Der irische Gentleman - Stephanie Laurens - E-Book

Der irische Gentleman E-Book

Stephanie Laurens

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Beschreibung

Ein Earl, der den Frauen abgeschworen hat und eine bezaubernde Lady, die ihn alle seine Vorsätze vergessen lässt ...

Prudence Cynster hat es aufgeben, dem perfekten Ehemann hinterherzujagen. Dafür jagt sie nun etwas Anderes: Als Leiterin des familieneigenen Gestüts, in dem der Erfolg des Cynster-Rennstalls begründet liegt, ist sie auf der Suche nach edlen Pferden, um die Zuchtlinie ihres Gestüts zu verbessern.
Als sie dann von den besonderen Pferden des Earl Deaglan Fitzgerald hört, reist sie kurzerhand auf dessen Gestüt an die irische Westküste, um sich den inzwischen zurückgezogen lebenden, einsamen Earl und seine Vollblüter einmal anzusehen. Und Deaglan staunt nicht schlecht, als sich der vermeintlich männliche neue Geschäftspartner P. H. Cynster als eine verführerische Lady entpuppt, die so ganz anders ist als alle anderen, denen er je begegnet ist …

Die Reihe »Cynster, eine neue Generation« bei Blanvalet:

1. Eine Liebe in den Highlands
2. Schottische Versuchung
3. Verführt von einer Highlanderin
4. Eine skandalöse Leidenschaft
5. Ein verheißungsvolles Abenteuer
6. Wie zähmt man eine Lady?
7. Der irische Gentleman

Alle Bände sind einzelstehend lesbar.

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Seitenzahl: 527

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Buch

Prudence Cynster hat es aufgeben, dem perfekten Ehemann hinterherzujagen. Dafür jagt sie nun etwas anderes: Die junge Leiterin des familieneigenen Gestüts, in dem der Erfolg des Cynster- Rennstalls begründet liegt, ist auf der Suche nach edlen Pferden. Als sie von den besonderen Vollblütern des Earls Deaglan Fitzgerald hört, reist sie kurzerhand an die irische Westküste, um sich den inzwischen zurückgezogen lebenden, einsamen Adligen und seine Pferde genauer anzusehen. Und Deaglan staunt nicht schlecht, als sich der vermeintlich männliche neue Geschäftspartner P. H. Cynster als eine verführerische Lady entpuppt, die so ganz anders ist als alle anderen, denen er je begegnet ist …

Autorin

Stephanie Laurens begann mit dem Schreiben, um etwas Farbe in ihren wissenschaftlichen Alltag zu bringen. Ihre Bücher wurden bald so beliebt, dass sie ihr Hobby zum Beruf machte. Stephanie Laurens gehört zu den meistgelesenen und populärsten Liebesromanautorinnen der Welt und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in einem Vorort von Melbourne, Australien.

Von Stephanie Laurens bereits erschienen (Auswahl)

Eine Liebe in den Highlands · Schottische Versuchung ·Verführt von einer Highlanderin · Eine skandalöse Leidenschaft · Ein verheißungsvolles Abenteuer · Wie zähmt man eine Lady · Der irische Gentleman

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Stephanie Laurens

Der

irische

Gentleman

Roman

Deutsch von Christiane Meyer

Die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel

»A Conquest Impossible to Resist« bei Savdek Management.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Copyright der Originalausgabe © 2019

by Savdek Management Proprietary Limited

Published by Arrangement with Savdek Management Pty Ltd

Dieses Werk wurde vermittelt durch die

Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2023 by Blanvalet

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Ulrike Nikel

Umschlaggestaltung und -motiv: © Johannes Wiebel | punchdesign,

unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com

(VJ Dunraven Productions, SASITHORN, Reimar Gaertner,

Philippe Prudhomme)

LA · Herstellung: sam

Satz: KCFG–Medienagentur, Neuss

ISBN 978-3-641-26029-3V001

www.blanvalet.de

Kapitel 1

24. März 1851

Newmarket, England

»Es sieht so aus, als wäre ich über eine echte Chance gestolpert. Endlich!« Prudence Cynster schritt mit raschelnden Röcken in das Frühstückszimmer ihrer Familie. Den Blick auf den Brief gerichtet, den sie in der Hand hielt, ging sie auf den Tisch zu und warf einen kurzen Blick auf die Unterschrift und den Titel, die auf der zweiten Seite standen. »Uns hat sich eine mögliche Chance eröffnet.«

Sie blieb stehen, erwiderte den Blick ihres Vaters und reichte ihm den Brief. »Was denkst du, Papa?«

Ihr Vater, Lord Demon Cynster, legte Messer und Gabel beiseite und nahm das Schreiben entgegen.

Pru nickte ihrer Mutter zu, die am anderen Ende des Tisches saß, und wünschte ihr sowie ihrer Tante Patience, die derzeit zu Besuch war, höflich einen guten Morgen. Dann umrundete sie den Tisch, um sich auf ihren Platz neben ihrem Vater und ihrem Bruder Nicholas zu setzen.

Der junge Mann wies mit einem Kopfnicken auf den Brief. »Wann ist das Schreiben gekommen?«

»Gerade eben.« Pru schüttelte ihre Serviette aus und griff nach der Teekanne. »Gilbert war dabei, die Post zu sortieren, als ich nach unten kam.«

»Von wem ist es?«, wollte Toby wissen, ihr jüngerer Bruder, der ihr wie immer gegenübersaß.

»Der Earl of Glengarah, der in Irland auf seiner Burg im County Sligo lebt, hat es geschickt.« Pru nahm einen großen Schluck von ihrem Tee und warf ihrem Vater einen prüfenden Blick zu. Zwischen seinen rötlich blonden Augenbrauen hatte sich eine Falte gebildet. War das ein gutes Zeichen oder ein schlechtes?

Während ihr Vater, der inzwischen über sechzig Jahre alt war, noch immer die Stallungen des Cynster-Gestüts verwaltete, leitete Pru, neunundzwanzig Jahre alt und das älteste Kind, das Zuchtprogramm. Nicholas, ein knappes Jahr jünger als Pru, erledigte die alltäglichen Angelegenheiten des Rennstalls. Toby war mit seinen fünfundzwanzig Jahren für beide ein fähiger Stellvertreter, wobei seine Vorlieben stark in Prus Richtung gingen.

»Glengarah schreibt«, murmelte der Lord, »dass sein verstorbener Vater zu seinem eigenen Vergnügen eine ganze Reihe von Pferden gesammelt hat, die sich alle durch ihre Stammbäume und ihren Charakter auszeichnen. Er möchte wissen, ob wir Interesse haben, uns die Sammlung einmal anzusehen. Vielleicht hinsichtlich einer möglichen Vereinbarung, die zum beiderseitigen Vorteil sein könnte.« Lord Cynster faltete den Brief zusammen und legte ihn neben Pru auf den Tisch. »Er hat eine kurze Beschreibung von drei Tieren mitgeschickt, die als kleiner Einblick dienen soll, was wir von seiner Sammlung erwarten dürfen. Allerdings hat er nichts zu der Größe des Tierbestands geschrieben – nur dass es sich um eine ganze Reihe von verschiedenen Pferden handelt. Und zu den Stammbäumen gibt es leider keine näheren Erläuterungen.«

»Das stimmt«, gab Pru zu. »Aber angesichts der Tatsache, dass ich die letzten zwanzig Monate ziemlich erfolglos damit zugebracht habe, quer über die Britischen Inseln zu reisen, um Pferde zu finden, mit denen wir die ursprünglichen Blutlinien wieder in unseren Bestand einführen und die gewünschten Merkmale stärken können, sehe ich es ganz praktisch. Die Chance, dass Glengarah wenigstens ein Tier in seinem Bestand hat, das für uns nützlich sein könnte, ist zu groß, um sie einfach verstreichen zu lassen.«

»Die Suche war nicht ganz erfolglos«, korrigierte Toby sie. »Letztes Jahr hast du in Schottland immerhin diesen Berberhengst gefunden.«

»Im vergangenen Juni«, gab Pru zu. »Bloß war es das einzige Tier, und wir benötigen viel mehr Pferde, wenn wir die Qualität unseres Bestands verbessern möchten.«

Sie war bis Perthshire gereist, weil sie Gerüchte über einen wunderschönen Braunen gehört hatte, der einem exzentrischen schottischen Lord gehörte. Tatsächlich hatte sie das Pferd ausfindig gemacht und den Lord dazu. Sie hatte hart verhandelt und sich immerhin eine Einzellizenz gesichert, um mit dem Hengst zu züchten. Alles Prognosen, sichtbare Erfolge gab es bislang noch keine.

Nicholas tippte Pru am Ellbogen an und deutete auffordernd auf den Brief. Während Nicholas las, musterte Pru ihren Vater, der abwesend mit den Fingern auf das Tischtuch trommelte. Dann blickte sie zu ihrer Mutter hinüber, auf deren anmutigem Gesicht ein Ausdruck leichten Missfallens zu erkennen war.

»Weißt du irgendetwas über die Pferde von Glengarah?«, erkundigte Pru sich.

Ihre Mutter seufzte. »Ich habe nur gehört, dass der verstorbene Earl ein Einsiedler war und besessen davon, besondere Pferde zu sammeln. Ich weiß jedoch nicht, um welche Sorten es dabei ging.«

»Ich habe das Gleiche gehört.« Ihr Vater blickte ihre Mutter mit seinen blauen Augen an. »Außerdem, dass Glengarah nicht daran gelegen war, mit seinen Pferden in der Öffentlichkeit anzugeben. Und ich kann mich nicht daran erinnern, dass es einem Menschen gelungen wäre, jemals einen Blick in seinen Stall zu werfen.«

»Willst du damit sagen, dass keine Menschenseele wirklich weiß, was sich in den Stallungen von Glengarah befindet?«, warf Toby mit ungläubiger Miene ein.

