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Neue Fälle für Hamburgs besten Privatdetektiv: Der packende Krimi-Sammelband »Die dunklen Tage von Hamburg« von Ole Hansen jetzt als eBook bei dotbooks. Stahlharte Nerven, eine geniale Kombinationsgabe … und eine Leichenallergie: Seit der Pathologe Marten Hendriksen dem Obduktionssaal den Rücken gekehrt hat, ist er als einer der besten Detektive Hamburgs bekannt. Doch nun soll er fern der Hansestadt inkognito auf einem Kreuzfahrtschiff ermitteln: Eine Serie von Juwelendiebstählen bekommt eine mörderische Wendung, als ein Passagier mit eingeschlagenem Schädel vor dem Bordrestaurant aufgefunden wird – und die Suche nach einem Verdächtigen unter den 2000 Menschen an Bord für jeden anderen Ermittler ein Ding der Unmöglichkeit wäre. Auch im Fall eines verstorbenen Reedereibesitzers findet Hendriksen schnell eine tödliche Spur – und stößt dabei auf eine Verschwörung, die selbst ihm den Atem raubt … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der fesselnde Sammelband »Die dunklen Tage von Hamburg« – zwei Krimis in einem eBook: "Hendriksen und der Tote auf hoher See" und "Hendriksen und der falsche Erbe"von Bestsellerautor Ole Hansen. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 623
Über dieses Buch:
Stahlharte Nerven, eine geniale Kombinationsgabe … und eine Leichenallergie: Seit der Pathologe Marten Hendriksen dem Obduktionssaal den Rücken gekehrt hat, ist er als einer der besten Detektive Hamburgs bekannt. Doch nun soll er fern der Hansestadt inkognito auf einem Kreuzfahrtschiff ermitteln: Eine Serie von Juwelendiebstählen bekommt eine mörderische Wendung, als ein Passagier mit eingeschlagenem Schädel vor dem Bordrestaurant aufgefunden wird – und die Suche nach einem Verdächtigen unter den 2000 Menschen an Bord für jeden anderen Ermittler ein Ding der Unmöglichkeit wäre. Auch im Fall eines verstorbenen Reedereibesitzers findet Hendriksen schnell eine tödliche Spur – und stößt dabei auf eine Verschwörung, die selbst ihm den Atem raubt …
Über den Autor:
Ole Hansen, geboren in Wedel, ist das Pseudonym des Autors Dr. Dr. (COU) Herbert W. Rhein. Er trat nach einer Ausbildung zum Feinmechaniker in die Bundeswehr ein. Dort diente er 30 Jahre als Luftwaffenoffizier und arbeitete unter anderem als Lehrer und Vertreter des Verteidigungsministers in den USA. Neben seiner Tätigkeit als Soldat studierte er Chinesisch, Arabisch und das Schreiben. Nachdem er aus dem aktiven Dienst als Oberstleutnant ausschied, widmete er sich ganz seiner Tätigkeit als Autor. Dabei faszinierte ihn vor allem die Forensik – ein Themengebiet, in dem er durch intensive Studien zum ausgewiesenen Experten wurde. Heute wohnt der Autor in Oldenburg an der Ostsee.
Eine Übersicht über weitere Romane von Ole Hansen bei dotbooks finden Sie am Ende dieses eBooks.
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Sammelband-Originalausgabe November 2021
Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2021 dotbooks GmbH, München
Copyright © der Originalausgabe von »Hendriksen und der Tote auf hoher See« 2020 dotbooks GmbH, München
Copyright © der Originalausgabe von »Hendriksen und der falsche Erbe« 2020 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Daniel-Froehlich / Maxim Khytra / Gayvoronskaya_Yana sowie © pixabay / Stux
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)
ISBN 978-3-96655-692-7
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Ole Hansen
Die dunklen Tage von Hamburg
Zwei Krimis in einem eBook
dotbooks.
Marten Hendriksen ist inkognito unterwegs: Gemeinsam mit seiner Freundin und Ex-Kommissarin Tina Engels geht er als Schiffsarzt getarnt an Bord der »Albatros« – auf dem Kreuzfahrtschiff kam es zu einer Serie von Juwelendiebstählen. Doch aus dem scheinbar harmlosen Auftrag in tropischen Gewässern wird auf einmal blutiger Ernst, als ein Passagier mit eingeschlagenem Schädel vor dem Bordrestaurant aufgefunden wird. Hamburgs bester Privatdetektiv erkennt schnell, dass der Mord und die Diebstähle zusammenhängen – doch er übersieht, in welcher Gefahr Tina und er schon längst schweben …
»Moin, Dörte!«, begrüßte Marten Hendriksen seine Sekretärin und sein Mädchen für alles. Wie gewöhnlich trug er das zusammengeklappte Mountainbike, das er liebevoll Biki nannte, über der Schulter. Es war sein Markenzeichen. Wenn er damit unterwegs war, nahm er es überall hin mit. Zuerst hatten sich seine Gesprächspartner daran gestört, dass neben seinem Stuhl ein zusammengeklapptes Fahrrad stand. Aber Hendriksen ignorierte bissige Worte ebenso wie Aufforderungen, es draußen abzustellen, also hatte man sich mit seiner Marotte abgefunden. Inzwischen warben Restaurantbesitzer sogar damit, dass man den kleinen, spleenigen Rechtsmediziner bei ihnen antreffen konnte. Hendriksen hatte nichts dagegen, dass man ihn zu Werbezwecken nutzte.
»Guten Morgen, Chef«, erwiderte Dörte seinen Gruß und fügte hinzu: »In deinem Büro sitzt ein Herr.«
Hendriksen zog unwillig die Stirn in Falten. Er mochte es nicht, wenn jemand in seinem Büro wartete.
»Wer ist das?«
»Weiß ich nicht. Er wollte mir seinen Namen nicht nennen.«
»Und dann hast du ihn in mein Zimmer gelassen?«
»Tut mir leid, Chef, ich hätte ihn nur mit Gewalt aufhalten können. Er tat ganz so, als wäre er hier zu Hause.«
»Na, das wollen wir doch mal sehen.«
Hendriksen stellte Biki neben Dörtes Schreibtisch und ging verärgert zu seinem Büro. Er riss die Tür auf – von einem Mann war nichts zu sehen. Er drehte sich zu Dörte um.
»Bist du sicher, dass du keinen Geist gesehen hast? Hier ist niemand.«
»Unmöglich, Chef.«
Dörte trat zu Hendriksen. Der hielt ihr die Tür auf, damit sie den vollen Überblick über das Büro hatte.
Verständnislos sah sie ihn an. »Ich spinne nicht. Ich habe doch gesehen, wie er hier hineinging.« Dörte trat ins Zimmer, sah hinter der Tür und hinter dem Schreibtisch nach. »Ich versteh das nicht. Ich bin sicher, der Herr ist hier hineingegangen und hat die Tür hinter sich geschlossen. Ich schwör’s, Chef.«
»Ich glaube dir, Dörte. Und was machen wir jetzt? An Geister glauben wir nicht, bleibt nur die Feststellung, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, oder, was wahrscheinlicher ist, dass uns hier jemand verar–, du weißt schon. Und das lassen wir uns nicht gefallen.«
»Ich verstehe gar nichts mehr.«
»Dann sind wir schon zwei.«
Eine Glocke ertönte. Es war das Zeichen, dass jemand die Eingangstür von der Straße aus geöffnet hatte.
»Sieh mal nach, wer da etwas von uns will, und pass auf, dass es kein Gespenst ist.«
»Chef!«, rief Dörte genervt.
Sie ging zurück ins Empfangszimmer, das gleichzeitig ihr Arbeitsplatz war. Sekunden später stieß sie einen Schrei aus.
Hendriksen stürmte ins Empfangszimmer. Mit dem Finger zeigte Dörte auf den Herrn im dunklen Anzug.
»Das … das ist der …«
Weiter kam sie nicht, denn der Mann sagte mit süffisantem Lächeln: »Moin, Marten, wie begrüßt ihr denn eure Kunden?«
»Mensch, Jeremias, was denkst du dir dabei, mein Personal so aus der Fassung zu bringen? Ich dachte, als Ehemann und Vater hättest du dir solche Späße abgewöhnt.« Und zu Dörte, die kopfschüttelnd zugehört hatte und offensichtlich nichts verstand, sagte er: »Dieser Herr, den wir fast als Geist eingestuft hätten, ist niemand anderes als Jeremias Voss, der Gründer und Eigentümer dieser Agentur, deren Geschäftsführer ich bin.«
Jeremias Voss reichte Dörte die Hand. »Entschuldigen Sie, Frau …«
»Dörte, Dörte Hauser«, sagte sie, noch immer irritiert.
»Frau Hauser, es tut mir leid, dass ich Sie so erschreckt habe. Darf ich Sie als Entschädigung zu einem Frühstück einladen?«
Dörte wusste nicht, was sie sagen sollte, deshalb sah sie ihren Chef fragend an. Bevor Hendriksen etwas sagen konnte, fuhr Voss fort: »Keine Sorge, Frau Hauser, ich will Sie nicht entführen. Das Frühstück wird hierher geliefert. Ich habe Frau Engels gebeten, Brötchen zu besorgen, ich habe nämlich noch nichts gegessen. Wenn Sie so nett wären, Kaffee für uns alle zu kochen, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Aber bitte keinen Pfefferminztee, ich kann das Zeug nicht riechen.«
Dörte – froh, etwas zu tun zu haben – ging sofort in die Pantryküche, um dem Wunsch nachzukommen.
»Und wir beide, Marten, wir gehen jetzt in dein Büro, damit ich dir erklären kann, warum ich euch überfallen habe.«
Jeremias Voss setzte sich vor den Schreibtisch – den Platz, den Hendriksen hatte einnehmen wollen. Denn als Besitzer der Agentur gebührte Voss der Platz hinterm Schreibtisch.
