Jeremias Voss und die Toten im Watt - Ole Hansen - E-Book
SONDERANGEBOT

Jeremias Voss und die Toten im Watt E-Book

Ole Hansen

0,0
6,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der Tod lauert auf dem Wasser … Der Kriminalroman »Jeremias Voss und die Toten im Watt« von Ole Hansen jetzt als eBook bei dotbooks. Was ein harmloser Segeltörn werden sollte, endet mit einem schrecklichen Fund: Im Watt entdeckt der ehemalige Privatdetektiv Jeremias Voss eine scheinbar verlassene Segeljacht, unter Deck findet er drei Menschen – tot. Handelt es sich dabei wirklich nur um einen tragischen Unfall, wie die Polizei annimmt? Noch dazu wird einer der Toten als Uwe Bauer identifiziert, einen der höchsten Mitarbeiter des großen Hamburger Malakow-Konzerns – dem Unternehmen von Voss’ Frau. Auf ihre Bitte hin beginnt er, in dem Fall zu ermitteln. Schon bald gerät er auf die Spur einer Organisation, die ihr Netz weit über die Grenzen Europas ausgebreitet hat – und deren Anführer ausgerechnet in der Hansestadt ihren nächsten Coup planen … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Hamburg-Krimi »Jeremias Voss und die Toten im Watt« von Bestsellerautor Ole Hansen. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 315

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

Was ein harmloser Segeltörn werden sollte, endet mit einem schrecklichen Fund: Im Watt entdeckt der ehemalige Privatdetektiv Jeremias Voss eine scheinbar verlassene Segeljacht, unter Deck findet er drei Menschen – tot. Handelt es sich dabei wirklich nur um einen tragischen Unfall, wie die Polizei annimmt? Noch dazu wird einer der Toten als Uwe Bauer identifiziert, einen der höchsten Mitarbeiter des großen Hamburger Malakow-Konzerns – dem Unternehmen von Voss’ Frau. Auf ihre Bitte hin beginnt er, in dem Fall zu ermitteln. Schon bald gerät er auf die Spur einer Organisation, die ihr Netz weit über die Grenzen Europas ausgebreitet hat – und deren Anführer ausgerechnet in der Hansestadt ihren nächsten Coup planen …

Über die Autorin:

Ole Hansen, geboren in Wedel, ist das Pseudonym des Autors Dr. Dr. (COU) Herbert W. Rhein. Er trat nach einer Ausbildung zum Feinmechaniker in die Bundeswehr ein. Dort diente er 30 Jahre als Luftwaffenoffizier und arbeitete unter anderem als Lehrer und Vertreter des Verteidigungsministers in den USA. Neben seiner Tätigkeit als Soldat studierte er Chinesisch, Arabisch und das Schreiben, sowie Umweltwissenschaften und Geschichte, wobei er seine beiden Doktortitel erlangte. Nachdem er aus dem aktiven Dienst als Oberstleutnant ausschied, widmete er sich ganz seiner Tätigkeit als Autor. Dabei faszinierte ihn vor allem die Forensik – ein Themengebiet, in dem er durch intensive Studien zum ausgewiesenen Experten wurde. Heute wohnt der Autor an der Ostsee.

Von Ole Hansen sind bei dotbooks bereits die folgenden eBooks erschienen:

Die Jeremias-Voss-Reihe:

»Jeremias Voss und die Tote vom Fischmarkt. Der erste Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga

»Jeremias Voss und der tote Hengst. Der zweite Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga

»Jeremias Voss und die Spur ins Nichts. Der dritte Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga

»Jeremias Voss und die unschuldige Hure. Der vierte Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga

»Jeremias Voss und der Wettlauf mit dem Tod. Der fünfte Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga

»Jeremias Voss und der Tote in der Wand. Der sechste Fall«

»Jeremias Voss und der Mörder im Schatten. Der siebte Fall«

»Jeremias Voss und die schwarze Spur. Der achte Fall«

»Jeremias Voss und die Leichen im Eiskeller. Der neunte Fall«

»Jeremias Voss und der Tote im Fleet. Der zehnte Fall«

»Jeremias Voss und die Toten im Watt. Der elfte Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga

Die Marten-Hendriksen-Reihe:

»Hendriksen und der mörderische Zufall. Der erste Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga

»Hendriksen und der Tote aus der Elbe. Der zweite Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga

»Hendriksen und der falsche Mönch. Der dritte Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga

»Hendriksen und der Tote auf hoher See. Der vierte Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga

»Hendriksen und der falsche Erbe. Der fünfte Fall« – erscheintauch als Hörbuch bei Saga

Die Arne Claasen-Reihe:

»Arne Claasen und die vergessenen Toten. Der erste Fall«

»Arne Claasen und die tödliche Fracht. Der zweite Fall«

»Arne Claasen und die Tote am Elbufer. Der dritte Fall«

Die Claasen&Hendriksen-Reihe:

»Die Tote von Pier 17 – Der erste Fall für Claasen & Hendriksen«

»Mord im Trockendock – Der zweite Fall für Claasen & Hendriksen«

Einige seiner Kriminalromane sind auch in Sammelbänden erschienen:

»Die dunklen Tage von Hamburg«

»Das kalte Licht von Hamburg«

»Die Schatten von Hamburg«

»Die Morde von Hamburg«

»Die Toten von Hamburg«

Unter seinem Klarnamen Herbert Rhein veröffentlichte der Autor bei dotbooks auch die folgenden eBooks:

»Todesart: Nicht natürlich. Gerichtsmediziner im Kampf gegen das Verbrechen.«

»Todesart: Nicht natürlich. Mit Mikroskop und Skalpell auf Verbrecherjagd.«

Folgende Bücher von Ole Hansen sind auch als PoD erhältlich:

»Jeremias Voss und die Tote vom Fischmarkt. Der erste Fall«

»Jeremias Voss und der tote Hengst. Der zweite Fall«

»Hendriksen und der mörderische Zufall. Der erste Fall«

»Hendriksen und der Tote aus der Elbe. Der zweite Fall«

***

Originalausgabe Juni 2023

Copyright © der Originalausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Ralf Reiter

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Adobestock/Michael

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)

ISBN 978-3-98690-623-8

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Sind Sie auf der Suche nach attraktiven Preisschnäppchen, spannenden Neuerscheinungen und Gewinnspielen, bei denen Sie sich auf kostenlose eBooks freuen können? Dann melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an: www.dotbooks.de/newsletter (Unkomplizierte Kündigung-per-Klick jederzeit möglich.)

