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Eine Gefahr für die ganze Welt: Der packende Thriller »Der Journalist: Tom Porter und das Miami-Gambit « von Ole Hansen jetzt als eBook. Droht der Küste von Florida die größte Umweltkatastrophe der amerikanischen Geschichte? Der Journalist Tom Porter entdeckt bei einer nächtlichen Motorbootfahrt einen havarierten Öltanker in den Gewässern vor Miami. Was hat es mit der rätselhaften Yacht auf sich, die in der Nähe vor Anker liegt – und wieso verschwindet der für den Frachter verantwortliche Offizier kurz danach aus dem Krankenhaus? Zusammen mit der Meeresbiologin Sandra Parelli beginnt Porter, Nachforschungen anzustellen … und gerät schon bald auf die Spur eines zwielichtigen Konzerns, dessen Größenwahn das globale Ökosystem für immer zu zerstören droht … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der actiongeladene Öko-Thriller »Tom Porter und das Miami-Gambit« von Bestsellerautor Ole Hansen ist der vierte Band seiner fesselnden Serie um den Journalisten Tom Porter und wird alle Fans von Marc Elsberg und Clive Cussler begeistern.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 401
Über dieses Buch:
Droht der Küste von Florida die größte Umweltkatastrophe der amerikanischen Geschichte? Der Journalist Tom Porter entdeckt bei einer nächtlichen Motorbootfahrt einen havarierten Öltanker in den Gewässern vor Miami. Was hat es mit der rätselhaften Yacht auf sich, die in der Nähe vor Anker liegt – und wieso verschwindet der für den Frachter verantwortliche Offizier kurz danach aus dem Krankenhaus? Zusammen mit der Meeresbiologin Sandra Parelli beginnt Porter, Nachforschungen anzustellen … und gerät schon bald auf die Spur eines zwielichtigen Konzerns, dessen Größenwahn das globale Ökosystem für immer zu zerstören droht …
Über den Autor:
Ole Hansen, geboren in Wedel, ist das Pseudonym des Autors Dr. Dr. (COU) Herbert W. Rhein. Er trat nach einer Ausbildung zum Feinmechaniker in die Bundeswehr ein. Dort diente er 30 Jahre als Luftwaffenoffizier und arbeitete unter anderem als Lehrer und Vertreter des Verteidigungsministers in den USA. Neben seiner Tätigkeit als Soldat studierte er Chinesisch, Arabisch und das Schreiben, sowie Umweltwissenschaften und Geschichte, wobei er seine beiden Doktortitel erlangte. Nachdem er aus dem aktiven Dienst als Oberstleutnant ausschied, widmete er sich ganz seiner Tätigkeit als Autor. Dabei faszinierte ihn vor allem die Forensik – ein Themengebiet, in dem er durch intensive Studien zum ausgewiesenen Experten wurde. Heute wohnt der Autor an der Ostsee.
Von Ole Hansen sind bei dotbooks bereits die folgenden eBooks erschienen:
Seine Reihe um den Privatdetektiv JEREMIAS VOSS umfasst aktuell 11 Bände, beginnend mit »Jeremias Voss und die Tote vom Fischmarkt«.
In seiner zweiten Serie um MARTEN HENDRIKSEN, Privatdetektiv und Rechtsmediziner mit Leichenallergie, sind bisher sechs Romane erschienen, beginnend mit dem ersten Fall »Hendriksen und der mörderische Zufall«.
Ex-BND-Agent ARNE CLAASEN ermittelt bisher in drei Fällen in der Hamburger Abteilung für Cold Cases, beginnend mit »Arne Claasen und die vergessenen Toten«.
Als Team sind sie unschlagbar: CLAASEN & HENDRIKSEN klären gemeinsam die brisantesten Verbrechen Hamburgs, beginnend mit ihrem ersten gemeinsamen Fall »Die Tote von Pier 17«. Weitere Bände sind in Vorbereitung.
Einige seiner Kriminalromane sind auch in Sammelbänden erschienen.
Des weiteren veröffentlichte Ole Hansen seine vierbändige Thriller-Serie »Der Journalist« um den Investigativjournalisten Tom Porter, der auf der ganzen Welt Intrigen in den höchsten Rängen der Politik aufdeckt.
Unter seinem Klarnamen Herbert Rhein veröffentlichte der Autor bei dotbooks auch die folgenden eBooks:
»Todesart: Nicht natürlich. Gerichtsmediziner im Kampf gegen das Verbrechen.«
»Todesart: Nicht natürlich. Mit Mikroskop und Skalpell auf Verbrecherjagd.«
Als Hörbuch bei AUDIOBUCH und Thalia sind außerdem verfügbar:»Jeremias Voss« Band 1 & 2»Marten Hendriksen« Band 1 – 5»Claasen & Hendrksen« Band 1 & 2
Folgende Bücher von Ole Hansen sind auch als Printausgabe erhältlich:
»Jeremias Voss und die Tote vom Fischmarkt. Der erste Fall«
»Jeremias Voss und der tote Hengst. Der zweite Fall«
»Hendriksen und der mörderische Zufall. Der erste Fall«
»Hendriksen und der Tote aus der Elbe. Der zweite Fall«
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eBook-Neuausgabe Dezember 2024
Dieses Buch erschien bereits 1990 unter dem Titel »Die Umweltmafia« Verlagsunion Erich Pabel-Arthur Moewig, Raststatt.
Copyright © der Originalausgabe 1990 by Verlagsunion Erich Pabel-Arthur Moewig KG, Raststatt
Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Redaktion (Überarbeitung): Ralf Reiter
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Pop Paul Catain und AdobeStock/Max Safaniuk
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)
ISBN 978-3-98952-662-4
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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!
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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags
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Ole Hansen
Der Journalist:Tom Porter und das Miami-Gambit
Thriller
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Tiefhängende, blauschwarze Wolken zogen über das Gelände der H.E.T., der Holden Environmental Technologies Incorporated, und öffneten ihre Schleusen. Es schüttete, als würde das Wasser aus Kübeln vom Himmel gegossen. Innerhalb von Minuten verwandelten riesige Pfützen den Platz in eine Wasserwüste. Die Straßen und Wege zwischen den Gebäuden waren wie ausgestorben; niemand traute sich nach draußen, denn derjenige wäre in Sekundenschnelle bis auf die Haut durchnässt gewesen.
Die Versammlung im Konferenzraum des Präsidenten dauerte nun schon Stunden, und keiner der fünf Männer nahm das Frühsommerunwetter draußen wirklich wahr. Sie saßen in einem wohlklimatisierten, mit allen Bequemlichkeiten ausgestatteten Raum, nur der Ausdruck auf ihren Gesichtern ließ erahnen, dass ihre Stimmung dem Unwetter draußen entsprach.
Steve Darling, ein großer, schlanker Mann Mitte vierzig, mit unproportional breitem Kopf und intelligent blickenden Augen, stand am Rednerpult, schob sichtlich irritiert seine Vertragsunterlagen zusammen und schaltete den Tageslichtprojektor aus. Als Leiter der Hauptabteilung Forschung und Entwicklung hatte er vor den Hauptaktionären des Unternehmens einen Bericht über den Stand der Entwicklungsarbeiten geben müssen. Das allein hätte ihm kein Problem bereitet. Brisant wurde die Situation, als er plausibel erklären musste, dass für die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten noch etliche Millionen Dollar zusätzlich benötigt wurden. Eine Forderung, deren Folge darin bestand, dass die H.E.T. auch in diesem Jahr keine Dividende zahlen würde. Die heftigen Reaktionen der Hauptaktionäre ließen dann auch keine Zweifel darüber aufkommen, wie seine Forderung aufgenommen worden war. Darling hatte die kontroverse Diskussion vorhergesehen und sich entsprechend vorbereitet, doch er hatte nicht damit gerechnet, dass man ihn als unfähig bezeichnen und seinen Kopf fordern würde. Es kostete ihn große Mühe, die Aktionäre wenigstens von seinem Konzept zu überzeugen, den Konzern auf die Bekämpfung von Ölkatastrophen zu spezialisieren.