»Keine Formalitäten«, sagte der. »Du bist hier der Chef, also setz dich auf deinen Platz.«
Dann fragte Voss: »Wie sieht es bei euch mit Arbeit aus?«
»Wir haben gerade einen Fall abgeschlossen. Du hättest es in der Zeitung lesen müssen. Wurde in allen Medien groß herausgestellt. Hast du dich aus der bösen Welt zurückgezogen, dass du den Rummel nicht mitbekommen hast?«
»So weit ist es noch nicht. Ich war vierzehn Tage in Nordschweden, um mir ein Gelände anzusehen, das für eine unserer Produktionsstätten in Frage kommt. Dort hatten wir weder Fernsehen noch Internetempfang.«
»Und da wollt ihr hin? Was treibt euch in die Walachei?«
»Ein streng geheimes Projekt. Doch davon will ich nicht reden. Ich habe eine Bitte. Ich benötige deine Hilfe.«
Hendriksen sah seinen Boss und Freund verblüfft an. »Habe ich richtig gehört? Du brauchst meine Hilfe.«
»Ja, so ist es. Meine Frau hat wichtige Geschäftspartner zu einer Kreuzfahrt durch die Karibik eingeladen. Nicht zum Vergnügen, wie du dir denken kannst. Es geht mal wieder ums Geschäft. Sie rief mich heute Morgen an und teilte mir mit, dass auf dem Kreuzfahrer Juwelen gestohlen wurden. Sie möchte verständlicherweise nicht, dass ihr Geschäft durch öffentliche Ermittlungen gefährdet wird. Ihr Wunsch ist, dass der Dieb oder die Diebe so unauffällig wie möglich überführt werden. Ich würde die Aufgabe selbst übernehmen, wenn ich nicht schon fast auf dem Weg nach Indien wäre. Ich kann diese Reise nicht verschieben, und so wollte ich dich bitten, die Aufgabe zu übernehmen.«
»Dascha een Ding«, sagte Hendriksen, der immer, wenn ihn etwas verblüffte, diesen Hamburger Ausdruck benutzte. Das war dann aber auch so ziemlich alles an Hamburgisch, was er beherrschte. »Natürlich helfe ich dir. Keine Frage. Du hättest mir doch einfach einen Auftrag erteilen können.«
»Das wäre schlechter Stil, wie du selbst weißt. Als Außenstehender soll man nicht in Geschäftsbereiche, mit denen man nicht vertraut ist, eingreifen.«
»Okay, verstehe. Wie stellst du dir die Aufgabe im Einzelnen vor? Ich meine nicht die Ermittlungsarbeit, sondern das Organisatorische.«
»Ich denke, du und Tina solltet als Ehepaar getarnt nach Florida fliegen und dort an Bord der Albatros gehen. Eine Kabine ist bereits auf den Namen Marten Hendriksen und Ehefrau reserviert. An Bord nehmt ihr mit meiner Frau Verbindung auf. Alles Weitere erfahrt ihr von ihr.«
»Soweit alles klar. Es gibt nur einen kleinen Schönheitsfehler. Tinas Pass lautet auf den Namen Engels. Zwei verschiedene Nachnamen sind für ein Ehepaar ziemlich unglaubwürdig.«
»Das habe ich berücksichtigt. Ihr reist in die USA als Privatpersonen mit euren jeweiligen Pässen ein. An Bord seid ihr dann das Ehepaar Hendriksen. Beim Einchecken wird Tina nicht nach ihrem Pass gefragt.«
»Und wie sieht es mit der Einreisegenehmigung in die USA aus? Hast du die auch schon besorgt?«
»Natürlich. Hat unser Anwalt in Miami erledigt. Liegt alles bei der Passstelle am Flughafen in Miami vor. Zur Sicherheit, dass nichts schief geht, ist unser Anwalt vor Ort. Es ist Dr. Struve. Sonst noch Fragen?«
»Wann müssen wir in Miami sein?«
»Morgen. Die Albatros läuft morgen Abend um zwanzig Uhr Ortszeit aus.«
»Morgen? Wie soll das denn gehen? Wenn ich mich nicht irre, fliegt die einzige Maschine nach Miami heute um vierzehn Uhr von Hamburg ab. Und zu einem anderen Flughafen schaffen wir es nie.« Hendriksen sah Voss herausfordernd an, doch der lächelte nur.
»Keine Sorge, ist alles im Griff. Mein Firmenjet steht am Flughafen Fuhlsbüttel für euch bereit. Er fliegt euch nach London, genauer nach Gatwick. Von dort geht ein Flug der Britisch Airways um 16:30 Uhr nach Miami. In Fuhlsbüttel meldet ihr euch am Schalter der Malakow Car Rentals. Wenn ihr bis zwölf Uhr dort seid, kommt ihr rechtzeitig nach Gatwick. Für den Flug nach Miami habe ich zwei Plätze reserviert. Leider waren nur noch zwei getrennte Plätze ganz hinten bei den Toiletten frei.«
Hendriksen kam nicht dazu, etwas zu entgegnen, denn in diesem Augenblick ging seine Bürotür auf und Tina erschien mit einem Tablett, auf dem alles stand, was für ein Frühstück notwendig war. Dörte folgte ihr mit zwei Thermoskannen mit Kaffee.
»Moin, Marten«, grüßte Tina. »Gibt’s etwas Neues?«
»Nicht wirklich. Außer vielleicht, dass wir beide auf Kreuzfahrt in die Karibik gehen.«
»Echt?«
Hendriksen nickte.
»Super! Wann?«
Hendriksen sah auf die Uhr. »In zweieinhalb Stunden müssen wir am Flughafen sein.«
Tina musterte ihn. Als sie an seiner Miene erkannte, dass das kein Scherz war, sagte sie trocken: »Dann sollten wir schnellstens frühstücken.«
»Keine Hetze«, beruhigte Jeremias Voss sie. »Nehmt nur das Notwendigste mit. Alles andere könnt ihr in Miami kaufen. Bis zum Ablegen der Albatros habt ihr mehrere Stunden Zeit. Die Kosten setzt ihr mit auf die Rechnung.«
Er erklärte Tina, um was genau es bei dem Auftrag ging. Sie hörte aufmerksam zu.
»Wir werden die Kreuzfahrt als Ehepaar genießen«, sagte Hendriksen daraufhin mit einem süffisanten Lächeln.
Tina sah ihn nur nachdenklich an.
»Du scheinst von der Idee nicht gerade begeistert zu sein«, meinte Hendriksen pikiert.
Tina zögerte mit der Antwort, dann sagte sie: »Tut mir leid, Marten, stimmt, das bin ich nicht.« Als sie seine enttäuschte Miene sah, fügte sie schnell hinzu: »Aber nicht aus dem Grund, den du vermutest.«
»Verstehe ich nicht.«
»Ich auch nicht, tut mir leid«, schloss sich Voss an.
»Das ist doch offensichtlich. Wir machen die Kreuzfahrt ja nicht zum Vergnügen, sondern um verlorengegangenen Schmuck wiederzufinden. Das bedeutet, dass wir Ermittlungen anstellen müssen. Als Ehepaar sind wir dabei zu eingeengt. Wenn wir hingegen als Geschwister reisen, dann kann Marten sich zum Beispiel intensiver um die weiblichen und ich um die männlichen Gäste oder Angestellten kümmern. Als Ehepaar können wir schlecht mit dem anderen Geschlecht flirten, und gerade dabei kann man viel erfahren. Als Geschwister können wir tun und lassen, was wir wollen, ohne dass es auffällt.«
»Sehr gut, Tina. Auf den Gedanken hätte ich auch selbst kommen müssen«, lobte Voss. »Oder was meinst du, Marten?«
»Wo sie recht hat, hat sie recht«, stimmte Hendriksen zu.
Es wurde ein hastiges Frühstück, und schon eine Viertelstunde später saß Hendriksen auf seinem Mountainbike und raste zu seinem Wohnschiff an der Bille.
Sein Zuhause war ein umgebauter Alsterdampfer. Hendriksen hatte ihn von seinem Vorgänger im Institut für Rechtsmedizin und Forensik übernommen. Ursprünglich sollte er nur als Übergangsquartier dienen, bis er eine bezahlbare Wohnung gefunden hatte. Doch dann hatte er sich in das Boot verliebt, was mit daran lag, dass sein Vorgänger jeden möglichen Komfort eingebaut hatte. Am meisten jedoch liebte er die sechzig Quadratmeter große Terrasse auf dem Dach des Deckshauses.
Hendriksen verstaute Biki im Steuerhaus und rief danach Hermann an. Es dauerte eine Weile, bis der sich meldete.
»Moin, Chef, wat los?«
»Hermann, du musst dich um mein Boot kümmern. Ich muss mit Tina nach Miami. Wie lange wir weg sind, weiß ich noch nicht.«
»Geit klor, Chef.«
»Und schaut auch mal bei Dörte vorbei. Sie soll sich nicht verlassen fühlen.«
»Dat brauchst mir nicht zu seggen. Dat hett ich sowieso gemacht.«
Hermann und seine Kumpel Hinnerk und Kuddel waren die sogenannte Rentnergang. Die drei waren pensioniert, hatten ihr ganzes Berufsleben im Hamburger Hafen verbracht und kannten jede Ecke und Kneipe im Hafen und im Kiez. Von daher waren sie schon für Jeremias Voss Gold wert gewesen, und nun eben auch für Henriksen. Hinzu kam noch, dass sie handfeste Gesellen waren, die keine Rauferei scheuten – was Hendriksen manchmal gelegen kam.