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Die Toten im Watt«an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

www.instagram.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Ole Hansen

Jeremias Voss und die Toten im Watt

Der elfte Fall

dotbooks.

Kapitel 1

Es war einer der ersten richtigen Sommertage, die der Juni zu bieten hatte. Die Sonne schien von einem nahezu wolkenlosen Himmel, und eine leichte Brise aus südwestlicher Richtung schob einige Schönwetterwolken über die Nordsee. Sie waren die einzigen Schattenspender heute.

Jeremias Voss sah auf das Barometer an der Wand hinter dem Steuerrad.

»Hat sich in den letzten beiden Stunden nicht verändert«, sagte er. »Es bleibt schön. Das angekündigte Schlechtwettergebiet scheint ein gutes Stück südlich an uns vorbeigezogen zu sein.«

»Jo, Chef, dat scheint so«, sagte Hermann, der am Steuer stand.

»Fahr die Charlotte aus der Fahrrinne. Quer ab von Scharhörn ankern wir und warten auf das Einsetzen der Flut. Die schiebt uns mit fast vier Kilometer pro Stunde schneller nach Hamburg. Ich gehe nach vorne und frage meine Frau, ob sie sich mit einem Bad in der Elbe abkühlen will.«

Hermann veränderte den Kurs des Motorseglers nach Steuerbord, dabei hatte er ständig den Tiefenmesser im Blick. Das Letzte, was er wollte, war, mit dem Kiel aufs Watt aufzulaufen. Als die Wassertiefe nur noch zwei Meter fünfzig betrug, stellte er die Maschine aus, zurrte das Ruder fest, ging zum Bug und ließ den Anker fallen. Der Motorsegler wurde vom Ebbstrom ein Stück zurückgeschoben, bevor der Anker fasste und das Boot ohne Fahrt vor Anker lag. Nero lag neben Hermann im Steuerhaus. Er hielt nichts von Sonnenbaden. Hermann bückte sich und kraulte den mächtigen Kopf des Hundes.

»Jetzt kannst du aufstehen und an Deck gehen, du Schisser«, sagte er zu dem Tier, das mit seinen Fellwülsten im Gesicht und den dicken, gelben Reißzähnen, die weit über die Lefzen herausragten, zum Fürchten aussah.

Nero war ein Mischling, den Jeremias Voss von einer Geschäftsreise aus Istanbul mitgebracht hatte, wo er ihn als Welpen vor dem Schlachtermesser eines Metzgers gerettet hatte. Nero schien verstanden zu haben, was Voss für ihn getan hatte, denn er hing mit einer rührenden Anhänglichkeit an seinem Herrn. Inzwischen war aus dem kleinen struppigen Welpen ein großer Kraftprotz geworden, der wie eine Mischung aus einer englischen Bulldogge und einem zu groß geratenen Boxer aussah. Er brachte gute fünfzig Kilo auf die Waage, und davon war nicht ein Gramm Fett.

Nero hob vorsichtig den mächtigen Kopf und sah Hermann an, als wollte er fragen: Stimmt das auch? Denn wenn Nero etwas verabscheute, dann war es das Schwanken des Bootes. Hermann war sein zweites Herrchen. Voss hatte ihn ehedem als Hundebetreuer eingestellt, nachdem seine Sekretärin Nero beim Gassigehen nicht zu bändigen gewusst hatte. Für Hermann war das kein Problem gewesen. Er hatte sein Leben lang im Hamburger Hafen gearbeitet, erst als Schauermann und später als Barkassenführer. Er hatte Hände wie Schaufeln und konnte Neros Unternehmensdrang unter Kontrolle halten. Neben seiner Tätigkeit als Hundeführer war Hermann auch noch Chef der Rentnergang, die neben ihm aus Hinnerk und Kuddel bestand, die ebenfalls Hafenarbeiter gewesen waren. Die Rentnergang war Voss‘ Eingreiftruppe, wenn handfeste Auseinandersetzungen zu befürchten waren. Hermann selbst war außerdem noch Schiffsführer der Charlotte, deren Ausbau vom Fischkutter zum Motorsegler er selbst überwacht hatte.

Jeremias Voss selbst hatte eine bewegte Karriere hinter sich. Nach dem Abitur war er zur Polizei gegangen und hatte es dort im Laufe der Zeit bis zum Hauptkommissar und Hubschrauberpiloten bei der GSG 9, der Spezialeinheit zur Bekämpfung von Terroranschlägen, gebracht. Beim Absturz seines Hubschraubers während eines Einsatzes wurde er schwer verletzt und war für den operativen Einsatz nicht mehr verwendungsfähig. Vor die Wahl gestellt zwischen Innendienst und Frühpensionierung, wählte er die Frühpensionierung. Eine Arbeit am Schreibtisch konnte er sich nicht vorstellen, also entschied er sich dazu, die Hamburger Agentur für vertrauliche Ermittlungen zu gründen.

Ein Fall, der sein Leben völlig verändern sollte, war der Auftrag des Industriellen Malakow, seine verschwundene Tochter wiederzufinden. In einem dramatischen Einsatz gelang es ihm, die Tochter den Entführern zu entreißen. Es kam, wie es kommen musste: Beide verliebten sich ineinander und heirateten. Heute war Charlotte Voss-Malakow die Chefin des weltweit operierenden, milliardenschweren Malakow-Konzerns und Voss der Sicherheitsdirektor, zuständig für das gesamte Unternehmen. Seine Ermittlungsagentur hatte er an Dr. Marten Hendriksen verpachtet.