Dass Menschen, die Pferdezucht betrieben, stolz auf ihre Tiere zu sein pflegten, war bekannt. Ebenso, dass sie sehr neugierig waren. Sie sah in den Augen ihres Bruders Nicholas, dass sein Interesse geweckt war.

Aber Nicholas faltete den Brief wieder zusammen und äußerte eine kritische Überlegung.»Ich dachte, du hättest die irischen Einträge im Ahnennachweis englischer Vollblüter nachgeschlagen.«

»Das habe ich«, erwiderte Pru, »und natürlich habe ich besonders auf die neuesten Einträge geschaut. Wenn der verstorbene Earl völlig zurückgezogen lebt, einschließlich seiner Pferdezucht, stehen die Chancen, dass er seine Pferde gar nicht hat registrieren lassen, eigentlich sehr hoch, oder? Das könnte der Grund sein, warum die Tiere in den aktuellen Listen nicht auftauchen.«

Toby überflog den Brief ebenfalls. »Es klingt, als hätte der ehemalige Earl of Glengarah so eine Art Büchse der Pandora erschaffen – man weiß erst, was sich darin befindet, wenn man sie geöffnet hat.« Er erwiderte Prus Blick, grinste und wedelte mit dem Schreiben herum. »Das Erstaunliche ist, dass du eine Einladung erhalten hast, auf dem Gut vorbeizukommen und den Deckel der Büchse abzunehmen.«

»Ganz genau!« Prus Begeisterung sprudelte über. »Ich muss hinfahren und mir den Bestand ansehen und mir ein Bild machen.« Sie streckte die Hand aus, damit Toby ihr das Schreiben zurückgab.

Am Ende des Tisches erklang ein tiefes Seufzen. »Ich hatte eigentlich gehofft«, sagte ihre Mutter, »dass du noch einmal für eine Saison in die Stadt kommen würdest.«

Von ihrem Platz aus konnte Pru ihre Schwester Margaret, genannt Meg, nicht sehen, weil sie teilweise von Nicholas verdeckt wurde. Meg war das einzige Mitglied der Familie, das nicht pferdeverrückt war. Obwohl sie gut reiten konnte, betrachtete sie Pferde in Verbindung mit Kutschen eher als Transportmittel oder vielleicht als modisches Accessoire, mehr nicht. Dem Rest der Familie begegnete die Vierundzwanzigjährige wegen deren Begeisterung für Pferde mit gutmütiger Toleranz, ließ jedoch durchblicken, dass dies außerhalb ihrer Interessen lag. Im Moment umfassten diese vor allem die gesellschaftlichen Ereignisse, an denen sie aufgrund ihres Standes und den Erwartungen ihrer Eltern teilnahm.

Pru lächelte ihre Mutter an. Trotz ihres nicht mehr ganz jugendlichen Alters hatte Lady Cynster nie die Hoffnung aufgegeben, dass sich noch ein passender Mann für ihre älteste Tochter finden würde.

»Du hast schließlich Meg, mit der du dich zeigen kannst, Mama, die das Ganze genießt«, pflegte Pru ihr vorzuhalten. »Und du musst zugeben, dass es ihre Chancen unheimlich einschränkt, wenn bei jedem Ball und bei jeder Einladung die ältere Schwester anwesend ist.«

Ihre Mutter schüttelte regelmäßig den Kopf, wenn dieses Thema angesprochen wurde. »Du kannst nicht ewig die Flucht ergreifen und dich vor der Gesellschaft verstecken«, ermahnte sie die Tochter, die genau das gerne versuchen wollte.

Obwohl sie Teil einer Familie war, die zu der glitzernden Welt der höchsten gesellschaftlichen Kreise gehörte, hatte sich Pru niemals für Bälle und Feiern interessiert. Sie zog das Reiten und die Pferde vor, eventuell noch die Jagd, den Rest empfand sie als unglaublich langweilig. Auf einem kräftigen Pferd zu galoppieren und den kühlen Wind auf dem Gesicht zu spüren war ihre Auffassung von Glück.

»Ich bin mir nicht sicher, ob man eine Reise nach Glengarah Castle als Flucht oder als Verstecken vor der Gesellschaft bezeichnen sollte«, mischte sich Patience ein, die Ehefrau von Lord Cynsters älterem Bruder Vane, die für gewöhnlich um diese Zeit des Jahres in London weilte und Honoria, die Duchesse of St. Ives, bei gesellschaftlichen Ereignissen unterstützte.

Bereitwillig ging Patience auf Prus Problem ein, wie die Familie sich in Bezug auf das irische Gestüt verhalten sollte. »Der derzeitige Earl of Glengarah ist Lord Deaglan Fitzgerald, übrigens die irische Version des Namens Declan. Man erzählt sich, dass er einen Streit mit seinem verstorbenen Vater hatte, daraufhin verbannt wurde und nach London kam. Das muss ungefähr fünf Jahre her sein.«

Vergeblich versuchte Pru, sich an den Mann zu erinnern, dem sie vielleicht während einer der vielen Saisons, die sie mitgemacht hatte, begegnet war.

»Ich bezweifle, dass du ihm begegnet bist«, sagte Lady Cynster, deren Schwägerin Patience noch ein paar Einzelheiten wusste. »Im Allgemeinen mied Lord Deaglan Fitzgerald gesellschaftliche Ereignisse und hat lieber dagegen rebelliert. Er hatte ein Vermögen von seiner Mutter und einer Großtante geerbt. An Geld mangelte es ihm also nie. Während die feine Gesellschaft über sein Leben und Treiben in London im Dunkeln blieb, habe ich gehört, dass er sich weithin in den weniger hohen Kreisen bewegte. Dort war er allgemein bekannt und hat sich den Ruf als lasterhafter Lebemann offenbar redlich verdient.«

»Dann ist es ja ein Glück, dass ich nur an seinen Pferden interessiert bin«, erwiderte Pru lachend. »Und wenn Lord Deaglan in London ist, müssten die Chancen gut stehen, dass ich ihm nicht über den Weg laufe. Dass er den Brief geschrieben hat, ändert daran nichts.«

Patience lächelte ein wenig mitleidig. »Pech für euch, er ist nicht mehr in London. Als er erfuhr, dass sein Vater verstorben war, kehrte er sofort nach Irland zurück und hält sich seitdem dort in Glengarah Castle als neuer Earl und Burgherr auf. Hierzulande hat sein überstürzter Abschied aus London sogar den Eindruck erweckt, dass seine wilde Lebensweise eine Trotzreaktion auf seine Verbannung gewesen sein könnte. Jedenfalls hat er sich in der Folgezeit nicht mehr von dem Anwesen entfernt und keine Einladungen angenommen. Und er hat auch keine seiner ehemaligen Freunde aufgefordert, ihn einmal zu besuchen. Man erzählt sich, dass er sich voll und ganz darauf konzentriert, das Anwesen nach der Hungersnot wieder aufzubauen.«

»Das«, sagte Toby, »könnte der Grund dafür sein, dass er geschrieben hat. Er braucht vielleicht Geld aus einer Zuchtlizenz.«

Lord Cynster nickte. »Nach allem, was ich über die Lage in Irland gehört habe, könnte das durchaus stimmen.«

»Wie auch immer«, fuhr Patience fort. »Nachdem Deaglan nun der Earl und inzwischen Mitte dreißig ist, verursacht sein gesellschaftlicher Rückzug auf beiden Seiten der Irischen See beträchtliche Angst.«

Nicholas runzelte die Stirn. »Ich hätte gedacht, dass sein Ruf dafür sorgen würde, dass er bei den Kupplern nicht mehr gefragt ist.«

Patience bedachte ihren Neffen mit einem leicht herablassenden Blick. »Ihr scheint nicht zu wissen, dass die Fitzgeralds eine der ältesten anglo-irischen Familien sind. Ihren Titel führen sie bereits seit Jahrhunderten, und das Land um Glengarah Castle gehört ihnen seit einer Ewigkeit. Allerdings ist das Anwesen wohl im Augenblick in eine finanzielle Schieflage gerutscht. Deaglan wird mit seinem beträchtlichen Vermögen, das er geerbt hat, schon alles in Ordnung bringen und daher ein begehrtes Mitglied der irischen Gesellschaft sein, die jetzt großzügig über die Eskapaden des Earl hinwegsieht. Zum eigenen Vorteil, versteht sich.«

Pru hörte Patience’ Worte zwar, jedoch wie aus weiter Ferne. Sie war zu beschäftigt damit, die Reise nach Westirland zu planen. »Wir müssen schnell handeln. Wenn das Gestüt von Glengarah nur ein einziges Juwel enthält, können wir es uns nicht leisten, beim Earl den Eindruck zu erwecken, dass wir nicht interessiert sind. Dann würde er sofort andere einladen, einen Blick auf seine Pferde zu werfen.« Sie betrachtete den Brief, den sie neben ihren Teller gelegt hatte. Jedes Wort hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. »Er hat nicht erwähnt, ob er auch anderen geschrieben hat.«

»Wir sind schon seit Langem die erste Adresse, wenn es um die Zucht von Vollblutpferden geht«, betonte ihr Vater nicht ohne Stolz. »Es wäre also nicht verwunderlich, dass er uns zuerst geschrieben hat.«