Die H.E.T. befasste sich schon seit Jahren mit der Beseitigung von Umweltschäden, aber man war eben nur eines von mehreren Unternehmen, die auf diesem Gebiet konkurrierten. Mit der Realisierung des neuen Konzepts würde die H.E.T. jedoch weltweit das einzige Unternehmen sein, das die Mittel besaß, Ölkatastrophen großen Ausmaßes zu bekämpfen. Mit dieser marktbeherrschenden Stellung konnten dann gigantische Gewinne erzielt werden. Das hatte die letzte große Katastrophe vor der Küste Alaskas deutlich gezeigt.
Das Ziel, über Mittel und Verfahren zu verfügen, um solchen Unglücksfällen wirksam begegnen zu können, war nun in greifbare Nähe gerückt. Allerdings mussten die Aktionäre willens sein, das Projekt um die geforderten Millionen aufzustocken. Hierüber aber hatten sich die Gemüter erhitzt. Wissenschaftliche Träumereien, Missmanagement, mangelndes Koordinationsvermögen, ja sogar Unfähigkeit hatten sie dem Chef der Hauptabteilung Forschung und Entwicklung vorgeworfen.
Steve Darling war schwer gekränkt. Er klemmte seine Vortragsunterlagen unter den Arm und verließ den Konferenzraum.
William Holden, Präsident der H.E.T. und – wie die anderen Männer – Besitzer von zwanzig Prozent der Stammaktien, wartete, bis sein Hauptabteilungsleiter die Runde verlassen hatte. Dann wandte er sich an die noch immer empörten Männer. Um die Stimmung nicht noch weiter anzuheizen, unterdrückte er seine eigene Verärgerung über ihr Verhalten und sagte mit betont ruhiger Stimme: »Meine Freunde, ich kann verstehen, dass ihr aufgebracht seid, aber lasst uns versuchen, das Problem ohne Emotion zu diskutieren. Sicher, es ist unbefriedigend, noch einmal etliche Dollar in das Projekt zu pumpen, aber ich garantiere euch, es wird sich lohnen. Denkt nur an die Katastrophe der Exxon Valdez im Prinz-William-Sund. Was für eine Goldgrube hätte sich uns da geöffnet, wenn wir schon einsatzbereit gewesen wären!«
»Wenn! Wenn! Ich kann dieses verdammte Wort nicht mehr hören«, rief Paul Carter aufgebracht. Wie gewöhnlich machte er sich zum Sprecher der Runde – eine Anmaßung, die von den anderen Aktionären nur deshalb toleriert wurde, weil Carter es verstand, die Gedanken aller zum Ausdruck zu bringen.
»Natürlich hast du recht, Paul«, stimmte Holden diplomatisch zu, »trotzdem möchte ich dir und euch allen einige Zahlen ins Gedächtnis rufen.« Seine Stimme wurde eindringlich: »Jährlich werden etwa drei Milliarden – ich betone: drei Milliarden – Tonnen Rohöl auf rund sechstausend Tankern über die Ozeane transportiert. Über drei Millionen Tonnen gelangen dabei im gleichen Zeitraum ins Meer. Das ist eine Menge, mit der man etwa zwanzig Tanker von der Größe der Exxon Valdez füllen könnte. Schon diese Menge allein ergäbe einen lukrativen Markt für ein Unternehmen, das auf die Beseitigung von Ölverschmutzungen spezialisiert ist. Aber das ist nicht der Markt, den ich anstrebe. Ich setze auf Ölkatastrophen wie die vor Alaska, das heißt solche in Küstennähe. Nur in entsprechend stark umweltgefährdeten Bereichen können wir den Preis für die Rettungsmaßnahmen diktieren und Geld im großen Stil verdienen. Wie riesig da die Chancen sind, hat die Vergangenheit gezeigt. Allein in den letzten fünfzehn Jahren gab es hundertneunzig große Tankerunfälle. Von den vielen Bohrinselkatastrophen will ich gar nicht erst sprechen.
Meine Freunde, es ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Die nächste Tankerkatastrophe kommt gewiss! Und dafür will ich – wollen wir – gewappnet sein.«
Holden machte eine Pause, um den Aktionären Gelegenheit zu einer Erwiderung zu geben.
Noch während der Präsident der H.E.T. sprach, hatte sich die Atmosphäre im Konferenzzimmer merklich entspannt. Die Männer stimmten seiner Lagebeurteilung zu. Schließlich waren es ja diese Gedanken gewesen, die zu dem Projekt geführt hatten. Auch wenn es ärgerlich war, noch einmal Millionen von Dollar bereitzustellen, so war doch jedem klar: Es gab keine andere Möglichkeit. Andernfalls waren all die Summen, die der Versuch bereits verschlungen hatte, verloren.
Der Einzige, der sich nicht mit den Ausführungen des Präsidenten zufriedengeben wollte, war Paul Carter. Er brummte einige unwirsche Bemerkungen vor sich hin und sagte unwillig: »Wenn ich diesen Schwätzer von Darling mit seinem Fachchinesisch richtig verstanden habe, dann ist noch gar nicht sicher, dass wir mit einer biologischen Bekämpfung von ausgelaufenem Rohöl Erfolg haben werden. Wer garantiert uns, nicht in einem halben Jahr wieder mit einer Forderung nach erneuten Zahlungen konfrontiert zu werden?«
Holden, der gemerkt hatte, dass die Stimmung bei den Aktionären, mit Ausnahme von Carter, zu seinen Gunsten umgeschlagen war, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und antwortete entspannter: »Der Eindruck trügt. Erstens benötigen wir das Geld für die abschließenden Arbeiten in allen Bereichen der Ölbekämpfung. Das heißt für den Einsatz technischer Mittel, aber auch für die chemischen und biologischen Verfahren. Mr. Darling hat das wohl klar dargestellt.« Beim letzten Satz blickte er dem Kritiker direkt ins Gesicht. Dieser machte Anstalten zu antworten, schwieg aber dann doch und trommelte nur ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch. Holden registrierte es mit Genugtuung und fuhr fort: »Der Hauptteil des Geldes, etwa sechzig Prozent, ist für die restlichen Arbeiten an den technischen Geräten vorgesehen. Wie ihr wisst, planen wir, mit einer Kette von Hochleistungskammern ausgelaufenes Rohöl auf mehreren hundert Metern Breite gleichzeitig abzusaugen. Das Verfahren funktioniert bereits. Wir haben lediglich noch Probleme bei Windstärken von mehr als fünf und einem Wellenhub von mehr als zwei Metern. Hier gilt es, weitere Versuche zu fahren und möglicherweise einige zusätzliche Entwicklungsarbeiten durchzuführen. Aber ich will euch nicht mit technischen Einzelheiten belästigen. Was nun das biologische Verfahren anbelangt, so befinden wir uns kurz vor dem Durchbruch. Das bedeutet, wir werden in Kürze auf diesem Gebiet einzigartig in der Welt dastehen. Ich darf noch einmal wiederholen, was Mr. Darling bereits vorgetragen hat. Wir haben uns auf diesem Gebiet die neuesten Erkenntnisse der Gentechnologie zunutze gemacht. Und zwar haben wir die Mikroben, die schon immer zur Ölbekämpfung verwandt wurden, so in ihrem Erbgut verändert, dass sie um ein Vielfaches aggressiver geworden sind. Damit können sie den Stoff wesentlich schneller zersetzen als herkömmliche Mikroben. Gleichzeitig sind unsere Bakterien, wir nennen sie M-100, sowohl bei ruhiger als auch bei schwerer See und, was wesentlich ist, bei bereits stark mit Meerwasser versetztem Rohöl erfolgreich einsetzbar.«
»Wenn dieses M-100 schon alles kann, wozu braucht ihr dann noch mehr finanzielle Unterstützung?«, fragte Carter bissig.
