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Die fatale Gier nach Macht und Geld … Inmitten der einsamen Wüste Libyens gelingt es einem geheimen Einsatzkommando, eine Waffenfabrik in die Luft zu sprengen – doch der libysche Staatspräsident setzt seinen blutigen Krieg gegen Israel weiter fort. Sofort treibt er den Bau eines neuen, viel größeren Werks voran, in dem Raketen und Giftgas hergestellt werden sollen. Skrupellose Hilfe findet er unter anderem bei einem deutschen Unternehmen, dessen Geldgier alle moralischen Bedenken in den Schatten stellt. Einzig Aaron Goldsteen, Top-Agent des legendären Geheidienstes Mossad, könnte die illegale Aufrüstung Libyens noch verhindern – doch dafür setzt er bald nicht nur sein eigenes Leben aufs Spiel … So aktuell wie noch nie: Ein packender Thriller für die Fans von Mark Dawson und Craig Martelle.
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Seitenzahl: 378
Veröffentlichungsjahr: 2025
Über dieses Buch:
Inmitten der einsamen Wüste Libyens gelingt es einem geheimen Einsatzkommando, eine Waffenfabrik in die Luft zu sprengen – doch der libysche Staatspräsident setzt seinen blutigen Krieg gegen Israel weiter fort. Sofort treibt er den Bau eines neuen, viel größeren Werks voran, in dem Raketen und Giftgas hergestellt werden sollen. Skrupellose Hilfe findet er unter anderem bei einem deutschen Unternehmen, dessen Geldgier alle moralischen Bedenken in den Schatten stellt. Einzig Aaron Goldsteen, Top-Agent des legendären Geheidienstes Mossad, könnte die illegale Aufrüstung Libyens noch verhindern – doch dafür setzt er bald nicht nur sein eigenes Leben aufs Spiel …
Über den Autor:
Ole Hansen, geboren in Wedel, ist das Pseudonym des Autors Dr. Dr. (COU) Herbert W. Rhein. Er trat nach einer Ausbildung zum Feinmechaniker in die Bundeswehr ein. Dort diente er 30 Jahre als Luftwaffenoffizier und arbeitete unter anderem als Lehrer und Vertreter des Verteidigungsministers in den USA. Neben seiner Tätigkeit als Soldat studierte er Chinesisch, Arabisch und das Schreiben, sowie Umweltwissenschaften und Geschichte, wobei er seine beiden Doktortitel erlangte. Nachdem er aus dem aktiven Dienst als Oberstleutnant ausschied, widmete er sich ganz seiner Tätigkeit als Autor. Dabei faszinierte ihn vor allem die Forensik – ein Themengebiet, in dem er durch intensive Studien zum ausgewiesenen Experten wurde. Heute wohnt der Autor an der Ostsee.
Von Ole Hansen sind bei dotbooks bereits die folgenden eBooks erschienen:
Die Jeremias-Voss-Reihe:
»Jeremias Voss und die Tote vom Fischmarkt. Der erste Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga
»Jeremias Voss und der tote Hengst. Der zweite Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga
»Jeremias Voss und die Spur ins Nichts. Der dritte Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga
»Jeremias Voss und die unschuldige Hure. Der vierte Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga
»Jeremias Voss und der Wettlauf mit dem Tod. Der fünfte Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga
»Jeremias Voss und der Tote in der Wand. Der sechste Fall«
»Jeremias Voss und der Mörder im Schatten. Der siebte Fall«
»Jeremias Voss und die schwarze Spur. Der achte Fall«
»Jeremias Voss und die Leichen im Eiskeller. Der neunte Fall«
»Jeremias Voss und der Tote im Fleet. Der zehnte Fall«
»Jeremias Voss und die Toten im Watt. Der elfte Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga
Die Marten-Hendriksen-Reihe:
»Hendriksen und der mörderische Zufall. Der erste Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga
»Hendriksen und der Tote aus der Elbe. Der zweite Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga
»Hendriksen und der falsche Mönch. Der dritte Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga
»Hendriksen und der Tote auf hoher See. Der vierte Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga
»Hendriksen und der falsche Erbe. Der fünfte Fall« – erscheint auch als Hörbuch bei Saga
Die Arne Claasen-Reihe:
»Arne Claasen und die vergessenen Toten. Der erste Fall«
»Arne Claasen und die tödliche Fracht. Der zweite Fall«
»Arne Claasen und die Tote am Elbufer. Der dritte Fall«
Die Claasen&Hendriksen-Reihe:
»Die Tote von Pier 17 – Der erste Fall für Claasen & Hendriksen«
»Mord im Trockendock – Der zweite Fall für Claasen & Hendriksen«
»Die tote Kapitänin« - Der dritte Fall für Claasen & Hendriksen
Einige seiner Kriminalromane sind auch in Sammelbänden erschienen:
»Die dunklen Tage von Hamburg«
»Das kalte Licht von Hamburg«
»Die Schatten von Hamburg«
»Die Morde von Hamburg«
»Die Toten von Hamburg«
Außerdem veröffentlichte Ole Hansen seine packenden Agenten-Thriller:
»Der Journalist: Tom Porter und die kanadische Intrige«
»Der Journalist: Tom Porter und die Entführung im Libanon«
»Der Journalist: Tom Porter und das Moskau-Komplott«
»Der Journalist: Tom Porter und das Miami-Gambit«
»Die Libyen-Verschwörung«
»Die Akte Panama«
Unter seinem Klarnamen Herbert Rhein veröffentlichte der Autor bei dotbooks auch die folgenden eBooks:
»Todesart: Nicht natürlich. Gerichtsmediziner im Kampf gegen das Verbrechen.«
»Todesart: Nicht natürlich. Mit Mikroskop und Skalpell auf Verbrecherjagd.«
Folgende Bücher von Ole Hansen sind auch als PoD erhältlich:
»Jeremias Voss und die Tote vom Fischmarkt. Der erste Fall«
»Jeremias Voss und der tote Hengst. Der zweite Fall«
»Hendriksen und der mörderische Zufall. Der erste Fall«
»Hendriksen und der Tote aus der Elbe. Der zweite Fall«
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Aktualisierte eBook-Neuausgabe Februar 2025
Dieses Buch erschien bereits 1991 unter dem Titel »Waffenschieber« bei Verlagsunion Moewig, Rastatt
Copyright © der Originalausgabe 1991 by Verlagsunion Erich Pabel-Arthur Moewig KG, Rastatt
Copyright © der aktualisierten Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Redaktion (Überarbeitung): Ralf Reiter
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/Ysbrand Cosijn, FadiBarghoutky, Emma Grimberg
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)
ISBN 978-3-98952-501-6
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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!