Nicholas nickte. »An seiner Stelle hätte ich es genauso gemacht. Was nicht bedeutet, dass ich nicht schauen würde, ob andere Züchter ebenfalls Interesse haben.«

»Das dürfen wir nicht riskieren«, wandte Pru ein. Sie befanden sich gerade mit vier anderen Ställen im Kampf um den Titel des besten Vollblutzüchters, der vor allem an den Rennerfolgen der Nachkommenschaft gemessen und beurteilt wurde. Der Erfolg eines Zuchtprogramms stärkte die Leistung des Rennstalls und war so gesehen der Eckpfeiler für den Wohlstand der Familie. Sie nahm den Brief in die Hand. »Ich muss rasch nach Irland reisen und sicherstellen, dass wir als Erste die Chance bekommen, eine Lizenzvereinbarung zu treffen, falls sich im Stall der Glengarahs tatsächlich ein paar Prachtstücke finden lassen. Ich möchte nicht, dass uns die Cruickshanks oder die Dalgettys ausstechen.«

Sie schob ihren Stuhl zurück. »Ich werde ihm sofort antworten und könnte übermorgen aufbrechen. Mit ein bisschen Glück bin ich in einer Woche dort.«

Die Miene ihres Vaters hatte sich zusehends verfinstert. »Toby soll fahren. Ein Ausflug in die unzivilisierten Gegenden Irlands ist nichts, was eine meiner Töchter tun darf.«

Pru seufzte innerlich. Sie hatte gehofft, dieser Diskussion aus dem Weg zu gehen – einer Diskussion, die sie im Laufe der vergangenen Jahre mehr als einmal geführt hatte. »Es besteht überhaupt keine Gefahr für mich. Wie immer werde ich Horricks und George sowie Peebles und Suzie mitnehmen.« Ihr schlauer, erfahrener Kutscher sowie ihr kluger und kräftiger Diener und Stallbursche, dazu der Drachen von Kammerzofe und die blitzschnelle, gescheite Zofe bildeten ihre Entourage, wie Toby es bezeichnete. Mit ihnen zusammen wäre sie auf jeden Fall in Sicherheit, selbst vor lasterhaften Adligen.

»Nicht einmal du, Papa, kannst annehmen, dass mir etwas zustoßen könnte. Sogar während meiner Reisen durch Schottland ist mir nichts passiert, und dieses Land ist viel wilder und weniger dicht besiedelt. Und damals konnte ich nicht einmal genau sagen, wohin es mich verschlagen würde. Dieses Mal hingegen habe ich ein klares Ziel.«

»Und«, sagte Toby und erwiderte ihren Blick, »Pru muss selbst vor Ort sein. Ich bin längst nicht so erfahren und gut darin, Stammbäume zu erkennen. Die Verantwortung kann ich nicht übernehmen, zumindest jetzt noch nicht.«

Pru grinste erleichtert aus Dankbarkeit für diese kleine Notlüge. Zwar hatte sie das beste Auge für Vollblutpferde, aber Tobys Blick war ebenfalls nicht zu verachten, er würde seinen Weg noch gehen.

Auch Nicholas schlug sich auf ihre Seite. »Wir brauchen frisches Blut, frische Vollblutpferde, das kann keiner von uns bestreiten. Und angesichts all der Zeit, die Pru inzwischen in die Suche investiert hat, müssen wir den Stall in Irland als Chance betrachten. Als eine große sogar, die wir uns auf keinen Fall entgehen lassen dürfen. Zugegeben, Toby könnte noch viel lernen, wenn er Pru begleiten würde, doch weil die Frühlingsrennen unmittelbar bevorstehen, brauche ich ihn hier. Im Augenblick benötigen wir alle Mann an Deck.«

Ihr Vater reagierte missmutig. Der Rennstall war seine große Leidenschaft, aber er ging vorsichtig vor. Alles, was den Erfolg bedrohen könnte, stieß bei ihm auf Ablehnung. »Die Vorstellung gefällt mir noch immer nicht.« Er sah Pru skeptisch an. »Es wäre besser, wenn du mit deiner Mutter und deiner Schwester nach London gehen würdest, zumindest für ein paar Monate.« Erwartungsvoll blickte er den Tisch entlang und erhoffte sich bei seinem Versuch, Pru die Reise an die Westküste Irlands zu verbieten, eindeutig die Unterstützung seiner Frau und seiner Schwägerin.

Irgendwann lehnten ihre Mutter und ihre Tante sich zurück und wechselten einen bedeutsamen Blick. Pru kreuzte die Finger. Trotz des Wunsches ihrer Mutter, dass sie endlich heiraten möge, hatte sie sie immer in ihrer brennenden Leidenschaft für die Pferde und das Zuchtprogramm der Cynsters unterstützt. Wenngleich ihre Mutter nie als außergewöhnliche Reiterin in Erscheinung getreten war, konnte sie sehr gut mit Vollblütern umgehen. Das hatte die Tochter von ihr geerbt. Pru betete und hoffte, dass ihre Mutter und ihre Tante einfach akzeptierten, dass sie kein Interesse an einer Eheschließung hatte. Das musste die ganze Familie einsehen, und im Grunde hatte sie ehrlich gehofft, dass das legendäre Verlangen der Cynster-Damen nach Hochzeitsfeiern erst einmal gestillt war. Immerhin hatten alle Kinder des Duke of St. Ives, Prus Cousins und Cousinen zweiten Grades, innerhalb von vier Monaten geheiratet. Als Letzte war vor einer Woche Louisa, die einzige Tochter des Duke, mit Lord Drake Varisey vor den Altar getreten.

Es war ihre Mutter, die zuerst das Wort ergriff. Mit ihren klugen blauen Augen sah sie Pru an. »Es scheint tatsächlich eine Chance zu sein, die zu vielversprechend ist, um sie ungenutzt verstreichen zu lassen.« Lady Cynster blickte ihren Mann an. »Ich glaube nicht, dass Pru sich in Gefahr begibt. Und wer weiß? Auf Glengarah Castle könnte sie finden, wonach sie die ganze Zeit sucht.«

»Das stimmt.« Patience nickte entschieden. »Dem stimme ich zu. Auf jeden Fall scheint es ratsam zu sein, dass Pru hinfährt, und zwar so schnell wie möglich.«

Anders als ihr Vater, der sie erstaunt anblickte, weil er die Hoffnung nicht aufgegeben hatte, dass sie eines Tages doch noch einen geeigneten Bräutigam finden würde. Er hatte erwartet, dass ihre Mutter und ihre Tante ihn dabei unterstützen würden.

Dieser Wunsch wurde ihm nicht erfüllt. Stattdessen ertönte plötzlich die Stimme von Meg, Prus Schwester, die wie immer an ihrem Tee nippte, versonnen an ihrer Scheibe Toastbrot knabberte und ihren Gedanken an Bälle, schöne Kleider, Musik und Tanz nachhing. Jetzt stellte sie mit einem lauten Klappern die Teetasse ab und sagte wie nebenbei: »Ich freue mich dieses Jahr wirklich auf die Saison.«

Pru hätte ihre Schwester umarmen können. In Megs unvergleichlich naiver Art hatte sie ihren Vater soeben daran erinnert, dass er zwei Töchter hatte.

Ihr Vater brauchte eine Weile, bis er endlich reagierte und theatralisch seufzte. »Also gut. Ich gebe auf. Du kannst so schnell ins verdammte Irland reisen, wie du willst.«

Seine Älteste strahlte, sprang auf, lief zu ihrem Vater, schlang die Arme um seine Schultern und drückte ihn. »Danke, Papa. Du wirst es nicht bereuen.«

Er tätschelte ihren Arm und brummte missmutig: »Das will ich hoffen. Sorge dafür, dass ich es nicht bereue.«

Pru hauchte noch einen Kuss auf sein langsam ergrauendes Haar und kehrte an ihren Platz zurück, um ihr Frühstück zu beenden.

Sobald sie fertig war, nahm sie den Brief des Earl of Glengarah in die Hand, erhob sich und eilte in die Bibliothek. Sie wollte eine Antwort schreiben und umgehend die notwendigen Vorbereitungen für ihre Reise nach Glengarah Castle treffen.

Lord Deaglan Fitzgerald schwang sich auf den Rücken seines Schimmelhengsts und pfiff nach seinen Hunden. Die rot-weiß gescheckte Hündin Molly, ein Irish Setter, hob den Kopf. Sie stand in einem steinigen Bachbett ganz in der Nähe und kam gehorsam angetrottet. Sam, der Kerry Beagle, hingegen, interessierte sich gerade mehr für eine Spur, die er gewittert hatte – vermutlich die des listigen alten Fuchses, der in der Gegend jagte.

»Sam!« Deaglan wartete nicht ab, ob der Hund ihm folgte, das Tier würde ihn leicht wieder einholen. Er drehte den Schimmel um und stieß ihm die Fersen in die Flanken. Thor machte einen Satz nach vorn und freute sich ganz offensichtlich darüber, endlich wieder laufen zu dürfen, auch wenn es nur zurück in die Stallungen der Burg ging.

Deaglan bemühte sich, nicht darüber nachzudenken, was ihn zu Hause erwartete. Noch mehr Papiere, Informationen über Investitionsmöglichkeiten, Briefe von seiner Bank in London und eine nicht enden wollende Flut von Rechnungen und Forderungen. Der Earl of Glengarah zu sein hatte nichts mit dem leichten, untätigen Leben zu tun, das man sich in der Gesellschaft so vorstellte. Nicht dass er sich im Laufe der vergangenen fünf Jahre Illusionen darüber gemacht hätte, wie hart er würde arbeiten müssen, um das Gut wieder auf Vordermann zu bringen. Nach dem Tod seines Vaters war es seine Pflicht gewesen, der Vernachlässigung des Guts ein Ende zu setzen.