»Auch das hat Mr. Darling angesprochen.« Der Präsident musste sich langsam zwingen, seinen freundlichen Ton beizubehalten. »Die Mikroben haben in Laborversuchen nachgewiesen, dass sie das vermögen, was ich eben angesprochen habe. Was wir jetzt benötigen, sind Freilandversuche. Um hierzu die Genehmigung zu erhalten, müssen wir die Erbanlagen noch weiter verändern, und zwar so, dass sie nach einer bestimmten Lebensdauer von selbst absterben. Bei Arbeiten hierzu sind wir auf Schwierigkeiten gestoßen. Allerdings werden wir auch diese Probleme in Kürze lösen können, wenn ausreichend Geld zur Verfügung steht.«
»Wozu dieser Umstand? Warum führen Sie nicht gleich die Freilandversuche durch?« Es war Fred Moultrie, der die Frage stellte. Sie klang aggressiver, als sie eigentlich gemeint war.
»Ganz einfach«, antwortete Holden, »unsere Mikrobe M-100 ist ein völlig neues, künstliches Lebewesen. Ein Lebewesen, das es so noch nicht auf dieser Welt gibt. Es hat deshalb weder Freund noch Feind. Unsere Regierung vertritt nun den Standpunkt, dass solche neuen Geschöpfe in der Natur nicht ohne vorherige Genehmigung freigesetzt werden dürfen. Die Verantwortlichen haben sich hier dem Druck der Umweltschützer gebeugt, die anscheinend befürchten, dass in den Gen-Laboren unberechenbare Monster gezüchtet werden. Kurz und gut, um eine Genehmigung für einen Freilandversuch zu bekommen, müssen wir nachweisen, dass M-100 nach kurzem Aufenthalt im Freien von selbst stirbt.«
»Gibt’s keine Möglichkeit, den Quatsch zu umgehen?«, fragte Carter ungeduldig.
»Keine! Schließlich beabsichtigen wir, dieses Mittel später auch weltweit einzusetzen. Wenn wir uns jetzt nicht gesetzeskonform verhalten, werden wir diese Genehmigung nie bekommen.«
Der Präsident der H.E.T. konnte Carter ansehen, wie wenig ihn diese Antwort befriedigte. Nach seinem Gefühl hatte Carter sich noch nicht mit der Nachforderung abgefunden und versuchte, ihn mit seinen Fragen in die Enge zu treiben.
Holdens Verdacht wurde bestätigt, denn Carter bohrte weiter.
»Wenn ihr so von eurem Wundermittel überzeugt seid, warum verschwendet ihr dann noch Geld für die Entwicklung chemischer Produkte?«
»Ganz einfach. Um die Mikrobe verschwinden zu lassen, verändern wir sie in zweifacher Hinsicht. Einmal muss sie absterben, wenn sie auf der Wasseroberfläche schwimmt. Dazu wird ihre Widerstandskraft gegen das UV-Licht so verringert, dass sie nach drei bis vier Tagen verbrennt. Sie muss aber auch absterben, wenn sie auf den Boden des Meeres sinkt. Um dies zu erreichen, wird sie so manipuliert, dass sie nur bis zu einer bestimmten Temperatur überleben kann. Gerade diese Einschränkung macht ihren Einsatz in extrem kalten Regionen unmöglich. Diesem Dilemma können wir nur entgehen, indem wir darauf zielende chemische Produkte und Einsatzverfahren entwickeln. Außerdem ist es immer besser, eine möglichst breite Palette von Einsatzmöglichkeiten präsentieren zu können. Beantwortet das die Frage?«
Auch wenn Carter nickte, so zeigte er sich doch in keiner Weise zufriedengestellt. Noch eine Stunde bohrte er mit Fragen weiter, ohne Holden in die Enge treiben zu können. Dann gab er auf. Unklar war, ob sein Wissensdrang gestillt oder ihm nur keine Frage mehr eingefallen war. Als nach einer kurzen Pause über die Nachtragsforderung abgestimmt wurde, stimmten alle Aktionäre, auch Paul Carter, für den Einsatz der Geldmittel, wie er von Holden vorgeschlagen worden war.
Fünf Monate später starrte William Holden auf den Mann, der vor ihm stand, und ging mit kaum unterdrückter Wut vor dem Schreibtisch in seinem Büro auf und ab. Wer den untersetzten, mittelgroßen Präsidenten mit dem hochroten Gesicht, dem stechenden Blick und dem vorgeschobenen Kiefer jetzt sah, musste unweigerlich das Gefühl haben, er stünde vor einem angriffslustigen Bullterrier. Dieser Eindruck trog nicht.
John Billings, der Vizepräsident der H.E.T., las den Brief, der Holden so erregt hatte, und ließ sich dabei durch den vor Wut kochenden Kollegen nicht aus der Ruhe bringen. Groß und schlaksig lehnte er am Schreibtisch. Nach außen hin wirkte er völlig ruhig und entspannt, doch wer ihn genauer kannte, konnte an seinem Mund und den beim Lesen zu einem schmalen Strich zusammengekniffenen Lippen mühsam zurückgehaltenen Zorn ablesen. Sein von tiefen Falten durchzogenes Gesicht bekam dadurch einen brutalen Ausdruck.
»Nun, was hältst du von diesem Mist?«, fragte Holden wütend.
»Eine verdammte Sauerei, Bill. Mir wäre nicht einmal im Traum eingefallen, dass der Umweltminister die Genehmigung, das Präparat M-100 im Freien zu testen, verweigern würde. Die Begründung …«, seine Augen flogen über das Papier, »… wir könnten nicht garantieren, dass sich die Mikroben so verhalten, wie in unserem Forschungsbericht angegeben. Völliger Blödsinn! Das Schreiben zeigt wieder einmal, dass in diesen Scheißministerien nur Tintenpisser und Ökologieapostel hocken, die den Fortschritt bremsen. Aber das Gejammer hilft uns nicht weiter. Was machen wir nun?«
Holden, dem die deftige Sprache seines Stellvertreters sichtlich guttat, wurde ruhiger. »Genau das frage ich mich schon seit Stunden, ohne eine brauchbare Antwort gefunden zu haben. Was denkst du?«
Billings wiegte bedächtig den Kopf. Nach einigen Augenblicken des Schweigens antwortete er: »Ich muss mir die neue Lage erst mal in aller Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Ich ruf dich an, wenn mir etwas eingefallen ist. Einverstanden?«
»Okay, tu das«, antwortete Holden und verkniff sich, hinzuzufügen, dass er sich gefälligst beeilen sollte. Er wusste aus Erfahrung, wie wenig Sinn es hatte, John Billings zu drängen.
Zwei Tage brauchte sein Stellvertreter, um eine Lösung zu finden. »Wir müssen die Regierung dazu zwingen, uns die Erlaubnis für die Erprobung unseres M-100 zu geben«, schlug er dem Präsidenten bei der nächsten Unterredung unter vier Augen vor.
»Aber wie stellst du dir das vor? Darum geht’s doch!«
Was Billings darauf an Gedanken entwickelte, war abenteuerlich, gefährlich und verbrecherisch – ganz nach Holdens Geschmack. Ohne sich lange zu besinnen, beauftragte er ihn, die notwendigen Vorbereitungen zu treffen.
Noch am gleichen Tag setzte sich Billings mit Andy Steel, dem Sicherheitschef der H.E.T., in Verbindung und erteilte ihm die erforderlichen Aufträge.