Voss ging zu seiner Frau, die es sich auf einer Schaumgummimatte bequem gemacht hatte und mit geschlossenen Augen die leichte Brise genoss. Über das Vorschiff hatten sie ein Segel gespannt, so dass Charlotte vor den intensiven Sonnenstrahlen geschützt war.

»Liebling, wir haben hier einen Halt eingelegt, um auf die Flut zu warten. Möchtest du die Zeit für ein Bad in der Elbe nutzen?«

Charlotte drehte sich auf die Seite, so dass sie ihren Ehemann ansehen konnte.

»Kommst du mit?«

»Ich denke nicht, das kalte Wasser tut meinem lädierten Kreuz nicht gut.«

»Wie sieht das Wasser aus, klar oder schlammig?«

»Es ist Ebbe, eher trübe.«

»Dann verzichte ich. Eine kalte Dusche wird es auch tun.«

»Wie sieht es mit Ihnen aus, Herr Hagen? Lust auf ein kühles Bad?«

Matthias Hagen stand auf. Er hatte mit überschlagenen Beinen neben Charlotte Malakow gesessen und ein Diktiergerät in der Hand gehalten, das er jetzt ausschaltete.

»Ich denke, ich versuch’s, Herr Voss.«

Voss drehte sich um und gab Hermann mit der Hand ein Zeichen. Der steckte den Kopf aus der Tür des Steuerhauses.

»Was gibt’s, Chef?«

»Lass das Schlauchboot zu Wasser, unser Journalist will ein Bad nehmen. Und sag Kuddel, er soll uns eine Flasche Wasser nach vorne bringen.«

»Aye, aye, Chef.«

»Wozu denn das Schlauchboot?«, fragte Hagen.

»Als Hamburger Jung sollten Sie wissen, dass der Ebbstrom bis zu sechs Kilometer pro Stunde Richtung Nordsee läuft. Besonders gefährlich ist es, wenn Sie in den Ebbstrom eines Priels geraten, denn dort strömt das Wasser noch schneller und trägt Sie weit ins Meer hinaus. Um dagegen anzuschwimmen, müssten Sie schon ein ausgezeichneter Schwimmer sein, aber auch dann würden Sie es nicht lange durchhalten. Hermann wird sich mit dem Schlauchboot in Ihrer Nähe aufhalten und dafür sorgen, dass Sie uns nicht verloren gehen.«

Während Hagen nach unten in seine Kabine ging, um sich umzuziehen, setzte sich Voss zu seiner Frau und streichelte ihr liebevoll den Rücken.

»Hat er dich mit seinen Fragen sehr genervt?«

»Es geht. Am liebsten hätte ich hier gelegen und an nichts gedacht. Natürlich verstehe ich, dass er, wenn er einen Artikel über die Chefin des Malakow-Konzerns schreibt, Informationen benötigt, auch persönliche. Insofern war es eine gute Idee von dir, mit deinem Fischkutter nach London zu segeln, statt zu fliegen oder unsere Motorjacht zu nehmen. Mal für ein paar Tage das einfache Leben genießen tut gut, und dass wir beide Zeit füreinander haben, das genieße ich besonders, mein Schatz.«

»Du sprichst mir aus der Seele.« Voss beugte sich zu ihr herunter und küsste sie.

Kuddel – mit einem Tablett, auf dem sich eine Flasche Mineralwasser, zwei Gläser und eine Schale mit Eiswürfeln befanden – und Hagen erschienen gleichzeitig an Deck. Kuddel war in der Rentnergang für die Verpflegung zuständig. Als Hobbykoch hatte er diese Aufgabe gern übernommen. Er war für alles zu gebrauchen, sehr zuverlässig und schlagkräftig. Den Namen Rentnergang hatte ihnen einst ein »König«, treffender: ein Oberganove, vom Kiez auf St. Pauli gegeben. Voss hatte die drei Rentner damals aus Sicherheitsgründen als Eingreifreserve mitgenommen, als er den Oberganoven vernehmen musste. Sie sollten vor dem als Klub getarnten Bordell auf ihn warten, und wenn er nach einer halben Stunde nicht wieder erschien, sollten sie ihn dort herausholen. Hermann, der Anführer, sagte sich: Besser ein paar Minuten früher als zu spät. Und so stürmten die Rentner schon nach zwanzig Minuten in den Klub und trafen im Vorzimmer auf die Bodyguards des Kiezkönigs, die die »Opas« nicht ernstnahmen und ihnen den Zutritt verwehrten. Eine Viertelstunde später mussten sie mit einem Krankenwagen abtransportiert werden. Die drei Rentner hätten sich auch am Kiezkönig vergriffen, wenn Voss sie nicht davon abgehalten hätte. Der Ganove hatte daraufhin versucht, sie abzuwerben, und als ihm das selbst mit einem hohen Angebot nicht gelang, sagte er zu Voss: »Hauen Sie ab und nehmen Sie Ihre Rentnergang bloß mit.« Seit der Zeit war dieser Name eine Ehrenbezeichnung.

Kuddel hatte das Wasser serviert und drehte sich um, als Hagen auf den hölzernen Handlauf der Reling kletterte, um mit einem Hechtsprung ins Wasser zu springen.

»He, du Dösbaddel, du kannst doch nech mit ‘nem Köpper in Vadder spingen, weetst du, wo deep dat hier is?«

Kuddel sprach so laut, dass der Journalist vor Schreck das Gleichgewicht verlor und ins Wasser plumpste.

»Süchst du, dat geit doch ook anners«, sagte Kuddel befriedigt. Er war dafür bekannt, kein unnützes Wort zu verlieren, und diese gewaltige Rede zeigte, wie sehr ihn das Verhalten des Journalisten erzürnt hatte.