Zugegebenermaßen machte Deaglan genau das, was er wollte, wobei die ständigen Unterbrechungen, zum Beispiel das Einholen von Genehmigungen für Pferdekoppeln, alles verzögerten und Zeit kosteten. Die Aufgabe zog sich in die Länge, und manchmal hatte er das Gefühl, kein Ende sehen zu können.

Wenn es nicht gerade um handwerkliche Dinge ging, dann waren es Probleme bei der Geburt eines Fohlens, eines Lamms oder eines Kälbchens, um die er sich kümmern musste. Oder Steinschlag hatte einen Hauptweg unpassierbar gemacht wie letzte Woche etwa. Oder der verdammte Fuchs hatte ein paar Hühner gerissen. Letzte Woche war das Schlimmste die Zwangsräumung des Marders gewesen, der sich im Schuppen der alten Mrs. Comey häuslich niedergelassen hatte. Sie war auf der Burg das Kindermädchen gewesen, als er geboren wurde, und er brachte es einfach nicht übers Herz, jemand anderen zu schicken, wenn sie sich wieder einmal über irgendetwas beschwerte.

Dennoch kam er mit seiner Arbeitsweise, bei der er sich selbst viel abverlangte, allmählich voran. Schritt für Schritt gelang es ihm, die finanzielle Lage des Guts zu verbessern und zu stabilisieren, indem er die Abläufe in der Landwirtschaft veränderte und erneuerte, sodass seine Bauern in Zukunft das Maximum für ihre Mühen erwarten konnten.

Sein Ziel war es, Glengarah in ruhige und sichere finanzielle Gewässer zu lenken, damit das Gut und die Menschen, die dort wohnten, ihr Auskommen hatten – egal, welche Stürme die Zukunft bringen mochte.

Sie hatten die Hungersnot bloß deshalb mit Ach und Krach überstanden, weil er vor seinem Weggang noch mit der Hundezucht begonnen hatte. Wenn sie die Gewinne aus dem Verkauf der beliebten Jagdhunde nicht gehabt hätten, dann wäre es für viele Menschen unmöglich gewesen, in Irland zu bleiben. Auf vielen anderen Anwesen war es so geschehen, auch Glengarah hatte sich sehr anstrengen müssen.

Während er dem Geräusch von Thors Hufen lauschte, die rhythmisch über den üppigen smaragdgrünen Rasen stampften, schickte Deaglan ein Dankgebet gen Himmel, dass diesem Teil des Landes, in dem er zu Hause war, das Allerschlimmste erspart geblieben war. Trotz des Schwunds an seinem Erbe hatte er sicherstellen können, dass der Großteil der Häusler, die auf dem Anwesen lebten und arbeiteten, das Schlimmste überstanden hatten und geblieben waren. Nun arbeitete er daran, dass es allen wieder besser ging.

Vor ihm tauchte die Burg auf. Zwei Türme mit Zinnen, die aus dunkelgrauem Stein erbaut waren, erhoben sich über die Grünflächen der Koppeln und Wiesen und über die kleinen Wäldchen, die sich verstreut auf dem Land verteilten. Die bleigrauen Dächer, die Simse und Erker unterbrachen die strengen Linien des mächtigen Gebäudes und deuteten darauf hin, dass im Laufe von Jahrhunderten und über Generationen hinweg immer wieder Veränderungen an der Burg vorgenommen worden waren.

Der Earl, dem bereits vor seinem Großvater das Gut gehörte, hatte die Burg modernisieren lassen. Dafür waren Deaglan und sein jüngerer Bruder Felix in einem Haus aufgewachsen, das man durchaus komfortabel nennen konnte. Sein Vater dagegen hatte sich gar nicht darum gekümmert, ihn interessierte das nicht. Deaglan war seinem unbekannten Vorfahren dagegen ehrlich dankbar, dass er ihm mit der Burg ein behagliches Zuhause hinterlassen hatte, das diesen Namen wirklich verdiente.

Der kraftvolle Hengst trug ihn auf die grauen Mauern zu. Von ganz allein fand er seinen Weg zu dem Torbogen in der Außenmauer, durch den man auf den Hof vor den Stallungen gelangte.

Thor trabte durch den Bogengang, und Deaglan zog die Zügel an, damit es langsamer weiterging. Sein Blick fiel auf den Stall, und wie immer verspürte er eine beinahe unwiderstehliche Anziehungskraft – es war die Anziehungskraft der Pferde, die sich in den Boxen befanden. Diese Hingabe für die Tiere, der sein Vater sich vollkommen unterworfen hatte, führte schließlich zu ihrem Streit. Ursprünglich war das etwas gewesen, das sie geteilt hatten und das Deaglan nachvollziehen konnte, die leidenschaftliche Liebe zu Pferden. Aber während für Deaglan immer noch die Menschen an erster Stelle standen, hatte sein Vater lediglich die Pferde gesehen.

Nachdem er die Hundezwinger gebaut und die Hundezucht zum Erfolg geführt hatte, begann Deaglan zu hoffen, das Gleiche mit den Pferden tun zu können. Das hingegen hatte sein Vater anders gesehen.

Ganz anders.

Er hatte sich für nichts anderes außer für seine Pferde interessiert, selbst im Angesicht der drohenden Hungersnot und der dringendsten Bedürfnisse des Guts.

Wütend über so viel Uneinsichtigkeit und frustriert über seine eigene Hilflosigkeit hatte Deaglan der Burg damals den Rücken gekehrt. Seit seiner Rückkehr hatte er sich nicht groß um die Pferde gekümmert. Das wollte er tun, sobald er das Gut in Ordnung gebracht hatte. Bis auf seine Stallbesuche, um Thor zu holen, hatte er den Prachtstücken seines Vaters keine wirkliche Beachtung geschenkt.

Später, hatte er sich selbst gesagt. Irgendwann.

Erst wenn alles andere auf dem Anwesen wieder in Ordnung wäre.

Als er Thor zu den Stallungen lenkte, kam sofort ein Stallbursche angelaufen.

Deaglan reichte ihm die Zügel und wies den Jungen an, das Pferd gut abzureiben und ihm ein bisschen Hafer zu geben. Nachdem er ein letztes Mal über die Nase des Hengsts gestrichen hatte, wandte sich Deaglan dem Seiteneingang der Burg zu.

Er lief über den Nebenhof, der mit Steinen gepflastert war, und ging im Geiste die Liste der Aufgaben durch, die er noch erledigen musste. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass sie erheblich kürzer war, als er gedacht hatte.

Zusammen mit den Hunden hatte er die Burg fast erreicht, als die Seitentür mit einem Mal aufflog und Felix herausstürmte. Den Blick auf Deaglan gerichtet, sah man ihm seine Erleichterung deutlich an. Der Bruder bemerkte, dass Felix einen Brief in der Hand hielt, und wurde langsamer. O Gott, was kam jetzt? Waren noch mehr Pflichten zu den übrigen hinzugekommen?

»Ich muss dir etwas gestehen«, war das Erste, was Felix zu ihm sagte. Nicht gerade ermutigend.

Während der Jüngere neben dem Älteren herlief, stieß Deaglan ein nichtssagendes »Ach ja, und was?« aus.

Felix holte tief Luft und hielt den Atem dann kurz an. »Wir haben doch darüber gesprochen, den Stall eventuell zu kommerzialisieren. Ich weiß nicht, ob du das nach wie vor willst, wo du ständig so viel zu tun hast, nicht zuletzt mit der Hundezucht.«

Während der Jahre, in denen Deaglan in der Verbannung gelebt hatte, war Felix für ihn eingesprungen und für die Hundezucht verantwortlich gewesen. Seit dem Tod ihres Vaters hatte er außerdem die Aufsicht über die Stallungen und die Pferde übernommen. Deaglan fragte sich, worauf sein Bruder hinauswollte, und warf ihm einen abschätzenden Blick zu. »Du hast dich sehr gut um die Hunde gekümmert.«

»Weil du mir regelmäßig geschrieben und erklärt hast, was genau ich zu tun habe.«

Das stimmte. Jedenfalls hatte sich Felix als fähiger Stellvertreter erwiesen, als sein Bruder weg war, und unterstützte ihn, seit er zurück war, nach allen Kräften als seine Augen, Ohren und Stimme.

»Hier geht es um die Pferde«, sagte Felix und hielt den Brief hoch.

Deaglan unterdrückte den Drang, sich das Schreiben zu schnappen und es rasch durchzulesen. Aber das wollte er Felix überlassen, den er jetzt, wo er zurück war, nicht übergehen und kränken wollte. Was immer in dem Brief stehen mochte, es lag bei Felix, ihm davon zu erzählen. Trotz der fünf Jahre Altersunterschied, die sie trennten, standen er und Felix sich sehr nahe, und Deaglan sah keinen Grund, seinem Bruder auf die Zehen zu treten.

Sie erreichten den Seiteneingang, und Deaglan öffnete die Tür, trat in die kühle Dunkelheit des Korridors, der zur Eingangshalle führte.

Felix holte ihn irgendwann ein. »Wir haben über die Richtung gesprochen, in die du den Stall führen möchtest – über die Möglichkeit, eine Art Bündnis mit einem der führenden englischen Züchter zu schließen, um von deren Erfahrung zu profitieren und von ihnen Hilfe zu bekommen. Durch diese Verbindung kämen wir wieder auf die Beine. Ich weiß, dass du noch warten wolltest, bis du dich selbst um die Pferde kümmerst, aber ich dachte, dass es sowieso nicht mehr lange dauern wird und ich dir helfen könnte, indem ich schon mal … vorfühle bei den Züchtern.« Felix holte tief Luft. »Also habe ich den Cynsters einen Brief geschrieben«, platzte er heraus.