Einen Monat später lagen zehn Akten vor Billings auf dem Tisch. Sorgfältig studierte er jede einzelne, dann wählte er eine aus und vernichtete die anderen im Reißwolf. Nachdem er sich noch einmal mit Holden abgestimmt hatte, erhielt Steel die Anweisung, den Plan anlaufen zu lassen.
Steve Darling saß an seinem mit Papieren übersäten Schreibtisch. So wie auf dem Tisch sah es im ganzen Büro aus. Die Wände waren mit Tabellen, Kurven, technischen Zeichnungen und Computerausdrucken tapeziert. Selbst der Konferenztisch schien nur als Ablage für Fachbücher zu dienen.
Für Darling war dieses Chaos genau die Umgebung, die er brauchte, um denken und arbeiten zu können. Für ihn waren es keine toten Fakten und Daten, die da an den Wänden hingen, sondern etwas Lebendiges. In dieser Welt war er zu Hause und fühlte sich wohl. Im Gegensatz zu seinen Kollegen war für ihn die schönste Stunde des Tages nicht, wenn er nach einem arbeitsreichen Tag nach Hause fahren konnte, sondern wenn er am Morgen sein Büro wieder betreten durfte.
Steve Darling war Wissenschaftler. Da er aber die seltene Fähigkeit besaß, wissenschaftliche Erkenntnisse in praktische, ökonomische Techniken umzusetzen, hatte ihn Holden für die Forschungs- und Entwicklungsabteilung engagiert. Mit gemischten Gefühlen hatte Darling seine Professur an der Harvard-Universität verlassen, aber die Angebote zu Arbeitsbedingungen und Gehalt klangen so vielversprechend, dass er zugesagt hatte. Bis jetzt hatte er diesen Entschluss nicht bereut. Das Einzige, was er beklagte, war die ausschließliche Ausrichtung aller Aktivitäten auf ihre marktwirtschaftliche Verwertbarkeit. Aber das musste in einem kommerziellen Unternehmen wohl so sein.
Das Verhältnis zu seinem Chef war zufriedenstellend, das zu John Billings dagegen gespannt. Er lehnte dessen aalglatte, skrupellose Art ab.
Darlings mächtiger Kopf tauchte aus den Papieren auf. Die Tür hatte sich geöffnet, und Mary, seine Sekretärin, war eingetreten. In der Hand trug sie einen Faltordner mit der Eingangspost und die Unterschriftenmappe.
»Was Wichtiges?« Argwöhnisch beäugte er die dicke Postmappe.
»Nein, Sir, nur allgemeiner Kram«, beruhigte Mary ihn. »Haben Sie schon die Broschüre von der Werbeabteilung, die ich Ihnen am Montag gebracht habe, abgezeichnet?«
Ein Kopfschütteln war die Antwort. »Noch nicht.«
»Sie sollten es tun, Sir. Es ist dringend. Mr. Holdens Sekretärin hat mich gerade wieder angerufen und daran erinnert, dass der Präsident die Mitzeichnungsbemerkung morgen früh haben will. Von allen anderen Hauptabteilungen liegen schon die Unterschriften vor. Nur wir fehlen noch.«
»Ist gut, Mary, ich werde sie mir gleich ansehen.«
Darling griff nach der Unterschriftenmappe, überflog die Schreiben und unterzeichnete sie, ohne etwas zu ändern. Anschließend ging er die Eingangspost durch. Soweit möglich, diktierte er Mary die Antworten oder Arbeitsanweisungen. Als sie sein Zimmer wieder verlassen hatte, suchte er nach der Broschüre, zu der er Stellung nehmen sollte. Unter einem Stapel von Papieren fischte er sie schließlich hervor.
Er hielt eine aufwendig produzierte Werbeschrift in der Hand, die an alle nationalen und internationalen Ölkonzerne, Tankerreedereien, die Regierungen US-amerikanischer Küstenstaaten, das Bundesumweltministerium sowie an die Regierungen von Kanada und der mittel- und südamerikanischen Staaten versendet werden sollte. Auf dem farbigen Umschlag, der spielende Kinder an einem schneeweißen Strand zeigte, umspült von türkisfarbenem Wasser, prangte in dicken, schwarzen Lettern:
Holden Environmental Technologies
Strategien zur Bekämpfung von Ölkatastrophen
zu Wasser und auf dem Land
Auf zwanzig Glanzpapierseiten folgte eine detaillierte, farbige Darstellung der Lage auf dem Erdölsektor, eine Beschreibung der bislang aufgetretenen Ölunfälle und eine Gefahrenanalyse für die Zukunft. Der zweite Teil befasste sich mit den unterschiedlichen Bekämpfungsstrategien. Dies war der Teil, der Darling interessierte. Schon beim oberflächlichen Durchlesen sträubten sich ihm die Nackenhaare. Selbst unter dem Gesichtspunkt, dass es sich hierbei um einen Werbeprospekt handelte, konnte er die Anhäufung von Halbwahrheiten nicht akzeptieren. Allein auf die positive Darstellung des Konzerns ausgerichtet, hatte die Werbeabteilung hier die ursprüngliche Zielsetzung der Bekämpfungsstrategien in eine Werbeschrift umgesetzt. Für sein Empfinden als Wissenschaftler ein absolut unseriöses Vorgehen, denn die Wirklichkeit sah anders aus. Wie bei allen Großkonzepten lag das Erreichbare weit hinter den dargestellten Zielvorstellungen zurück.
Darling drückte verärgert auf die Ruftaste der Gegensprechanlage und wandte sich an Mary. »Jim Bowl soll kommen. Sofort!«
Fünf Minuten später trat ein etwa dreißig Jahre alter Mann ohne anzuklopfen ein. Darling sah von der Broschüre auf.
»Jim, ich brauche etwas. Es ist dringend. Lass alles andere liegen.«
Der Angesprochene nahm einige Papiere von dem Stuhl, der vor dem Schreibtisch stand, und setzte sich. Mit aufgeschlagenem Notizbuch und gespitztem Bleistift wartete er auf die erwartungsgemäß detaillierten Aufträge.
»Erinnerst du dich noch an das Szenario III, das wir vor gut einem Jahr gefahren haben?«, fragte Darling seinen Spezialisten für Computersimulationen.
»Du meinst, wo wir den Unfall der Exxon Valdez und seine Auswirkungen auf die Umwelt untersucht haben?«
»Genau das meine ich. Wirf das Modell wieder an. Ich brauche schnellstens vier Untersuchungen. Und zwar erstens: Auswirkungen der Katastrophe auf die Umwelt ohne jede Bekämpfungsmaßnahmen. Zweitens: Auswirkung nach Berücksichtigung der tatsächlich durchgeführten Maßnahmen. Drittens: Lage unter Berücksichtigung der maximalen Zielvorstellungen, auf denen wir die Konzepte unserer Bekämpfungsstrategien aufgebaut haben. Viertens: Lage unter Zugrundelegung der von uns bis heute tatsächlich erreichten Werte.