Nachdem die Betreuung seines Bootes sichergestellt war, ging Hendriksen in sein Schlafzimmer, zog eine Reisetasche unter der Koje hervor und stopfte alles hinein, was er benötigte. Zwischendurch bestellte er ein Taxi.
Als er das Boot verschlossen hatte, ging er über einen Schotterweg zur Straße. Das Taxi wartete bereits.
»Zum Flughafen«, beauftragte er den Fahrer.
In der Abflughalle wartete Tina bereits auf ihn.
Wie angeordnet meldete sich Hendriksen am Schalter der Malakow Car Rental. Sobald er seinen Namen genannt hatte, trat eine junge Frau aus dem hinteren Zimmer. Sie trug eine fesche blaue Uniform mit einem Käppi auf den blonden Haaren.
»Ich bin Susi Brechthold und soll Sie zum Firmenjet von Malakow bringen. Wenn Sie mir bitte folgen wollen?«
Hendriksen nannte seinen Namen und stellte Tina vor. Die junge Frau in der feschen Uniform führte sie durch eine Reihe verwinkelter Gänge, bis sie durch eine Tür ins Freie traten. In einigen Metern Entfernung parkte ein Lear Jet. Die Gangway hinter dem Cockpit war heruntergelassen. Tina und Hendriksen stiegen sie, gefolgt von der Frau, empor. Beim Betreten der Maschine wurden sie vom Piloten begrüßt.
Susi Brechthold fuhr die Gangway ein und verschloss die Tür. Dann bat sie Hendriksen und Tina, sich einen Platz auszusuchen und sich anzuschnallen. Ihr Gepäck verstaute sie im rückwärtigen Teil des Jets.
Hendriksen und Tina waren noch dabei, sich anzuschnallen, als sich der Lear Jet bereits bewegte. Minuten später schossen sie über die Startbahn und stiegen steil in den Himmel.
Der Flug in dem luxuriös eingerichteten Lear Jet war angenehm und der Service erstklassig. Obwohl die Flugzeit nur fünfundvierzig Minuten betrug, wurde ihnen ein dreigängiges Menü serviert.
»So lasse ich mir das Reisen gefallen«, sagte Tina anerkennend. »Nur schade, dass wir so nicht nach Miami weiterfliegen können.«
»Dafür haben wir bei der Britisch Airways mehr Unterhaltung.«
Tina sah Hendriksen verständnislos an.
»Schau nicht so, als würdest du den Vorteil unserer Plätze nicht zu schätzen wissen. Voss hat uns bei den Toiletten untergebracht, folglich werden sich dort die Passagiere mit schwacher Blase stauen.«
»Sei still, du verdirbst mir sonst die ganze Reise.«
Hendriksen kam nicht zu einer Antwort, denn der Lautsprecher knackte und der Pilot meldete sich.
»Frau Engels, Herr Dr. Hendriksen, wir haben gerade den englischen Luftraum erreicht und werden in Kürze in London Heathrow landen. Über dem Flughafen Gatwick liegt dichter Nebel. Es herrscht Landeverbot. Alle Flüge werden umgeleitet. Damit haben wir ein Problem, denn die abgehenden Flüge werden trotz des Nebels pünktlich von Gatwick starten. Ich habe für Sie ein Auto zum Flughafen bestellt. Wenn Sie Glück haben, können Sie Ihren Flug in Gatwick noch erreichen. Ob die British Airways auf Sie warten wird, konnte ich nicht erfahren. Das hängt sicher davon ab, wie viele Zubringermaschinen mit Fluggästen für Miami umgeleitet werden mussten. Und jetzt die gute Nachricht: Sie brauchen bei der Pass- und Zollkontrolle nicht zu warten. Die Privatmaschinen werden an einem gesonderten Terminal abgefertigt.«
»Damit scheint der schöne Teil unserer Reise zu Ende zu sein«, sagte Tina.
Hendriksen sah ihr an, wie sehr sie es bedauerte. Ihm selbst war egal, wie er reiste, Hauptsache, er erreichte sein Ziel. Bei seinen vielen Abenteuerreisen rund um den Globus war Luxus für ihn ein Fremdwort gewesen.
Der Lear Jet setzte so sanft auf der Landebahn auf, dass sie das Landen erst bemerkten, als der Pilot die Air Brakes hochfuhr und die Triebwerke auf Reverse schaltete.
Der Pilot fuhr den Jet zu dem Teil des Flughafens, der für Privatmaschinen reserviert war. Sobald die Maschine gehalten hatte, entriegelte die Flugbegleiterin die Bordtür, schwenkte sie nach außen und fuhr die Treppe nach unten. Pilot und Co-Pilot verabschiedeten sich von ihren beiden Fluggästen und wünschten ihnen einen angenehmen Weiterflug nach Miami.
Tina und Hendriksen wollten sich von Susi Brechthold verabschieden und sich für den hervorragenden Service bedanken, doch die winkte ab.
»Ich komme mit und sorge dafür, dass Sie den Airport ohne Verzögerungen verlassen können.«
Sie folgte ihnen, als sie die Treppe hinunterstiegen. Hendriksen hatte den Boden noch nicht erreicht, als eine dunkle Limousine mit dem Logo des Malakow-Konzerns herankam und vor der Treppe hielt. Der Fahrer stieg aus.
»Frau Engels und Herr Dr. Hendriksen?«
Er sprach die deutschen Namen mit einem starken englischen Akzent aus. Als Hendriksen bejahte, öffnete er Tina die Tür zum Fond, dann ging er auf die andere Seite und tat das Gleiche für Hendriksen. Die Flugbegleiterin nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Der Fahrer lud das Gepäck, das der Co-Pilot nach unten gebracht hatte, in den Kofferraum, setzte sich danach ans Steuer und fuhr los.
Susi Brechthold drehte sich zu ihnen um. »Da Großbritannien noch in der EU ist, gibt es keine Verzögerungen beim Verlassen des Flughafens. Der Fahrer wird Sie nach Gatwick bringen. Dort werden Sie von einer Angestellten des Londoner Malakow-Büros empfangen. Sie wird dafür sorgen, dass Sie auf dem kürzesten Weg zum Schalter der British Airways gelangen.«
»Eine super Organisation«, sagte Hendriksen anerkennend. »Wem haben wir diesen Service zu verdanken?«
»Das weiß ich nicht, aber ich denke, es war Herr Voss, oder genauer gesagt, seine Sekretärin«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu.
Hendriksen wollte antworten, doch in diesem Moment klingelte das Telefon der Flugbegleiterin. Sie nahm das Gespräch an und hörte einige Augenblicke zu. Dann erwiderte sie: »Ich gebe es weiter und melde mich wieder.« Sie beendete das Gespräch und wies den Fahrer auf Englisch an zu halten. Dann wandte sie sich ihren Fahrgästen zu. »Das war der Pilot unseres Jets. Gatwick erteilt in etwa einer halben Stunde wieder Landeerlaubnis. Das bedeutet, er könnte sie jetzt doch nach Gatwick fliegen.«
»Wunderbar« rief Tina, »dann erreichen wir unseren Flug ja mit Sicherheit.«
»Der Pilot gab zu bedenken, dass er nicht weiß, wie schnell wir in Heathrow starten können, da sicher etliche Maschinen von hier nach Gatwick wollen. Dort dürften wir dann das gleiche Problem in umgekehrter Richtung haben. Wahrscheinlich müssen wir einige Zeit über Gatwick kreisen, bevor wir Landeerlaubnis bekommen. Sie müssen sich entscheiden, ob Sie trotz der Unwägbarkeiten fliegen oder lieber mit dem Auto fahren wollen. Die reine Flugzeit können Sie bei Ihren Überlegungen vernachlässigen.«
»Wie weit ist es von hier nach Gatwick?«, fragte Hendriksen den Fahrer auf Englisch.
»Ungefähr fünfundzwanzig Meilen.«
»Und wie lange benötigen Sie dafür?«
»Kommt auf den Verkehr an. Wenn’s gut geht, etwa ’ne halbe Stunde. Sonst eine Dreiviertelstunde. Um diese Uhrzeit könnte ich es in einer halben Stunde schaffen. Aber versprechen kann ich nichts.«
»Das ist klar.« Hendriksen sah Tina an. »Was meinst du?«
»Ich weiß nicht. Mein Bauchgefühl sagt mir, wir sollten am Boden bleiben.«
»Okay, dann machen wir es so. Wir fahren mit dem Auto. Geben Sie das bitte an den Piloten durch.«
Die Flugbegleiterin griff zum Telefon und gab Hendriksens Entscheidung an den Piloten weiter.
Am Tor konnten sie als EU-Bürger ohne große Kontrolle passieren. Hier stieg Susi Brechthold aus.
Die Fahrt verlief zügig, und Tina und Hendriksen waren sich sicher, den Flug nach Miami noch rechtzeitig zu erreichen. Doch England hatte sich gegen sie verschworen. Sie hatten etwa die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als der Fahrer sich zu ihnen umdrehte.
»Schlechte Nachricht«, sagte er auf Englisch. »Vor uns gab es einen Unfall. In einer Nebelbank sind mehrere Autos aufeinander gefahren. Die Fahrbahnen sind in beide Richtungen gesperrt. Wie lange die Sperrung dauern wird, konnte ich nicht erfahren. Wenn Sie einverstanden sind, werde ich die Unfallstelle weiträumig umfahren. Wie lange das dauert, weiß ich nicht, da sicherlich andere Fahrer die gleiche Idee haben werden. Tut mir leid, ist nicht meine Schuld.«
»Schon klar«, beruhigte ihn Hendriksen. »Tun Sie, was Sie können. Wenn wir unseren Flug erreichen, bekommen Sie fünfzig Euro Trinkgeld, und natürlich übernehme ich auch alle Strafgelder, die Sie sich einhandeln.«
Der Fahrer grinste. »Ich versuch’s.«
Er trat auf die Bremse, bog gerade noch rechtzeitig in eine Abfahrt und schoss dabei einem Bentley so vor den Kühler, dass der Fahrer seinem Ärger durch wütendes Hupen Luft machte.