Deaglan blieb mitten in der Eingangshalle mit dem schwarz-weiß gefliesten Boden stehen und starrte Felix an, der sich zu ihm umdrehte. »Den Cynsters?« Offenbar hatte sein Bruder gleich nach den Sternen gegriffen und das Unmögliche versucht. Die Bedeutung des Schreibens, das Felix in der Hand hielt, wurde Deaglan mit einem Mal klar. »Und?«

Felix konnte seine Freude nicht verbergen und schwenkte den Brief durch die Luft. »Sie haben geantwortet«, jubelte er und hielt Deaglan den Brief hin.

Der riss ihn fast an sich, las ihn … und bemerkte, dass das Schreiben an den Earl adressiert war.

»Ach ja. Das wollte ich dir eigentlich gestehen«, sagte Felix. »Ich dachte, es sei besser, wenn ich in deinem Namen schreibe.«

Deaglan ließ die Augen über die Zeilen gleiten und versuchte, deren Tragweite zu begreifen.

Am Ende des Briefs angekommen, sah er Felix an und lächelte. »Das ist wundervoll!« Er spürte, dass er inzwischen genauso breit grinste wie sein Bruder. »Sehr gut gemacht!«

Erneut richtete er die Aufmerksamkeit auf den Brief. »Es scheint, als wäre dieser P. H. Cynster definitiv daran interessiert, einen Blick auf unsere Pferde zu werfen und sich nicht mehr lange Zeit zu lassen.« Das Interesse der Cynsters zu wecken war ein wirklich gelungener Streich, fand Deaglan.

»Wann hast du ihnen eigentlich geschrieben?«

»Vor zwölf Tagen habe ich den Brief bei der Post aufgegeben.«

Deaglan rechnete die Beförderungszeit mit ein und warf einen Blick auf das Datum des Schreibens. »Sie haben nahezu direkt nach dem Erhalt deines Briefs geantwortet.«

»Ja, sie sind anscheinend ziemlich interessiert an den Pferden und neugierig dazu.«

»Was hast du ihnen geschrieben?«

»Ich habe es bewusst vage gehalten«, versicherte Felix. »Zunächst habe ich ihnen von dem Prinzip erzählt, dem unser Vater bei der Organisation folgte, und habe ihnen Beschreibungen von drei Tieren mitgeschickt. Nichts Näheres über die Stammbäume, außer dass Papa die Tiere auch unter diesem Gesichtspunkt ausgewählt hat.«

»Was ist mit der Anzahl der Tiere, die sich in unserem Besitz befinden? Hast du ihnen das verraten?«

Felix schüttelte den Kopf. »Ich habe bloß erwähnt, dass es um eine große Anzahl von Pferden geht.«

Deaglan versuchte, zwischen den Zeilen zu lesen, mit denen P. H. Cynster das Interesse der Familie bekundet hatte, denn es war richtig zu glauben, dass ein Zuchtprogramm mit den Tieren aus den eigenen Beständen einen echten Erfolg versprach.

Als er wieder auf die Unterschrift sah, fiel ihm auf, dass die Handschrift nicht die gleiche war wie die, mit der der Brief verfasst worden war. Offensichtlich war P. H. Cynster wohlhabend genug, um sich die Dienste eines Sekretärs leisten zu können. Außerdem geizten die Cynsters nicht, wenn es um Pferde ging, so hatte er es zumindest gehört.

Laut der Worte, die unter der Unterschrift standen, war P. H. Cynster der Leiter des Zuchtprogramms. Niemand war besser geeignet, um einen ersten Blick auf die Pferde seines Vaters zu werfen, die nun ihm gehörten.

»Das hier«, sagte Deaglan und hob den Brief, »ist eine sehr ermutigende Antwort.«

Felix starrte ihn an und stieß mit dem Finger gegen den Brief. »Hast du den letzten Absatz nicht gelesen? Dort steht, dass er denkt, heute Nachmittag hier sein zu können.«

»Was?« Deaglan hatte das Datum flüchtig gelesen und nicht weiter darüber nachgedacht. Noch einmal betrachtete er die entsprechende Passage. 31. März. »Grundgütiger.«

»Ganz genau!«, rief Felix. »Cynsters Brief kam verspätet bei uns an. Sieh dir das Datum an, an dem er aufgegeben wurde. Der Sturm auf der Irischen See vor ein paar Tagen … Weißt du noch? Darum habe ich mich so beeilt, dir Bescheid zu geben. Er rechnet damit, am Nachmittag des 31. März auf Glengarah einzutreffen. Das ist heute. Und es ist bereits nach vierzehn Uhr!«

Deaglan starrte seinen Bruder an. Ihm wurde schwindelig. Er holte tief Luft, dann straffte er die Schultern. »Also gut. Keine Panik.« Er war sich nicht sicher, ob er die letzten beiden Worte an Felix oder eher an sich selbst gerichtet hatte.

»Nachdem ich den Brief gelesen hatte«, sagte Felix, »und bevor ich zu dir gekommen bin, habe ich einen Diener auf den Turm geschickt, um Wache zu halten. Ich habe ihn gebeten, sofort zu uns zu kommen, falls er einen Besucher sieht, der die Zufahrt zur Burg hinaufkommt.«

Deaglan nickte. »Gut. Zumindest bleiben uns dann noch ein paar Minuten.« Er dachte nach. »Lass uns in die Bibliothek gehen. Du musst mir noch alles über den derzeitigen Zustand der Stallungen erzählen.«

In dem großen Raum ließen sie sich in ihre Lieblingssessel fallen und betätigten den Klingelzug.

Der Butler namens Bligh, ein großer, stattlicher Mann, der die typische schwarze Kleidung trug, tauchte umgehend auf. »Ja, Mylord?«

»Vorwarnung, Bligh, wir bekommen Besuch. Es handelt sich um einen Gentleman aus England, der sich die Pferde ansehen will. Er könnte jede Sekunde hier auftauchen. Ich vermute, wir sollten ihm ein Zimmer für die Nacht vorbereiten.«

»Vielleicht nicht nur für diese eine Nacht«, sagte Felix. Er erwiderte Deaglans fragenden Blick. »Wenn er an den Pferden interessiert ist, will er sich ein Bild der Tiere machen und sie beurteilen, und soweit ich weiß, dauert das eine gewisse Zeit. Möglicherweise ein paar Tage.«

»Also, Bligh, wir werden es wissen, sobald er hier ist. Vielleicht könnten Sie schon mal Mrs. Bligh und Mrs. Fletcher warnen. Ganz unabhängig davon, wie lange er bleiben wird, bleibt er wohl zumindest zum Abendessen.«

Der Butler hatte die Augenbrauen hochgezogen und dachte nach. »Wenn ich fragen darf, Mylord, welchem Stand gehört dieser Herr an?«

»Er gehört zur guten Gesellschaft, Bligh. Er ist Teil einer der angesehensten Familien Englands.«

»Ich verstehe, Sir.« Der Butler verbeugte sich. »In dem Fall können Sie sich sicher sein, dass wir unser Bestes geben. Ich werde Mrs. Bligh und Mrs. Fletcher dementsprechend instruieren.«

»Ach«, sagte Felix, als Bligh gerade gehen wollte. »Falls Sie sich gefragt haben, wo Henry steckt: Ich habe ihn auf den Turm geschickt, um Wache zu halten.«

»Eine sehr gute Idee, Sir. Ich werde jetzt mit dem Personal sprechen, dann zurückkommen und in der Eingangshalle warten.«

Sobald die Tür hinter Bligh ins Schloss gefallen war, beugte Deaglan sich vor. Er stützte sich mit den Unterarmen auf den Schenkeln ab und fixierte Felix mit einem eindringlichen Blick. »Was muss ich über die Lage im Stall wissen?«

Während Felix für ihn eine Bestandsaufnahme machte und Deaglan sich die einzelnen Pferde ins Gedächtnis rief, ertappte Deaglan sich dabei, dass er von der gleichen wachsenden Aufregung ergriffen wurde, die Felix fest im Griff hatte.

Je stärker diese Aufregung wurde und je mehr er akzeptierte, was passierte, desto stärker wurde der Impuls, sich eines einzugestehen: Vielleicht hatte er sich zu lange davor gedrückt, wieder die Kontrolle über den Stall und die Tiere zu übernehmen. Vielleicht hatte er zugelassen, dass sein Schwur, das Anwesen erst wieder auf den richtigen Weg zu bringen, alles andere außer Kraft setzte. Dabei hatte er diesen Schwur vorgeschoben, obwohl er sich etwas anderes gewünscht hätte.

Offensichtlich hatte das Schicksal entschieden, dass es an der Zeit für ihn war, in den Stall zurückzukehren, sich dem Sirenengesang zu stellen und zu siegen.

Irgendwann war Felix fertig mit dem Aufstellen seiner Liste. »Mir fällt nichts mehr ein, was du noch wissen müsstest.«

Deaglan nickte. »Du hast mir genug erzählt, um klarzukommen.« Weder er noch Felix dachten für eine Sekunde daran, dass Felix die Verhandlungen mit P. H. Cynster übernehmen könnte. Abgesehen von allem anderen hatte Felix wenig Erfahrung mit den Snobs der Gesellschaft. Es ihm aufzubürden, mit einem Cynster zu verhandeln, wäre so, als würde man ihn den Wölfen zum Fraß vorwerfen.