Wie lange wirst du brauchen?«
Jim Bowl dachte laut nach. »Also, Punkt eins bis drei sind kleine Fische. Die Daten liegen fertig vor im Programm, die brauche ich nur abzurufen. Ich schätze, in maximal zwei Stunden habe ich die Ergebnisse. Bei der letzten Untersuchung ist das schwieriger. Da muss ich mir die Daten erst heraussuchen und ins Programm eingeben.« Jim schrieb einige Zahlen aufs Papier und betrachtete sie nachdenklich. »Wenn alles klar läuft und ich nicht auf Probleme stoße, dann müsste ich damit in acht Stunden durch sein. Aber ich darf durch nichts aufgehalten werden.«
»Okay, das dürfte reichen. Mach dich sofort an die Arbeit. Morgen früh, acht Uhr, will ich die Ergebnisse auf dem Tisch haben.«
»Aber Chef, dann muss ich die Nacht durcharbeiten.« Jim machte ein betretenes Gesicht. »Ich habe heute Abend eine Verabredung.«
Darling stand auf, kam um den Schreibtisch herum und schlug Jim kameradschaftlich auf die Schulter. »Tut mir leid, Jim, es ist verdammt wichtig. Ich muss morgen zu Holden und versuchen, ihm einige Zähne zu ziehen. Dafür brauche ich deine Daten. Es tut mir aufrichtig leid, wirklich, aber es geht nicht anders.«
Jim erhob sich. Zwar ärgerte er sich, aber was blieb ihm übrig? »In Ordnung, Chef, ich werde die Daten morgen früh fertig haben.«
»Danke, Jim, ich verlass mich darauf.«
Nachdem Jim gegangen war, ließ sich Darling von Mary eine Kanne Kaffee bringen, nahm sich noch einmal die Werbebroschüre vor und ging die einzelnen Aussagen und Behauptungen Punkt für Punkt durch. Gegen neun Uhr abends verließ er das Büro und fuhr nach Hause. Seine Frau war ausgegangen; eine Notiz in der Küche teilte ihm mit, sie sei mit einer Freundin in ein Konzert gefahren. Er nahm sich ein Fertiggericht aus dem Tiefkühlschrank und steckte es in die Mikrowelle. Während des Essens blätterte er in einem Fachmagazin, in das er sich am Abend weiter vertiefte. Erst seine Frau, die kurz vor Mitternacht zurückkam, schreckte ihn aus seinen Gedanken auf.
Am nächsten Morgen betrat er pünktlich um acht Uhr sein Büro, wo Jim Bowl bereits mit einem Stapel Computerausdrucken wartete.
»Na, Jim, alles klar?«, begrüßte Darling ihn und warf seine Aktenmappe achtlos auf den Schreibtisch.
»Sicher, Chef.«
»Dann lass sehen.«
Darling rief nach seiner Sekretärin. Als sie in der Tür erschien, bat er sie: »Seien Sie so freundlich und bringen Sie uns Kaffee. Und sorgen Sie dafür, dass wir während der nächsten halben Stunde nicht gestört werden. Ich brauche zudem einen Termin beim Chef, aber nicht vor zehn Uhr.«
Ohne auf eine Antwort zu warten, wandte er sich Jim zu. »So, nun lass sehen.«
Der Computerfachmann breitete die Ausdrucke auf dem Konferenztisch aus, und gemeinsam studierten sie die Ergebnisse. Die Daten für die ersten drei Untersuchungen stellten keine Überraschung dar. Darling kannte sie schon. Sie dienten lediglich Vergleichszwecken. Umso interessanter waren die Daten der letzten Studie, der einzigen, die den Ist-Zustand beschrieb. Obwohl er zufrieden sein konnte, dass sie seine persönlichen Annahmen und Beurteilungen bestätigten, zeigte sich der Abteilungsleiter in keiner Weise glücklich. Die Angaben bewiesen deutlich, dass man noch ein gehöriges Stück von der Verwirklichung der Ziele entfernt war. Ein Veröffentlichen der Broschüre in der vorliegenden Form war somit unverantwortlich. Darling bedankte sich bei Jim für seine Arbeit und verabschiedete ihn.
Sobald er wieder allein war, steckte Mary den Kopf zur Tür herein.
»Mr. Holden hätte um elf Uhr Zeit für Sie. Eine halbe Stunde. Reicht Ihnen das?«
»Ja, das reicht mir.«
Die Zeit bis zur Besprechung nutzte er, um sich einige Notizen zu machen. Dann trennte er die Seiten mit den zusammenfassenden Daten von den Computerausdrucken und machte sich auf den Weg zum Präsidenten der H.E.T. Er brauchte nicht zu warten.
»Hallo, Steve«, wurde er mit einem freundlichen Lächeln begrüßt. »Nehmen Sie Platz. Sie haben die Broschüre gelesen, wie finden Sie sie?«
Darling setzte sich vor den Schreibtisch und holte die Broschüre aus einem Faltordner.
»Ja, ich habe dieses Werbepamphlet gelesen. Wir können es unmöglich so lassen. Es stimmt hinten und vorne nicht.«
Augenblicklich verschwand das freundliche Lächeln aus dem Gesicht des Präsidenten. Finster blickte er sein Gegenüber an.
»Wie soll ich das verstehen, Steve?«
»Wie ich es gesagt habe, Sir. Wir versprechen in diesem Heft, dass wir mit unseren neuen Strategien und den dafür entwickelten Methoden, Verfahren und Geräten jede Art von Ölkatastrophe erfolgreich bekämpfen können. Das ist schlichtweg falsch! Diese Angabe geht sogar über das hinaus, was wir uns ursprünglich als Ziel gesetzt hatten. Aber das ist noch nicht mal das Problem. Tatsache ist, wir sind heute noch nicht annähernd so weit, wie wir in der Broschüre behaupten. Ich habe eine Studie gefahren, in der ich die Auswirkungen unserer derzeit verfügbaren Möglichkeiten anhand der Exxon-Valdez-Katastrophe untersucht habe. Nach den Ergebnissen waren wir zwar wesentlich besser als andere Firmen, aber auch wir würden kaum mehr als fünfzig, höchstens sechzig Prozent Erfolg haben.«
Holdens Gesicht hatte sich bei den Worten des Wissenschaftlers merkbar gerötet. Seine Stimme klang hart und unfreundlich, als er sagte: »Sie sind zu pessimistisch. Die letzten Erprobungen unter Schlechtwetterbedingungen haben doch gezeigt, dass unsere Geräte die geforderte Leistung erbringen.«
»Das schon, aber wenn ich Sie daran erinnern darf, wir konnten sie nur für sechs Stunden erproben, dann mussten wir den Versuch abbrechen, weil der Sturm Orkanstärke erreichte. Wir hatten etliche Probleme mit den Skimmern und den aufblasbaren Vorläufern. Außerdem haben wir die Geräte ja nur in Tiefwasser erprobt. Bei einer Ölkatastrophe müssen wir jedoch auch mit Entsorgungsmaßnahmen in Küstennähe, also in Flachwasser, rechnen. Hier haben wir, mit Ausnahme von einigen begrenzten Versuchen, keinerlei Erfahrung. Es ist daher weit hergeholt und eine unverantwortliche Behauptung, dass wir mit unseren Bekämpfungsstrategien jeden Ölunfall beherrschen.«
Holden stand auf und kam mit kurzen, kräftigen Schritten um den Schreibtisch herum. Breitbeinig baute er sich vor seinem Untergebenen auf, seine Augen sprühten vor Ärger.
