Jeremias Voss und die Spur ins Nichts - Der dritte Fall - Ole Hansen - E-Book
SONDERANGEBOT

Jeremias Voss und die Spur ins Nichts - Der dritte Fall E-Book

Ole Hansen

0,0
6,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein Hamburger Privatdetektiv auf Spurensuche in der Karibik: „Jeremias Voss und die Spur ins Nichts“ von Ole Hansen jetzt als eBook bei dotbooks. Hamburg kennt er wie seine Westentasche, doch sein neuer Fall führt Privatdetektiv Jeremias Voss einmal um die halbe Welt und dabei an seine Grenzen: Er soll die verschwundene Tochter des reichen russischen Oligarchen Malakow finden. Angeblich wollte diese mit ihrem Mann von Miami aus zu einem Segeltörn in die Karibik aufbrechen. Doch zwischen Miami und Jamaica verliert sich die Spur in der Weite des Meeres. Ein scheinbar unlösbarer Fall … selbst für Jeremias Voss? Ein Privatdetektiv der alten Schule – begleiten Sie Jeremias Voss bei seinem dritten Fall! Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Jeremias Voss und die Spur ins Nichts“ von Ole Hansen. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 318

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch:

Hamburg kennt er wie seine Westentasche, doch sein neuer Fall führt Privatdetektiv Jeremias Voss einmal um die halbe Welt und dabei an seine Grenzen: Er soll die verschwundene Tochter des reichen russischen Oligarchen Malakow finden. Angeblich wollte diese mit ihrem Mann von Miami aus zu einem Segeltörn in die Karibik aufbrechen. Doch zwischen Miami und Jamaica verliert sich die Spur in der Weite des Meeres. Ein scheinbar unlösbarer Fall … selbst für Jeremias Voss?

Ein Privatdetektiv der alten Schule – begleiten Sie Jeremias Voss bei seinem dritten Fall!

Über den Autor:

Ole Hansen, geboren in Wedel, ist das Pseudonym des Autors Dr. Dr. Herbert W. Rhein. Er trat nach einer Ausbildung zum Feinmechaniker in die Bundeswehr ein. Dort diente er 30 Jahre als Luftwaffenoffizier und arbeitete unter anderem als Lehrer und Vertreter des Verteidigungsministers in den USA. Neben seiner Tätigkeit als Soldat studierte er Chinesisch, Arabisch und das Schreiben. Nachdem er aus dem aktiven Dienst als Oberstleutnant ausschied, widmete er sich ganz seiner Tätigkeit als Autor. Dabei faszinierte ihn vor allem die Forensik – ein Themengebiet, in dem er durch intensive Studien zum ausgewiesenen Experten wurde.

Heute wohnt der Autor in Oldenburg an der Ostsee.

Eine Übersicht über weitere Romane des Autors bei dotbooks finden Sie am Ende dieses eBooks.

Der Autor im Internet: www.herbert-rhein-bestseller.de

***

Originalausgabe Juni 2016

Copyright © 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Ralf Reiter

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/canadastock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-527-3

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Sind Sie auf der Suche nach attraktiven Preisschnäppchen, spannenden Neuerscheinungen und Gewinnspielen, bei denen Sie sich auf kostenlose eBooks freuen können? Dann melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an: www.dotbooks.de/newsletter.html (Versand zweimal im Monat – unkomplizierte Kündigung-per-Klick jederzeit möglich.)

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Jeremias Voss und die Spur ins Nichts« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Ole Hansen

Jeremias Voss und die Spur ins Nichts

Der dritte Fall

dotbooks.

Kapitel 1

Der Wind kam aus dem Norden und brachte Kälte und Schnee mit sich. Ein Wetter, auf das man im April in Hamburg gern verzichtet hätte. Auch Jeremias Voss sehnte sich nach Frühling, Sonnenschein, grünen Bäumen und Segelbooten auf der Alster. Als er aus der Tür seines Hauses am Mittelweg trat, erfasste ihn eine Mischung aus Wind, Regen und Schnee. Das ließ seine Stimmung sofort in den Keller sinken. Er beneidete Nero, seinen Hund, eine Mischung aus allen Straßenkötern Istanbuls, der zu faul war, ihn beim morgendlichen Jogging zu begleiten. Warum musste er auch so verdammt gewissenhaft sein? Und das alles nur, weil er mit seinem Freund Kriminaloberrat Friedel gewettet hatte, dass er beim Halbmarathon im Juni besser abschneiden würde als er. Aber wenn er das erreichen wollte, musste er trainieren, und die einzige Zeit dafür war der Morgen.

Hans Friedel war Leiter der Abteilung für Tötungsdelikte am Landeskriminalamt von Hamburg, Voss kannte ihn schon seit der Schulzeit und war seitdem mit ihm befreundet. Sie hatten zusammen Abitur gemacht und waren in den Polizeidienst eingetreten. Danach hatte sich Friedel für ein Studium entschieden, während Voss bei der Polizei geblieben war, bis ihn ein Unfall mit einem Hubschrauber zwang, aus dem Dienst auszuscheiden. Das hatte seiner Karriere jedoch keinen Schaden zugefügt, denn er hatte sich zum besten und teuersten Privatdetektiv Hamburgs emporgearbeitet. Sein Ruf ging längst über die Grenzen der Hansestadt hinaus, und er erhielt Ermittlungsanfragen aus ganz Deutschland, aber auch aus dem Ausland, so dass er in der Lage war, sich seine Aufträge auszusuchen.

Voss schlug den Kragen seiner dünnen Wetterjacke hoch und zog die Strickmütze tief in die Stirn. Mit halb geschlossenen Augenlidern joggte er den verlassenen Bürgersteig entlang. Wahrscheinlich sah es um diese Zeit hier immer so aus. Das war natürlich nur eine Annahme, denn er lag ja gewöhnlich noch im warmen Bett. Er gehörte zu den Glücklichen, die ihr Büro im eigenen Haus hatten. Wenn er es vermeiden konnte, begann er mit der Arbeit nicht vor neun Uhr, und auch erst dann, nachdem ihn seine Assistentin mit starkem Kaffee versorgt hatte.