Glücklicherweise hatte Deaglan nach den vergangenen achtzehn Monaten, in denen er sich mit Bankern und ähnlichen Leuten hatte herumschlagen müssen, keine Skrupel mehr, sich gnadenlos in harte Verhandlungen zu stürzen.

»Ich muss sagen«, stellte Felix fest, »es ist schon sehr ermutigend, dass dieser Cynster so schnell geantwortet hat, findest du nicht?«

Deaglan nickte. »Das stimmt.«

Er und Felix schwiegen, als sie durch die dicken Mauern Schritte hörten, die sich ihnen über die Fliesen des Eingangsbereichs näherten.

Im nächsten Moment klopfte jemand an die Tür, und Henry, der Diener, stürzte atemlos und mit geröteten Wangen in die Bibliothek. »Eine Kutsche kommt die Zufahrt herauf, Mylord. Eine tolle Kutsche, Mylord. Ich kann gar nicht sagen, ob ich je zuvor eine so beeindruckende Kutsche gesehen habe. Und die Pferde! Erstklassig. Wunderbare Tiere. Schön sind sie, einfach wunderschön!«

Deaglan erhob sich. Sein Blick traf den seines Bruders. »Offensichtlich reist dieser P. H. Cynster, wenn man Henrys überschwänglichen Worten glauben darf, gern mit Stil. Jedenfalls müssten das seine eigenen Pferde sein.«

Felix nickte. »Er muss sie auf der Fähre mitgebracht haben.«

Das taten nicht viele Reisende. Insofern vermutete Deaglan, dass es etwas über P. H. Cynster aussagte, wenn er sich die Mühe gemacht hatte, seine eigenen Pferde mitzubringen. Deaglan schickte Henry los, damit er Mrs. Bligh vorwarnte. Sie fanden den Butler neben der Eingangstür stehen.

»Ich nehme an, dass die Ankunft des Herrn kurz bevorsteht, Mylord?«

»So sieht es aus, Bligh.« Mit einem Kopfnicken wies er zur Tür. »Mr. Felix und ich werden unseren Gast auf der Veranda erwarten.«

Bligh trat zu der massiven Doppeltür, machte sie auf und ließ sie offen stehen. Er selbst wartete am Absatz der Eingangstreppe. Der erste Eindruck war auch in dieser Umgebung sehr wichtig. Vor allem wenn er hier sein Schicksal begrüßte, was ja durchaus möglich war.

Als die Kutsche schließlich zu sehen war, spürte Deaglan, wie seine Aufregung wuchs. Das elegante Gefährt war genauso beeindruckend, wie Henry es beschrieben hatte. Nicht weil sie besonders auffällig oder protzig wäre, sondern allein wegen ihrer perfekten Linien. Nicht einmal Deaglan hatte je so eine Kutsche gesehen. Es schien ein ganz modernes, neues Design zu sein. Und sehr gut gefedert. Als der Kutscher die Zügel anzog, reagierte die Kutsche ganz ruhig. Was die vier Pferde betraf, die das edle Gefährt zogen, so waren sie ebenfalls die reinsten Augenweiden.

Deaglan beobachtete die Pferde genau, als der Kutscher sie sanft zum Stehen brachte. Ihm fiel auf, dass hinter den dunklen Fenstern schemenhaft ein Gesicht zu sehen war. Einer der Diener sprang von der Kutsche und öffnete die Tür.

»Cynster hat sogar seinen eigenen Diener mitgebracht«, murmelte Felix. »Wer macht denn so was?« Doch Deaglans Aufmerksamkeit galt nach wie vor den Tieren.

Sobald die Tür der Kutsche geöffnet und die kleine Treppe ausgeklappt war, kletterte zuerst ein junges Dienstmädchen mit wachen Augen heraus. Sie sah Deaglan und Felix an, ehe sie den Blick auf die Burg richtete, die sich hinter ihnen erhob. Ihre Augen wurden groß.

Der erste Eindruck.

Die nächste Person, die aus der Kutsche stieg, war eine ältere Kammerzofe. Sie trug schwarze Kleidung aus einem Seide-Baumwoll-Gemisch und hatte ihr Haar streng aus dem Gesicht gekämmt und hochgesteckt. Ihre Miene wirkte abweisend, als sie sich die Burg ansah. Überhaupt schien sie nicht so leicht zu beeindrucken zu sein.

Deaglan wollte sich gerade wieder auf die Pferde konzentrieren, als ihm etwas Seltsames auffiel. Warum reiste Cynster mit einer Zofe? Beziehungsweise sogar mit zwei Zofen?

Zum Abschluss entstieg der Kutsche noch eine zarte Gestalt, die dem Diener ihre behandschuhte Hand hinstreckte, der ihr mit gebotener Vorsicht beim Aussteigen half.

Es war eine Dame.

Goldblonde Locken umrahmten ein faszinierendes Gesicht. Sie war hochgewachsen, von schlanker Statur, mit Kurven an den richtigen Stellen. Das modische Reisekleid in Hellblau unterstrich ihre Vorzüge noch. Ihre Haut war zart und rosig wie die eines Pfirsichs. Ihre Augen waren groß und lagen unter wundervoll geschwungenen Brauen. Ihre weichen Gesichtszüge mit der geraden kleinen Nase und den vollen Lippen mit der Farbe von zarten Rosen fesselten seine Aufmerksamkeit sofort.

So etwas hatte er in den vergangenen achtzehn Monaten nicht erlebt. Er verspürte eine gewaltige Anziehungskraft, die ihm sehr, sehr bekannt vorkam.

Einige Sekunden lang war alles, was er wahrnahm, diese Frau. Er spürte in sich den beinahe unbändigen Drang, sie verführerisch anzulächeln, die Treppe hinunterzusteigen, ihre Hand zu nehmen und sie irgendwohin zu führen, wo sie ungestört wären. Am liebsten an einen Ort mit einem Bett.

In ihm schrillten die Alarmglocken, und sein Verstand setzte wieder ein, zwar etwas verspätet, doch immerhin. Und er versuchte zu erfassen, was hier vor sich ging.

Cynster hatte anscheinend entweder seine Schwester oder seine Ehefrau, seine junge und wunderschöne Ehefrau, mit nach Glengarah Castle gebracht, um Deaglan Fitzgerald zu treffen. Einen bekannten Schwerenöter und Verführer williger und für gewöhnlich verheirateter Damen.

Er verstand das nicht. Cynster musste eigentlich über seinen Ruf Bescheid wissen. Warum also brachte er seine unglaublich attraktive Ehefrau mit hierher?

Um Deaglan abzulenken und ihm ein Angebot zu unterbreiten?

Das würde bestimmt funktionieren, zumindest bis zu einem gewissen Grad.

Und wenn es sich um Cynsters Schwester handelte?

Ihm war zu Ohren gekommen, dass viele Eltern bereit waren, wegen seines Titels über seine Vergangenheit hinwegzusehen und die eigene Tochter als seine Countess ins Spiel zu bringen.

Allerdings hatte er keine Dame auf die Burg eingeladen. Noch nie. Zynisch fragte er sich, ob die Cynsters das hier für einen Weg hielten, um seine Mauern zu durchbrechen. Eine verheißungsvolle Ablenkung.

All diese Gedanken schossen ihm während der kurzen Zeit durch den Kopf, in der die Dame sich mit ihren Zofen und dem Diener besprach. Dann hob sie den Blick und betrachtete ihn und Felix, wie sie Schulter an Schulter auf der Veranda standen. Schließlich richtete sie die Augen auf die Burg.

Der Bann war gebrochen, und Deaglan wartete darauf, dass P. H. Cynster herauskam. War der Mann gesundheitlich angeschlagen, dass er so lange brauchte?

Die Dame drehte sich dem Kutscher zu, redete mit ihm, und der Diener machte die Tür zu.

Im nächsten Moment wandte die junge Dame sich Deaglan zu und lächelte ihn selbstbewusst an, hob die Röcke ein wenig und stieg die Treppe hinauf.

Es war ihre Selbstsicherheit, die ihm die Augen öffnete. Die Erkenntnis kam ihm schlagartig. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, und er hatte das Gefühl, nicht mehr richtig durchatmen zu können und ins Wanken zu geraten …

Kapitel 2

Pru war gezwungen, den Blick zu senken, als sie die Stufen zum Eingang der Burg hinaufstieg. Sie hätte ihre Reitkappe darauf verwettet, dass der größere der beiden Herren, die auf dem Treppenabsatz warteten, der Earl war. Statt direkt von Newmarket hierherzureisen, war sie über London gefahren und hatte im St. Ives House übernachtet. Dort hatte sie sich lange mit der Duchesse Honoria, einer angeheirateten Cousine ihres Vaters, unterhalten. Unter anderem hatte sie ihr eine sehr genaue Beschreibung von Lord Deaglan Fitzgerald gegeben, von seinem Aussehen, seiner Persönlichkeit, seiner Wirkung. Wegen des letzten Punkts hatte Honoria geraten, dass Pru vorbereitet und vor allem gewappnet sein müsse, wenn sie mit dem Mann zu tun habe.

Natürlich hatte Pru sich gefragt, wie genau Honorias Beobachtungen wohl sein mochten, denn sie glaubte nicht, dass ein normaler Mann solch ein Adonis sein oder so eine Anziehungskraft besitzen konnte, wie Honoria angeblich behauptete. Immerhin hatte sie jetzt einen Grund, der Tante für ihre Einschätzung des Earl of Glengarah dankbar zu sein.