»Wollen Sie mir etwa unterstellen, dass ich wissentlich die Unwahrheit sage? Vergessen Sie nicht: Ich habe schließlich diese Werbebroschüre für gut befunden. Sie ist mein Werk. Die Werbeabteilung hat nur meine Ideen umgesetzt.« Hörbar schnappte er nach Luft. »Und was Ihre Bedenken angeht, sie sind zu einseitig. Sicher haben wir Probleme bei den Geräten gehabt, aber die werden zurzeit behoben. Und was die Ölbekämpfung in Küstennähe angeht, so haben wir für diese Bereiche unsere chemischen und biologischen Verfahren. Außerdem können wir es uns nicht leisten, im stillen Kämmerlein Forschung bis in alle Ewigkeit zu betreiben. Wir sind hier, um Geld zu verdienen. Geld, verstehen Sie? Das wollen unsere Aktionäre sehen, nichts anderes.«
Auch Darling hielt es nicht mehr auf seinem Stuhl. »Das verstehe ich vollkommen. Trotzdem muss ich Sie warnen. Es ist meine Pflicht. Wir sind noch nicht so weit, große Ölkatastrophen mit einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit auf Erfolg bekämpfen zu können. Um beispielsweise einen Unfall wie den in Alaska zu bekämpfen, bräuchten wir Massen von Chemikalien. Möglicherweise hätten wir damit Erfolg, aber niemand hat bis jetzt untersucht, welche Auswirkungen diese Konzentration von künstlichen Substanzen auf die Umwelt hätte. Alles, worauf wir unsere Erkenntnisse stützen, sind theoretische Studien, Hochrechnungen, Labortests und kleine Freilandversuche. Ich glaube nicht, dass das ausreicht. Mit unserem biologischen Verfahren, mit M-100, sieht es noch bedenklicher aus. Sicher, im Labor funktionierte alles einwandfrei, aber Laborbedingungen sind Laborbedingungen. Sie lassen allenfalls Rückschlüsse auf ein Verhalten im Freien zu. Ohne entsprechende Versuche im Meer können und dürfen wir dieses Mittel nicht einsetzen. Und die Genehmigung hierzu haben wir vom Umweltminister nicht erhalten, wie Sie ja wohl am besten wissen.«
»Nun reicht’s mir aber!«, schrie der Präsident unbeherrscht. »Alles, was Sie vorbringen, sind doch nur die Einwände eines Wissenschaftlers, der die eierlegende Wollmilchsau schaffen will. Wenn wir so verfahren, wie Sie es sich vorstellen, dann wären wir in hundert Jahren noch mit unseren Produkten im Labor. Nein – wir gehen jetzt auf den Markt. Die Broschüre wird verschickt, sofort, ohne dass auch nur ein i-Tüpfelchen geändert wird. Und von Ihnen bekomme ich bis morgen früh die Mitzeichnungsbemerkung, und zwar ohne jedes Wenn und Aber. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?«
»Mehr als verständlich.« Die Lippen aufeinandergepresst und die Hände zu Fäusten geballt, drehte sich Darling um und stapfte grußlos aus dem Büro.
Als er auf dem Flur stand, zitterten seine Hände vor Erregung. Ganz gegen seine Gewohnheit ging er nicht ins Büro zurück, sondern fuhr mit dem Fahrstuhl in die Cafeteria und bestellte sich dort einen doppelten Brandy.
Hier war es um diese Zeit leer, und so konnte er ungestört seinen Gedanken nachgehen. Es dauerte eine ganze Weile, bis er wieder geordnet denken konnte. Der Brandy half ihm, sich zu entspannen.
Eine Stunde lang saß er ganz in sich versunken da, ohne zu einem Ergebnis gekommen zu sein. Nur eins war ihm klar: Er würde die gewünschte Mitzeichnungsbemerkung nicht geben. Das ging absolut gegen seine Überzeugung.
Er hatte sich einigermaßen wieder beruhigt, als er im Vorzimmer bei Mary den Werbeprospekt aus dem Faltordner holte. Er zog seinen Füller hervor und schrieb auf das für die Mitzeichnungsbemerkungen vorgesehene Blatt: Nicht einverstanden. Die angekündigten Leistungen können derzeit nicht erreicht werden. Dann setzte er seinen Namen dahinter und schob die Broschüre zu Mary hinüber.
»Fotokopieren Sie das Papier und beglaubigen Sie dann die Fotokopie. Das Original heften Sie ab, die Kopie geben Sie mir.«
Mary sah ihren Chef verständnislos an.
»Nun machen Sie schon«, forderte er sie barsch auf, fügte dann aber gleich freundlicher hinzu: »Es könnte Ärger geben, deshalb will ich die Kopie in dieser Form haben.«
Als Mary ihm das verlangte Exemplar brachte, steckte er es in seine Aktenmappe und sagte: »Wenn man mich suchen sollte, ich bin zu Hause.«
Mary sah ihn mit großen Augen verwundert an. So wie heute hatte sie ihren Chef noch nie erlebt.
Zu Hause zog er sich sofort in sein Arbeitszimmer zurück und dachte noch einmal in aller Ruhe und, soweit seine Aufregung das zuließ, ohne Emotionen über das Gespräch mit dem Präsidenten der H.E.T. nach.
Drei Stunden lang war er mit sich zu Rate gegangen, bis er sich entschieden hatte. Fast beschwingt verließ er sein Arbeitszimmer. Seine Frau, die wenig später von einem Einkaufsbummel zurückkam, erkannte ihren Mann kaum wieder. Ausgelassen schlug er ihr auf den Po und neckte sie. Auch sonst war er den ganzen Abend über heiter und zu Scherzen aufgelegt.
Am folgenden Morgen schien Steve Darling einen ganz normalen Arbeitstag um acht Uhr zu beginnen. Er klemmte sich die Broschüre und das Schreiben, das er gestern Abend angefertigt hatte, unter den Arm und ging zum Büro des Präsidenten.
Dieser war bereits anwesend, ließ seinen Hauptabteilungsleiter jedoch eine Viertelstunde warten, bevor er ihn empfing.
Darling ignorierte diesen Affront lächelnd, begrüßte Holden mit einem fröhlichen »Guten Morgen« und überreichte ihm die Broschüre.
»Ich wollte Ihnen die geforderte Mitzeichnungsbemerkung geben«, sagte er lächelnd.
Holden war durch Darlings gute Laune offensichtlich irritiert. Er hatte einen verärgerten oder verbitterten Mann erwartet. Verbindlicher, als er es ursprünglich beabsichtigt hatte, sagte er deshalb: »Vielen Dank, Steve, ich bin froh, dass Sie sich besonnen haben. Ich hatte es auch gar …« Holden brach ab. Er hatte die Bemerkung gelesen, und jede Freundlichkeit wich aus seinem Gesicht. »Was soll das? Sind Sie verrückt? Ich hatte doch wohl deutlich gesagt, was ich erwarte.«
Wütend warf er seinem Untergebenen die Broschüre vor die Füße.
Steve Darling beachtete es nicht. Völlig unberührt legte er sein Schreiben auf den Tisch. »Meine Kündigung, Mr. Holden«, sagte er lächelnd, drehte sich um und ging.
Der Präsident starrte ihm verdutzt nach. Damit hatte er nicht gerechnet. Seine Verblüffung währte allerdings nur ein paar Sekunden, dann übermannte ihn Jähzorn. Er riss das Telefon zu sich heran und wählte die Nummer des Vize-Präsidenten.
»Darling hat soeben gekündigt«, bellte er in die Sprechmuschel.
»Hervorragend, ich konnte diesen Weichling noch nie ausstehen«, antwortete John Billings nur.
»Aber was machen wir jetzt? Wir können ihn nicht ersetzen!«
»Das sehe ich anders. Wenn du einverstanden bist, übernehme ich die Hauptabteilung kommissarisch, bis wir einen geeigneten Mann gefunden haben.«
Für einen Augenblick war es still. Dann kam die zögernde Antwort: »Einverstanden. Übernimm sofort. Ich werfe diesen Kerl noch heute raus. Er darf sein Büro nicht mehr betreten.«
Tom Porter wälzte sich auf die linke Seite, zog die Bettdecke über den Kopf und versuchte weiterzuschlafen. Es wollte nicht klappen. Missmutig drehte er sich um und fischte nach seiner Armbanduhr. Nach einigem vergeblichen Tasten hatte er sie gefunden und blinzelte mit verschlafenen Augen auf das Zifferblatt: zehn Minuten nach elf. Er blickte zum Fenster, als wollte er sich überzeugen, dass es tatsächlich Tag war. Gedämpftes Licht drang durch die dicken Vorhänge ins Zimmer. Es gab keinen Zweifel: Es war später Vormittag.