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Ole Hansen
Die Libyen-Verschwörung
Thriller
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Auf der Kuppe der höchsten Sanddüne lag ein Mann. Er hatte die Arme am Boden aufgestützt, um festeren Halt für den Feldstecher zu haben, mit dem er das Gelände absuchte. Mit seinen Fingern schützte er die Objektive gegen die Strahlen der untergehenden Sonne, damit sie sich nicht in den Linsen widerspiegelten und so seinen Standort verrieten. Es war eine unnötige Vorsichtsmaßnahme. Die Wüste breitete sich weit und leer vor ihm aus. Kein Mensch, kein Tier, nichts war zu sehen.
Aaron Goldsteen ließ das Fernglas sinken und blickte mit besorgter Miene auf seine Armbanduhr. Es war fünf Minuten nach sieben. Bald würde es stockfinster sein, und noch immer war niemand von der Einsatzgruppe aufgetaucht. Nach seinen Berechnungen hätten sie schon vor einer Stunde eintreffen müssen. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Hoffentlich war nichts passiert, was die Kommandoaktion gefährdete und einen Rückschlag für das gesamte Unternehmen bedeuten konnte.
Vor zwei Monaten hatte er von Oberst Menachim Julep, seinem Chef beim israelischen Geheimdienst Mossad, den Auftrag erhalten, die Fabrik südlich von Mizdah in Libyen zu zerstören. Offiziell handelte es sich bei der Anlage um eine Fabrikationsstätte für Werkzeugmaschinen, gebaut von französischen Ingenieuren im Auftrag der libyschen Regierung. Durch einen Zufall waren israelische Agenten auf die Anlage aufmerksam geworden, und ihre gezielten Nachforschungen hatten ergeben, dass hier keine Werkzeugmaschinen, sondern Marschflugkörper für die libysche Luftwaffe montiert werden sollten. Die Einzelteile für diese Spezialwaffe, mit der neben hochexplosiven Sprengköpfen vor allem Giftgas verschossen werden konnte, kamen aus verschiedenen westlichen Ländern. Die Spezialabteilungen des Mossad vermuteten, dass es vor allem Firmen in Deutschland, England, Frankreich und den USA waren, die die mit neuesten Technologien hergestellten Einzelteile lieferten. Über Details wusste der israelische Geheimdienst noch nichts, allerdings wollte er auch nicht darauf warten. Da diese neue Geheimwaffe von Jagdbombern aus großer Entfernung abgeschossen werden konnte, stellte sie eine gefährliche Bedrohung dar, die ungeachtet möglicher politischer Folgen sofort beseitigt werden musste. Angesichts eines potentiellen Gasangriffs gab die politische Führung grünes Licht für eine Kommandoaktion. Noch am selben Tag wurde der israelische Geheimdienst mit der Planung und Durchführung des Unternehmens beauftragt. Der Chef des Mossad hatte daraufhin Aaron Goldsteen, den fähigsten Mann für solche Unternehmungen, aus dem Urlaub geholt und ihn mit der Aufgabe betraut.
Zwei Monate hatte Aaron für die Vorbereitungen benötigt. Er war persönlich nach Libyen gefahren, um die Einsatzmöglichkeiten in Erfahrung zu bringen. Dabei war er sorgfältig und gründlich vorgegangen und hatte sich nicht von der nervösen Ungeduld seiner Vorgesetzten hetzen lassen.
Vor einer Woche hatte er den Angriffszeitpunkt auf heute Nacht festgelegt. Nur während dieser einen Nacht wurde innerhalb der nächsten Wochen in der Fabrik nicht gearbeitet, und das hieß, dass sich bis auf eine Wachmannschaft von etwa fünfzehn Mann niemand auf dem Gelände aufhielt.
Aaron stand auf, streckte seine Glieder und stieg von der Düne zu dem trockenen Flussbett eines Wadis hinunter. Er schlug die Plane, mit der sein Motorrad getarnt war, zur Seite und holte aus der rechten Packtasche eine Wasserflasche. Nachdem er seinen Durst mit einem langen Schluck gelöscht hatte, verschloss er sie wieder und steckte sie zurück.
Plötzlich hielt er inne und lauschte. Da war ein leises Motorengeräusch. Geschwind kletterte Aaron wieder nach oben. Auf dem Wüstenpfad, der zur Straße Mizdah-Al Qaryat führte, sah er eine Staubwolke, die schnell näher kam. Er nahm sein Fernglas an die Augen und erkannte einen dunklen Punkt, der sich nach einigen Minuten auflöste und sich in zwei nebeneinander fahrende Motorräder verwandelte. Erleichtert atmete er auf, als er seine eigenen Männer erkannte.
Aaron wartete, bis die Fahrer bei einer halbverdorrten Tamariske, etwa fünfhundert Meter südlich von ihm, anhielten. Ein letztes Mal suchte er den in die Abenddämmerung getauchten Horizont ab. Als er sicher war, dass niemand seinen Männern gefolgt war, kletterte er in das Wadi hinab und brach auf. Er ließ die Maschine das Flussbett entlangrollen, bis er an einer weniger steilen Stelle die Uferböschung hinauffahren konnte.
Als er sich der Tamariske näherte, sah er nur einen Mann, der an seiner Maschine lehnte und ihm neugierig entgegensah.
Aaron hielt an und stieg ab.
»Verdammt, ich dachte schon, ihr würdet überhaupt nicht mehr kommen. Was war los? Wieso kommt ihr so spät? Ich warte schon seit Stunden auf euch.«
Uri Sidon grinste, drehte sich nach hinten und rief: »Komm raus, David, es ist nur unser geliebter Chef!«
Es hätte dieser Aufforderung nicht bedurft, denn sobald David ben Massa Aaron erkannt hatte, schlug er die Plane, mit der er sich und sein Motorrad getarnt hatte, hoch und kam auf die beiden zu. In den Händen hielt er die Maschinenpistole, mit der er Uri gedeckt hatte.
»Hallo, Boss, wie geht’s?«, begrüßte er Aaron.