Als Hagen, der in der Mitte des Bootes ins Wasser gefallen war, wieder auftauchte und sich das Wasser aus den Augen gewischt hatte, war er bereits bis zum Heck der Charlotte abgetrieben. Als er zu schwimmen begann, merkte er, wie ihn der Ebbstrom mitriss, und nun wusste er Voss‘ Vorsichtsmaßnahme zu schätzen. Hermann blieb mit dem Schlauchboot immer in seiner Nähe und zog ihn, als er ihm mit der Hand ein Zeichen gab, ins Schlauchboot. Zurück bei der Charlotte, legte Hermann an der Badeleiter an, die Kuddel über die Reling gehängt hatte.

Hagen krabbelte als erster an Deck und ging gleich zur Außendusche ans Ende des Decks. Nach einer Weile trabte er, mit dem Handtuch den muskulösen Körper abreibend, zum Vorschiff und blieb bei Charlotte und Voss stehen.

»Ich dachte, Sie hätten maßlos übertrieben, als Sie mich vor der Strömung warnten«, sagte er zu Voss. »Ich hätte nie gedacht, dass ich Schwierigkeiten hätte, wieder an Bord zu kommen. Ohne Hermann und das Schlauchboot hätte ich es nicht geschafft, und das, obwohl ich Zehnkämpfer bin und während meiner Studienzeit Universitätsmeister war. Danke für Ihre Voraussicht.«

»Ja, die Gefahren der Gezeiten werden oft unterschätzt, besonders im Außenbereich der Elbe«, antwortete Voss.

Inzwischen hatten Hermann das Schlauchboot an Bord geholt und mit einem Wasserschlauch abgespritzt, so dass kein Schlick mehr am Boot zu sehen war.

Während Kuddel das Schlauchboot festzurrte, damit es bei einer Windbö nicht über Bord geweht wurde, ging Hermann zu Voss.

»Chef, ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«

Voss, seine Frau und Hagen sahen ihn erwartungsvoll an, doch es kam keine Erklärung.

»Du sprichst in Rätseln, Hermann. Was weißt du nicht?«

»Kommen Sie mal mit an die Reling. Ich zeig es Ihnen.«

Voss stand auf und folgte Hermann an die Backbordseite. Hagen trat zu ihnen, und auch Charlotte stand neugierig auf.

»Sehen Sie auf der anderen Seite der Elbe den Segler im Watt?«

»Welchen? Ich sehe drei.«

»Den auf zehn Uhr. Ich finde, der sieht komisch aus.«

Voss hielt die rechte Hand über die Augen, damit ihn die Sonne nicht blendete, und starrte auf den fraglichen Segler. Dann bat er Hermann, ihm das Fernglas aus dem Steuerhaus zu holen.

Durch das Glas sah er, dass die Segeljacht viel schräger auf dem Watt lag, als es üblich wäre, wenn der Skipper sie absichtlich trocken fallen ließ. Viel erstaunlicher aber war, dass sowohl die Fock als auch das Großsegel belegt waren, die Brise aus Südwest die Segel steif stehen ließ und die Segeljacht über Backbord in den Schlick des Watts drückte.

Voss reichte Hermann das Fernglas.

»Was denkst du?«

Hermann hielt das Glas vor die Augen, justierte die Schärfe und sagte: »Der Idiot hat die Segel nicht gelöst und niedergeholt. Was ist denn das für ein Hirni? So wie die Jacht sich im Schlick festgedrückt hat, kriegt er die bei Flut nie wieder flott.«

»Genauso sehe ich es auch. Wenn die Flut weiter steigt, ertrinken sie – sofern überhaupt jemand an Bord ist. Ich denke, wir sollten nachsehen, was da drüben los ist. Lass das Schlauchboot wieder zu Wasser. Wir beide fahren rüber und schauen mal nach.«

»Ich komme mit«, sagte Hagen.

Voss nickte. »Ziehen Sie sich besser ein Hemd über, sonst haben Sie morgen einen gehörigen Sonnenbrand.«

Hagen verschwand im Inneren des Bootes und tauchte ein paar Minuten später mit einem Poloshirt und einer Mütze auf dem Kopf wieder auf.

»Du solltest dir auch eine Kopfbedeckung aufsetzen«, riet Charlotte.

»Du hast wie immer recht, mein Schatz.«

Er rief Hermann, der bereits auf dem Weg zum Niedergang war, hinterher: »Bring mir eine Mütze mit.«

»Aye, aye, Chef.«

»Pass auf dich auf«, flüsterte Charlotte ihm ins Ohr, bevor Voss als letzter ins Schlauchboot sprang.

Kapitel 2

Die Elbe bei starkem Schiffsverkehr in einem Schlauchboot zu durchqueren, war nicht ungefährlich. Ein Containerfrachter mit der Brücke am Heck des Schiffs hatte vor dem Bug einen toten Winkel von mehreren hundert Metern. Eine Nussschale wie ein Schlauchboot würde man von der Brücke aus kaum wahrnehmen.

Die Sicherheit hing einzig und allein von der Fähigkeit des Manns am Ruder ab. Er musste ein Gefühl für Entfernung und Geschwindigkeit des Frachters und die des Schlauchboots haben, um abschätzen zu können, ob er ausreichend Zeit hatte, um den Frachter vor dem Bug passieren zu können. Was von Land aus einfach aussah, veränderte seine Dimension, sobald man auf dem Wasser war und einen solchen Giganten auf sich zukommen sah.

Hermann saß am Ruder und wirkte gelassen. Auch Voss war ruhig. Nur Hagen schien sich unbehaglich zu fühlen, als er ein riesiges Schiff unaufhaltsam auf sich zukommen sah. Es war auch zum Fürchten, eine mehrere Stockwerke hohe Stahlwand zum Greifen nahe emporragen zu sehen.

»Kann der Containerfrachter im Notfall bremsen?«, fragte er Voss nervös.