Obwohl sie gewarnt worden war, reizte der Mann sie, und im Geheimen verspürte sie eine gewisse Verlockung, als sie die Treppe erklomm. Ein groß gewachsener Mann, etwa einen Kopf größer als sie, mit breiten Schultern, langen Beinen und von schlanker Statur stand dort oben. Sein Gesicht hatte aristokratische Züge, eine breite Stirn und ein kantiges Kinn und war umrahmt von rabenschwarzen gewellten Haaren. Nach Aussagen von Honoria behaupteten einige Lästermäuler, er sehe aus wie ein gefallener Engel. Als sie sich der obersten Stufe näherte, warf sie ihm unter ihren dichten Wimpern hervor einen Blick zu. Vielleicht war er ja mal lasterhaft gewesen und hatte ein ausschweifendes Leben geführt, was ihm indes nicht anzusehen war.

Sie erreichte die Veranda, straffte die Schultern und sah ihm in die Augen.

Grün wie Irland, ein Smaragdgrün, das so intensiv war, dass es den Betrachter unweigerlich fesselte. Eine Sekunde lang hatte sie das Gefühl, in diesen faszinierenden Augen zu ertrinken, aber im nächsten Moment schüttelte sie ihre Faszination ab. Sie war hier, um sich die Pferde anzusehen. Aus keinem anderen Grund.

Er erwiderte ihren Blick. »P. H. Cynster, nehme ich an?«, brachte er etwas zögerlich hervor.

Seine Stimme klang tief und warm. Das typisch irische rollende R war ganz schwach zu hören und milderte die Schärfe.

Lächelnd streckte sie die Hand aus. »Ja. Ich bin Prudence Cynster.« Offensichtlich hatte er mit einem männlichen Besucher gerechnet, was ihr einen gewissen Vorteil verschaffte, denn der Earl musste sich erst an sie gewöhnen. Sie hob ihr Kinn ein wenig höher. »Ich leite das Zuchtprogramm der Cynster-Ställe und war fasziniert von Ihrem Brief, in dem Sie mich eingeladen haben, die Pferde Ihres verstorbenen Vaters zu begutachten.«

Dass Glengarah absolut nicht mit einem weiblichen Gesprächspartner gerechnet hatte, und schon gar nicht mit einer braven jungen Dame, war ein weiterer Vorteil für sie, weil sie sich von vornherein als selbstbewusste Geschäftsfrau präsentieren konnte, die sich nichts vormachen ließ. Deshalb war es in ihrem Interesse, sich mit ihrer unkonventionellen Persönlichkeit vorzustellen und Stärke zu zeigen.

»Ich bin hier, um Ihre Pferde zu besichtigen«, fiel sie ohne Umwege mit der Tür ins Haus und zeigte ein breites, freundliches Lächeln.

Der Earl musterte sie eine Weile aufmerksam, bevor er seine kräftige, warme Hand um ihre Finger schloss.

Eine Sekunde lang hätte sie schwören können, dass die Welt sich langsamer drehte, weil ihre Sinne sich vollkommen auf die Berührung zu konzentrieren schienen. In Glengarahs smaragdgrünen Augen erkannte sie einen Blick auf einen Strudel von kraftvollen Gefühlen, spürte die Anziehung sowie eine gewisse Vorahnung, die ihre Nerven auf eine verlockende Art kitzelte …

Elegant verbeugte er sich über die ihm dargereichte Hand. »Willkommen auf Glengarah Castle, Miss Cynster.« Deaglan richtete sich wieder auf und ließ langsam ihre Hand los. »Ich gebe zu, dass wir nicht mit einer Dame als einziger Repräsentantin Ihres renommierten Zuchtprogramms gerechnet hatten.«

Er sah zur Kutsche und zu ihren Dienern, die damit beschäftigt waren, Schachteln und Taschen zu entladen, während einige Stallburschen bereits darauf warteten, sich um die wundervollen Pferde zu kümmern.

Prudence Cynster verzog ihre Lippen zu einem beinahe maliziösen Lächeln, und Deaglan konnte sich eine Bemerkung nicht verkneifen. »Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr Vater so …« Er zögerte und wusste nicht, wie er das passend ausdrücken sollte. »Dass er so fortschrittlich war, meine ich.«

Sie lächelte schief. »Sie haben recht. Fortschrittlich ist er nicht gewesen. Wenn es hingegen um Pferde und das Gestüt ging, wollte er immer das Beste. Obwohl er der wohl beste Reiter und der erfahrenste und erfolgreichste Pferdetrainer in Großbritannien ist, hat er vor Langem erkannt, dass meine Mutter ein außergewöhnliches Auge für Blutlinien besitzt. Anscheinend habe ich diese Fähigkeit von ihr geerbt – zusammen mit dem Talent fürs Reiten von meinem Vater. Und ich nutze meine Augen und mein Wissen über Zucht und Pferde gern, um unser Zuchtprogramm voranzubringen.«

Sie klang knapp und klar, die Worte kamen ihr über die Lippen, als hätte sie sie bereits viele Male ausgesprochen. »Ich wurde von Kindesbeinen an in das Zuchtprogramm eingeführt und bin seit über zehn Jahren aktiv beteiligt, bis ich vor vier Jahren die Leitung übernahm.« Sie sah ihm mutig in die Augen »Also, lieber Earl, wenn Sie ein Abkommen mit den Cynster-Ställen anstreben, werden Sie mich von der Qualität Ihrer Pferde überzeugen müssen.«

Eine offene, direkte Herausforderung. »Sie müssen uns unsere Ahnungslosigkeit verzeihen. Zugegeben, ich wusste nicht, dass das Zuchtprogramm der Cynsters von einer Dame geleitet wird.« Er hielt weiterhin ihren Blick gefangen. »Zudem haben Sie mit P. H. Cynster unterzeichnet und diese Tatsache damit ein wenig verschleiert.«

Sie zuckte leicht mit den Schultern. »So viele Männer haben ein Problem damit, mit einer Frau Geschäfte zu machen, dass ich mir seit Langem angewöhnt habe, das männliche Zartgefühl zu schonen. Alle bedeutenden Züchter und alle, die in dem Geschäftsbereich tätig sind oder mit uns zusammenarbeiten, wissen, wer P. H. Cynster ist.« Der Ausdruck in ihrem Blick veränderte sich, und ein freches Funkeln war zu sehen. Sie neigte den Kopf. »Ich entschuldige mich, wenn ich Sie … durcheinandergebracht habe.«

Es gelang ihm, sich ein protestierendes Schnauben zu verkneifen und das Thema zu beenden, doch das Gefühl drohender Gefahr, das sich in ihm breitmachte, lag nicht darin begründet, dass sie ihn auf dem falschen Fuß erwischt hatte.

Er versuchte sich einzureden, dass eine so intensive Anziehungskraft, die seine Sinne derart entflammen ließ, nach einer achtzehn Monate dauernden Abstinenz wohl nicht völlig verwunderlich war. Nur er selbst glaubte nicht daran, weil er noch nie eine so heftig aufflackernde, heiße Gier verspürt hatte. Oder einen solchen Drang, ihre Hand zu nehmen und sie an einen Ort zu führen, an dem sie ungestört wären. Und das gleich nach dem ersten Treffen.

Wie stark würde dieser Drang noch werden?

Wie lange würde sie bleiben?

In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken.

Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, es Felix zu überlassen, sich mit dieser Dame auseinanderzusetzen und sich in die Schatten zurückzuziehen. Aber die Pferde gehörten ihm. Sie waren sein Besitz und seine Verantwortung.

Seine Zukunft.

Bestimmt würde sie ihn auf die Probe stellen, wie es noch keine Frau zuvor getan hatte, das war ihm klar. Und ebenso klar war ihm, dass er seinen Instinkten nicht die Führung überlassen durfte. Dann würde er nämlich riskieren, die Chance zu vertun, mit den Cynsters eine Vereinbarung zu treffen und mit ihrer Unterstützung das Gestüt zu einem richtigen Zuchtbetrieb auszubauen.

Hinzu kam, dass der Earl noch immer misstrauisch war, weil die Cynsters eine Frau geschickt hatten, dazu eine, die ihm mit ihrem Anblick bereits den Kopf verdrehte. Wieso hatten sie es zugelassen, dass sie in seine Nähe kam? Was hatten sie sich dabei gedacht? Sie mussten schließlich von seinem Ruf gehört haben und wissen, dass er sich diesen Ruf verdient hatte. Sollte das hier eine Art Prüfung werden?

Leider konnte er sie nicht an Felix weiterleiten, denn sie war in allen Bereichen, die die Zucht von Pferden betrafen, viel erfahrener als er oder Felix.

Und sie hatte schon bewiesen, dass sie darauf vorbereitet war, jeden Vorteil zu nutzen, den ihre Weiblichkeit ihr bot.

Nein. Er musste diese Aufgabe selbst übernehmen.

Er und sie.

Pru betrachtete die grünen Augen des Earl und wusste, dass er darüber nachdachte, ob er die Flucht ergreifen und die Aufgabe, mit einer Frau zu verhandeln, abgeben sollte. Er war mit Sicherheit souverän genug und es darüber hinaus gewohnt, alles zu bekommen, was er wollte.

Sie hatte nicht vor, ihm diese Chance so ohne Weiteres zu geben. Vor allem wollte sie als Erstes unbedingt die Pferde sehen. Es juckte sie in den Fingern, und ihre Instinkte waren hellwach. Ihr war nämlich nicht entgangen, wie sehr den Brüdern ihre Pferde gefallen hatten. Sie mochten Amateure sein, wenn es um die Zucht ging, doch mit den Pferden an sich kannten sie sich aus. Ob es nun Erfahrung war oder der reine Instinkt oder beides, das blieb vorerst dahingestellt.