Der ging darauf nicht ein, sondern fuhr auch ihn ärgerlich an: »Wo habt ihr beiden gesteckt, und wieso kommt ihr zusammen?«
David warf Uri einen Blick zu und sagte: »Ging nicht schneller. Ich bin froh, dass ich es überhaupt geschafft habe. Im ganzen Bereich südlich von Tripolis und der tunesischen Grenze wimmelt es von Militär. Muss ’ne Großübung sein. Ich musste den Bereich in großem Bogen umfahren.«
»Bei mir war es genauso«, fügte Uri hinzu. »Die halbe Armee scheint auf den Beinen zu sein. Ich hoffe, nicht unseretwegen. David und ich, wir haben uns ganz zufällig kurz vor der Abzweigung nach hier getroffen. Du kannst also beruhigt sein, niemand hat uns zusammen gesehen. Aber was mir wirklich Sorgen macht, ist, ob Roman es geschafft hat. Er muss nämlich quer durch den ganzen Mist hindurch.«
Aaron winkte ab. »Bei Roman ist alles klar. Er hat sich vor zwei Stunden über Funk gemeldet. Wir sollten aufbrechen, damit wir noch vor Einbruch der Dunkelheit unseren Anlaufpunkt erreichen.«
Die Männer nickten. In spätestens zwanzig Minuten würde es finster sein, und sie hatten noch zehn Kilometer zu fahren. Sie stiegen auf und folgten Aaron, der die Führung übernommen hatte.
Ohne Beleuchtung fuhren sie durch die Wüste – es war gefährlich und stellte höchste Anforderungen an Fahrer und Maschine. Immer wieder durchschnitten tiefe Rinnen, die nur mit äußerster Vorsicht überwunden werden konnten, den Boden. Zwar hatte Aaron die Strecke gründlich erkundet, doch das half bei der schnell hereinbrechenden Nacht nur wenig.
Aber weder Uri noch David schien die Fahrt etwas auszumachen. Wie Aaron waren sie hochqualifizierte Spezialisten, die sich schon in manchem gefährlichen Einsatz bewährt hatten. Sie waren ein eingespieltes Team. Jeder wusste, dass er sich hundertprozentig auf seine Kameraden verlassen konnte.
Aaron war mit seinen achtunddreißig Jahren der Älteste und Erfahrenste von ihnen. Er hatte als junger Soldat am Jom-Kippur-Krieg teilgenommen, danach war er als Berufsoffizier beim Militär geblieben. Seine Leistungen waren so herausragend gewesen, dass der Geheimdienst auf ihn aufmerksam geworden war und ihn in seine Dienste übernommen hatte. Über zehn Jahre war er jetzt dabei und war noch immer der Spezialist für Kommandoaktionen hinter den feindlichen Linien. Seine Männer vertrauten ihm blind.
Inzwischen war es dunkel geworden, und Aaron hatte die Geschwindigkeit auf Schritttempo gedrosselt. Uri und David folgten ihm dichtauf. Angestrengt starrten sie auf die wenigen Zentimeter Boden, die sie vor den Vorderrädern ihrer Maschinen erkennen konnten. Hin und wieder mussten sie die Bikes einen steilen Abhang hinunterschieben und dann wieder hinauf. Dann ging es, die Beine nach unten gestreckt, um die Maschine jederzeit abfangen zu können, weiter.
Nach etwa einer Dreiviertelstunde hielt Aaron und stellte den Motor ab. Die anderen beiden folgten seinem Beispiel. Nun mussten sie die Maschinen fünf Kilometer quer durch die Wüste schieben. Das war mühsam, aber sie wollten kein Risiko eingehen und nicht auf sich aufmerksam machen.
Zwei Stunden lang quälten sie sich durch die Wüste, bevor sie ihren Einsatzort erreicht hatten. Erschöpft ließen sich die Männer neben ihre Fahrzeuge auf den Boden sinken. Vor ihnen, in etwa tausend Meter Entfernung, lag die Fabrik. Es war ein mehrere Hektar großes Areal, das durch zwei hohe Zäune gesichert wurde. An jeder Ecke des Bereichs befand sich ein Wachturm, dessen starke Scheinwerfer den Zaun und das Vorfeld hell erleuchteten. In der Mitte des Geländes stand eine riesige Werkhalle, an die im Osten ein dreistöckiges Verwaltungsgebäude anschloss. Die Halle war, wie Aaron wusste, in zwei Bereiche unterteilt. Der kleinere diente zur Herstellung der Werkzeugmaschinen, der weitaus größere zur Montage der Marschflugkörper. Schräg hinter der Halle, im Nordwesten, gab es drei kleinere Gebäude, in denen sich Hochleistungsgeneratoren befanden. Sie mussten die Fabrik mit Strom versorgen, falls das öffentliche Netz zusammenbrechen sollte. Etwa fünfzig Meter dahinter stand auf einer Anhöhe ein wuchtiger Benzintank. Über ein Rohrsystem wurden von hier aus die Generatoren mit Treibstoff versorgt. Diagonal gegenüber lag die einzige Zufahrt zum Fabrikgelände, gesichert durch ein schweres eisernes Tor. Neben der Einfahrt stand das Wachgebäude, in dem neben dem Wachhabenden fünfzehn Mann als Ablösung und Eingreifreserve Dienst taten. Die Wachmannschaften wurden jeweils um sechs Uhr morgens und sechs Uhr abends abgelöst.
Als die drei sich erholt hatten, beobachteten sie durch ihre Nachtgläser das Fabrikgelände. Obwohl weder Uri noch David die Anlage zuvor gesehen hatten, konnten sie sich problemlos orientieren. Aaron hatte im Hauptquartier des Geheimdienstes ein Modell von der Fabrik anfertigen lassen, an dem sie den Einsatz geplant und bis in alle Einzelheiten durchgespielt hatten. Wie sie jetzt feststellten, hatte er gute Arbeit geleistet.
Aaron tippte Uri auf die Schulter. »Siehst du die Benzinleitung, die vom Tank zu den Generatorenhäusern führt?«
Uri richtete sein Nachtglas auf die Rohre und nickte.
»Oberhalb des letzten Hauses liegt der Verteiler und das Hauptabsperrventil. Siehst du es?«
»Lass gut sein, Aaron, ich weiß, was ich zu tun habe. Kein Grund, es noch einmal durchzukauen.«
»Gut, dann ruhen wir uns bis halb zwei aus.« Aaron ließ sich auf den Boden nieder und streckte sich aus.