»Das könnte er, wenn er uns sehen würde, was er aber mit Sicherheit nicht tut. Aber selbst wenn er uns sehen würde, läge der Bremsweg zwischen zehn und fünfzehn Bootslängen. Der Containerfrachter an Backbord dürfte eine Länge von mehr als dreihundert Metern haben. Das heißt, bevor er zum Stillstand kommt, hätte er je nach Geschwindigkeit und Ladung noch drei bis viereinhalb Kilometer zurückgelegt. Also vergessen Sie das Bremsen.«

»Er könnte doch im Notfall ausweichen, oder?«

Voss grinste. »Sie verstehen nicht gerade viel von der Seefahrt, oder? Im schmalen Fahrwasser der Elbe ist so etwas nahezu unmöglich. Die Gefahr, dass der Frachter außerhalb des Fahrwassers auf Grund läuft, dürfte bei hundert Prozent liegen. Und uns würde es nichts nützen, denn bevor das Schiff auf die Kursänderung anspricht, hätte es uns längst überrollt. Wie Sie es drehen und wenden, der Kapitän, oder besser gesagt: der Lotse, kann gar nichts tun, außer Kurs und Geschwindigkeit beizubehalten. Dass uns nichts passiert, liegt in Hermanns Hand.«

Hagen sah mit einem beklemmenden Blick erst Hermann, dann Voss an. Hermann beachtete weder Hagen noch den Containerfrachter. Sein ganze Aufmerksamkeit galt dem entgegenkommenden Tanker, und Voss quittierte seinen Blick mit einem Grinsen.

»Entspannen Sie sich, Hermann macht das schon.«

»Sie haben leicht reden. Und wenn nicht?«

»Dann gibt es für uns heute Abend nichts zu essen.«

»Festhalten«, rief Hermann. »Es wird kabbelig.«

Hagen rutschte auf den Boden des Bootes und klammerte sich an der Halteleine fest. Voss ließ sich ebenfalls auf dem Boden nieder und stemmte zur Sicherung die Füße gegen den gegenüberliegenden Luftschlauch.

Hermann hatte den Containerfrachter in sicherer Entfernung passiert und änderte den Kurs so, dass er jetzt mit ihm parallel lief. Als der Tanker sie passiert hatte, legte er das Ruder scharf herum und passierte den Tanker am Heck. Als sie das Schraubenwasser querten, schwankte das Schlauchboot hin und her und Wasser spritzte ins Boot. Nach wenigen Minuten wurde es wieder ruhiger. Sie hatten das Fahrwasser überwunden. Hermann änderte erneut den Kurs.

»Wie willst du an die Segeljacht herankommen? Die Flut wird sie noch nicht erreicht haben«, wollte Voss wissen.

»Ganz in der Nähe der Jacht liegt ein Priel, wenn wir den erwischen, dann kommen wir in ihre Nähe. Die restlichen Meter müssen wir wohl durchs Watt laufen. Das Schlauchboot ziehen wir hinterher«, erklärte Hermann.

Alle drei starrten nach vorne. Voss war der erste, der den Priel entdeckte. Die Flut strömte in ihn hinein. Hermann hielt das Schlauchboot in der Mitte des Priels, da er dort am tiefsten und die Gefahr am geringsten war, dass der Außenbordmotor sich im Schlick festsetzte.

»Waren Sie schon mal im Watt?«, fragte Voss Hagen.

»Nein, noch nie.«

»Dann zeige ich Ihnen jetzt, warum man eine Wattwanderung nicht ohne sachkundige Führung machen sollte. Folgen Sie mit den Augen dem Priel, dann sehen Sie, dass er sich in etwa hundert Metern in mehrere kleine Priele aufteilt. Die Priele laufen alle Richtung Land. In Kürze werden Sie sehen, dass die Flut das Segelboot erreicht. Dann können Sie diesen Priel nicht mehr erkennen. Das Gleiche geschieht mit seinen Verzweigungen. Das heißt, obwohl die Flut noch ein gutes Stück entfernt ist, überflutet das Wasser von den Prielen aus das Watt, und Sie stehen plötzlich im Wasser, wo eigentlich noch keins sein dürfte. Sie verlieren jede Orientierung und sehen nur noch eine einzige Wasserfläche vor sich. Selbst wenn Sie ein guter Läufer sind, können Sie die Flut nicht auslaufen. Ihre Füße versinken im Schlick und machen es unmöglich, schnell voranzukommen.«

»Sie zeichnen ja ein sehr düsteres Bild von der Nordsee«, antwortete Hagen mit einem unruhigen Lächeln.

»Die Nordsee ist gefährlich. Sie hat Unterwasserströmungen, wo ein normaler Mensch sie nicht vermuten würde. Sie ist in nichts mit einem Badesee vergleichbar. Sie sind freier Journalist, schreiben Sie doch mal einen Artikel über die Gefahren, die auf Urlauber an der Nordsee lauern.«

Hagen nickte. »Kein schlechter Gedanke. Werde es mir überlegen.«

Inzwischen war Hermann auf Höhe der Segeljacht angekommen. Während sich Voss mit Hagen unterhielt, hatte er die Augen nicht von der Jacht genommen.

»Was soll ich machen?«, fragte Hermann, als er sich der Jacht näherte.

»Gib Vollgas, klapp den Motor hoch und lass das Schlauchboot übers Watt schliddern. Vielleicht haben wir Glück und kommen dicht an das Boot heran.«

Hermann nickte zustimmend. Da die Flut bereits über den Rand des Priels schwappte, hatte er eine gute Chance, das Schlauchboot aufs Watt zu fahren.

»Dann haltet euch man gut fest«, rief er, ließ im selben Moment den Außenborder aufheulen und lenkte das Schlauchboot, nachdem es seine Höchstgeschwindigkeit erreicht hatte, mit einer scharfen Linkskurve aufs Watt. Es gab einen heftigen Ruck, als der tiefer im Wasser liegende Boden gegen den Wattrand des Priels stieß. Die Männer wären hin und her geschleudert worden, wenn sie Hermanns Warnung nicht ernst genommen hätten. Das Schlauchboot schoss dank seines abgeschrägten Bugs aufs Watt und schlidderte über den mit Wasser überdeckten Schlick. Drei Meter vor dem Segler blieben sie stehen.

Hagen wollte aussteigen.