Pru wartete nicht ab, bis der Earl das Wort ergriff, sondern nahm die Zügel in die Hand. »Darf ich fragen, ob Sie wegen der Pferde Ihres verstorbenen Vaters bereits Kontakt zu anderen bekannten Ställen und Gestüten aufgenommen haben?«

Glengarah blinzelte. »Vielleicht würden Sie mich erst einmal aufklären, wie die Interessen der Cynsters an unseren Pferden genau aussehen?«

Sie lächelte. »Wir sind immer auf der Suche nach neuen Vollblutpferden, die Merkmale der ursprünglichen Blutlinie in sich tragen. Wie viele solcher reinrassigen Tiere haben Sie in Ihrem Bestand?«

»Einige. Sie müssen ja gleich nach Erhalt unseres Schreibens aufgebrochen sein. Sind Sie immer so gespannt darauf, sich vielversprechende Pferde anzuschauen?«

Sie sah ihn mit leicht zusammengekniffenen Augen an und bemerkte seine distanzierte, etwas arrogante Miene. Ihr Lächeln wirkte inzwischen leicht angespannt. »Wir waren noch nie dafür bekannt, irgendetwas auf die lange Bank zu schieben.«

»Ist das so?« Sein Blick wurde strenger. »Und ist das der einzige Grund, warum Sie so schnell hierhergekommen sind?«

Sie spürte Wut in sich hochkochen und erkannte, dass er genau das wollte. Unwillkürlich wich sie ein Stück zurück. In diesem Augenblick wurde ihr nämlich bewusst, dass sie und der verdammte Earl sich während des Gesprächs immer näher gekommen waren. Viel zu nahe. Sie hatte sich in seinen grünen Augen verloren, war von ihnen angezogen worden und hatte es nicht einmal bemerkt.

Sie sah Glengarah an und erkannte an seiner leicht erstaunten Miene, dass ihm das bis jetzt auch nicht klar gewesen war.

Sie zwang sich, den Blick von seinem Gesicht auf seinen Bruder zu richten, an dessen erwartungsvollem, freundlichem Ausdruck sie ablesen konnte, dass er sich ebenfalls gerne einbringen würde. Deaglan nutzte die Gelegenheit, wich noch ein Stück zurück und deutete auf Felix. »Erlauben Sie mir, Ihnen meinen Bruder Mr. Felix Fitzgerald vorzustellen.«

Der junge Mann lächelte und griff nach ihrer Hand, die sie ihm reichte. »Miss Cynster. Darf ich sagen, welch große Freude es ist, Sie auf Glengarah Castle begrüßen zu dürfen?«

Felix ließ ihre Hand wieder los und warf Deaglan einen fragenden Blick zu. Sein Bruder nickte beinahe unmerklich und gestattete es Felix, das Gespräch zu übernehmen.

»Wir hoffen, dass Sie Ihren Aufenthalt bei uns genießen. Wir werden uns bemühen, Ihnen all Ihre Wünsche hinsichtlich der Prüfung unserer Pferde zu erfüllen.« Felix wies nach rechts, wo neben der Burg eine Ecke der Stallungen zu erkennen war. »Der Stall befindet sich dort hinten, ich bin mir sicher, dass unsere Stallknechte Ihnen dabei behilflich sein werden, Ihre Pferde unterzubringen und zu versorgen. In der Zwischenzeit könnten wir schon einmal ins Haus gehen. Sie müssen nach der langen Reise erschöpft sein.«

Als er auf die offen stehende Eingangstür deutete, lächelte sie freundlich und nahm die Einladung, in die Burg zu gehen, sehr gern an. Die Fitzgerald-Brüder begleiteten sie beide, wobei sie sich weiterhin angeregt mit Felix unterhielt. Deaglan ließ sich ein Stückchen zurückfallen, um ihre Aufmerksamkeit nicht von seinem Bruder abzulenken, der ein unglaubliches Redetalent besaß und dem man zutraute, dass er junge Damen mit seinem Charme im Handumdrehen um den Finger wickeln konnte. Der Earl ging einen Schritt hinter den beiden her, als sie in die Eingangshalle traten. Er blieb neben Bligh stehen und bestätigte dem überraschten Butler, dass ihr Gast tatsächlich eine Frau war. »Sie hat ihre Ankleidedame und eine jüngere Zofe mitgebracht sowie einen eigenen Kutscher und einen Diener oder Stallburschen, genau kann ich das nicht sagen. Ich nehme an, dass es kein Problem sein wird, alle unterzubringen?«

»Selbstverständlich nicht, Mylord«, erwiderte Bligh leicht verschnupft, als fände er eine solche Invasion von Bediensteten reichlich übertrieben.

Deaglans Mundwinkel zuckten verdächtig, denn Miss Prudence Cynster mit ihrer ganzen Entourage unter seinem Dach zu haben, war alles andere als lustig. »Unter den gegebenen Umständen schlage ich vor, dass Ihre Frau noch einmal darüber nachdenkt, welchen Raum sie Miss Cynster zuweist. Ich denke an das Zimmer am Ende des Westflügels, das passenderweise einen Blick auf die Stallungen erlaubt. Insgesamt wäre es sehr passend.« Dass das Zimmer außerdem am weitesten von seinen eigenen Räumlichkeiten entfernt lag, verschwieg er lieber.

Bligh verbeugte sich. »Sehr wohl, Mylord«, sagte er und schickte sich an, die Gäste auf ihre Zimmer zu führen. Prudence stand mit Felix nach wie vor in der langen Eingangshalle, die ursprünglich einmal der Palas, das Zentrum der mittelalterlichen Burg mit Wohn- und Festsaal, gewesen war. Miss Cynster sah sich mit offenkundigem Interesse um und stellte Felix jede Menge Fragen, beispielsweise über das Familienwappen, das auf einigen alten Wimpeln zu sehen war, die an den Wänden hingen.

»Wenn ich etwas vorschlagen dürfte, Mylord«, schaltete sich der Butler flüsternd ein und wandte sich an den Earl. »Eine Tasse Tee wäre sicher angebracht. Wenn ich recht informiert bin, hat die Dame eine lange Reise hinter sich.«

»Das stimmt. Obwohl sie nicht sonderlich erschöpft wirkt, wäre es zweifelsohne nett, ihr Tee und Gebäck anzubieten. In der Bibliothek, Bligh. Bringen Sie das Teetablett dorthin, bitte.«

Deaglan ließ Bligh stehen und schlenderte zu Felix und Miss Cynster. Sie wirkte gelöst, doch bei genauer Betrachtung erkannte er einen aufmerksamen, vorsichtigen Ausdruck an ihr. In diesem Moment wurde ihm bewusst, dass er sie falsch eingeschätzt hatte und sie immun gegen Schmeicheleien wie die von Felix war. Um Erfolg zu haben, würde er sich selbst um sie kümmern müssen.

»Sagen Sie mir«, bat sie mit leiser Stimme, als er zu ihr kam, »ob noch andere Ställe Interesse an den Pferden Glengarahs bekundet haben? Wissen noch andere Züchter von diesen Tieren?«

»Ich, äh …« Felix wollte offenbar erneut den Ton angeben, wurde aber vom Hausherren des Anwesens unterbrochen. »Was mein Bruder zu sagen versucht, Miss Cynster, ist Folgendes: Wir haben keine Ahnung, wem mein Vater welche Tiere gezeigt oder mit wem er in Kontakt gestanden hat, um einen Termin für eine Besichtigung zu vereinbaren.«

Sie erwiderte seinen Blick so offen und direkt, wie er es inzwischen von ihr erwartete. »Ich verstehe.«

Deaglan lächelte lässig. »Darüber werden wir noch reden müssen. Zunächst habe ich die Anweisung erteilt, Ihre Dienstboten im Haus unterzubringen und Ihr Gepäck gleich in Ihr Zimmer zu bringen. Unsere Haushälterin Mrs. Bligh wird Sie begleiten, wann immer Sie möchten. Ich hoffe allerdings, dass Sie uns zuerst die Ehre erweisen, eine Tasse Tee mit uns zu trinken.«

Mit einem anmutigen Nicken nahm sie die Einladung an, und gemeinsam gingen sie durch die Zimmerflut.

»Bitte entschuldigen Sie, dass meine Tante Mrs. O’Connor nicht hier ist, um Sie zu begrüßen. Sie besucht gerade ein paar Freundinnen, wird jedoch bald zurückerwartet.« Er fing ihren Blick auf. »Es wird Sie sicher freuen, dass sie ebenfalls hier lebt und dafür sorgen wird, dass alle Anstandsregeln hinsichtlich Ihres Besuchs bei uns erfüllt werden.«

Der Blick, den sie ihm zuwarf, bewies, dass sie sich vor dem Aufbruch nach Glengarah Castle keine Gedanken darüber gemacht hatte. Deaglan hingegen lächelte schmallippig. Ihr unerwartetes Auftauchen hier konnte unter Umständen die Art von Schwierigkeiten mit sich bringen, die ein Damenbesuch eventuell verursachte und denen er für gewöhnlich aus dem Weg ging.

Vor der Tür zur Bibliothek blieb er stehen. Erneut ergriff Felix das Wort. »Es ist eine gute Entscheidung hierzubleiben, in der Nähe gibt es keine andere Unterkunft, die angemessen wäre.« Deaglan sah ihr flüchtig in die Augen, machte die Tür auf und bedeutete Prudence Cynster hineinzugehen.