aufreizenden Schwung ihrer Hüften in Sams Richtung drehte sie sich um und streckte ihre Hände zu Bobby aus, womit sie ihn herausforderte, ihren erschöpften Partner zu ersetzen.

Bobby antwortete, indem er noch einmal die Trommelschläge schneller werden ließ.

Der neue Rhythmus durchströmte Nicole, explodierte zu leidenschaftlichen Bewegungen ihres Körpers, die gleichzeitig Tanz und noch etwas viel Älteres waren, so tief in der menschlichen Seele verwurzelt wie das Leben selbst. Mit feurig fliegendem Haar, glänzendem Körper und strahlendem Lächeln gab sich Nicole ganz dem heißen, sinnlichen Tanz hin.

Bobbys Hände wurden zum dunklen Wirbel über den Trommeln, aber dennoch konnte er ihr nicht standhalten. Eine Weile lang hielt er die heftigen Rhythmen auf dem Höhepunkt, dann warf er mit einem heiseren Ausruf die Hände in die Luft und ergab sich der Frau, die wild in der Mitte der Bühne zu brennen schien.

Mit einem kehligen, triumphierenden Schrei tanzte sie allein weiter, nur noch begleitet vom wilden Schlagen ihres Herzens und dem Publikum, das zur Feier ihres Sieges »Pele, Pele!«, rief.

Ohne Vorwarnung war der Tanz zu Ende.

Nicole stand allein im grellen Scheinwerferlicht, ihre Brüste hoben und senkten sich schnell, die Arme hatte sie ausgestreckt, als halte sie sie einem unsichtbaren Liebsten entgegen, ihre Haut schimmerte vor Hitze, ihr Haar hatte die Farbe von Peles wahrhaftigen, brennenden Lavaströmen.

Der Raum war plötzlich in Dunkelheit getaucht.

Das Publikum klatschte und rief nach Pele, doch niemand reagierte. Noch ein paar Minuten gingen die Lichter wieder an. Frauen und Männer lehnten sich um ihre Tische zurück und begannen wieder, sich zu unterhalten. Die Erregung war immer noch in dem Raum zu spüren, in dem die Feuergöttin getanzt hatte.

Chase fühlte sich, als brenne er selbst. Er war dankbar, dass das Licht im Club gedämpft blieb, denn seine heftige Erregung war nur allzu offensichtlich. Im Stillen verfluchte er seinen Körper für diesen Betrug. Doch die einzige Antwort, die er bekam, war das heiße Trommeln des Bluts in seinen Adern.

Er sagte sich, dass das schon wieder vergehen würde. Er war schon öfter erregt gewesen, und das Leben war ganz normal weitergegangen. Dafür konnte er sich bei Lynette bedanken; sie hatte ihn gelehrt, sexuellen Hunger dem Joch vorzuziehen, mit der falschen Frau in Elend verbunden zu sein.

Langsam atmete er aus, einmal, dann noch einmal und weiter, bis der Schraubstock des sexuellen Verlangens nachzugeben begann. Mit schmal zusammengekniffenen grauen Augen suchte er die Gesichter der anderen Männer im Raum ab und fragte sich, wie viele von ihnen noch im Kampf mit ihrer Erregung liegen mochten. Er sah eine Menge verschiedener Ausdrücke – Freude, Aufregung, Humor, Bewunderung –, doch nirgendwo entdeckte er etwas, das seiner eigenen heftigen Reaktion auf Nicoles sinnlichen Tanz entsprochen hätte.

Sein einziger Trost war, dass Dane die Vorstellung zwar offensichtlich genossen, dabei aber nicht erregt gewesen war.

»Und, ist es jetzt nicht an der Zeit zu sagen, ich hätte Recht gehabt?«, fragte Dane selbstzufrieden.

»Womit genau hättest du denn Recht gehabt, kleiner Bruder?« Chase’ Stimme klang so roh und rau, wie seine Gedanken waren.

»Dass du noch nie so etwas wie sie gesehen hast.«

Chase lächelte dünn. »Außerhalb von Rotlichtbezirken wohl kaum.«

»Chase Wilcox, der heimliche Puritaner!«, höhnte Dane ungläubig. »Natürlich kann tahitianischer Tanz ein wenig sexy wirken, aber er ist doch wohl kaum anstößig.«

»Wenn man dieser glutheißen Rothaarigen zusieht, hat man genau den Eindruck. Erstaunlich, dass die Polizei dieses Etablissement noch nicht geschlossen hat.«

Dane wurde klar, dass es seinem Bruder ernst war. »Was redest du da? Sieh dich doch mal um. Der Kipuka Club ist sogar für Kinder erlaubt.«

Nach einem Augenblick zwang Chase sich zu lächeln. Er wusste, dass sein Bruder Recht hatte. Überall im Club saßen Familien an den Tischen, genossen das Essen, etwas zu trinken und führten berufliche Gespräche, die das Markenzeichen des Kipuka waren.