Der Bürgersteig war von einer Baumreihe gesäumt. Platanen, wie er annahm, weil sie jedes Jahr einen Teil ihrer Rinde abwarfen. Mit Gewissheit konnte er es nicht sagen, denn seine Noten in Biologie waren nie über eine Vier hinausgekommen. Die Lücken zwischen den Bäumen waren mit Autos zugeparkt. Sie standen zum Teil so dicht zusammen, dass man kaum eine Zeitung dazwischen schieben konnte.

Ungefähr 50 Meter vor ihm parkte ein Auto in der zweiten Reihe. Dass es dabei die Hälfte der Straße blockierte, schien den Fahrer nicht zu stören. Voss ärgerte sich jedes Mal über solche Rücksichtslosigkeit.

Zwei Männer in schwarzen Mänteln und mit Hüten auf dem Kopf standen auf Höhe des Wagens auf dem Bürgersteig. Er überlegte, ob er seinen gerade erst begonnenen Lauf unterbrechen sollte, um ihnen die Meinung zu sagen. Er kam jedoch nicht dazu. Die beiden traten so auf den Bürgersteig, dass er nicht an ihnen vorbeilaufen konnte. Die Hüte hatten sie in die Stirn gezogen, so dass Voss ihre Augen unter den Hutkrempen nicht erkennen konnte. Wütend blieb er stehen und überlegte, ob er sich mit Gewalt freie Bahn verschaffen sollte.

Bevor er sich zum Handeln entschließen konnte, fragte der kleinere der Männer: »Jeremias Voss?«

»Ja«, knurrte er.

»Steig in das Auto, unser Boss will dich sehen!«, forderte der andere ihn mit starkem russischem Akzent auf und deutete auf die Limousine in der zweiten Reihe.

Voss war alarmiert. Sofort einsatzbereit zu sein, war eine Fähigkeit, die er bei der GSG 9 gelernt hatte. Und wenn sich einem um diese Zeit zwei Männer näherten, dann wollten sie bestimmt nicht zum Frühstück bitten. So etwas konnte nur Ärger bedeuten.

»Hey, Jungs, wenn das ein Witz sein soll, dann haut besser ab«, rief Voss ungehalten. »Und sagt eurem Boss, dass ich grundsätzlich keine Einladungen von Leuten annehme, die ich nicht kenne oder nicht kennen will. Wenn er etwas von mir will, kann er mich in meinem Büro während der Bürostunden erreichen, und nun verpisst euch! Ich muss weiterlaufen, mir wird kalt.«

Während er sprach, hatte er schnell die Situation und seine Chancen beurteilt. Der eine Mann war einen Kopf größer als er, und seine Schultern waren breiter. Unter dem Mantel sah er jedoch die Wölbung eines Bauchs und im Gesicht fleischige Wangen. Beides deutete darauf hin, dass er das Essen mehr liebte als das Training. Große und fettleibige Männer reagierten gewöhnlich langsam.

Der Große trat einen Schritt näher an Voss heran und packte seinen Arm. Der Griff war erstaunlich fest.

»Ich sagte, du sollst einsteigen, Klugscheißer, oder …«

Er konnte den Satz nicht beenden, denn Voss’ Handkante traf seine Kehle. Die Bewegung war so schnell, dass er sie gar nicht hatte kommen sehen. Nach Luft zu keuchen war alles, was der Gorilla jetzt noch tun konnte. Manche mochten Voss’ Reaktion als brutal bezeichnen, doch in Fällen wie diesen war sofortiges, entschlossenes Handeln erforderlich. Sich nach Hilfe umzusehen, war um diese Zeit sinnlos. Außerdem war es fraglich, ob ihm überhaupt jemand geholfen hätte.

Voss verlor nicht eine Sekunde. Sofort nach dem Schlag wandte er sich dem zweiten Mann zu. Doch der war mehr Profi als der Große. Anstatt vorzupreschen, um seinem Gefährten zu helfen, sprang er zurück, zog seine Hand aus der Tasche, und Voss sah in die dunkle Mündung eines 38er-Revolvers. Halb unbewusst registrierte er den kurzen Lauf. Ungenau, aber auf kurze Distanz tödlich – und sie standen kaum drei Meter voneinander entfernt.

»Steig ein«, sagte der Kleine mit leiser Stimme, was das Kommando noch gefährlicher klingen ließ.

Voss war kein Idiot. Kämpfe niemals gegen einen Gegner mit Pistole, wenn der sich außerhalb deiner Reichweite befindet. Versuche, Zeit zu gewinnen, um an ihn heranzukommen, und dann schlage zu. Das war ein Lehrsatz, der ihm während seiner Ausbildung eingebläut worden war.

Da der Kleine alle Asse in der Hand hielt, tat Voss, was ihm befohlen worden war, und nahm auf dem Rücksitz Platz. Der Kleine setzte sich auf die andere Seite, allerdings nicht, bevor er Voss ein Paar Handschellen in den Schoß geworfen hatte.

»Leg sie an«, befahl er. »Hände auf den Rücken.«

Da es keine Alternative gab, folgte Voss auch diesem Befehl.

Während er umständlich die Handschellen anlegte, kletterte der Große, der einem Gorilla ähnelte, hinter das Lenkrad. Er röchelte noch immer nach Luft.

Der Kleine war sehr vorsichtig. Er befahl Voss, sich umzudrehen, so dass er die Handschellen kontrollieren konnte. Mit einem Blick erkannte er, dass Voss die linke nicht geschlossen hatte.

»Na, hier haben wir vielleicht einen Witzbold«, sagte er, während er die Handschelle zusammenpresste.

Der Gorilla fuhr durch Nebenstraßen in Richtung Elbe. An einem der aus Glas bestehenden Geschäftshäuser verlangsamte er die Fahrt und bog in eine Tiefgarage ein.