David und Uri beobachteten das Fabrikgelände noch eine Weile, dann bauten sie die beiden Kunststoffleitern, die sie in Einzelteile zerlegt mitgebracht hatten, zusammen und legten sich ebenfalls hin.
Obwohl alle drei die Augen geschlossen hielten, schlief keiner. Äußerlich gelassen, waren sie wie vor jedem Einsatz innerlich angespannt und aufgewühlt. Im Geiste ging jeder immer wieder den minutiös ausgefeilten Einsatzplan durch. Jeder Schritt und jeder Handgriff musste sitzen.
Um halb zwei kam in alle drei fast gleichzeitig Bewegung. Sie färbten sich mit einer Hautfarbe Gesicht und Hände schwarz. Als sie damit fertig waren, nahmen sie ihre Rucksäcke auf und hängten sich die Maschinenpistolen griffbereit um den Hals. Während Aaron bereits lautlos in die Nacht huschte, nahmen Uri und David die Leitern auf, folgten ihm und gingen dicht außerhalb des ausgeleuchteten Bereichs in Stellung. Sie kontrollierten ihre Armbanduhren: acht Minuten vor zwei.
Die Männer drückten sich an den Boden, den Kopf in der Armbeuge, um so die Augen gegen den Schein der Lampen zu schützen und an die Dunkelheit zu gewöhnen. Aaron behielt die Leuchtziffern seiner Armbanduhr im Auge. Der Zeiger rückte auf zwei Uhr – nichts geschah. Sollten sie Roman erwischt haben?, fuhr es ihm durch den Kopf. Aber bevor er noch einen weiteren Gedanken daran verschwenden konnte, flackerte das Licht, und die Wüste lag wie ein schwarzes Loch vor ihnen.
»Los!«, zischte Aaron.
Er sprang auf und stürmte auf die Mitte des Zauns zu, Uri und David folgten dichtauf. Als sie den Zaun erreichten, stellte Uri die erste Leiter dagegen. Aaron kletterte hinauf, zog oben die zweite Leiter nach und legte sie quer über die beiden Zäune. Entschlossen krabbelte er hinüber und ließ sich auf der anderen Seite zu Boden fallen. Uri folgte. Als Letzter kam David. Er zog, sobald er auf der quer liegenden Leiter stand, die erste hoch und eilte mit drei Sprüngen auf die andere Seite. Er ließ die erste Leiter am Zaun hinuntergleiten, stieg hinauf, zog die quer liegende zu sich heran und reichte sie Uri, der schon darauf wartete, sie zu übernehmen. Dann ließ er sich an den beiden Seitenholmen hinuntergleiten. Das ganze Manöver hatte nur knappe eineinhalb Minuten gedauert, weniger als in Tel Aviv, wo sie es wieder und wieder geübt hatten.
Sie waren bereits zehn Meter vom Zaun entfernt, als die Wachtposten auf den Türmen begannen, den Bereich entlang des Zauns mit Handlampen abzusuchen. Aber selbst wenn sie schneller reagiert hätten, hätten sie die Eindringlinge nicht entdeckt, denn bis zu der Stelle, wo sie über den Zaun gestiegen waren, reichte der Schein der Lampen nicht.
Im Schatten des Benzintanks ließen sie die Leitern liegen. Uri eilte weiter zu den Generatorenhäusern, während David Aaron folgte, der schon zur Werkhalle vorausgerannt war. Als David ihn erreichte, war er gerade dabei, die Personaltür mit einem Dietrich zu öffnen.
Als sie in der Halle waren, sah Aaron auf die Uhr. Vom Augenblick des Losrennens bis jetzt waren drei Minuten und fünfzehn Sekunden vergangen. Noch knappe zwei Minuten, und die Notstromaggregate würden anspringen.
Die beiden Männer nahmen die Rucksäcke herunter und schalteten die Taschenlampen ein. Ihr Schein huschte über halb zusammengebaute Marschflugkörper, die in einer Reihe hintereinander standen. Gleich daneben lag die Montagestraße für die Triebwerke und Gefechtsköpfe. An der anderen Seite der Halle befanden sich die schon fertig montierten Flugkörper. Es mussten wenigstens zwanzig sein. Aber weder Aaron noch David konnten es sich erlauben, sie zu zählen. Wie einstudiert, begannen sie mit der Arbeit. Während David die vorbereiteten Sprengladungen an den Maschinen, Testständen und Steuerpulten anbrachte, kümmerte sich Aaron um die Flugkörper.
Die Notbeleuchtung sprang an und tauchte die Halle in helles Licht. Die beiden Männer ließen sich dadurch nicht stören. Schnell, aber ohne Hast, arbeiteten sie weiter. Sie hatten gerade die Personaltür wieder erreicht, als das Licht flackerte und gleich darauf ausging. Das war das Zeichen. Uri war mit seinen Vorbereitungen fertig und hatte die Generatoren ausgeschaltet. Jetzt kam es auf Sekunden an. David stürmte nach draußen und rannte zu den Generatorenhäusern. Auf halber Strecke kam ihm Uri entgegen und spulte von einer Rolle einen dünnwandigen, aber reißfesten Kunststoffschlauch ab. David nahm ihm die Rolle ab und hastete zur Werkhalle zurück, während Uri zum Absperrhebel der Hauptbenzinleitung eilte. Aaron hielt die Tür auf, so dass David ohne Behinderung in die Halle laufen konnte. Mit einem Schwung ließ er die Rolle los und spulte so den restlichen Schlauch in der Mitte des Gangs ab. Er rannte zur Tür zurück. Aaron war bereits zum Zaun geeilt, hatte die Leitern ausgelegt und gab von der anderen Seite des Zauns Deckung. David folgte ihm. Im Vorbeilaufen gab er Uri ein Zeichen. Der drehte das Absperrventil der Hauptleitung auf, Benzin schoss in den Kunststoffschlauch und ergoss sich Sekunden später mit vollem Strahl in die Werkhalle.