Widerstrebend musste er sich eingestehen, dass, wenn er Nicoles Tanz erregend fand, das wohl eher sein Problem als das des Tanzes war. Er hatte schon öfter bei tahitianischen Tänzen zugesehen, die sinnlichen Rhythmen und das Schwenken von Hüften und Brüsten genossen, doch niemals war dabei sein Herzschlag schneller geworden.

Das war allerdings, bevor er der feuerhaarigen Göttin begegnet war.

Die Männer im Club mussten blind wie Klötze sein, wenn sie nicht sahen, wie wild Pele im Innern war, wie hungrig, wie heiß.

Mein Gott, die pure Hitze.

Die Frauen waren wohl auch blind, sonst würden sie, wann immer Pele auf die Bühne kam, ihre Männer packen und sich davonmachen wie die Fledermäuse aus einem ausbrechenden Vulkan.

»Wann macht Nicole ihre Runde an den Tischen?«, fragte Chase lässig.

»Ihre Runde machen?«

»Na ja, du weißt schon, an jeden Tisch gehen, lächeln, Leute anfassen und Trinkgeld in die Lavalava gesteckt bekommen.«

Dane schüttelte den Kopf. »Du musst wirklich in falscher Gesellschaft gewesen sein, Bruderherz. Du benimmst dich, als wäre dies hier eine Stripteasebar und Nicole irgendeine besonders gut tanzende Nutte. Wenn du versuchst, ihr Geld in die Lavalava zu stecken, wirst du eine Hand verlieren.«

»Mir wäre nicht aufgefallen, dass Jan auch hier tanzt«, stellte Chase fest.

»Dann komm doch einfach nächsten Mittwoch. Aber wenn ich deine Hände in der Nähe ihrer Lavalava erwische, stelle ich drei Mann ein und breche dir den Arm.«

Chase legte den Kopf in den Nacken und lachte, lachte wirklich und verlor dabei ein wenig von der Anspannung, die sich so gefährlich in ihm gestaut hatte. Der Klang seines Lachens war ansteckend. Leute in der Nähe drehten sich um und lächelten ihn an, nur einfach weil es Freude machte, ihn lachen zu hören.

»Freut mich festzustellen, dass du klug genug bist, auf Jan eifersüchtig zu sein«, sagte Chase schließlich.

»Nur vorsichtig. Die Frauen fallen dir immer wie die sonnenreifen Früchte in die Hand. Durch Jan ist mein Leben sehr behaglich, ich will sie nicht deinem tödlichen Charme aussetzen. Nach fünfzehn Jahren treuen Ehelebens wird sie womöglich unruhig und fragt sich, ob sie vielleicht was versäumt hat, weil sie so jung heiratete.«

So unruhig, wie du bist, vielleicht?, fragte Chase seinen Bruder im Stillen. Laut sagte er: »Die Frauen rennen mir die Bude ein, um an dich heranzukommen. Du bist so verdammt zivilisiert und elegant, dass man es schon fast hübsch nennen könnte.«

Dane grinste. »Ja, klar. Toll, oder?«

Solange es nicht Nicole ist, die dich jagt, ja.

Chase wusste, dass es keine Möglichkeit für seinen Bruder gab, eine diskrete, bedeutungslose Affäre mit Nicole zu haben und dann wieder als weiser Mann zu Jan zurückzukehren. Aber Dane wusste das nicht, und außerdem hörte er nicht auf seinen älteren, weiseren Bruder.

Chase fühlte sich, als müsste er sich vorbeugen, seinen Bruder am Hemd packen und schreien: Hör mir gut zu, verdammter Kerl! Du wirst eine wunderbare Ehe kaputtmachen und das nicht mal merken, bevor es zu spät ist!

Chase hätte seinem Bruder die Worte am liebsten an den sturen Dickschädel geworfen, doch er wusste, dass er mit Worten nichts bei ihm erreichen konnte. Wenn ihre Männlichkeit in Alarmzustand war, waren Männer besonders verletzlich. Sogar dumm. Ganz sicher kurzsichtig.