Voss wusste sofort, wo sie sich befanden. Als Hamburger kannte er natürlich das Geschäftshaus. Es gehörte dem russischen Oligarchen Malakow. Es beherbergte die Verwaltungszentrale für alle europäischen Unternehmungen des Malakow-Konzerns, ein Privatunternehmen, dessen oberster Chef Dimitri Malakow war.

Voss vergaß seine Pläne, sich zu befreien. Jetzt war er neugierig, wohin sie ihn wohl brachten.

Sie bestiegen einen Fahrstuhl, das heißt, der Gorilla und der Kleine stießen Voss hinein und traten dann erst ein. Der Gorilla hätte wohl die Gelegenheit genutzt, um sich für den Schlag gegen die Kehle zu revanchieren, wenn ihn der Kleine nicht angefahren hätte: »Halt, du Idiot! Willst du, dass der Boss uns rausschmeißt?«

Der Kleine drückte den Knopf zum elften Stock. Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann hielt der Fahrstuhl. Die beiden schubsten Voss in den Flur und dann vor sich her. Sie hielten nicht bei einem der rechts und links abgehenden Büros an, sondern gingen bis zur Treppe am Ende des Gangs. Sie führte aufs Dach. Hier befand sich ein Landeplatz, auf dem ein Hubschrauber stand. Malakow Corporation verkündeten große rote Buchstaben an der Seite. Der Schriftzug war mit dem typisch dynamischen Pfeil des Konzerns unterstrichen. Voss hatte ein mulmiges Gefühl, als sie auf den Eurocopter EC 135 zugingen, war aber nach wie vor neugierig.

Der Kleine deutete auf die Tür. Voss stieg in die Maschine und setzte sich auf den Rücksitz. Mit den Handschellen und den Händen auf dem Rücken war das schwierig, doch niemanden interessierte es. Der Gorilla kletterte ebenfalls nach hinten, während sich der Kleine auf den Sitz neben dem Piloten schob. Voss’ Wachhunde setzten sich Kopfhörer auf und ignorierten ihn.

Sobald der Kleine seine Tür geschlossen hatte, startete der Pilot die Maschine. Der Lärm des Rotors schmerzte in Voss’ ungeschützten Ohren.

Sie verließen Hamburg in Richtung Osten und flogen eine Zeit lang die Elbe entlang. Nach vielleicht 20 Minuten ließen sie den Fluss rechts liegen. Der Kurs »Ost« lag weiter auf dem Kompass an.

Wenn die beiden Männer ihren Auftraggeber erwähnten, dann sprachen sie nur vom Boss, jedenfalls meinte Voss, dieses Wort von den Lippen des Gorillas ablesen zu können. Verstehen konnte er nichts, da er keine Kopfhörer aufhatte.

Inzwischen war er zur Überzeugung gekommen, dass der »Boss« kein anderer als Dimitri Malakow sein konnte. Vielleicht auch ein Mitglied des obersten Managements. Anders konnte er sich den Hubschrauber nicht erklären. Er überlegte, ob er jemals für den Malakow-Konzern oder eines der Tochterunternehmen gearbeitet hatte, konnte sich aber nicht daran erinnern. Warum wollte man ihn dann sehen, und warum diese Gangstermethoden? Warum hatte man nicht einfach bei ihm angerufen und einen Termin vereinbart? Wie auch immer, das Ganze blieb mysteriös.

Sie waren etwa eineinhalb Stunden geflogen, als der Hubschrauber in den Sinkflug überging. Unter ihnen lagen nur Wald und einige kleinere Seen. Nach Voss’ Schätzung befanden sie sich nordöstlich von Berlin. Der EC 135 flog, wie er wusste, etwa 250 Kilometer pro Stunde, was bei eineinhalb Stunden etwa 370 bis 380 Kilometer Flugstrecke ergab.

Er beobachtete die Landschaft unter sich, doch alles, was er sah, waren Baumwipfel. Erst einige 100 Meter über dem Boden konnte er eine gemähte Rasenfläche erkennen. Kurz vor der Landung drehte der Pilot die Maschine um 180 Grad. Ein Blockhaus kam in Sicht, ein bungalowartiges Gebäude mit einer Front von gut und gern 30 Metern.

Der Hubschrauber setzte auf einem mit Plastersteinen befestigten Platz auf.

»Raus!«, befahl der Gorilla und öffnete die Tür, indem er über Voss hinüberreichte.

Unbeholfen glitt Voss aus dem Hubschrauber. Der Kleine kam außen herum und öffnete die Handschellen. Offenbar war er überzeugt, dass Voss hier nicht mehr gefährlich werden konnte. Ein grober Fehler. Der Fesseln ledig, hatte er nun alle Asse in der Hand, denn jetzt, davon war Voss überzeugt, waren sie keine wirklichen Gegner mehr für ihn.

»Folge mir!«, befahl der Kleine, während der Gorilla gerade um das Heck des Hubschraubers bog. Der Kleine drehte sich um und wollte in Richtung Blockhaus gehen, als Voss ihn aufhielt.

»Einen Augenblick, ich habe etwas vergessen«, sagte er beiläufig.

Der Kleine drehte fragend den Kopf. »Was ist lo…«, war alles, was er herausbrachte, dann traf ihn Voss’ Faust direkt an der Schläfe, dort, wo die Nerven verliefen. Der Kleine fiel wie ein Sandsack zu Boden. Danach warf Voss sich herum und rammte den rechten Fuß in die Genitalien des Gorillas. Die Schmerzensschreie, die der Bursche ausstieß, mussten alle Bewohner des Blockhauses alarmieren. Voss sah sich nach dem Piloten um, bereit, auch ihn außer Gefecht zu setzen, doch der saß seelenruhig auf seinem Sitz und füllte Formblätter aus. Als ihm gewahr wurde, dass Voss ihn ansah, lächelte er und gab mit dem Daumen das Zeichen: alles okay.