Als Uri den Zaun erreichte, waren bereits die Lichtkegel der Taschenlampen der Streifenposten, die erneut ihre Runde machten, zu sehen. Uri kletterte hoch und sprang schnell auf die andere Seite. David und er ergriffen die Leitern und eilten in die Dunkelheit, während Aaron ihnen sichernd folgte. Als sie von den Handscheinwerfern der Posten nicht mehr erfasst werden konnten, wurden sie langsamer. Trotz der Dunkelheit hatten sie keine Orientierungsschwierigkeiten. Als verfügten sie über einen eingebauten Kompass, strebten sie auf den Platz zu, an dem sie die Motorräder zurückgelassen hatten. Hier nahmen sie als erstes die Leitern auseinander und verstauten sie. Dann machten sie die Bikes startklar und warteten.
Minuten verrannen, die ihnen wie Stunden vorkamen. Plötzlich schoss ein Blitz in den Nachthimmel, und im Lichtschein sahen sie, wie das Dach der Werkhalle hochgehoben wurde.
Ein Feuerball schien das gesamte Gelände einzuhüllen. Die Detonationswelle schleuderte sie, obwohl sie geduckt auf ihren Maschinen saßen, zu Boden. In dem Inferno gingen die kleineren Detonationen der einzelnen Sprengladungen völlig unter. Für ein paar Sekunden starrten sie wie gebannt auf das, was noch vor wenigen Minuten eine Waffenschmiede gewesen war. Dann gab Aaron den Befehl zum Aufbruch. Sie starteten die Motorräder und fuhren los. Niemand würde die Motoren hören. Wer immer von der Wachmannschaft die Explosion überlebt haben mochte, würde noch für lange Zeit unter Schock stehen.
Sie waren schon ein ganzes Stück entfernt, als eine zweite gewaltige Detonation zu hören war. Der Benzintank musste in die Luft geflogen sein. Die Männer achteten nicht darauf, sondern fuhren, so schnell es die Dunkelheit erlaubte, nach Westen.
Eine Stunde lang ging es quer durch die Wüste, dann erreichten sie einen befestigten Wüstenpfad. Aaron hielt an, und sie stiegen ab. Stumm schüttelten sie sich die Hände.
»Macht’s gut«, sagte er und schwang sich wieder auf seine Maschine, gab Gas und brauste davon. Von hier aus war jeder auf sich selbst angewiesen. Wie bei der Hinfahrt, so benutzten sie auch jetzt unterschiedliche Routen.
Aaron hatte sich den weitesten Weg ausgesucht. Er wollte nach Süden ausweichen und später nach Westen einbiegen, um bei Ghadamis nach Algerien überzuwechseln. Mehr als sechshundert Kilometer musste er durch libysches Gebiet, bevor er halbwegs in Sicherheit war. Da er zumeist auf befestigten Straßen fahren konnte, hoffte er, in zehn bis zwölf Stunden die Grenze passiert zu haben. Das würde zwischen drei und fünf Uhr nachmittags sein. Das war zwar spät, aber es beunruhigte ihn nicht. Nach seiner Schätzung würden Stunden vergehen, bevor die libysche Regierung auch nur einen ungefähren Überblick über die Lage in der Fabrik haben konnte.
Er bezweifelte, dass ihre Spezialisten jemals herausfänden, dass das Unglück auf einen Anschlag zurückzuführen war. Selbst wenn sie wider Erwarten einen Hinweis fänden, konnte es noch Stunden dauern, ehe die ersten Fahndungsmaßnahmen eingeleitet würden.
Aaron hatte sich nicht verschätzt und erreichte unkontrolliert die Grenze. Weiträumig umfuhr er den Grenzposten und setzte seine Fahrt auf algerischer Seite bis zum Dunkelwerden fort. In die Plane eingewickelt, die er zur Tarnung mitgeführt hatte, verbrachte er die Nacht in der Wüste. Nach ein paar Stunden Schlaf brach er wieder auf. In den nächsten vier Stunden kam er nur schleppend voran, denn die Straße war schlecht. Sie bestand aus einer kaum befestigten und ungenügend markierten Wüstenpiste. Gegen sieben Uhr morgens hatte er es jedoch geschafft: Tunesien lag vor ihm. Wieder umfuhr er die Grenzstation, und nach fünf Kilometern erreichte er westlich des Shatt al Jarid endlich eine asphaltierte Straße. Von hier aus ging es schnell voran. Kurz vor Tunis bog er noch einmal in die Wüste ab, um seine Maschinenpistole und alle Ausrüstungsgegenstände, die er nicht mehr benötigte, zu vergraben.
In Tunis führte ihn sein erster Weg in die Suks, wo er neue Kleidung kaufte und danach ein kleines Hotel aufsuchte, in dem er sich von den Strapazen ausruhen konnte. Am nächsten Morgen ließ er sich von einem Taxi zum Flughafen bringen. Zwei Stunden später befand er sich auf dem Flug nach Frankfurt, von wo aus er sofort auf eine El-Al-Maschine nach Tel Aviv umsteigen konnte.
Ein Gefühl von Glück und Zufriedenheit überkam ihn, als er wieder israelischen Boden unter den Füßen spürte. Mit dem Strom der Passagiere ließ er sich durch die Kontrollen in die Ankunftshalle treiben.
Plötzlich überkam ihn ein sonderbares Gefühl. Gefahr!, schoss es ihm durch den Kopf. Im selben Moment hörte er eine Frau schrill aufschreien. Dann ratterte auch schon eine Maschinenpistole los. Geistesgegenwärtig warf er sich zu Boden – aber zu spät. Von mehreren Kugeln getroffen, wurde er herumgewirbelt. Er spürte schon nicht mehr, wie er hart auf die Steinfliesen aufschlug.
Roman Ochran war der einzige des Einsatzkommandos, der nicht nach Israel zurückging. Er wohnte in Tripolis und betrieb hier unter dem Namen Ussuf Kasran einen Textilladen in der Altstadt. Das Geschäft und vor allem Roman selbst waren für den israelischen Geheimdienst eine Goldgrube der Informationsbeschaffung. Hier, wo sich Menschen aus allen Lebensbereichen und Schichten trafen, blieb kaum ein Geheimnis verborgen. Wo immer im Land etwas passierte, hier in der Altstadt wusste man es zuerst und diskutierte es offen oder hinter vorgehaltener Hand. Für jeden, der es verstand, die Gerüchte zu deuten und Dichtung von Wahrheit zu unterscheiden, war die Altstadt eine Nachrichtenbörse. Und Roman war so ein Mann. Über ihn hatte der Geheimdienst die ersten Hinweise auf die Marschflugkörper bei Mizdah bekommen, und mit ihm zusammen hatte Aaron seine eigenen Nachforschungen betrieben. Da Roman seine Waren überall im Land einkaufte, fiel es nicht auf, wenn er sich mit seinem Lieferwagen in den Dörfern rund um die Fabrik aufhielt.