Chase konnte sich nicht erinnern, dass Dane je auf eine andere Frau als Jan reagiert hatte wie auf Nicole – mit offener Zuneigung, Freude, Bewunderung. Da konnte es bis zur vollen Erektion nicht mehr weit sein.

Wenn Chase geglaubt hätte, dass es einen Sinn hatte, seinen Bruder anzuschreien oder ihm Vernunft einzuprügeln, dann hätte er schon damit angefangen. Aber derart direkte Methoden hatten bei Dane noch nie etwas genutzt. Chase’ charmanter Bruder führte sein Leben, wie er es wollte, ohne Rücksicht auf den Rest der Welt zu nehmen.

Worte würden nicht zu Dane durchdringen. Nur Taten. Und zwar eine ganz bestimmte Tat. Er musste Dane beweisen, dass er Nicole nicht so gut kannte, wie er dachte.

»Macht Nicole noch etwas anderes außer Tanzen?«, fragte er gleich darauf.

»Wie was zum Beispiel?«

»Für ihren Lebensunterhalt arbeiten.«

»Da redet ein Manri, der keine Ahnung von tahitianischem Tanz hat«, sagte Dane. »Wenn das nicht Arbeit ist, was dann? Hast du Sam Chu Lin gesehen? Er hat geschwitzt wie Eis in der Sauna und das nicht etwa, weil er schlecht in Form ist.«

Chase gab ein Geräusch von sich, das alles oder nichts bedeuten konnte, Sein winterkühler Blick wanderte ruhelos durch den Raum auf der Suche nach einem Feuerbrand und anmutiger, wendiger, weiblicher Kraft.

Pele. Nicole. Egal mit welchem Namen war sie eine Frau, die zu einem brennenden Berg passte.

»Nicole ist Künstlerin«, sagte Dane.

Chase, der kaum glauben konnte, was er da gehört hatte, warf seinem Bruder einen langen Seitenblick zu. »Ach ja, natürlich. Das sagen doch alle exotischen Tänzerinnen.«

Dane kämpfte gegen ein Lächeln an. »Schon möglich, aber ich wette, die zeigen ihre Kunst nicht in einer ernsthaften Kunstgalerie.«

Chase’ linke Augenbraue hob sich fragend.

»Habe ich dir das nicht erzählt?«, grinste Dane. »Nicole macht Zeichnungen und Aquarelle, die so naturgetreu sind, dass man damit wissenschaftliche Texte illustrieren kann, und so originell, dass sie auf den ganzen Inseln als Kunst gehandelt werden.«

Chase gab einem vorüberkommenden Kellner ein Zeichen, deutete auf die beiden leeren Biergläser auf dem Tisch und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Dane zu.

»Aber du brauchst dich da nicht auf mein Wort zu verlassen«, sagte Dane trocken. »Du wirst schon sehen. Sie wird mit dir an deinem Projekt Inseln des Lebens arbeiten.«

»Wovon redest du?«

»Du hast mich darum gebeten, einen Illustrator für dich zu finden. Das habe ich gemacht. Nicole.«

»Kann sie wirklich wissenschaftlich korrekt illustrieren?«, fragte Chase ungläubig. Seit fotografiert wurde, hatten nur wenige Künstler den Wunsch, die Fähigkeit oder die Kunstfertigkeit, die nötig war, um präzise Abbildungen der Natur zu erschaffen, wie sie Audubon berühmt gemacht hatten.

»Hast du die Broschüre über die Vulkane gesehen, die der Nationalpark vor einem Jahr herausgegeben hat?«, fragte Dane.

Chase nickte.

»Die Illustrationen waren alle von Nicole.«

»Sie ist die N. Ballard?«, fragte Chase, bevor er sich bremsen konnte. Das Letzte, was er wollte, war, beeindruckt zu sein.

War er aber.

Die Menge von Talent, Antrieb und Disziplin, die nötig war, um sowohl die Begabung zum Zeichnen als auch die körperlich fordernde Begabung zum Tanzen zu perfektionieren, war eindrucksvoll. Er erinnerte sich an die Zeichnungen in der Broschüre über Vulkane. Er war betroffen gewesen von der Fähigkeit der Künstlerin, sowohl den Ausbruch eines Vulkans wissenschaftlich korrekt darzustellen, als auch die eher flüchtige und emotionale Wahrheit von der einschüchternden Präsenz eines Vulkans.