Voss ging auf den Eingang des Blockhauses zu. Jetzt war er bereit herauszufinden, wer für diese entwürdigende Behandlung verantwortlich war. Wehe dem Übeltäter. Er war nicht in der Stimmung zu einem versöhnlichen Gespräch.

Er war etwa 20 Meter von der Tür entfernt, als sie sich öffnete und ein Mann heraustrat. Was er sah, erschien ihm wie ein Witz. Der Mann in der Tür war angezogen, als käme er direkt von einer Butler-Schule in London. Inmitten der Wildnis, weit und breit nur Wald, trug er einen Frack, wie man ihn bei den Seniorbediensteten der High Society in London erwarten würde. Selbst die Hände steckten in weißen Handschuhen.

»Herr Jeremias Voss?«, fragte er mit starkem englischem Akzent.

»Ja«, antwortete der mit steinerner Miene.

»Ich bin Johann, Mister Malakows Butler. Bitte, würden Sie so freundlich sein, mir zu folgen.«

Er führte Voss in eine Eingangshalle, die der Größe eines Einfamilienhauses entsprach. Die Wände und die Decke bestanden aus Holzstämmen, die mindestens 60 Zentimeter Durchmesser hatten. Sie waren so poliert, dass Voss sich darin spiegeln konnte. Der Fußboden war mit schwarzen Schieferplatten ausgelegt. Dicke Wollteppiche nahmen ihnen die Kälte. Voss hatte das Gefühl, über Moos zu gehen.

»Darf ich Ihnen die Jacke abnehmen?«

Voss zog sie wortlos aus und reichte sie dem Butler.

Dieser führte ihn zu einer Tür, die dem Eingang gegenüber lag. Er klopfte und öffnete sie, bevor er dazu aufgefordert worden war. Die Tür weit offen haltend, kündigte er Voss in einer Art und Weise an, als würde der Premierminister der Queen seine Aufwartung machen. Sobald Voss in den Raum getreten war, schloss der Diener geräuschlos die Tür von außen.

Voss hatte Dimitri Malakow noch nie getroffen, und doch erkannte er ihn sofort. Sein Name und sein Bild erschienen oft in den Medien. Das Hamburger Tageblatt hatte ihn einmal beschrieben als »ein Zwerg von Statur, aber ein Gigant im Leben«. Eine zutreffende Beschreibung. Der Mann, der an der Glasfront stand, war kaum einen Meter fünfzig groß. Er schien in die Betrachtung des kleinen Sees versunken zu sein, der, umgeben von einem Kiefernwald, nicht weit vom Haus entfernt lag. Voss hatte ihn vom Hubschrauber aus nicht gesehen. Malakow wirkte so zerbrechlich, dass man unwillkürlich Mitleid mit ihm haben musste. Aber diese Gefühlsregung war vorschnell. In der Geschäftswelt galt er als knallharter Verhandlungspartner.

Als Voss den Raum betrat, drehte sich Malakow um und sah ihn mit durchdringendem Blick an. Dann kam er mit einem Lächeln auf den Lippen und ausgestreckten Händen auf ihn zu.

»Herr Voss, ich bin froh, Sie zu sehen, und sehr dankbar, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind. Lassen Sie uns zusammen frühstücken.« Er nahm eine kleine schwarze Box aus seiner Tasche und drückte auf einen Knopf. »Bitte, Herr Voss, setzen wir uns dort drüben hin.« Er deutete auf einen Tisch, um den vier mit Leder bezogene Klubsessel standen.

Voss bewegte sich keinen Millimeter. »Sie haben eine sehr ungewöhnliche Art, Leute einzuladen. Ich für meinen Teil fühle mich eher gekidnappt.« Voss’ Stimme war hart und sein Gesicht steinern.

»Ich bedauere, dass Sie das so sehen. Es war bestimmt nicht meine Absicht, Ihnen Unannehmlichkeiten zu bereiten. Ich habe Sie hierher gebeten, weil ich einen Auftrag für Sie habe.«

»Gebeten? Ich glaube, Sie scherzen. Oder wie würden Sie sich fühlen, wenn man Ihnen einen Revolver vor die Nase hält, sie zwingt, in ein Auto zu steigen, und Ihnen die Hände mit Handschellen fesselt, Sie ohne eine Erklärung in einen Hubschrauber verfrachtet, ohne Ohrschutz dem Lärm der Rotoren aussetzt und irgendwo in der Wildnis ablädt? Ich kann darin kaum eine Einladung erkennen. Deshalb, was immer Sie wollen, die Antwort ist – nein!«

»Was reden Sie da? Revolver? Handschellen? Ich nehme doch nicht an, dass Sie schon zur Morgenstunde betrunken sind.«

»Gewiss nicht! Und nun möchte ich zurück nach Hamburg zu meiner Arbeit. Ich habe bereits einen wichtigen Termin versäumt. Würden Sie bitte Ihren Piloten beauftragen, mich zurückzufliegen?«, sagte Voss noch immer mit versteinerter Miene.

»Augenblick, Augenblick! Lassen Sie uns die Sache klären. Ich habe niemanden beauftragt, Pistolen oder Handschellen anzuwenden. So etwas auch nur anzunehmen, ist lächerlich. Würden Sie mir bitte erzählen, was vorgefallen ist?«

Voss war plötzlich nicht mehr so sicher, was er tun sollte, denn der fragende Blick in Malakows Augen zeigte, dass der kleine Mann nichts verstand.

»Fragen Sie Ihre Gorillas«, sagte er deshalb etwas freundlicher.

Malakow starrte ihn überrascht an. Offenbar wagte es sonst niemand, so mit ihm zu sprechen.

Für einen Augenblick stand er bewegungslos da, dann ging er zum Telefon und drückte einen Knopf. »Was ist passiert?«, fragte er in einem ganz anderen Ton als dem, mit dem er Voss begrüßt hatte. Er hörte schweigend zu und legte dann, ohne ein Wort zu sagen, den Hörer auf. Langsam drehte er sich um. Voss hatte das Gefühl, als benötige er Zeit, um sich darüber klar zu werden, was zu tun sei.