Tina hatte sich bei dem Manöver unwillkürlich an Hendriksens Arm festgeklammert
»Entschuldige«, sagte sie und löste ihre Hand von seinem Arm. »Das war plötzlich.«
»Nichts passiert. Kein Grund zur Aufregung«, antwortete er cool. Sein langsames Ausatmen zeigte, dass auch er längst nicht so gelassen war, wie er sich gab.
Tina knuffte ihm in die Seite. »Bei mir brauchst du nicht den Macho zu spielen«, bemerkte sie ironisch. »Ich kenn dich gut genug, als dass du mich mit solchem Gehabe beruhigen könntest.«
Hendriksen erwiderte nichts. Er zog sein Smartphone aus der Jackentasche und drückte auf die Internet-App. Dann rief er Google Earth auf und gab als Suchkriterium den Flughafen Heathrow ein. Er verkleinerte das Bild so, dass er den Straßenverlauf bis zum Flugplatz Gatwick sehen konnte.
»Hier sind wir von der M25 abgebogen.« Hendriksen zeigte mit dem Finger auf die Karte. »Ich nehme an, wir befinden uns jetzt auf der A3 in Richtung Guildford. Habe ich recht?«
Die Frage war an den Fahrer gerichtet. Der nickte zustimmend. Nach einer Weile bog er von der A3 auf eine gut ausgebaute Straße nach Süden ab. In Deutschland würde sie einer Bundesstraße entsprechen. Auf dieser Straße blieb er nur kurz, um dann auf eine Landstraße einzubiegen. Hatte er sich bislang an die vorgeschriebene Geschwindigkeit gehalten, so trat er jetzt das Gaspedal durch und raste mit einer der Straße nicht angemessenen Geschwindigkeit weiter in Richtung Süden.
»Auf den Autobahnen und Hauptstraßen gibt es zu viel Polizei – und Radarkontrollen. Für die Landstraßen haben sie keine Geräte mehr«, sagte er.
Kurz vor Dorking fuhren sie wieder auf eine Hauptstraße, und der Fahrer nahm den Fuß vom Gas. Doch sobald sie die Stadt passiert hatten, ging es auf Nebenstraßen mit hoher Geschwindigkeit weiter. Sie durchquerten Horley und hielten kurz darauf vor dem Abflugterminal der British Airways. Hendriksen sah auf die Uhr. Sie hatten bis zum Abflug der Maschine nach Miami noch fünfzehn Minuten Zeit.
Als der Fahrer anhielt, eilte eine junge Frau auf den Wagen zu und öffnete die Tür für Tina.
»Ich bin Sue Briton«, stellte sie sich vor. »Bitte folgen Sie mir zur Abfertigung der Britisch Airways. Wir müssen uns beeilen.« Mit diesen Worten eilte sie schon davon. Hendriksen und Tina ergriffen ihr Gepäck und folgten ihr.
»Ich habe die Fluggesellschaft bereits informiert, dass Sie angekommen sind. Die Maschine wird warten. Trotzdem müssen wir uns beeilen.«
Das Einchecken war in zwei Minuten erledigt. Lediglich die Pass- und Sicherheitskontrollen hielten sie etwas auf. Nach dem Passieren wurden sie von einer Angestellten der Fluggesellschaft in Empfang genommen und zur Maschine gebracht.
Sobald sie das Flugzeug betreten hatten, wurde die Bordtür hinter ihnen geschlossen. Eine Flugbegleiterin führte sie in die erste Klasse und wies ihnen zwei Plätze zu.
Tina blieb neben den beiden Sesseln stehen und zog die Stirn in Falten – was sie immer tat, wenn sie etwas nicht verstand. Sie wandte sich an die Flugbegleiterin.
»Wir ha–«
Weiter kam sie nicht, denn Hendriksen, der ahnte, was sie sagen wollte, unterbrach sie: »Ist schon in Ordnung, Tina. Setz dich jetzt, sonst hältst du den ganzen Betrieb auf.«
Ohne auf einen Kommentar zu warten, schob er sie mit sanfter Gewalt zum Sitzplatz am Fenster. Er selbst nahm in dem Sessel neben ihr Platz und schnallte sich an.
Schon setzte der Airbus sich in Bewegung. Als die Bodencrew ihn in Fahrtrichtung gedreht hatte, heulten die vier Triebwerke auf, und die Maschine rollte mit eigener Kraft. Der Lautsprecher über ihnen knackte, und der Co-Pilot meldete sich. Nachdem er den Flugkapitän und sich vorgestellt hatte, gab er einige Informationen zum Flug durch. Danach würden sie eine angenehme Reise haben. Nur kurz vor Florida lag ein Sturmtief, das jedoch schon nach Norden abgezogen sein dürfte, wenn sie dieses Gebiet passierten. Zum Schluss gab er bekannt, dass bis zum Start noch eine Weile vergehen würde, da fünfzehn Maschinen vor ihnen zur Startposition rollten.
Anschließend gaben die Flugbegleiter die vorgeschriebene Einweisung in die Sicherheitsbestimmungen und demonstrierten den Gebrauch der Sauerstoffmasken.
Während die Flugbegleiterin den zwölf Passagieren der ersten Klasse das Anlegen der Schwimmweste demonstrierte, lehnte sich Tina zu Hendriksen hinüber.
»Das geht doch nicht«, flüsterte sie. »Wir können uns doch nicht in die Erste Klasse setzen. Wir müssen der Flugbegleiterin sagen, dass hier ein Versehen vorliegt und dass unsere Plätze im hinteren Teil der Maschine liegen.«
Die professionell lächelnde Flugbegleiterin hatte in diesem Moment ihre Einweisung beendet, und Tina hob die Hand, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Obwohl Hendriksen sofort reagierte und ihre Hand nach unten drückte, bemerkte die Flugbegleiterin die Handbewegung. Sie trat zu ihnen.
»Haben Sie einen Wunsch?«
Hendriksen kam Tina zuvor. »Hätten Sie vielleicht einen Gin Tonic für uns? Wir könnten etwas zum Entspannen gebrauchen. Es war eine ziemliche Hetze, den Flug noch zu erreichen.«
»Das kann ich mir vorstellen. Der Nebel hat hier alles durcheinandergebracht. Entspannen Sie sich. Ich bringe Ihnen sofort die Getränke.«
»Was sollte das?« Tina war über Hendriksens Eingreifen verärgert.
»Nun beruhige dich und tu, was die Flugbegleiterin empfohlen hat. Entspann dich. Wir sitzen genau auf den Plätzen, die Voss für uns reserviert hat. Du glaubst doch nicht wirklich, dass er uns erst mit seinem Firmenjet nach London fliegen lässt, um uns dann auf die schlechtesten Plätzen im Flugzeug nach Miami zu buchen.«
»Aber wenn kein anderer Platz mehr frei war?«
»Nichts aber, die Androhung war nur einer seiner beliebten, nicht immer glücklichen Scherze. Also lehn dich zurück, genieße den Flug und lass dich vom Bordpersonal verwöhnen.«
Es dauerte noch eine Weile, bis Hendriksen sah, dass sich Tinas Verkrampfungen lösten. Der Gin Tonic dürfte einen Teil dazu beigetragen haben. Er hatte extra einen Cocktail mit Gin ausgewählt, weil der klare Schnaps am wenigsten Nachwirkungen verursachte.
Als der Airbus der British Airways endlich die Startposition erreicht hatte und mit aufheulenden Düsen über die Startbahn donnerte, sah er, wie Tina ganz gelöst im Sessel saß und offensichtlich das vorbeirasende Gelände betrachtete.
Sekunden später hörte das Gerumpel der Räder auf. Der viermotorige Jet hatte von der Startbahn abgehoben. London verschwand unter ihnen. Sie tauchten in die Wolken ein, und schon wenig später stieß der Jet durch die Wolkendecke, und Sonnenschein flutete in die Kabine. Sie stiegen noch einige Minuten, dann hatten sie ihre Reisehöhe von elftausend Metern erreicht. Das Anschnallzeichen erlosch. Sie waren auf direktem Kurs zu ihrem Ziel.
Die Albatros war nicht das größte Schiff der Malakow-Kreuzfahrtflotte, aber es war das neueste und modernste. Vor drei Wochen war es aus dem Trockendock von Blohm + Voss zu Wasser gelassen worden. Nach der Jungfernfahrt waren noch einige Mängel behoben worden. Jetzt befand es sich auf einer Weltreise. Nur ein Viertel der zweitausend Passagiere hatte die Reise um den ganzen Globus gebucht. Die restlichen Kabinen waren von Reisenden belegt, die nur auf einzelnen Etappen mitfuhren. Das Besondere an dieser Kreuzfahrt war, dass die Eignerin der Kreuzfahrtschiffe und Chefin des milliardenschweren Malakow-Konzerns, Charlotte Voss-Malakow, mitreiste. Anlässlich des fünfzigsten Bestehens des weltweit operierenden Konzerns hatte sie Führungspersonal und Geschäftspartner zu dieser Kreuzfahrt eingeladen. Alle Kabinen der Ersten Klasse waren für ihre Gäste reserviert, außerdem hatte sie auf dem obersten Deck einen Teil der Gesellschaftsräume zu Büros und Besprechungszimmern herrichten lassen, so dass sie den Konzern vom Schiff aus leiten konnte.