Mit einem Seufzer quälte er sich aus dem Bett und tappte zum Fenster. Sein Kopf fühlte sich an, als wäre er drei Nummern zu groß. Das war die Folge der Zechtour durch die Bars von Miami Beach. Eigentlich hatte alles ganz harmlos begonnen. Um fünf Uhr nachmittags war er gestern ins Lido Beach Resort Hotel gefahren, um in aller Ruhe ein oder zwei Cocktails zu trinken. Aus seinem Plan wurde nichts, denn nachdem er gerade mal eine halbe Stunde allein dagesessen hatte, war Mike Krinkstein aufgetaucht. Wie Tom war auch er Reporter bei der Washington Daily News. Bob Austin, der Chefredakteur des renommierten Blattes, hatte ihn nach Miami geschickt, um über die Konferenz der amerikanischen Petro-Chemie zu berichten. Das Wiedersehen der beiden Kollegen wurde mit einem Drink, dem im Laufe des Abends noch viele weitere folgten, gefeiert. Nun waren ein dicker Kopf, schmerzende Glieder und ein schaler Geschmack im Mund übrig.
Tom zog die Vorhänge auf, und gleißender Sonnenschein flutete ins Zimmer. Für einen Augenblick schloss er geblendet die Augen, bis sie sich an das grelle Licht gewöhnt hatten. Er schob die Glastüren auseinander, um auf dem Balkon die angenehm warme Luft in seine Lungen zu saugen. Plötzlich sprang er zurück. Gerade noch rechtzeitig hatte er bemerkt, dass er splitternackt war. Trotz seines angeschlagenen Zustands musste er grinsen. Die Vorstellung, was sein Anblick bei den Nachbarn ausgelöst hätte, erheiterte ihn. Er tappte ins Zimmer zurück und schaltete das Radio ein. »I’m dreaming of a white Christmas«, erklang es aus dem Lautsprecher. Sofort drehte er weiter, bis er einen Sender gefunden hatte, der Country-Musik spielte. Jetzt, nur noch wenige Tage vor dem Fest, konnte er keine Weihnachtsmusik mehr hören. Seit Wochen schon wurde man davon berieselt, egal wo man sich befand, ob im Kaufhaus, auf dem Flugplatz, im Restaurant, aus jedem Lautsprecher erklangen weihnachtliche Weisen. Es war nicht mehr zum Aushalten. Am schlimmsten aber war dieses »White Christmas«, das überhaupt nicht zu dem strahlenden Sonnenschein, dem weißen Strand, dem türkisfarbenen Meer und den Temperaturen von gut zwanzig Grad passte.
Der Journalist ging zur Kommode, holte sich Unterwäsche heraus und schlurfte ins Badezimmer. Dem Gesicht, das ihn aus dem Spiegel anblickte, streckte er die Zunge heraus. Seine kleinen, sonst so verschmitzt und listig blickenden Augen sahen ihn nur stumpf an. Er wandte sich ab, stieg unter die Dusche und ließ lange das Wasser über seine rundliche Gestalt laufen. Danach fühlte er sich wieder frisch und verspürte einen Bärenhunger.
Er stieg in eine verbeulte, reichlich abgetragene Jeans, streifte ein blaues Poloshirt über und verließ die Wohnung. Mit dem Fahrstuhl fuhr er in die Halle, winkte dem Portier freundlich zu und trat durch die breite Flügeltür auf die Straße.
Ungeduldig wartete er auf eine Lücke im Strom der vorbeifahrenden Autos und spurtete, als er eine entdeckt hatte, über die Fahrbahn. Nur wenige Schritte waren zu gehen, um sein Ziel zu erreichen. Obwohl Tom eine tiefe Abneigung gegen alle Hamburger-Ketten oder sonstige Fast-Food-Restaurants hegte, betrat er den McDonald’s-Schnellimbiss. Das Frühstück – für ihn gleichbedeutend mit Rühreier, Speck, Würstchen, Toast und Kaffee – war hier genauso gut wie in den teuren Speiselokalen. Der einzige Unterschied bestand im Plastikgeschirr, von dem er hier essen und trinken musste. Das war zwar unschön, aber dafür waren die Portionen doppelt so groß, und der Preis betrug im Vergleich die Hälfte.
Tom suchte sich einen Platz am Fenster, genoss die Mahlzeit und ließ sich Zeit. Er mochte es, beim Essen zu sitzen, und hasste jede Hetze dabei. Sein wohlgerundeter Bauch spiegelte diese Liebe nur zu deutlich wider. Gestärkt und zufrieden schlenderte er nach einer Stunde nach Hause.
Sein Apartment lag in der elften Etage eines zwanzigstöckigen Hochhauses im nördlichen Teil von Miami Beach. Genaugenommen nannte sich der Bereich schon Bai Harbour, aber so eindeutig konnte das sowieso niemand unterscheiden. Für die Touristen, die sich am liebsten in den größten Trubel warfen, lag Bai Harbour schon etwas zu abgelegen. Tom konnte dies nur recht sein. Er hatte sich für die Wintermonate hierher zurückgezogen, um endlich sein Buch über den internationalen Terrorismus zu Ende zu schreiben. Schon lange arbeitete er an diesem Werk, allerdings hatten ihn seine Aufgaben als Journalist bei der Washington Daily News immer wieder daran gehindert, das Manuskript fertigzustellen. Vor allem die spektakuläre Aufdeckung des Attentats auf den sowjetischen Ministerpräsidenten und der Versuch, die amerikanischen Geiseln im Libanon zu befreien, samt anschließendem Presse- und Fernsehrummel, hatten seine ganze Zeit in Anspruch genommen. Um überhaupt einmal fertig zu werden, hatte er schließlich seine Redaktion gebeten, ihn für ein halbes Jahr zu beurlauben. Wie zu erwarten gewesen war, hatte Austin, der Chefredakteur, davon nichts wissen wollen und ihn bedrängt, seine Pläne aufzugeben. Doch er war standhaft geblieben, und die Redaktion hatte schließlich eingewilligt. Ja, der Herausgeber war sogar so großzügig gewesen, ihm sein Gehalt weiterzuzahlen.
Frei von allen beruflichen Zwängen, hatte er sich in die Arbeit gestürzt. Doch schon nach einer Woche war ihm klargeworden, dass er raus musste aus seiner Wohnung, ja, raus aus Washington, wenn er schreiben wollte. Das ständige Klingeln des Telefons würde ihn sonst nie die nötige Ruhe finden lassen. Aber wohin sich zurückziehen? Schließlich durfte ein neues Domizil nicht zu viel kosten, da seine finanziellen Verpflichtungen in Washington weiterliefen. Das Problem löste sich jedoch schneller, als er zu hoffen gewagt hatte. Eines Abends war er von einem Bekannten, der von seinen Plänen gehört hatte, angerufen und gefragt worden, ob er sich nicht für ein paar Monate in Bai Harbour niederlassen wollte. Er selbst müsse für längere Zeit nach Thailand und suche dringend jemanden, der seine Wohnung und sein Motorboot betreue. Tom hatte ohne langes Nachdenken zugesagt. Schon zwei Tage später war er auf dem Weg nach Florida.
Mit einiger Enttäuschung stellte er dann fest, dass das Apartment an einem stark befahrenen Highway lag und damit sehr laut war. Auf der anderen Seite entschädigte ihn jedoch ein phantastischer Blick über das Meer, die Biscayne Bay und den Intracoastal Waterway.
Tom machte auch heute einen kurzen Abstecher ans Meer. Kaum ein Mensch war zu sehen. Anscheinend befanden sich die Besucher, die sonst um diese Zeit den Strand bevölkerten, in den Shopping Malls, um die letzten Lebensmittel oder Geschenke für das Weihnachtsfest zu besorgen.
Er setzte sich in den Sand, genoss die Einsamkeit und ließ das gleichförmige Rollen der Brandung auf sich wirken. Es war eine Atmosphäre, die ihn in eigenartiger Weise ansprach und sein Herz höher schlagen ließ. Seine Gedanken kamen zur Ruhe, er streckte sich aus und gab sich dem völligen Nichtdenken hin.