Am Tag vor dem Anschlag war er nach Mizdah gefahren und hatte bis zum späten Nachmittag Strick- und Webwaren eingekauft. Das diente der Tarnung, denn sein eigentliches Interesse galt der Transformatorstation südlich der Stadt. Von dieser Station aus wurde die Fabrik mit Strom versorgt.
Zufrieden stellte er fest, dass sich seit seiner letzten Erkundung nichts verändert hatte. Außer einem hohen Zaun gab es keine weiteren Schutzvorkehrungen. Weder eine Wache noch eine Streife sicherten die Station. Sein Auftrag würde ein Kinderspiel sein. Der Zaun stellte kein Hindernis dar und das Schloss an der Eingangstür zum Trafo-Gebäude ebenfalls nicht.
Nachdem er sich überzeugt hatte, dass es keine neuen Probleme gab, fuhr er mit seinem Lieferwagen in die Wüste und wartete auf die Nacht. Eine Stunde nach Mitternacht brach er zu Fuß auf und erreichte, ohne jemandem zu begegnen, die Umformerstation. Problemlos drang er in das Gebäude ein, und Punkt zwei Uhr schloss er die Umformer kurz. Auf dem gleichen Weg, den er gekommen war, eilte er zu seinem Wagen zurück und verwischte dabei mit einem Tuch seine Fußspuren. Als er einsteigen wollte, fiel ihm auf, dass der Wagen schräg nach hinten abgesackt war. Er ging um das Fahrzeug herum und sah, dass der rechte Hinterreifen platt war. Roman stieß einen Fluch aus und machte sich daran, den Reifen zu wechseln. Trotz der Dunkelheit ging ihm die Arbeit leicht von der Hand; schon nach fünf Minuten war er fertig und konnte abfahren.
Er hatte kaum die asphaltierte Straße erreicht, als der Wagen hinten ausbrach. Sofort trat er auf die Bremse und hielt an. Der Reifen, den er gerade erst gewechselt hatte, war geplatzt. Panik überfiel ihn, aber nur für einige Sekunden, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Die Lage war kritisch. Schon in kurzer Zeit würde es hier von Militär und Rettungskräften wimmeln, denn die Straße, auf der er stand, war die einzige befestigte Zufahrt zur Fabrik. In einem ersten Impuls wollte er sich zu Fuß durch die Wüste schlagen, doch das wäre keine Lösung gewesen. Der Lieferwagen hätte ihn verraten. Die Behörden würden nicht lange benötigen, um ihn als Besitzer zu identifizieren, und dann musste er damit rechnen, lästige Fragen gestellt zu bekommen. Es gab keine Alternative, der Wagen musste so schnell wie möglich von der Straße. Also holte er seine Taschenlampe aus dem Führerhaus und marschierte entschlossen in Richtung Mizdah davon. Im Süden erleuchtete ein Feuerschein den Himmel.
Nach zwanzig Minuten erreichte er die Stadt. Sie lag wie ausgestorben da, kein Licht war zu sehen. Der Kurzschluss hatte auch hier den Strom abgeschaltet. Im Schein der Taschenlampe eilte Roman durch die Häuserreihen und fand nach einigem Suchen die Straße, in der der Händler wohnte, bei dem er am Nachmittag eingekauft hatte. Er leuchtete die Häuserfronten ab, blieb vor einer aus starken Latten gefertigten Tür stehen und klopfte. Nichts rührte sich. Roman klopfte stärker – nichts. Er hämmerte mit der Faust gegen die Latten. Schließlich erklangen schlurfende Schritte, und gleich darauf wurde eine Klappe in der Tür geöffnet. Roman hielt die Taschenlampe so, dass sein Gesicht beleuchtet wurde.
»Du?«, fragte eine erstaunte Stimme. »Was treibst du denn um diese Zeit hier?«
»Tut mir wirklich leid, dass ich dich stören muss, Achmed, aber ich brauch deine Hilfe. Ich bin nicht weit von hier mit meinem Lieferwagen liegengeblieben. Reifenpanne. Hast du vielleicht einen Ersatzreifen, der auf meinen Bulli passen könnte?«
Die Klappe wurde geschlossen und die Tür geöffnet.
»Komm rein«, forderte Achmed ihn auf. »Ich kann kein Licht machen, der verfluchte Strom ist mal wieder ausgefallen. Wo steht dein Wagen?«
»Kurz hinter Mizdah.«
»Da? Du bist doch schon am Abend hier weggefahren.«
»Ich war noch in Fassona zum Einkaufen«, log Roman. »Kurz nachdem ich von dort losgefahren bin, hatte ich eine Reifenpanne. Ich hab meinen Reservereifen aufmontiert, aber das Scheißding hat nur bis hierher gehalten. Kannst du mir mit einem Reifen aushelfen?«
»Vielleicht. Komm mit.«
Achmed führte Roman durch einen Gang in den Hof.
»Leuchte mal da rüber.« Achmed zeigte nach rechts.
Roman folgte seiner Weisung. An der Wand standen mehrere Reifen. Alle sahen abgefahren aus, waren aber aufgepumpt.
»Wenn du einen findest, der passt, kannst du ihn haben.«
Roman hatte Glück. Er entdeckte einen Reifen mit der richtigen Größe.
»Leg ihn auf den Transporter«, forderte Achmed ihn auf. »Ich fahr dich zurück. Ich zieh mir nur schnell was über. Gib mir deine Lampe, dann geht’s schneller!«
Roman reichte Achmed die Taschenlampe und stand gleich darauf im Dunkeln. Er rollte den Reifen zu der Stelle, wo er den Wagen gesehen hatte tastete sich mit den Händen zur Ladefläche vor und wuchtete den Reifen hinauf. Dann ging er zum Führerhaus und stieg ein. Achmed kam wenige Minuten später.
Die Stadt lag noch immer wie ausgestorben da. Selbst auf der Landstraße, an der Romans Lieferwagen stand, war zu seinem Erstaunen noch alles ruhig. Sollte er tatsächlich so viel Glück haben, hier wegzukommen, bevor die Polizei und die Rettungsmannschaften anrückten?