Die Albatros fuhr unter deutscher Flagge. Am Schornstein führte sie ein großes rotes »M«, unterstrichen von einem dynamisch wirkenden Pfeil. Darunter prangte das Hamburger Wappen. Es war als Dank an die Hansestadt gedacht, in der der Gründer des Malakow-Konzerns den Grundstein für sein Imperium gelegt hatte und in der noch immer der Hauptsitz der Firma lag.
Gut drei Wochen bevor Hendriksen und Tina zu ihrer Mission nach Miami aufbrachen, hatte die Albatros an den Landungsbrücken die Trossen gelöst und war zu ihrer zweihundertsechsundfünfzig Tage dauernden Kreuzfahrt aufgebrochen. Die Bordkapelle hatte gespielt, und die Menschen am Pier hatten den Passagieren an der Reling zugewunken, so wie es schon Hunderte Male zuvor geschehen war.
Von hier hatten seinerzeit die ersten luxuriösen Kreuzfahrtschiffe – eine Geschäftsidee von Albert Ballin, Direktor der HAPAG – abgelegt. Der Komfort der heutigen Schiffe stand in keinem Vergleich zu dem der Kreuzfahrtschiffe der Kaiserzeit. Aber nicht nur die Reichen und Schönen waren hier an Bord der Luxusdampfer gegangen, sondern auch die Ärmsten der Armen, die mit ihrer gesamten Habe wie Vieh zusammengepfercht, auf Selbstverpflegung angewiesen und unter katastrophalen hygienischen Bedingungen im Zwischendeck in eine unbekannte neue Heimat fuhren.
Die Reise der Albatros führte zunächst nach Holland und Belgien, von dort nach England und Frankreich und Portugal. In Lissabon war die erste Etappe beendet, und neue Passagiere kamen an Bord. Die Reise ging weiter zum Blumenparadies Madeira und zu den Azoren. Zurzeit nahm sie Kurs auf die amerikanische Metropole New York. Bisher war alles planmäßig verlaufen, und dementsprechend gut war die Stimmung an Bord.
Das sollte sich jedoch ändern. Quer zum Kurs der Albatros schob sich eine Schlechtwetterfront. Der Seewetterbericht sprach von einem Orkan mit Windgeschwindigkeiten bis zu 180 Kilometer pro Stunde. Die Crew auf der Brücke konnte beobachten, wie das Barometer fiel. Da die vorausgesagte Zugrichtung des Orkantiefs an New York vorbei in nordwestlicher Richtung verlief, entschloss sich Lars Lüssen, der erfahrene Kapitän der Albatros, das Schlechtwettergebiet in südlicher Richtung zu umfahren. Die Passagiere hätten von dem Wetterchaos nichts bemerkt, wenn der Orkan seine Zugrichtung nicht geändert hätte. Sie hatten an dem strahlenden Morgen noch keine Ahnung, was auf sie zukam. Sie würden am eigenen Leib erfahren, was es heißt, den Naturgewalten auf hoher See ausgesetzt zu sein, und hatten den Rest ihres Lebens eine gute Geschichte zu erzählen.
Die erste Vorahnung, dass etwas Ungewöhnliches bevorstand, bekamen die Passagiere, als die Crew bei angenehmen zwanzig Grad und Sonnenschein begann, im Außenbereich alle Stühle und Liegestühle aufzustapeln und mit Gurten zu sichern. Wenig später bestätigte eine Durchsage von der Brücke die Vermutungen. Zwar klang die Ankündigung, dass man in Kürze eine Schlechtwetterzone passieren würde, ziemlich harmlos, doch es reichte aus, um die Gerüchteküche in Gang zu setzen.
Der Himmel hatte sich inzwischen mit dunklen Wolken überzogen, und die Dünung hatte an Stärke zugenommen. Doch die Albatros schwankte kaum. Die modernen Stabilisatoren verhinderten ein Schaukeln. Noch herrschte Ruhe vor dem Orkan, sowohl draußen als auch drinnen. Viele Passagiere sahen sich die bis zu fünf Meter hohen Wellen von der Reling der oberen Decks aus an. Kernige Männer und die, die sich dafür hielten, erzählten jedem, besonders ihren ängstlicheren weiblichen Begleiterinnen, dass ihnen so ein bisschen Sturm nichts anhaben konnte, und untermauerten ihre Seefestigkeit mit Erlebnissen, die sie auf anderen Kreuzfahrten gehabt hätten.
In Lissabon war zusammen mit zweihundertfünfzig anderen Reisenden ein älteres Ehepaar zugestiegen. Beide mochten in den Sechzigern sein. Der Mann war groß und schlank. Er hatte graue Haare und einen ebenfalls grauen, kurzgehaltenen Bart. Haare und Bart waren gepflegt. Die Frau an seiner Seite machte einen ebenso gepflegten Eindruck. Sie war deutlich kleiner, hatte kupferfarbene Haare, ein sonnengebräuntes, faltiges Gesicht und faltige Hände, die von Altersflecken übersät waren. Sie fiel unter den an Bord gehenden Reisenden besonders auf durch ihren offen zur Schau getragenen Schmuck. Um den Hals trug sie eine dreifach geschlungene Perlenkette, die bis zu ihrem Bauchnabel reichte und in Höhe des Dekolletés von einer goldenen Spange zusammengehalten wurde. Noch auffälliger war ein Ring, den ein gewaltiger Diamant zierte. Beides, die Perlenkette und der Diamant, mussten ein Vermögen wert sein. Umso merkwürdiger war es, dass das Paar Kabine 322 gebucht hatte, eine Unterkunft, die im dritten Schiffsdeck nach innen lag und somit zu den preiswerteren Angeboten zählte.
Die See war grau geworden, und die Wellen zeigten Schaumkämme, die sich zu immer größeren Schaumfeldern ausweiteten. Wenn sich die Wellen an der Bordwand der Albatros brachen, spritzte die Gischt teilweise bis zu den Balkons des dritten Passagierdecks hoch. Das Schiff begann zu schaukeln. Die Stabilisatoren reichten nicht mehr aus, es ruhig zu halten. Inzwischen waren alle Zugänge nach draußen verschlossen, und die Passagiere wurden aufgefordert, alle losen Gegenstände, insbesondere Koffer, Computer und sonstige schweren Gegenstände, zu sichern. Frei herumstehende Dinge wie beispielsweise Toilettenartikel sollten in Schubladen verstaut werden.
Das ältere Ehepaar ignorierte die Aufforderung. Beide hatten sich umgezogen und lagen in Jogginganzügen auf dem Doppelbett. Der Mann hatte das Kopfkissen in den Nacken geschoben und seine Hände hinter dem Kopf verschränkt. Mit missmutiger Miene starrte er zur Decke. Seine Frau lag ebenfalls auf dem Rücken. Die Perlenkette hatte sie achtlos auf den Nachttisch gelegt. Ihre Miene zeigte, dass sie verärgert war. Mit der rechten Hand spielte sie gedankenlos mit dem Diamantring an ihrem Finger. Es war nicht zu übersehen, dass sich das Paar gestritten hatte und nun jeder seinen eigenen Gedanken nachhing.
Der Wind hatte merklich zugenommen, die Wellenhöhe lag jetzt bei zehn Metern. Die Albatros tauchte bei jedem Wellental tief mit dem Bug ein und schob sich dann den nächsten Wellenberg hinauf. Die anlaufenden Wellen, die sich am Bug brachen, spritzten bis zur Kommandobrücke hoch. Die Besucherschar in Restaurants, Bars und Gesellschaftsräumen hatte sich merklich gelichtet. Männer wie Frauen torkelten mit grünlichgrau schimmernden Gesichtern die Gänge entlang. Aber es schienen alle rechtzeitig in ihre Kabinen gekommen zu sein, denn es gab in den Gängen keine Spuren von Erbrochenem. Ganz Unentwegte harrten in den Speisesälen aus und verzehrten ihr Essen, indem sie mit einer Hand die bei jedem Überholen des Schiffes wegrutschenden Teller festhielten und mit der anderen Hand versuchten, die Speisen in den Mund zu befördern. So manches Glas und und allerhand Teller zerschellten samt Inhalt auf dem Boden. Die Stewards beeilten sich mit akrobatischen Verrenkungen, die Missgeschicke zu beseitigen. Wie es die Köche und das Bedienungspersonal fertigbrachten, ganze Menüs herzustellen und zu servieren, grenzte an Zauberei.
Gegen zehn Uhr abends – der Sturm hatte inzwischen Windstärke zehn, in Böen zwölf erreicht – ordnete der Kapitän das Schließen der Restaurants und Bars an.
Das Ehepaar schien von dem Chaos, das außerhalb seiner Kabine herrschte, nichts mitzubekommen. Auch schienen ihnen die Bewegungen des Schiffes nichts auszumachen. Als erfahrene Kreuzfahrer wussten sie, was es bedeutete, einen Sturm auf einem Schiff abzuwettern. Deshalb suchten sie sich immer Kabinen aus, die möglichst im Zentrum des Schiffes und möglichst niedrig lagen, denn im Gegensatz zu Bug oder Heck war hier die Bewegung des Schiffes am geringsten. Dass sie dadurch immer Innenkabinen hatten, störte sie nicht, denn unter normalen Umständen benutzten sie sie nur zum Schlafen. Die Tage verbrachten sie gewöhnlich an Deck oder in den unterschiedlichen Gesellschaftsräumen.
»Verdammt noch mal, hör endlich auf damit!«, fuhr der Mann seine Frau an.
»Sag mal, spinnst du? Womit soll ich aufhören?«, antwortete sie empört.