Chase fröstelte, als er den offensichtlichen Stolz und die Anerkennung in den blauen Augen seines Bruders abzuschätzen versuchte, mit denen er von Nicoles Fähigkeiten sprach. Er klang wie ein eifriger Vater – oder wie ein Mann, der sich verliebt.

Herrgott, dachte Chase matt, Was für eine Chance hat Jan schon neben einer Frau wie Nicole? Intelligenz, künstlerisches Talent und die Art Feuer, die einen Mann bis in die Seele zum Glühen bringt.

Pele zu Fleisch geworden.

In der Hoffnung, dass er sich täuschte, begann Chase, seinen Bruder ernsthaft über Nicole Ballard auszufragen. Alles, was er hörte, verstärkte nur noch das Frösteln in seinem Innern.

»Sie kann unheimlich gut mit Kindern umgehen«, sagte Dane warm und war froh zu sehen, dass sein Bruder endlich wirklich zuhörte. »Nimmt sie fast jedes Wochenende mit auf lange Wanderungen, hinauf zu den Kipukas am Hang des Kilauea, wo sonst niemand hingeht.«

»Wie hat sie die Kipukas entdeckt? Oder willst du mir damit sagen, dass sie zu allem anderen auch noch eine Forscherin und Vulkankletterin ist?«

Dane lachte. »Nee. Bobbys Sohn hat ihr eine ganze Reihe von Kipukas gezeigt, und das war für sie Liebe auf den ersten Blick. Genauso ist es den Kindern mit Nicole ergangen. Liebe auf den ersten Blick. Lisa folgt ihr auf Schritt und Tritt wie ein grauäugiger Schatten. Nicole lehrt sie Zeichnen.« Er stöhnte. »Oh, verdammt, das sollte eine Überraschung sein. Vergiss, dass ich das erwähnt habe.«

Kann toll mit Kindern umgehen, hmm? Ja, klar. Lynette hat auch immer viel von Mutterschaft geredet. Du hast dir da eine richtige Gewinnerin ausgesucht, Dane. Genau wie dein strohdummer älterer Bruder.

Der Ärger, der Chase die Kehle zugeschnürt hatte, während er seinem Bruder zuhörte, wie er immer weiter schwärmte von der armen, sexy Bartänzerin, die es ganz zufällig geschafft hatte, die Aufmerksamkeit eines der reichsten Männer von Hawaii zu gewinnen, machte ihm das Reden schwer. Er musste erst ein paar Schlucke Bier nehmen, bevor er sich zutrauen konnte zu sagen: »Nicole tanzt also Hula und malt die Natur.«

»Bei dir klingt das so ... gewöhnlich.«

Chase zuckte mit den Schultern. Er musste es irgendwie schaffen, Dane davon zu überzeugen, dass diese rothaarige Heilige auf ganz normalen, tönernen Füßen stand. Denn sonst würde Dane den größten Fehler seines Lebens machen.

Genauso, wie es Chase ergangen war, als er Lynettes Lügen von Liebe, Familie und Ehe geglaubt hatte.

»Klingt, als würde sie von der Hand in den Mund leben, wenn sie tanzt und hier und da mal zeichnet«, sagte Chase.

»Sie ist eben nicht ins Glück geboren worden wie wir zwei.«

»Wobei du mit Glück Reichtum meinst?«

Dane nickte. »Ich schätze, dass Nicole gerade so ihre Rechnungen bezahlen kann und nicht viel mehr.«

»Das ist schlecht. Und ein hartes Leben.«

»Sie macht sich nicht viel daraus. Sie mag ihr Leben, so wie es ist.«

Chase unterdrückte beißende Worte. Glaub das bloß nicht, kleiner Bruder. Sie macht sich gerade bereit, dir die Taschen zu leeren, und zwar bis auf den Staub in den Säumen.

Aber was soll’s, das ist nur Geld. Davon gibt es noch mehr.

Selbstachtung ist schwerer zu ersetzen. Ich will nicht, dass du später in den Spiegel siehst und entdeckst, welch unglaublicher Dummkopf du warst, dass du dich jedes Mal selbst hasst, wenn du daran denkst, dass ein unschuldiges Kind den Preis deiner Dummheit bezahlt.

Das war der Punkt, den Chase nicht vergessen und nicht vergeben konnte: Lisa hatte für den schlechten Geschmack ihres Vaters in Bezug auf Frauen bezahlt.