»Mein lieber Herr Voss«, sagte Malakow dann herzlich. »Ich muss mich für meine Angestellten entschuldigen. Diese Idioten haben meine Anweisungen vollkommen missverstanden. Als ich ihnen sagte, dass sie kein Nein als Antwort akzeptieren sollten, habe ich niemals erwartet, dass sie sich wie Gangster in einem Hollywood-Film aufführen würden.« Er legte seine rechte Hand auf Voss’ Arm. »Bitte, Herr Voss, seien Sie so freundlich, und machen Sie einem alten, kranken Mann die Freude, mit ihm zu frühstücken.«

Was konnte Voss tun? Sollte er sich weiterhin verbohrt stellen? Nein, das war gegen seinen Charakter. Und so sagte er Dimitri Malakow, dass er die Entschuldigung akzeptieren und das Angebot annehmen würde.

Malakow entspannte sich sichtbar. Seine harten Züge wurden weicher. Er lächelte Voss freundlich an, während er ihn zu einem der Klubsessel führte. Beide Männer hatten gerade Platz genommen, als der Butler mit einem Servierwagen hereinkam, auf dem alles angerichtet war, was man sich zu einem Frühstück nur wünschen konnte.

»Bitte, Herr Voss, bedienen Sie sich, und nehmen Sie sich kein Beispiel an mir. Ich esse nur einen trockenen Toast und trinke dazu ein Glas Kamillentee. Ein großartiger Genuss – aber es ist eine Anweisung des Arztes.«

Der Butler schenkte Voss Kaffee ein und sagte: »Wenn Sie irgendetwas benötigen, läuten Sie bitte.« Er deutete auf eine Klingel unter der Servierauflage.

»Danke«, sagte Voss, »aber ich bin sicher, es ist mehr als reichlich.« Dann wandte er sich seinem Gastgeber zu. »Sie sagten, Sie hätten einen Job für mich. Worum handelt es sich?«

Dimitri Malakow knabberte an seinem trockenen Toast. Voss konnte sehen, wie zuwider es ihm war. Er musste Voss’ prüfenden Blick bemerkt haben, denn er sagte unvermittelt: »Krebs. Magenkrebs. Die Ärzte haben die Hälfte meines Magens herausgenommen. Die verdammten Schlächter haben mir jede Aufregung verboten. Deshalb bin ich hier draußen. Es ist langweilig, verdammt langweilig. Aber ich darf mich nicht beschweren. Die Ärzte sagten, dass sie den ganzen Krebs entfernt haben und ich, sofern ich ihre Anweisungen befolge, wieder gesund werde. Das Dumme ist nur, dass ich auch ein schwaches Herz habe und mich jede Aufregung umbringen könnte, das jedenfalls meint mein Arzt.«

»Ich hoffe, Sie werden wieder ganz gesund. Ich wünsche es Ihnen auf jeden Fall.« Was hätte er auch anderes sagen können?

Malakow machte mit der Hand eine Bewegung, als wollte er die letzten Worte wegwischen. »Meine Krankheit ist der Grund, warum ich Sie hier treffen wollte. Ich bin noch nicht in der Lage, in die Stadt zu fahren, und ich muss meine Angelegenheit mit Ihnen persönlich besprechen. Ich möchte, dass Sie meine Tochter finden. Sie scheint verschwunden zu sein, und ich bin sehr beunruhigt.«

»Seit wann vermissen Sie sie?«

»Seit etwa zwei Wochen.«

»Wie alt ist sie?«

»28, aber das ist nicht der Punkt. Augenblick«, sagte er, als Voss etwas sagen wollte, »warten Sie mit Ihren Fragen, bis Sie die ganze Geschichte kennen.«

»Okay, lassen Sie hören.«

»Sie müssen verstehen«, fuhr er fort, »dass meine Tochter Charlotte und ich ein sehr enges Verhältnis haben. Als meine Frau starb, war sie gerade sieben Jahre alt. Ich habe mich um sie gekümmert und verbrachte jede freie Minute mit ihr. Als sie alt genug war, sandte ich sie auf eines dieser Nobel-Internate in der Schweiz. Ich hätte es nicht tun sollen, denn dort traf sie einen englischen Adligen und verliebte sich in ihn. Lord Francis Pembroke. Er ist der Sohn eines Viscounts oder so etwas Ähnliches. Ich habe keine Ahnung von der Stellung dieser Kerle. Lange Rede kurzer Sinn: Sie heiratete ihn, wurde zu Lady Pembroke, und ich machte gute Miene zum bösen Spiel. Aber ich habe ein wenig herumschnüffeln lassen und herausgefunden, dass er mehr Löcher in den Taschen hat als ein Bettler in Moskau. Ich denke also, der Kerl hat meine Tochter nur geheiratet, weil er wusste, dass ihr Vater Geld hat. So weit die Lage. Als ich krank wurde, machte es sich Charlotte zur Gewohnheit, mich zweimal am Tag anzurufen, nur um sich zu erkundigen, wie es mir geht. Ich sagte ihr, das sei nicht nötig, doch sie bestand darauf. Genau vor zwei Wochen hörten die Anrufe abrupt auf. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, doch dann versuchte ich sie zu erreichen – ohne Erfolg. Zuerst meldete sich mein Schwiegersohn und danach nur noch das Dienstmädchen. Alles, was ich aus ihr herausbekam, war, dass die beiden nach Florida geflogen waren, um von dort aus einen Segeltörn nach Jamaika zu unternehmen. Sie erzählte mir, mein Schwiegersohn und auch Charlotte hätten ihr verboten, jemandem etwas von der Reise zu sagen. Sie wollten einen ruhigen Urlaub verleben. Ich war natürlich argwöhnisch, denn ich wunderte mich, dass meine Tochter mir nichts davon erzählt hatte. Nun …?« Er verstummte, als wenn er plötzlich nachdenken müsste. Voss hatte das Gefühl, dass Malakows Konzentration nachließ.