»Mit dem verdammten Gedrehe an dem Ring! Das macht mich ganz verrückt. Ich kann mich dabei nicht konzentrieren und nachdenken. Und überhaupt, ich verstehe nicht, wie du so gelassen sein kannst. Du weißt doch, was auf dem Spiel steht. Wenn wir nicht liefern, dann sind wir am Ar–, oder glaubst du etwa, dass die nicht längst wissen, wo wir sind?«
Der Mann hatte sich auf die Seite gedreht und funkelte seine Frau mit bösen Blicken an. Sie ließ sich dadurch scheinbar nicht aus der Ruhe bringen. Sie ließ die Finger von dem protzigen Diamantring und wandte sich ihrem Mann zu. Ihre Bewegungen waren so gelassen, dass er den Eindruck haben musste, seine Worte hätten keinerlei Wirkung auf sie.
»Nun reg dich nicht auf. Natürlich weiß ich, was auf dem Spiel steht, doch es nützt uns nichts, wenn du hier den wilden Mann markierst. Im Augenblick sind wir in Sicherheit. Und bis wir in New York sind, fällt uns bestimmt etwas ein, wie uns immer etwas eingefallen ist.«
»Wenn wir überhaupt nach New York kommen.«
»Hast du Angst, dieses Schiff könnte untergehen? So kenne ich dich überhaupt nicht. Was ist denn plötzlich mit dir los?«
»Unsinn, natürlich nehme ich nicht an, dass der Kahn untergeht. Aber uns läuft die Zeit davon. Solange wir von dem Orkan durchgewirbelt werden, können wir unseren Plan nicht durchziehen. Wir verlieren wertvolle Zeit. Wir hätten niemals auf dieses Angebot eingehen sollen. Ich hatte dich gewarnt, aber du konntest ja den Hals nicht vollkriegen.«
»Natürlich führen wir unser Vorhaben wie geplant durch. Das Wetter wird sich in ein paar Stunden wieder beruhigen.«
»Träum weiter. Das glaubst du doch selber nicht. Du scheinst unsere Reise vor drei Jahren vergessen zu haben. Da hatten wir volle vier Tage Sturm, und was für einen. Da ist uns selbst in unserer Mitschiffskabine schlecht geworden.«
»Das habe ich keinesfalls vergessen. Doch da umrundeten wir Kap Horn und nahmen nicht Kurs auf New York.«
»Als wenn das einen Unterschied machen würde. Orkan ist Orkan. Inzwischen wurden auch die Fahrstühle geschlossen. Nein, meine Liebe, unseren Plan können wir ad acta legen.«
»Ich denke gar nicht daran. Wir führen ihn so aus wie abgesprochen. Wenn uns der erste Teil gelingt, sind wir schon fast aus dem Schneider.«
»Und wie willst du das anstellen? Die Voraussetzungen haben sich gewaltig geändert. Die Gefahr aufzufliegen ist zu groß. Wir sollten uns wenigstens so lange in unserer Kabine aufhalten, bis sich das Wetter gebessert hat und wieder mehr Passagiere unterwegs sind. Sonst ist das Risiko nicht abschätzbar.«
»Nun jammere hier nicht herum. Wir machen es wie besprochen, und ich gehe jetzt und schaue mich ein bisschen um. Danach sehen wir weiter.«
Die Frau erhob sich und ging entschlossen ins Badezimmer, um sich zu erfrischen. Es war offensichtlich, wer von beiden die Hosen anhatte.
Die Frau schlug den Weg zum Lichthof ein, jener kreisförmigen, nach oben offenen Rotunde, von der alle Decks abgingen. Nach oben hin war er mit einer gläsernen Kuppel abgeschlossen. Von den Galerien, die den Lichthof umschlossen, beförderten Fahrstühle die Passagiere zu den einzelnen Decks. Hier lagen auch die Verkaufsstände, und von hier gingen die Restaurants, Cafés und Gesellschaftsräume ab.
Je näher die Frau der Galerie kam, desto mehr merkte sie, wie schwer die Albatros in der aufgewühlten See stampfte, sich der Bug nach unten neigte und wieder nach oben hob. Obwohl sie eine erfahrene Kreuzfahrerin war, erschauderte sie, als sie zum ersten Mal, seit sie in das Orkangebiet gefahren waren, sah, wie die Wassermassen über das dritte Deck ragten, wenn der Bug in ein Wellental tauchte. Sie unterdrückte den Drang, in die Kabine zurückzueilen, denn sie wollte wissen, ob die Gesellschaftsbereiche auf den Galerien trotz des Schaukelns besucht wurden. Doch dort, wo sich sonst die Passagiere tummelten, sah sie nur vereinzelte Gestalten. Viel zu wenige, um ihren Plan in die Tat umzusetzen. Sich an jedem greifbaren Gegenstand festhaltend, hangelte sie sich zur Treppe, die zu den anderen Decks führte. Sie klammerte sich am Geländer fest und versuchte, sich dem Rollen und Stampfen des Schiffes anzupassen. Sie schaffte es so bis zu Deck fünf. Dann kehrte sie um. Je höher sie gekommen war, desto stärker wurden die schwankenden Bewegungen der Albatros. Passagiere sah sie keine mehr. Nur mit Mühe gelangte sie unversehrt in ihre Kabine zurück.
»Nun, hast du etwas herausgefunden?«, fragte ihr Mann, wobei er sich einen ironischen Ton nicht verkneifen konnte.
»Es ist kaum jemand zu sehen. Auf den oberen Decks absolut niemand.«
»Das hätte ich dir auch sagen können, ohne dass du draußen herumstiefelst.«
»Nun weiß ich wenigstens Bescheid.«
»Und? Was hast du jetzt davon?«
»Dass wir bis nach dem Orkan warten müssen.«
Der Ehemann grinste und schwieg.
Achtzehn Stunden dauerte die Sturmfahrt, dann endlich beruhigte sich die See. Die Albatros hatte sich im tosenden Meer bewährt. Selbst Wellengiganten von bis zu dreißig Metern hatte sie abgewettert.
So gut die Albatros ihre Sturmpremiere überstanden hatte, so schlecht war es den Menschen an Bord ergangen, egal, ob es sich um Besatzungsmitglieder oder Passagiere handelte. Am schlimmsten hatte es die Reisenden der Ersten Klasse getroffen, die ihre Quartiere auf den oberen Decks hatten. Bei ruhiger See waren das die begehrtesten Plätze, bei einem Orkan die unangenehmsten, da sie die Bewegungen des Schiffes in vollem Umfang mitmachten. Auch die Eignerin der Kreuzfahrtflotte, Charlotte Voss-Malakow, hatte so manches Mal gedacht, sie würde die nächste Stunde nicht überleben.
Höchstes Lob galt dem Küchenpersonal, dass es ihm trotz aller Behinderungen gelungen war, für die wenigen wetterfesten Passagiere und die Mannschaft Essen zu kochen.
Nachdem sich der Sturm gelegt hatte, tauchten die Passagiere nach und nach wieder in den Gesellschaftsräumen auf. So manches Gesicht war noch graugrün. Auch die Blicke sprachen von den durchlebten Leiden, was die Menschen jedoch nicht daran hinderte, sich über die Reederei, die Reiseleitung und den Kapitän zu beschweren. Eine Gruppe hatte sich zusammengeschlossen und forderte von Cruise-Direktor Jürgens einen Teil des Reisepreises zurück. Der Versuch führte zu nichts, denn die Reiseunterlagen besagten eindeutig, dass Änderungen der Reiseroute oder Behinderungen an Bord aufgrund von Wetterbedingungen von jeder Haftung ausgeschlossen waren.
Kapitän Lüssen, der durch das Schiff ging, um sich ein Bild von der Stimmung der Passagiere zu machen, wurde von einer älteren Dame gefragt, warum er nichts gegen dieses fürchterliche Schaukeln unternommen habe.
»Solange das Schiff schaukelt, schwimmt es. Wenn es nicht mehr schaukelt, dann liegt es auf Grund«, hatte er mit ernster Miene geantwortet.
Das Bonmot sprach sich schnell auf dem Schiff herum und half, die Stimmung zu verbessern.
Als die Albatros nach einem ruhigen Tag auf See, an dem die Sonne von einem wolkenlosen Himmel schien, die Freiheitsstatue passierte, herrschte wieder gehobene Stimmung unter den Passagieren.
Mit achtzehn Stunden Verspätung legte die Albatros am Kai in Manhattan an. Die Passagiere drängten sich an den Relings der Decks, um ja einen günstigen Platz für ein Foto mit dem Handy zu bekommen. Besonders der Bereich, auf dem einst die beiden Hochhäuser des World Trade Center gestanden hatten, wurde, auch wenn kaum etwas zu sehen war, wie verrückt fotografiert. In der Nähe des Kais stand eine Armee von Bussen bereit, um die Passagiere, die eine Rundfahrt durch Manhattan gebucht hatten, aufzunehmen.
Zum Unmut etlicher Reisenden hatte der Kapitän, in Absprache mit Charlotte Voss-Malakow und dem Cruise-Direktor, den Aufenthalt in New York um sechs Stunden gekürzt. Da die Wetterlage nach Süden von einem stabilen Hoch bestimmt wurde, hoffte er, die durch den Orkan verlorene Zeit auf der nächsten Etappe einzuholen.
Das Ehepaar aus Kabine 322 beobachtete das Festmachen des Schiffes und das Ausboarden der Passagiere von Deck fünf aus. Verdeckt durch zwei Rettungsboote, hatten sie ihre Operngläser auf die Menschen gerichtet, die am Kai standen und darauf warteten, Angehörige oder Bekannte in Empfang zu nehmen.
»Hast du jemanden entdeckt?«, fragte die Ehefrau.