Eine Stunde blieb er so liegen, dann erhob er sich, klopfte den Sand von der Hose und ging nach Hause. In der kleinen Küche seines Apartments brühte er sich einen Becher Instantkaffee auf und ging mit dem Becher in der Hand in den Wohnraum; hier lag noch alles so umher, wie er es gestern Nachmittag verlassen hatte. Entschlossen stellte er den Becher Kaffee neben den transportablen Computer und begann zu arbeiten.
Er schrieb, löschte, formulierte neu und löschte wieder. Das Schreiben wollte ihm einfach nicht von der Hand gehen. Es fehlte an der nötigen Konzentration. Immer wieder wanderten seine Gedanken ab. Er versuchte sie zu verbannen, aber seine Fähigkeit, sich ganz auf eine Aufgabe zu konzentrieren, versagte heute. Unablässig ging ihm die Frau durch den Kopf, die er vor ein paar Tagen in einer der vielen Cocktail-Lounges entlang des Strips von Miami Beach gesehen hatte. Sie war weder eine ausgesprochene Schönheit, noch war sie ihm durch extravagante Kleidung aufgefallen. Im Gegenteil, sie unterschied sich kaum von einem Dutzend anderer Frauen. Sie mochte etwa einen Meter siebzig groß sein, war schlank und trug über die Schulter fallende braune Locken. Obwohl er sich schon immer schwergetan hatte, das Alter von Frauen zu schätzen, glaubte er doch, dass sie Mitte dreißig sein musste. Zweimal hatte ihr Blick ihn flüchtig gestreift, und von jenem Augenblick an fühlte er sich von den großen braunen Augen mit dem eigentümlich melancholischen Blick angezogen. Am liebsten hätte er mit ihr Kontakt aufgenommen, aber ihre ständige Begleitung – ein jüngerer Mann – hatte ihn davon abgehalten. An den folgenden Tagen war er in der Absicht, die Frau möglicherweise wieder zu treffen, jeden Abend in die Cocktail-Lounge gegangen. Seine Hoffnungen wurden auch erfüllt, aber jedes Mal war sie in Begleitung dieses verdammten jungen Mannes gewesen. Seine Versuche, das Verhältnis zwischen der Dame und dem Jüngling zu ergründen, waren ohne Ergebnis geblieben. Meistens hatten sie sich ernst und angeregt unterhalten, und manchmal waren sie tanzen gegangen. Toms Beobachtung war auch nicht entgangen, dass der junge Mann ihr spontan ab und zu die Hand gedrückt und sie angelächelt hatte. Aus allen Verhaltensweisen konnte er zu seinem Leidwesen alles oder nichts ableiten. Er hätte auch sicher seinen Wunsch, die Fremde kennenzulernen, aufgegeben, wenn diese Frau nicht wiederholt zu ihm hinübergeschaut und ihn mit ihren großen Augen gemustert hätte. Zwar gab sie dabei immer den Anschein, als wäre ihr Blick nur zufällig auf ihn gefallen, doch er konnte das Gefühl nicht loswerden, als blickte sie ihn absichtlich an. Ja, beim letzten Mal hatte er sogar geglaubt, ein Lächeln in ihren Augen zu bemerken. Vielleicht war es auch nur Wunschdenken gewesen. Auf jeden Fall lag genau darin die Motivation, jeden Abend die Cocktail-Lounge aufzusuchen – und heute verursachte sie seine Unfähigkeit, sich auf die Arbeit zu konzentrieren.
Noch dreimal versuchte Tom, die Gedanken zu verbannen, um sich ausschließlich der Arbeit zu widmen, aber vergeblich. Resigniert schaltete er den Computer aus, blätterte für eine halbe Stunde in seinen handschriftlichen Notizen, dann unterließ er auch diese Tätigkeit, nahm ein Buch und ging ins Schlafzimmer. Aber es war wie verhext. Seine Gedanken irrten permanent ab, und nach einer halben Stunde stand er wieder auf. Missmutig blickte er auf die Uhr. Noch vier Stunden. Um acht Uhr abends würde die Cocktail-Lounge öffnen. Unfähig, sich von der inneren Unruhe zu befreien, verließ er das Haus, stieg in seinen Sportwagen und fuhr ziellos davon. Er war etliche Meilen gefahren, als ihm ein Restaurant an der rechten Straßenseite auffiel. Täglich frisches, hausgemachtes Chilie con Carne, das beste im Umkreis von zwanzig Meilen, stand mit weißer Farbe quer über die Fensterscheibe geschrieben. Mit einem Lächeln registrierte er, dass man Chili mit einem »ie« geschrieben hatte. Als Chili-Fan, Eigentümer von über dreißig Rezepten und außerdem sehr hungrig, konnte er natürlich nicht einfach vorbeifahren.
Das Restaurant hätte in jedem beliebigen kleineren Ort der USA liegen können. Zehn Tische waren in zwei Reihen hintereinander aufgestellt, Plastikstühle standen unordentlich davor. Die Tische waren mit Kunststoffdecken überzogen und mit staubigen Plastikblumen geschmückt. Da der Raum ansonsten aber einen sauberen Eindruck machte, entschloss er sich zu bleiben. Der einzige Gast, ein dunkelhäutiger Kubaner, musterte ihn neugierig. Dann schrie er laut: »He, Pepe, ein Gast!« Gleich darauf wandte er seine Aufmerksamkeit wieder seinem Glas Bier zu. Der Wirt, der auf den Ruf hin durch die Schwingtür trat, war die beste Reklame für seine Küche. Nur mit Mühe umspannte ein übergroßes T-Shirt den stark gewölbten Bauch.
»Was darf’s sein, Mister?«, fragte er mit einem starken spanischen Akzent.
»Haben Sie noch Chili?«
»Sicher, Mister.«
»Dann möchte ich eine Portion.«
Tom nahm an einem Tisch am Fenster Platz.
»Woll’n Sie was trinken?«, fragte der dicke Wirt.
Tom bestellte ein Bier.
Der Wirt schlurfte hinter den Tresen und holte das gewünschte Getränk. Dann verschwand er in der Küche. Schon nach wenigen Minuten tauchte er wieder auf, in der Hand ein Tablett mit einer dampfenden Schüssel, die er ohne ein Wort vor seinen Gast hinschob. Tom, den die kurzangebundene Art des Wirts amüsierte, griff zum Löffel und probierte vorsichtig die heiße, braune Masse. Er war angenehm überrascht. Das Chili mit »ie« war hervorragend. Die Reklame am Fenster war nicht übertrieben. Vergessen waren die Cocktail-Lounge und die geheimnisvolle Frau. Sich ganz dem Genuss des Essens hingebend, löffelte er die Schale leer. Erst als sein Blick beim Bezahlen auf die Uhr fiel, dachte er wieder an die Frau. Höchste Zeit, nach Miami Beach zurückzufahren.
Um Viertel nach acht hatte er sein Ziel erreicht und betrat mit klopfendem Herzen die Bar. Ein anheimelndes Dämmerlicht umfing ihn. Für einen kurzen Moment blieb er stehen, damit sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnen konnten, dann sah er sich um im Saal, der bereits zur Hälfte gefüllt war. Trotzdem erkannte er sofort, dass der Tisch, an dem die Dame zu sitzen pflegte, leer war. Enttäuscht suchte er sich einen Platz, von dem aus er einen guten Überblick über den Saal hatte, und wartete bei einem Glas Bourbon mit Eis und viel Wasser. Es füllte sich. Gegen halb neun begann die fünf Mann starke Band Country-Musik zu spielen, und schon bald herrschte dichtes Gedränge auf der Tanzfläche. Die Frau aber, nach der er Ausschau hielt, war immer noch nicht erschienen.
Toms Stimmung sank von Viertelstunde zu Viertelstunde. Auch die drei Whiskys, die er inzwischen getrunken hatte, vermochten ihn nicht aufzuheitern.