»Wissen Sie, von wo aus sie in See stechen wollten?«

»Mia-mi, glau-be … ich … Meine Sekretärin …«

Seine Sprache wurde unkontrolliert. Voss konnte die Müdigkeit in seinen Augen sehen. Die Unterhaltung erschöpfte ihn.

Obwohl die Informationen dürftig waren, verzichtete Voss darauf, den Fall weiter zu besprechen. Malakows Zustand schien ihm zu bedenklich. Er klingelte nach Johann. Der Butler erschien sofort.

»Ich glaube, Herr Malakow benötigt Ruhe«, sagte Voss zu ihm.

Der Butler sah in das wachsbleiche Gesicht seines Herrn. »Sie haben recht. Ich kümmere mich um ihn. Bin gleich zurück, bitte warten Sie hier.«

»Halt!«, befahl Dimitri Malakow. Es schien Voss, als nehme er all seine Kraft zusammen, als er fragte: »Wer-den Sie mei-ne Tochter fin-den?«

Voss hatte sich bereits entschlossen. »Ja, ich werde mein Bestes tun, um sie zu finden. Ruhen Sie sich jetzt aus. Ich werde Sie entweder heute Nacht oder morgen früh anrufen, um mehr Informationen über Charlotte zu erhalten. Bis dahin benötige ich Zeit, um meine laufenden Geschäfte abzuwickeln.«

Malakow erhob sich langsam. Der Butler half ihm dabei. Der Hauch eines Lächelns zeigte sich auf seinen Lippen.

»Ich glaube, ich bin … schwächer, als ich dachte. Aber … vielen Dank, dass Sie den … Auftrag übernehmen. Verlieren Sie keine Zeit und machen Sie sich keine … Gedanken über Geld. Ich übernehme … alles. Bitte warten Sie auf meinen … Butler. Er wei…« Malakow sackte zusammen.

Voss sprang auf, um zu helfen. Doch der Butler hatte alles unter Kontrolle. Sobald er bemerkte, dass sein Herr ohnmächtig zu werden drohte, griff er ihm unter die Arme und hob ihn hoch, als wäre er ein Kind. Voss war verblüfft über die Kraft, die unter dem Frack steckte.

»Ich bin gleich zurück«, rief Johann.

»Ist schon okay, nur keine Eile.«

Während der Butler Malakow hinaustrug, stand Voss auf und ging zur Fensterfront. Sie war wohl 30 Meter lang und reichte von der Decke bis zum Boden. Er sah hinaus, ohne das schöne Panorama wahrzunehmen. Er war in Gedanken versunken, wollte herausfinden, was er von dem Fall zu halten hatte und wie er die Nachforschungen am besten anpacken sollte. Je länger er nachdachte, desto mehr kam er zur Überzeugung, dass Malakows Tochter weder verloren gegangen noch das Opfer eines Verbrechens geworden war. Es sollte ihm nicht schwerfallen, sie aufzustöbern. Wenn die Bedienstete in England recht hatte, dann musste er nach Florida fliegen und von dort die Spur des Ehepaars aufnehmen. Der Rest war nichts weiter als Beinarbeit. Leicht verdientes Geld, dachte er.

Er bemerkte den Butler erst, als der ihn ansprach: »Sir, Herr Malakow bittet Sie, mit Ihren Nachforschungen sofort zu beginnen. Er war so frei, mir zu sagen, was er getan haben möchte. Darf ich sprechen?«

»Sicher.«

»Herr Malakow hat einen Ordner zusammengestellt, genau genommen, habe ich es getan. Er enthält Informationen über seine Tochter Charlotte und ihren Gatten. Es befindet sich ein Umschlag mit 10.000 Dollar darin. Das Geld ist für Spesen gedacht. Ihr Honorar bekommen Sie extra. Wie Herr Malakow bereits gesagt hat, erwartet er, dass Sie sofort mit Ihren Nachforschungen beginnen. Er meint, dass Sie in Miami anfangen sollten, deshalb wird Sie sein Chauffeur zum Flughafen bringen, von wo aus Sie mit dem Firmenjet nach Miami …«

»Stopp, Stopp!«, unterbrach Voss den Redefluss. »Ich kann doch nicht so fahren. Ich muss wenigstens nach Hause und ein paar Sachen einpacken.«

»Nicht nötig, Sir, Sie werden alles, was Sie brauchen, an Bord des Jets finden.«

Voss war verblüfft. Malakow sorgte sich wirklich sehr um seine Tochter. Trotzdem, er musste Sand ins Getriebe streuen, denn er hasste es, wenn er manipuliert wurde. Wie er einen Auftrag ausführte, das war allein seine Entscheidung, und nur seine. Er entgegnete: »Wie ich bereits gesagt habe, ich muss zuvor noch einiges klären.«

»Wenn Sie mir sagen, um was es sich handelt, wird Herr Malakow sich darum kümmern.«

Wenn der Fall nicht so ernst und tragisch gewesen wäre, hätte Voss gelacht. Malakow schien ein Nein als Antwort wirklich nicht zu akzeptieren. Da er selbst einen Sinn für Ungewöhnliches hatte, gab Voss nach.

»Na gut, dann los. Um meine Aufgaben kümmere ich mich selbst. Ich warne Sie jedoch, das wird Herrn Malakow zusätzlich eine Stange Geld kosten.«

»Herr Malakow ist sich dessen vollkommen bewusst, Sir. Geld spielt für ihn keine Rolle.«

Der Butler öffnete die Tür und führte Voss zum Eingang. Hier parkte ein funkelnder, schwarzer Rolls Royce. Der Chauffeur, ebenfalls in Schwarz, öffnete die Tür zum Rücksitz mit der linken Hand, während er sich mit der rechten seine Mütze ehrfurchtsvoll vor die Brust hielt. Voss registrierte diese Details automatisch. Seit er als Privatermittler arbeitete, hatte er sich angewöhnt, gerade die kleinen Gesten zu beachten. Sie drückten Gefühle und Motive ehrlicher aus als 100 Worte.

»Ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Herr Malakow ist wirklich um seine Tochter besorgt. Sie bedeutet ihm alles. Wenn Sie irgendetwas benötigen, lassen Sie es uns wissen. Sollten Sie Herrn Malakow wegen seiner Krankheit nicht erreichen können, dann sprechen Sie mit mir. Herr Malakow hat mich beauftragt, Sie in jeder erdenklichen Weise zu unterstützen.«

Obwohl Voss die Worte zu überschwänglich vorkamen, dachte er nicht lange darüber nach, sondern antwortete: »Beruhigen Sie Ihren Chef. Ich werde seine Tochter finden.«

Auf dem Rücksitz des Rolls fand er einen ledernen Aktenkoffer, wie ihn Piloten zu tragen pflegten. Er öffnete ihn nicht, sondern genoss erst einmal die entspannende Atmosphäre des Rolls. Er enthielt jeden nur erdenklichen Luxus. Der Rückweg von Malakows Refugium war sehr viel bequemer als der Hinweg.

Kapitel 2

Am Flughafen in Berlin wurde Voss von einer Stewardess empfangen. Sie war eine charmante Frau in den späten Vierzigern. Das zeigte ihm, dass Malakow nicht zu den Managern gehörte, die, obwohl selbst alt, sich mit jungen Frauen umgaben. Er legte offenbar Wert auf Stil und Seriosität.

Der Firmenjet entpuppte sich als ein Airbus A 340-200. Äußerlich sah er wie jedes andere Passagierflugzeug aus, doch innen war er ein Traum von Luxus. »Das ist die richtige Art zu reisen«, sagte Voss zur Stewardess. Sie lächelte zustimmend. Wahrscheinlich nahm sie den Luxus gar nicht mehr wahr.

Während die beiden Piloten die Flugvorbereitungen trafen, zeigte die Stewardess Voss das Flugzeug. Hinter der Pilotenkabine befand sich ein Kommunikationsraum, der keine Wünsche offenließ. Danach kamen die Küche und Dimitri Malakows Salon, dahinter ein Kompartiment für seine Begleiter. Alle Sitze waren Erste-Klasse-Sitze, die in Liegen umgewandelt werden konnten. Dahinter lagen die Wasch- und Duschkabinen für die Begleiter, und im rückwärtigen Teil befand sich der Schlafsalon des Konzernchefs. Ein Ankleideraum und ein Badezimmer mit Dusche und Wannenbad schlossen sich an.

Im Ankleideraum befand sich ein eingebauter Kleiderschrank. Die Stewardess öffnete die Schiebetür. Er war gefüllt mit Kleidungsstücken aller Art. »Alles für Sie«, sagte sie. Voss zog eine Jacke heraus und probierte sie an. Sie saß perfekt.

Er war verblüfft. Seit er Malakow getroffen hatte, folgte eine Überraschung der nächsten. Wie hatte er es nur geschafft, in der kurzen Zeit alles in seiner Größe heranzuschaffen?

Voss ging die Sachen flüchtig durch. Es war alles vorhanden, was man für jede nur denkbare Gelegenheit benötigte. Selbst einen Smoking mit Fliege und den dazu passenden Schuhen fand er. Die Stewardess informierte ihn, dass Herr Malakow sie beauftragt hatte, ihm den Flug so angenehm wie möglich zu machen. Sie hatte außerdem den Auftrag, dafür zu sorgen, dass er sich mit allem einkleiden konnte, was er zur Erfüllung seines Auftrags für notwendig hielt.

Sie hatten die Tour durch das Flugzeug fast beendet, als der Pilot sie aufforderte, Platz zu nehmen und sich für den Take-off anzuschnallen.

Sobald der Jet seine Flughöhe erreicht und der Pilot das Fasten-Seat-Belt-Zeichen ausgeschaltet hatte, ging Voss in das Bade-Kompartiment und duschte, bis er sich entspannt fühlte. Seine Joggingsachen warf er in den Abfalleimer. Ihm standen ja ausreichend Kleidungsstücke zur Verfügung. Er warf einen prüfenden Blick in den Spiegel und war mit dem, was er sah, zufrieden.

Erfrischt ging er in Malakows Salon und nahm in einem der bequemen Sessel Platz. Wenn schon, denn schon, dachte er und klingelte nach der Stewardess.

Sie kam sofort.

»Ich müsste ein Gespräch mit meinem Büro in Hamburg führen. Ist das möglich?«

»Selbstverständlich, Herr Voss. Wenn Sie einen Augenblick warten würden, ich bin gleich zurück.«

Es dauerte keine Minute, dann war sie wieder da. In der Hand hielt sie ein Telefon und reichte es ihm.

»Sie brauchen nur die Nummer Ihres Büros und die Vorwahl von Hamburg zu wählen.«

»Danke, und wenn ich jetzt noch einen großen Becher Kaffee ohne alles bekommen könnte, dann bin ich vollkommen glücklich.«

»Kommt sofort.«

Voss rief sein Büro in der Jugendstilvilla am Mittelweg 85 an.

Vera, seine Assistentin, meldete sich. »Chef, wo stecken Sie denn? Sie können doch nicht immer noch joggen. Nero ist schon ganz unruhig. Ich hab ihm erst mal was zu fressen gegeben, damit er nicht Ihre ganze Küche auseinandernimmt. Und was hat das zu bedeuten, dass ein gewisser Johann McNeil Ihre Kleidergröße wissen wollte?«

Voss schmunzelte. Deswegen passten die Kleidungsstücke so perfekt. Er war von der organisatorischen Leistung des Butlers beeindruckt.