Sobald der Transporter hielt, sprang er heraus, zog hastig das Ersatzrad von der Ladefläche und begann mit dem Auswechseln des Reifens. Achmed schaute ihm dabei über die Schulter. Das Rad passte. Wortreich bedankte sich Roman, Achmed winkte großzügig ab.
Roman brauste los. Er war etwa eine halbe Stunde unterwegs, als ihn eine Militärkolonne mit hoher Geschwindigkeit passierte. Sie nahm keine Notiz von ihm, und in gehobener Stimmung fuhr er weiter.
Gegen vier Uhr erreichte er die Autobahn nach Tripolis. Eine Dreiviertelstunde später war er zu Hause.
Am nächsten Morgen öffnete er wie gewöhnlich um neun Uhr sein Geschäft. In den Straßen und Läden der Altstadt herrschte eine gespannte Atmosphäre. Die Nachricht von der Explosion der Fabrik bei Mizdah war schon bekannt geworden. Die wildesten Gerüchte kursierten. Roman stand vor seinem Laden und registrierte sie interessiert. Einige Händler sprachen davon, dass eine israelische Terrorgruppe für das Unglück verantwortlich sei. Vorsichtig ging er dieser Behauptung nach, doch er konnte keine Hinweise finden, dass das Gerücht auf etwas anderem als auf reiner Phantasie basierte.
Während der kommenden Tage war die Katastrophe noch immer Gesprächsthema Nummer eins. Auch das Gerücht, dass die Israelis dafür verantwortlich seien, hielt sich beharrlich. Ansonsten ging der tägliche Betrieb in der Altstadt seinen gewohnten Gang.
Am vierten Tag – Roman unterhielt sich gerade mit Assim, einem anderen Stoffhändler – betraten zwei Männer das Geschäft. Roman unterbrach sofort das Gespräch und ging auf sie zu.
»Womit kann ich Ihnen dienen? Ich habe gerade heute Morgen beste Strickwaren hereinbekommen. Was darf …«
»Sind Sie Ussuf Kasran?«, fragte der Ältere der beiden.
»Ja.«
»Waren Sie vor vier Tagen in Mizdah?«
»Ja, ich habe dort Waren eingekauft.« Ein ungutes Gefühl beschlich ihn.
»Bei wem?«
»Bei Achmed, dem Wollhändler. Was soll die Fragerei? Wer sind Sie?«
»Geheimpolizei. Schließen Sie Ihren Laden ab. Sie kommen mit!«
Ein eisiges Gefühl kroch über seinen Rücken. Trotzdem fragte er betont forsch: »Was wollen Sie von mir? Worum geht es?«
»Das werden Sie früh genug erfahren. Kommen Sie jetzt, oder müssen wir Gewalt anwenden?«
Roman schossen blitzschnell die verschiedensten Gedanken durch den Kopf. Was konnten Sie wissen? Hatte ihn jemand gesehen? Sollte er fliehen? In dem Gewirr der Gassen müsste er eine Chance haben zu entkommen.
Die Männer schienen seine Gedanken erraten zu haben, denn wie auf ein Kommando hielten sie plötzlich Pistolen in den Händen.
»Kommen Sie nicht auf dumme Ideen«, sagte der Ältere. »Sie kämen nicht weit. Auf der Straße stehen weitere Männer.«
Roman antwortete nicht. Scheinbar gelassen ging er zum Eingang, verriegelte die Tür und ließ das Gitter herunter. Die Männer hielten sich so weit von ihm entfernt, dass ein plötzlicher Angriff keinen Sinn hatte. In den Türen der angrenzenden Läden standen die Besitzer und beobachteten neugierig, was sich bei ihm abspielte. Es würde keine Viertelstunde dauern, und die ganze Altstadt würde wissen, dass Roman von der Geheimpolizei verhaftet worden war.
Er wurde in eine bereitstehende Limousine gestoßen. Die Fahrt führte aus der Altstadt heraus, vorbei an dem Assaraya Al Hamra, dem alten Kastell, zur Al Fat’h, weiter am Hafen entlang nach Osten, und endete schließlich vor einem hässlichen viereckigen Gebäude. Roman kannte es. Es war das Hauptquartier der Geheimpolizei. Eine Stahltür öffnete sich, und die Wagen rollten in einen Innenhof.
»Aussteigen!«, herrschte ihn der Mann, der neben ihm gesessen hatte, an. Jede Höflichkeit war aus seiner Stimme gewichen.
Wortlos folgte Roman der Aufforderung.
Die Männer führten ihn in den Keller des Gebäudes und stießen ihn in einen kahlen Raum.
Roman hörte, wie ein Riegel von außen vor die Tür geschoben wurde. Er sah sich um. Der Raum war ohne Fenster. Zwei starke Deckenlampen tauchten ihn in gleißendes Licht. Die Wände sahen schmutziggrau aus. An verschiedenen Stellen zeichneten sich rostbraune Flecken ab. Roman konnte sich denken, was diese Flecken zu bedeuten hatten. Er kämpfte seine Angst nieder und setzte sich auf den einzigen Hocker, der im Raum stand. Er ahnte, was ihm bevorstand, und versuchte, sich an das zu erinnern, was er bei seiner Ausbildung zum Geheimagenten gelernt hatte. Er nahm sich vor, den Schmerz so zu bekämpfen, wie man es ihn gelehrt hatte. Auch damals hatte man sie gefoltert, bis sie vor Schmerz geschrien hatten. Aber jeder wusste, dass es eine Übung war und man ihnen keinen wirklichen Schaden zufügen würde. Jetzt jedoch war es ernst, und er wusste nicht, wie standhaft er sein würde. Der Gedanke, schwach zu werden und dadurch seine Kameraden ins Unglück zu stürzen, trieb ihm Schweißperlen auf die Stirn.
Der Riegel wurde zurückgeschoben, und drei Männer betraten den Raum. Einer von ihnen hatte ihn verhaftet. Die beiden anderen kannte er nicht. Die Männer bauten sich um ihn herum auf.
Roman entschloss sich zu sprechen.
»Weshalb bin ich hier? Was wirft man mir vor?«, stieß er scheinbar wütend hervor.
»Maul halten! Die Fragen stellen wir«, fuhr ihn der Mann, der vor ihm stand, an. »Wie heißt du?«
»Ussuf Kasran.«
»Wo wohnst du?«
Roman nannte seine Adresse. Sie lag in einem der vornehmen Wohnviertel der Stadt.