»Warten Sie«, sagte Voss. »Wir nehmen die Paddel und staken das Schlauchboot die kurze Strecke bis zum Segler.«

Er nahm eines der Paddel, steckte es mit dem Blatt in den Schlick und drückte es nach hinten. Hagen machte es ihm nach, und zu ihrer Freude schob sich das Boot ein Stück vorwärts.

Hermann befestigte eine Leine an der Reling, Voss kletterte als erster an Bord, es folgte Hagen, Hermann kam als letzter. Er ließ so viel lose Leine, dass das Schlauchboot mit der Flut zehn Meter achtern ausdriften konnte und sich damit in einem sicheren Abstand vom Segler befand. Auch wenn er überzeugt war, dass für das Schlauchboot keine Gefahr bestand, so galt hier doch: Sicher ist sicher.

Wie Voss vermutet hatte, war die Segeljacht durch die aufgeblähten Segel tief in den Schlick gedrückt worden. Aus eigener Kraft hätte sie sich unmöglich befreien können.

Der Wind hatte schon seit einiger Zeit aufgefrischt und drückte so in die Segel, dass Voss befürchtete, der Mast könnte dem Druck nachgeben und brechen, denn die Takelage und der Mast knarrten gefährlich.

Voss ergriff sofort die Initiative. »Sie, Herr Hagen, lösen die Schoten, damit der Druck aus der Takelage genommen wird. Lassen Sie die Segel ruhig im Wind flattern. Ich gehe unter Deck und schaue mich dort um. Hermann, du kommst mit. Du hältst am Niedergang Wache und alarmierst mich, wenn die Flut so weit gestiegen ist, dass das Wasser in Kürze ins Innere fließen wird.«

»Aye, Chef.«

Voss und Hermann kletterten in die schräg liegende Plicht. Der Zugang zur Kajüte stand offen. Ohne zu zögern, stieg Voss die paar Stufen hinunter in die Kajüte, die auf den ersten Blick leer war. Auf dem Boden bei der Sitzbank an Backbord lagen drei zerbrochene Gläser, durch die Schräglage des Bootes wohl vom Tisch gerutscht. Es roch nach schalem Bier. Voss ließ den Blick durch die Kajüte schweifen. Ein Schauder lief über seinen Rücken, als er in der Hundekoje eine leblose Frau liegen sah. Er trat zögernd an die Koje heran. Die Frau war noch jung, mit langem, rotem Haar, nach seiner Schätzung etwas über zwanzig. Er streckte die Hand aus, um den Puls zu fühlen, doch als er die Finger an die Halsschlagader legte, zuckte seine Hand sofort zurück. Der Hals war kalt und steif – Leichenstarre, schoss es ihm durch den Kopf. Die Frau war definitiv tot.

Er sah sich weiter um. Vor der Tür zur Bugkabine hatte sich jemand erbrochen. Gallertartige Klumpen waren zu sehen. Voss schwante Schreckliches. Er stieg über das Erbrochene und öffnete die Tür. Er musste sie mit einer Hand offenhalten, weil sie durch die Schräglage der Jacht wieder zuzufallen drohte, und zwang sich, in die Bugkabine zu blicken. Entsetzt sah er auf das Bett. Eine Frau, rothaarig, genau wie die erste, und ein Mann lagen darauf, die Knie an den Bauch gezogen, als hätten sie heftige Magenschmerzen gehabt. Beide waren bekleidet. Mit offenen, toten Augen schauten sie sich an, so als wollten sie im Sterben einander ansehen. Als Voss das Gesicht des Mannes genauer betrachtete, blieb er wie festgewachsen stehen. Er kannte ihn. Er kannte ihn sogar sehr gut, und plötzlich glaubte er zu wissen, wer die rothaarigen Frauen waren. Er hatte sie schon zusammen mit dem Toten gesehen. Ein plötzlicher Schock überkam ihn. Er zwang sich, ruhig und tief einzuatmen und die Luft langsam aus den Lungen strömen zu lassen. Nach einer gefühlten Ewigkeit – obwohl nicht mehr als eine halbe Minute verstrichen sein konnte – hatte er sich wieder unter Kontrolle. Er trat vor und berührte den Mann und die Frau an den Füßen. Sie waren genauso steif wie die junge Frau vorne. Die Leichenstarre hatte die Füße erreicht, was bedeutete, dass sie mindestens seit sechs Stunden tot waren. Er verließ den Raum, um keine Spuren zu hinterlassen, hangelte sich mühsam zum Niedergang vor und sah in einem Mülleimer, der im Waschbecken stand, Austernschalen. Er wandte den Blick ab und krabbelte die Treppe hoch. Hermann reichte ihm die Hand, zog ihn in die Plicht und half ihm beim Aufstehen.

»Mensch, Chef, wat is passiert? Du siehst schiete aus.«

Voss sagte nichts, sondern atmete tief die frische Meeresluft ein. Nachdem er den Geruch nach schalem Bier und Erbrochenem aus dem Gehirn verbannt hatte, kam wieder Farbe in seine Wangen.

Die Flut war bereits so weit gestiegen, dass in Kürze Wasser in die Plicht strömen würde.

»Was hast du gesehen, dass du so hin bist?«

»Sag ich dir gleich. Lass uns erst einmal den Niedergang verschließen, damit kein Wasser in die Kajüte laufen kann.« Sie schlossen die halbhohen, wasserdichten Türen und zogen dann die Verschlusshaube über die Öffnung in der Decke.

»Hol das Schlauchboot dicht. Wir warten dort«, beauftragte er Hermann. Dann rief er Hagen zu, ins Schlauchboot zu steigen. Als sie zusammen im Boot saßen, erzählte er, was er im Inneren der Segeljacht entdeckt hatte. Dann beauftragte er Hagen, ihren Standort auf seinem Handy festzustellen, während er selbst die Polizeinotrufzentrale anrief. Eine weibliche Stimme meldete sich mit Namen und Amtsbezeichnung.