»Vera, Sie sind ein Schatz. Sie werden niemals raten, wo ich mich gerade befinde.«

»Chef, wenn ich was erraten will, dann melde ich mich bei Günther Jauch an. Da lohnt sich das Raten wenigstens.«

»Vera, Sie sind ein Spielverderber. Ich sitze in einem Airbus, umgeben von lauter Luxus, und sehe unter mir die Küste von Holland. Jedenfalls glaube ich das, denn die Leute laufen alle in Holzpantinen herum.«

»Chef, auf den Arm nehmen kann ich mich selbst.«

»Im Ernst, Vera, bis auf die Holzpantinen stimmt alles. Ich habe den Auftrag übernommen, die verschwundene Tochter des – und nun halten Sie sich fest – russischen Oligarchen Dimitri Malakow zu finden. Ich …

»Chef, meinen Sie den Malakow, der hier in Hamburg seinen Büroturm hat?«, unterbrach sie aufgeregt.

»Genau den.«

»Wow!«

»Sie sagen es. Ich bin zurzeit auf dem Weg nach Miami, wo besagte Dame verloren gegangen zu sein scheint.«

In der nächsten halben Stunde erklärte Voss ihr, was sich am Morgen ereignet hatte und was er zu unternehmen gedachte. Zum Schluss forderte er sie auf, alle Termine für die nächste Zeit abzusagen.

»Ich melde mich, sobald ich in Miami etwas Genaueres herausgefunden habe.«

»Okay, Chef, ich hab hier alles im Griff. Ich werde Herrmann informieren. Er kann sich um Nero kümmern.«

»Machen Sie das. Ich weiß, dass Sie alles geregelt kriegen. Jetzt mache ich Schluss, um mich dem Luxus hinzugeben. Tschüss.«

»Sie sind gemein. Wenn Sie ein rücksichtsvoller Chef wären, dann hätten Sie mich mitgenommen.«

»Seien Sie dankbar, dass ich es nicht getan habe, denn das hier hätte Ihre Psyche nicht verkraftet.«

Der scherzende Ton zwischen Voss und Vera Bornstedt zeigte, wie eng sie miteinander verbunden waren. Dass sie sich trotzdem mit Sie anredeten, lag an Vera. Voss hatte ihr wiederholt das Du angeboten, und sie hatte jedes Mal abgelehnt. Nicht, weil sie ihren Chef nicht mochte, sondern gerade, weil sie ihn verehrte. Aber sie war glücklich verheiratet, hatte einen siebzehnjährigen Sohn und wollte Ehe und Familie nicht gefährden.

Für Voss war ihre Haltung anfangs unverständlich gewesen, denn er war von ihrem Engagement, ihren Computer-Kenntnissen und ihrer Persönlichkeit fasziniert. Er fühlte auch, dass die Chemie zwischen ihnen stimmte, und hätte gegen eine intime Beziehung nichts einzuwenden gehabt. Aber er akzeptierte Veras Haltung.

Nachdem er sich mit zwei Bechern starkem Kaffee gestärkt hatte, war es an der Zeit, sich dem Inhalt des Pilotenkoffers zu widmen. Als er ihn hochhob, war er verblüfft, wie schwer er war. Er öffnete die beiden Schnappverschlüsse. Wie ihm der Butler gesagt hatte, enthielt der Koffer einen Umschlag mit Geld und dazu noch zwei Kreditkarten, jede mit einem Kreditrahmen von 10.000 Euro. Malakow war wirklich besorgt um seine Tochter. Der Aktenordner darin enthielt zwar etliche Blätter Papier, aber letztlich nicht viel, was ihm bei seiner Suche weiterhelfen würde – abgesehen von den Fotos, die ein hübsches Mädchen in verschiedenen Posen zeigten sowie einen Mann in den Dreißigern, der in Sportanzügen verschiedener Sportarten fotografiert worden war. Er sah gut aus. Voss studierte die Papiere, betrachtete die Bilder und prägte sich so viele Details wie möglich ein.

Nach einiger Zeit zog er sich ins Schlafzimmer des Konzernchefs zurück und ließ sich von der Stewardess eine Schlaftablette geben. Er wollte so lange wie möglich schlafen, um in Miami voll einsatzbereit zu sein …

***

Jemand rüttelte ihn am Arm.

»Bitte, Herr Voss, wachen Sie auf«, sagte eine weibliche Stimme. »Wir haben Miami erreicht und werden in wenigen Minuten auf dem Kendall-Tamiami Executive Airport landen. Nehmen Sie bitte wieder im Salon Platz und schließen Sie Ihren Sicherheitsgurt.«

Voss rieb sich die Augen und sah überrascht auf.

»Sie haben den gesamten Flug über geschlafen. Wir hatten Rückenwind und sind schneller angekommen als geplant.«

Als der Jet schließlich seine Parkposition erreicht hatte, öffnete die Stewardess die Bordtür. Heller Sonnenschein und 25 Grad Wärme begrüßten ihn. Voss streckte sich. Er fühlte sich hoch motiviert.

»Warten Sie bitte eine Minute«, sagte die Stewardess, als sie den in der Nähe des Jets geparkten Wagen erreichten. »Ihr Gepäck wird in wenigen Minuten hier sein.«

»Ich hab doch kein Gepäck«, antwortete Voss verwundert. Sie hatte doch gesehen, dass er in Berlin ohne Koffer eingestiegen war.

»Sie haben. Während Sie schliefen, habe ich mir erlaubt, alles aus Kleiderschrank und Badezimmer einzupacken.«

In diesem Moment sah er einen Handwagen mit drei riesigen Koffern um das Heck des Jets herumkommen.

Niemand wird das glauben, dachte er. Hier stehe ich als Privatermittler, der eine verschwundene Frau sucht, und habe drei gewaltige Koffer dabei, gefüllt mit Sachen, die ich nie benötigen werde. Was für ein Witz.

Kapitel 3

Im Zentrum von Kingston, der Hauptstadt der schönen Karibikinsel Jamaika, befand sich das Devon House. Es war vor etwa 150 Jahren vom ersten schwarzen Millionär Jamaikas an der Ecke Trafalgar Square und Hope Road erbaut worden. Das ehemalige Wohnhaus des Erbauers George Striebel war heute ein bekanntes Unterhaltungszentrum mit Geschäften und Restaurants, die sich der vielseitigen jamaikanischen Küche verschrieben hatten.