»Nein, sind zu viele Menschen am Kai. Wir müssen warten, bis sich der Strom der Reisenden, die hier aussteigen, verringert hat.«
»Das kann dauern.«
»Na und? Hast du etwas anderes vor«, antwortete der Mann bissig. Sie ging ihm mit ihrer Ungeduld auf die Nerven. »Du kannst ja nach unten gehen und in der Nähe der Rezeption warten und beobachten, ob sich jemand nach einem Passagier erkundigt. Ich bleibe hier oben. Wir treffen uns später in unserer Kabine.«
»Okay, so machen wir’s. Wenn du etwas entdeckst, schick mir eine WhatsApp. Ich mache das Gleiche.«
»Wenn du kannst, mach Fotos.«
»Das ist selbstverständlich, das brauchst du mir nicht zu sagen.«
»Ist schon klar, wollte dich nur necken. Nun sieh zu, dass du nach unten kommst, es gehen immer weniger Menschen von Bord.«
Während seine Frau zum Fahrstuhl ging, holte sich der Mann einen Stuhl und suchte den Bereich am Ende der Gangway nach bekannten Gesichtern ab. Die Verspätung der Albatros war für sie von Vorteil, denn dadurch war der für das Schiff vorgesehene Anleger besetzt und sie mussten an einem Kai festmachen, an dem es keine geschlossene Brücke zu einem Empfangsbereich gab.
Nach zwei Stunden war auch der letzte Reisende von Bord gegangen. Auch jetzt sah er am Kai niemanden herumlungern. Er entschloss sich deshalb, seine Beobachtung abzubrechen.
In der Kabine traf er auf seine Frau, die wenige Minuten vor ihm gekommen war. Ihre entspannte Miene verriet ihm, dass auch sie keine verdächtige Person bemerkt hatte.
»Wie sieht es bei dir aus?«, wollte sie wissen. »Bei mir war nichts. Niemand kam mir verdächtig vor. Ich glaube, wir können unsere Reise ohne unangenehme Überraschungen fortsetzen.«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Sei dir da nicht zu sicher. Auch wenn heute niemand mit uns Verbindung aufgenommen hat, heißt das nicht, dass wir aus dem Schneider sind. Es könnte gut sein, dass jemand von der Organisation morgen beim offiziellen Boarden eincheckt, und was machen wir dann?«
Seine Frau antwortete nicht, sondern sah ihn nur fragend an.
»Auch wenn wir unter falschen Namen reisen, unsere Gesichter sind denen bekannt. Ich habe nicht die geringste Idee, wie wir ihnen aus dem Weg gehen könnten. Schließlich können wir nicht bis Miami in der Kabine bleiben.«
»Warum nicht? Es sind doch nur drei Tage Fahrt. Wir können uns das Essen auf die Kabine bringen lassen.«
»Drei Tage sind die reine Fahrtzeit, mein Schatz. Du vergisst, dass wir in Charleston und Daytona Beach Zwischenstopps einlegen.«
»Na wenn schon. Das überstehen wir auch noch. Aber warum zerbrechen wir uns jetzt schon den Kopf darüber? Warten wir morgen das Boarding ab, danach sehen wir weiter. Jetzt hätte ich Appetit auf einen Cocktail.«
»Gute Idee. Komm.«
Das Ehepaar suchte die Hawaii-Lounge auf dem vierten Deck auf. Sie bestellten sich jeder einen Planter’s Punch, der in einer ausgehöhlten Ananas serviert wurde, und suchten sich mit dem Getränk in der Hand einen Platz in der Nähe eines ebenfalls älteren Paares. Es dauerte nicht lange, und die Paare setzten sich zusammen. Sie unterhielten sich angeregt, bis die Ehefrau nach zwei weiteren Planter’s Punch mit belegter Stimme sagte, dass sie müde sei und sich bis zum Dinner in der Kabine ausruhen wolle. Da ihr Ehemann und auch das andere Paar sich ähnlich fühlten, brach man gemeinsam auf. Ihre neuen Bekannten, die bis Havanna mitreisten, begleiteten sie zum dritten Deck, da ihre Kabine auf dem gleichen Flur lag, allerdings weiter in Richtung Heck. Sie zeigte nach außen und verfügte über einen Balkon.
Als sie in die Nähe von Kabine 322 kamen, blieb der Ehemann stehen und sah seine Frau mit gerunzelter Stirn an.
»Hast du die Tür nicht verschlossen, als wir gegangen sind?«
»Wieso? Du bist doch als Letzter rausgegangen.«
Der Mann schwieg für einige Sekunden. »Komisch, ich war mir sicher, ich hätte abgeschlossen. Jetzt steht sie einen Spalt offen.«
»Wahrscheinlich ist der Reinigungsdienst drinnen«, antwortete die Frau.
»Der war doch schon heute Vormittag bei uns.«
Sie waren inzwischen an der Kabinentür angekommen. Sie stand tatsächlich einen Spalt offen. Der Ehemann schob sie ganz auf, trat in die Kabine und sah sich um.
»Die Tür wurde aufgebrochen«, rief ihr neuer Bekannter erregt. »Hier kann man deutlich die Spuren eines Hebels sehen.«
Der Ehemann blickte zum Türschloss. »Du hast recht, Winfried. Die Tür wurde aufgehebelt.« Er starrte verstört auf das Schloss. »Was soll denn das bedeuten? Wir haben doch nichts …«
Weiter kam er nicht. Seine Ehefrau stieß ihn zur Seite und eilte auf den Kleiderschrank zu, riss die Tür auf, schob die Kleider zur Seite und starrte auf den geöffneten Zimmersafe. Bis auf die Reisepässe war er leer.
»Mein Gott!«, stöhnte sie. Dann sackte sie ohnmächtig zusammen.
Für einen Augenblick des Schreckens starrten die drei auf die am Boden liegende Frau. Die Erste, die sich vom Schrecken erholte, war Brunhilde, Winfrieds Partnerin.
»Wir müssen Sabine aufs Bett legen«, rief sie, während sie auf die Ohnmächtige zulief. »Fass mit an, Robert«, wies sie den Ehemann an. »Und du, Winfried, gehst ins Badezimmer und holst einen nassen, kalten Waschlappen.«
Die Männer folgten ihren Anweisungen. Zu zweit hoben Robert und Brunhilde die Ehefrau aufs Bett. Winfried reichte seiner Partnerin den nassen Waschlappen, den sie Sabine auf die Stirn legte. Danach fühlte sie ihren Puls.
»Er ist ruhig und kräftig«, sagte sie überrascht. »Erstaunlich, dass sie ohnmächtig wurde.«
»Es war wohl nur der Schreck«, versuchte Robert den Zustand seiner Frau zu erklären. »In dem Safe war ihr Diamantring und die Perlenkette. Beides ist jetzt weg – geraubt. Ich kann’s nicht fassen.«
»Du musst das dem Kapitän melden«, drängte Winfried seinen neuen Bekannten.
»Du hast recht. Es hat wenig Sinn zu jammern. Irgendwo muss ein Merkblatt liegen, das sagt, was in solchen Fällen zu tun ist.« Robert kramte auf dem Schreibtisch herum. »Ah, hier ist es.«
Er zog unter einer Schreibmappe ein mit Plastik überzogenes Blatt Papier hervor und wählte die darauf aufgeführte Notfallnummer. Es klingelte nur zweimal, dann meldete sich eine weibliche Stimme.
»Büro des Cruise-Direktors, Sie sprechen mit Ulrike Meyers, wie kann ich Ihnen helfen?«
»Hier spricht Robert Wachtel von Kabine Nummer 322. Bei uns wurde eingebrochen. Meine Frau ist ohnmächtig. Ich brauche dringend ärztliche Hilfe.«
Einen Augenblick herrschte Stille, dann meldete sich Ulrike Meyers wieder. »Habe ich Sie richtig verstanden? Bei Ihnen wurde eingebrochen, und Ihre Frau ist ohnmächtig? Sie befinden sich in Raum 322?«
»Ja!«
»Bitte bewahren Sie Ruhe und rühren Sie nichts an. Es kommt sofort jemand zu Ihnen, und der Arzt ist alarmiert. Gibt es sonst noch etwas?«
»Nein, das reicht wohl auch, oder?«, sagte Robert Wachtel aufgebracht.
»Entschuldigen Sie, ich wollte mich nur erkundigen, ob ich sonst noch etwas für Sie tun kann.« Ulrike Meyers’ Stimme klang gleichbleibend ruhig und höflich.
»Schon gut, ich habe sonst nichts«, antwortete Wachtel ein wenig besänftigt.
Es dauerte nur Minuten, dann erschienen der Sicherheitsoffizier und Cruise-Direktor Jürgens. Wenig später kam auch der Schiffsarzt in Begleitung einer Krankenschwester. Ohne sich um die anderen Personen zu kümmern, drängte sich der Arzt zu Frau Wachtel hindurch. Er öffnete den Arztkoffer, zog ein Stethoskop sowie die Manschette zum Blutdruckmessen heraus und begann, die Vitalfunktionen von Frau Wachtel, die in diesem Moment aus der Ohnmacht erwachte, zu prüfen.
»Ich glaube, wir sollten besser gehen«, sagte Brunhilde zu ihrem Lebensgefährten. Der folgte ihr, ohne ein Wort zu verlieren.
»Wir sehen uns eh. Danke«, rief Robert Wachtel ihnen nach.
Winfried hob zum Zeichen, dass er verstanden hatte, die Hand.
Cruise-Direktor Jürgens wandte sich an den Arzt. »Wie geht es der Patientin, Doktor?«
»Erstaunlich gut für den Schreck, den sie bekommen haben muss, als sie den geöffneten Safe gesehen hat. Alle Vitalfunktionen liegen im grünen Bereich, und Anzeichen für einen Schock sind nicht erkennbar. Ich kann sie ruhigen Gewissens in die Obhut ihres Mannes übergeben.«
Während er sprach, hatte er seine Geräte wieder in der Arzttasche verstaut. Er wandte sich Frau Wachtel zu.