»Hier spricht Jeremias Voss«, sagte er. »Ich bin der Sicherheitsdirektor des Malakow-Konzerns. Ich befinde mich im Wattgebiet westlich von Friedrichskoog und bin mit zwei Begleitern bei einer Segeljacht, die offenbar im Watt havariert ist. Im Rumpf der Jacht befinden sich drei Leichen, ein Mann und zwei Frauen. Die Leichenstarre hat sich voll ausgebildet. Wir befinden uns in einem Schlauchboot bei der Jacht.« Er gab seine Telefonnummer durch und sagte anschließend: »Ende der Meldung.«

»Können Sie, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen, bei der Jacht bleiben?«, fragte die Beamtin.

»Kein Problem.«

»Dann warten Sie bitte dort, bis die Wasserschutzpolizei bei Ihnen eintrifft.«

»Wir warten.«

 Wenig später klingelte sein Handy.

»Spreche ich mit Herrn Jeremias Voss?«, hörte er eine weibliche Stimme.

»Ja, der bin ich.«

»Hier spricht Hauptkommissarin Friedrichsen von der Wasserschutzpolizei. Wo befinden Sie sich jetzt? Geben Sie bitte Ihre genauen Koordinaten durch.«

»Wir befinden uns, wie wir angewiesen wurden, bei der havarierten Jacht. Unsere Koordinaten sind … einen Augenblick …« Er nickte Hagen zu, dieser rief die Apps für die Standortbestimmung auf und hielt es Voss hin, der die Koordinaten laut vorlas.

»Wie ist die Lage jetzt bei Ihnen? Hat sich etwas gegenüber Ihrer Meldung geändert?«

»Nein, außer dass die Flut gestiegen ist und Wasser in die Plicht läuft. Wir haben den Niedergang verschlossen und hoffen, dass er die Kajüte dicht abschließt.«

»Sehr umsichtig. Wo liegen die Leichen?«

»Eine jüngere Frau in der Hundekoje und eine Frau und ein Mann in der Bugkabine.«

»Danke, wir sind in dreißig Minuten vor Ort.«

»Sie benötigen eine Taucherausrüstung, denn die Tür zum Niedergang ist bereits zur Hälfte unter Wasser.«

»Danke – Ende und aus.«

Die drei im Schlauchboot schwiegen eine Weile. Es war Voss, der schließlich wieder sprach.

»Ich kenne den Mann. Er heißt Uwe Bauer und ist, oder besser gesagt: war, als Direktor für das gesamte Transportwesen des Konzerns verantwortlich.«

Es dauerte nicht lange, und die Männer konnten in der Ferne das Blaulicht des Wasserschutzpolizeiboots sehen. Das Polizeiboot nutzte den gleichen Priel, den auch Hermann ausgewählt hatte, nur dass es hundert Meter vor der Segeljacht vor Anker ging. Ein Schlauchboot wurde zu Wasser gelassen, vier Männer kletterten ins Boot und legten ab. Wenig später gingen sie an Voss‘ Schlauchboot längsseits. Ein Wasserschutzpolizist in einem Kälteschutzanzug kletterte zu ihnen ins Boot.

»Guten Tag, ich bin Hauptwachtmeister Bachmann von der Wasserschutzstation Büsum. Wer von Ihnen ist Herr Jeremias Voss?«

»Ich bin es«, sagte der. Dann stellte er seine beiden Mitfahrer vor.

Der Hauptwachtmeister tat das Gleiche mit seinen Männern. Die waren über das Heck auf die noch nicht unter Wasser stehende Steuerbordseite geklettert und hangelten sich zum Bug vor.

Der Wachtmeister zog sein Handy aus einer Tasche, die an der Seite des Anzugs befestigt war.

»Ich möchte das Gespräch aufnehmen, haben Sie etwas dagegen und dürfen wir die Aufnahme dienstlich verwenden? Ich muss das aus datenschutzrechtlichen Gründen fragen.«

»Wir sind mit der Aufnahme und der dienstlichen Verwertung einverstanden.«

Voss sah seine beiden Gefährten an, die zustimmend nickten.

»Haben Sie die Jacht so wie sie jetzt hier liegt vorgefunden, oder haben Sie irgendetwas verändert?«, fragte der Hauptwachtmeister.

»Wir haben die Segel, deren Schoten noch belegt waren, gelöst, weil wir befürchteten, dass der Mast unter dem Winddruck brechen könnte, und wir haben die Kajüte verschlossen.«

»Das war alles? Bitte denken Sie noch einmal nach.«

Voss sah Hagen an. »Haben Sie sonst noch etwas an der Jacht getan?«

»Nein, nichts. Nachdem ich die Leinen, oder genauer gesagt: die Schoten, gelöst hatte, bin ich zu Hermann in die Plicht, den offenen Teil im Heck des Segelboots, in dem die Crew sitzt, gegangen.«

»Sie haben es gehört«, sagte Voss zu dem Beamten.

»Gut, wer von Ihnen ist unter Deck gegangen?«

»Ich«, sagte Voss.

»Bitte schildern Sie mir genau, was Sie dort unten gesehen haben. Erwähnen Sie jede Kleinigkeit. Wir wissen nicht, ob nicht doch Wasser durch den Kajütenverschluss gekommen ist, so dass Ihre Beobachtung die einzige genaue Beschreibung des Fundorts ist. Aufgenommen haben Sie die Kajüte und das Vorschiff nicht?«

»Nein, das habe ich nicht. Es kam mir pietätlos vor.«

»Verstehe. Beginnen Sie mit dem Absteigen am Niedergang.«

Voss begann seinen Bericht, wie er auf den schräg liegenden Stufen in die Kajüte gelangt war und dass er am Niedergang zuerst nichts Ungewöhnliches entdeckt hatte.

Die ganze Aufnahme dauerte über eine halbe Stunde, weil der Hauptwachtmeister immer wieder Zwischenfragen stellte. Als er mit der Befragung fertig war, bedankte er sich und musterte Voss.

»Fällt Ihnen sonst noch etwas ein, was Sie zu berichten vergessen haben?«

»Da gibt es in der Tat noch etwas. Ich kenne den Toten. Er war Direktor beim Malakow-Konzern, zuständig für das Transportwesen des Konzerns. Ich meine, die Frau, die neben ihm liegt, könnte seine Frau sein. Ich habe sie zwar nie persönlich getroffen, aber soweit ich weiß, nannte er sie vor den Kollegen hin und wieder ›seine rote Zora‹, und die Tote hat rote Haare. Dem Alter nach könnte die andere Frau seine Tochter sein.«

»Wie ist der Name Ihres Kollegen?«

»Uwe Bauer.«

»Und die Adresse?«

»Die kenne ich nicht. Sie können sie in unserer Personalabteilung bekommen.«

Der Hauptwachmeister war von dieser Information so überrascht, dass er spontan fragte: »Ist es nicht eigenartig, dass gerade Sie die Toten finden?«

»Wie soll ich das verstehen?«, fragte Voss scharf. »Zu Ihrer Kenntnis: Unser Motorsegler ankert auf der anderen Seite der Elbe. Von unserem Boot aus haben wir die Segeljacht gesehen. Ihr Zustand kam uns merkwürdig vor, und wir sind herübergefahren, um nachzusehen, ob jemand Hilfe braucht.«

»Entschuldigen Sie, Herr Voss, meine Bemerkung war nicht als Anschuldigung gedacht.«

Der Hauptwachmeister grüßte und stieg in das Schlauchboot der Wasserschutzpolizei hinüber. Hier saßen inzwischen auch die anderen drei Beamten. Die Männer unterhielten sich ein paar Minuten mit gedämpfter Stimme, dann wandte sich der Hauptwachtmeister wieder an Voss.

»Wir fahren jetzt zu unserem Boot zurück. Bitte warten Sie hier noch so lange, bis Sie von uns die Genehmigung bekommen, den Havarieort zu verlassen. Das dürfte nicht lange dauern.«

Ein Beamter löste die Leine, mit der das Polizeiboot an Voss‘ Schlauchboot festgemacht war, und fuhr zum Wasserschutzpolizeiboot zurück.

Es dauerte nicht lange, und sie durften den Havaristen verlassen.

Kapitel 3

An Bord des Motorseglers wurde ihre Rückkehr mit fieberhafter Spannung erwartet. Charlotte und Kuddel hatten mit Ferngläsern die Bewegungen der drei auf der Segeljacht beobachtet. Als sie das Boot der Wasserschutzpolizei heranrauschen sahen, ahnten sie, dass etwas Ungewöhnliches geschehen sein musste, und ergingen sich in allen möglichen Spekulationen. Dass das unnütz war, wussten sie selbst. Charlotte verstand zudem kaum etwas von dem, was Kuddel ihr zu erklären versuchte, denn er sprach nur Hamburger Platt, was für sie auch Chinesisch hätte sein können.

Als sie endlich das Schlauchboot zurückkommen sahen, standen sie an der Reling und beobachteten, wie Hermann sich erneut geschickt zwischen den Schiffen auf der Elbe hindurchmanövrierte.

Charlotte atmete erleichtert auf, als das Schlauchboot endlich längsseits des Motorseglers lag und die Männer über die Badeleiter an Bord kletterten. Voss lächelte seine Frau an, um ihr zu signalisieren, dass alles gut verlaufen war. Dann wandte er sich an Kuddel und Hermann und beauftragte sie, das Schlauchboot an Bord zu verzurren, den Anker aufzuholen und mit Motorkraft nach Hamburg zu fahren.

An Hagen gewandt sagte er: »Für Sie gibt es im Moment nichts zu tun. Ich muss mit meiner Frau sprechen. Danach kann sie Ihnen wieder Rede und Antwort stehen, sofern Sie heute noch mit dem Interview weitermachen wollen.«

»Ich denke, wir beenden das Interview für heute. Ich muss dringend einen Bericht über die Havarie schreiben. Das wird ein Knüller, der sich gut verkaufen lässt. Das kann ich mir als freier Journalist nicht entgehen lassen.« Er drehte sich um und ging zum Niedergang.

»Aber kein Wort zur Identität der Toten«, rief Voss ihm nach.

»Das ist selbstverständlich«, rief er zurück und verschwand unter Deck.

Voss führte seine Frau zum Achterdeck, holte drei Klappstühle und stellte sie im Windschatten des Steuerhauses auf. Auf zwei der Stühle setzten sie sich, und auf den dritten legte er die Füße, um sein Rückgrat zu entlasten, das er selbst Jahre nach dem Hubschrauberabsturz noch spürte, wenn er lange in einer unbequemen Position, wie jetzt im Schlauchboot, gesessen hatte.

Charlotte war entsetzt über das, was er ihr berichtete. Besonders betroffen war sie über den Tod ihres Direktors und, so wie es aussah, auch über den seiner Familie. Sie, die über ein milliardenschweres, international operierendes Unternehmen herrschte, die Entscheidungen traf, die Zehntausende Angestellte rund um den Globus positiv oder negativ betrafen, konnte ihre Tränen nicht zurückhalten. Voss nahm sie in den Arm und redete beruhigend auf sie ein.

»Wir wissen noch nicht, ob die junge Frau in der Hundekoje und die ältere Frau in der Bugkabine wirklich seine Frau und Tochter waren.«

»Ich bitte dich, Schatz, wer sollte es sonst gewesen sein?«

»Ich weiß nicht, möglicherweise hast du recht. Kennst du denn die Familienverhältnisse von Uwe Bauer?«

»Nein, aber für mich ist es offensichtlich.«

Voss hielt sie im Arm, beide schwiegen und hingen ihren Gedanken nach. Nach einer ganzen Weile löste sich Charlotte sanft aus seinen Armen.

»Unabhängig von dem, was die Polizei ermittelt, untersuch bitte auch du die Tragödie. Das ist das Mindeste, was wir für Uwe Bauer tun können.«

»Genau das, meine Liebe, habe ich mir auch vorgenommen.«

»Sag den Angehörigen, wir übernehmen die Beerdigungskosten.«