»Ich werde Ihnen ein mildes Beruhigungs- und ein Schlafmittel heraufbringen lassen. Sollten Sie sich nicht wohlfühlen oder sonstige Beschwerden haben, kommen Sie bitte zur Sanitätsstation. Ich glaube jedoch nicht, dass das nötig sein dürfte. Sie haben eine außergewöhnlich gute Kondition.«
Der Schiffsarzt nahm seine Tasche und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um.
»Wenn die Herrschaften mich nicht mehr benötigen, gehe ich zurück zur Station.«
Der Cruise-Direktor sah zum Sicherheitsoffizier hinüber. Der schüttelte den Kopf, während er das aufgebrochene Türschloss fotografierte.
»Wir benötigen Sie nicht mehr. Vielen Dank, Doktor.«
Der Schiffsarzt nickte den Anwesenden zu und verschwand.
Robert Wachtel sah dem Cruise-Direktor an, wie erleichtert er war, als der Arzt verkündete, dass seine Frau gesund sei. Jetzt wandte sich Jürgens an Wachtel.
»Ich befürchte, wir werden Ihre Kabine vorübergehend sperren müssen, damit unser Sicherheitsteam sie auf Spuren untersuchen kann, oder was denkst du?«
Die Frage war an den Sicherheitsoffizier gerichtet. Dessen Antwort bestand wieder nur aus einem Nicken.
»Wir werden währenddessen in mein Büro gehen. Dort werde ich Ihre Aussagen zu Protokoll nehmen. Danach überlegen wir, wie es weitergehen soll. Einverstanden?«
Robert Wachtel stimmte zu, doch seine Frau widersprach.
»Ich halte das für keine gute Idee. Ich möchte nicht, dass jemand in meinen persönlichen Dingen herumwühlt.«
»Von Herumwühlen kann keine Rede sein«, versicherte ihr der Direktor. »Niemand vom Sicherungsteam wird Ihre Sachen anfassen, ja, es werden nicht mal die Schubladen geöffnet. Ihre Privatsphäre wird selbstverständlich gewahrt. Wir werden nur den Raum auf mögliche Spuren untersuchen und die Ergebnisse mit Fotos dokumentieren. Bevor diese zu den Akten genommen werden, bekommen Sie sie zu sehen.«
Jürgens wartete die Erwiderung nicht ab, sondern ging zur Tür und gab mit einem höflichen Handzeichen zu verstehen, das Ehepaar möge vor ihm die Kabine verlassen.
In seinem Büro auf dem ersten Deck bat er die Eheleute, vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Dann bot er ihnen, um die Atmosphäre zu entspannen, Kaffee und Cognac an. Das Angebot wurde dankbar angenommen.
Als die Getränke von einem Steward serviert worden waren, legte Direktor Jürgens ein Aufnahmegerät auf den Tisch. Bevor er es einschaltete, bat er die Eheleute um Erlaubnis, ihre Aussagen aufnehmen zu dürfen.
»Wir vermeiden dadurch, dass Aussagen oder Teile davon falsch wiedergegeben werden«, fügte er als Erklärung hinzu.
»Selbstverständlich«, antwortete Herr Wachtel, und seine Frau nickte zustimmend.
»Danke, das erleichtert uns die Arbeit.«
Der Direktor schaltete das Aufnahmegerät ein. Er gab den Ort, das Datum, die Uhrzeit, den Grund der Anhörung und die anwesenden Personen ein. Dann bat er das Ehepaar zu berichten, wie sie den Einbruch bemerkt hatten und was sie daraufhin unternommen hatten. Anschließend stellte er Fragen.
»Der Diamantenring und die Perlenkette, die gestohlen wurden, waren sie versichert?«
»Natürlich«, antwortete Frau Wachtel, »solche Wertgegenstände trägt man doch nicht unversichert mit sich herum.«
»Auf welchen Wert wurde beides versichert? Bitte verstehen Sie mich richtig. Ich frage nicht aus Neugier, sondern aus rechtlichen Gründen, falls sich solche ergeben sollten.«
»Sie brauchen sich für die Frage nicht zu entschuldigen. Ich mache daraus kein Geheimnis. Der Ring, insbesondere der Diamant, wurde mit vierzigtausend Euro versichert und die Perlenkette mit fünfunddreißigtausend.«
Wenn Jürgens von der Versicherungssumme beeindruckt war, ließ er es sich nicht anmerken.
»Ich nehme an, Sie haben eine Expertise über die Echtheit des Diamanten.«
»Eine eigentümliche Frage«, sagte Frau Wachtel pikiert. »Natürlich habe ich die. Worauf wollen Sie hinaus? Wollen Sie etwa unterstellen, es könnten Replikate sein. Ich …«
»Um Himmels willen nein, Frau Wachtel, ich unterstelle nichts dergleichen. Die Frage diente nur dazu, den ganzen Hintergrund des Diamantrings zu erfassen. Falls es später Nachfragen gibt, haben wir den Sachverhalt schwarz auf weiß geklärt.«
»Schon gut, Verzeihung, ich habe etwas überreagiert. Bin wohl doch noch etwas durcheinander, was ja bei einem solchen Verlust nicht verwunderlich ist.«
»Das ist nur zu verständlich.« Der Direktor schaltete das Aufnahmegerät aus. »Haben Sie eine Ahnung, wer den Schmuck gestohlen haben könnte?«
»Nein, absolut nicht.« Robert Wachtel antwortete anstelle seiner Frau. »Natürlich hat der Ring bei den Passagieren Aufsehen erregt, und meine Frau hat viele Komplimente bekommen, aber ich glaube nicht, dass das Interesse so weit ging, dass jemand dafür einbrechen würde.«
»Könnte es sein, dass Sie Bekannte mit in Ihre Kabine genommen haben und Sie in deren Beisein den Safe geöffnet haben?«
»Kategorisch nein! Erstens haben wir niemanden mit in unsere Kabine genommen, zweitens würden wir niemals im Beisein Dritter den Safe öffnen.«
»Doch, Wilfried und Brunhilde waren in der Kabine«, korrigierte Frau Wachtel ihren Mann.
»Aber erst, nachdem der Schmuck schon gestohlen worden war. Sie können bezeugen, dass alles so war, wie ich es geschildert habe.«
»Verstehe. Was gedenken Sie jetzt zu tun? Ich gehe davon aus, dass Sie den Diebstahl Ihrer Versicherung melden werden.«
»Natürlich werden wir das, doch zuvor müssen wir den Einbruch und den Raub der Polizei melden. Ohne deren Protokoll wird die Versicherung nicht reagieren, geschweige denn zahlen.«
Beim Wort Polizei klingelten bei Cruise-Direktor Jürgens die Alarmglocken. Er konnte sich den Trubel, den eine Anzeige auf dem Schiff auslösen würde, ausmalen. Ein solches Ereignis nach der Orkanfahrt war alles andere als eine Empfehlung für die Malakowsche Kreuzfahrtgesellschaft. Die Eignerin würde toben. Es musste ein anderer Weg gefunden werden, und das schnell.
»Würden Sie mich einen Augenblick entschuldigen?«
Es war weniger eine Frage als eine Feststellung, denn er erhob und verließ, ohne eine Antwort abzuwarten, den Raum. Im Vorzimmer beauftragte er Ulrike Meyers, sich um die Wachtels zu kümmern.
»Lassen Sie eine Flasche Champagner kommen, aber lassen Sie sie auf keinen Fall gehen.«
Ulrike Meyers griff sofort zum Telefon und gab die Bestellung auf. Danach ging sie in das Büro ihres Chefs.
Der Direktor rief vom zweiten Apparat die Sekretärin der Konzernchefin an. Als sie sich meldete, sagte er: »Jürgens hier. Ich muss sofort mit Frau Voss-Malakow sprechen. Bitte verbinden Sie mich.«
»Tut mir leid, Frau Voss-Malakow befindet sich in einer Besprechung und will nicht gestört werden.«
»Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Ich habe hier eine Art Notfall. Auf dem dritten Deck wurde eingebrochen und ein wertvoller Diamantring und eine Perlenkette gestohlen. Sagen Sie das bitte Frau Voss-Malakow.«
Er spürte, wie die Sekretärin zögerte. Doch dann sagte sie, sie würde die Chefin informieren.
Jürgens musste nicht lange warten.
»Was hat mir Maren gemeldet? Es wurde in eine Kabine eingebrochen?« Es war nicht zu überhören, dass sie ungehalten war. Ob über die Störung oder den Einbruch, konnte Jürgens noch nicht sagen.
»Tut mir leid, aber das ist der Tatbestand, wie er sich im Augenblick darstellt.«
In knappen Worten schilderte er den Sachverhalt und die Absicht der Wachtels, die Polizei einschalten zu wollen.
»Polizei – ausgeschlossen.«
»Genauso sehe ich es auch. Deshalb habe ich einen Vorschlag.«
»Und der wäre?«
»Wir zahlen den Wachtels den Wert des Schmucks und lassen sie ein Dokument unterschreiben, dass sie damit auf das Einschalten der Polizei oder einer anderen Verfolgungsbehörde verzichten. Bei Nichteinhaltung der Verpflichtung muss die für den Schmuck gezahlte Summe sofort zurückerstattet werden.«
Einen Augenblick herrschte Schweigen, dann stimmte Frau Voss-Malakow zu.
»Ich informiere den Zahlmeister, dass er Ihnen das Geld unverzüglich bringt. Guter Vorschlag, Herr Jürgens.«