»Was wolltest du in Mizdah?«
»Das hab ich schon gesagt. Ich habe Waren eingekauft.«
»Du bist um sechs Uhr abends von dort weggefahren. Was hast du zwischen sechs Uhr abends und drei Uhr morgens gemacht?«
Da er nur von Achmed erfahren haben konnte, dass er um drei Uhr wieder in Mizdah gewesen war, erzählte er die gleiche Geschichte wie die, der er Achmed aufgetischt hatte.
Der Mann nickte, und sofort durchfuhr Roman ein stechender Schmerz.
»Du lügst«, fuhr ihn der Mann an. »Du warst bei keinem Händler in Fassona. Du warst überhaupt nicht in der Stadt.«
»Das ist nicht wahr.« Obwohl Roman ahnte, dass er verloren hatte, hoffte er, sich herauslügen zu können.
»Bei wem warst du?«
»Abdul Feirala.« Roman nannte den Namen eines Händlers, bei dem er von Zeit zu Zeit Waren gekauft hatte.
Wieder nickte der Mann, der die Vernehmung leitete, und wieder schlug ihm der Mann, der hinter ihm stand, in die Nieren. Ihm wurde vor Schmerz fast schwarz vor Augen.
»Du lügst, du Hund! Ich war selbst bei Feirala. Er hat dich seit mindestens vier Wochen nicht mehr gesehen. Ich rate dir, sag die Wahrheit! Du ersparst dir dadurch viel Schmerz, und zum Schluss sagst du uns doch alles, was wir wissen wollen. Also sei in deinem eigenen Interesse vernünftig! Noch einmal: Wo warst du?«
»In Fass-«
Weiter kam Roman nicht. Der Mann neben ihm hatte mit der Faust so hart gegen seine Wange geschlagen, dass er vom Hocker geschleudert wurde und zwei Meter weiter auf den Zementboden aufschlug. Roman fühlte, wie die Wange anschwoll und Blut aus seiner Nase lief. Sich den Schmerz verbeißend, rappelte er sich hoch. Der Mann, der hinter ihm gestanden hatte, packte ihn und drückte ihn auf den Schemel zurück.
»Was hast du in der Wüste gemacht? Sag die Wahrheit, oder wir brechen dir Hurensohn jeden Knochen einzeln.«
Roman war noch zu benommen, um die Frage zu verstehen. Er kam gar nicht dazu, nachzudenken, denn schon wieder traf ihn ein Faustschlag in die Nieren. Roman dachte, seine Eingeweide würden zerplatzen. Er versuchte, die Höllenqualen zu ignorieren, und biss die Zähne zusammen. Bevor er Luft holen konnte, traf ihn ein zweiter Fausthieb, der ihn neuerlich zu Boden warf und fast bewusstlos machte. Jemand zog ihn vom Boden hoch und stieß ihn auf den Schemel. Vor Schmerz fast willenlos, schwankte er auf dem Sitz hin und her und wäre heruntergestürzt, wenn ihn nicht einer der Männer am Kragen festgehalten hätte.
»Wir haben den Platz gefunden, wo du deinen Wagen in der Wüste geparkt hattest. Die Reifenspuren stimmen mit den Profilen der Reifen an deinem Lieferwagen überein«, hörte er wie von ferne. Es dauerte eine ganze Weile, bevor er die Tragweite der Worte begriff.
»Was wolltest du dort?«
Roman schwieg. Der Schmerz peinigte ihn so, dass er unfähig war, sich eine glaubhafte Lüge auszudenken.
Seine Folterknechte wechselten sich ab. Der, der neben ihm gestanden hatte, trat auf ihn zu und schlug ihm in den Magen. Roman musste sich übergeben.
»Was hattest du bei der Umformerstation zu suchen?«
Roman biss die Zähne zusammen und schwieg. Er hoffte inbrünstig, der nächste Schlag würde ihn ohnmächtig werden lassen. Aber er hatte sich geirrt. Die beiden Henkersknechte verstanden ihr Handwerk. Es dauerte lange, bis er bewusstlos vom Stuhl sackte.
Als er wieder aufwachte, lag er am Boden. Er war allein. Sein Körper fühlte sich an, als hätte man ihn Millimeter für Millimeter mit Eisenstangen bearbeitet. Nur verschwommen nahm er seine Umgebung wahr. Er musste sich erneut übergeben. Es dauerte lange, bis er wieder einigermaßen klar denken konnte. Aber er hatte nichts verraten, daran konnte er sich erinnern. Wie lange er noch durchhalten würde, das wusste er nicht. Bald würden sie wiederkommen und ihr Verhör und ihre Folterungen fortsetzen. Und er bezweifelte, dass er sie genauso wie das Vorspiel aushalten würde. Es musste etwas geschehen. Er musste hier raus – nur wie? Er rappelte sich hoch, setzte sich mit dem Rücken gegen die Wand und dachte nach. Es war nicht leicht, sich bei den wahnsinnigen Kopfschmerzen zu konzentrieren. Schließlich glaubte er, eine Möglichkeit gefunden zu haben. Vorsichtig stand er auf und streckte die schmerzenden Glieder. Er konnte sich bewegen, gebrochen war nichts. Er machte ein paar Schritte, torkelte, reckte und streckte sich, um seinen Körper wieder gebrauchen zu können. Dann nahm er den Schemel und schlug damit gegen die Tür. Er schrie wie wahnsinnig, hörte plötzlich abrupt auf und legte sich mit halbangezogenen Knien wie tot neben die Tür. Den Schemel hielt er mit der rechten Hand am Bein umklammert.
Wie erwartet erklangen eilige Schritte auf dem Flur. Die Klappe in der Tür wurde geöffnet. Jemand sah herein. Roman hörte, wie der Riegel fortgeschoben und die Tür geöffnet wurde. Durch die schmalen Schlitze seiner Augen sah er zwei Stiefel herantreten, schnellte hoch und schlug den Schemel gegen den Wärter. Der überrumpelte Mann hatte keine Zeit zur Abwehr. Der Hocker traf ihn an der Schläfe und ließ ihn sofort zusammenbrechen.
Noch während Roman hochsprang, sah er einen zweiten Wächter im Türrahmen und stürzte sich, ohne sich zu besinnen, auf ihn. Wieder traf er zielsicher den Kopf und streckte ihn zu Boden.
Roman bückte sich, riss ihm die Pistole aus dem Halfter und rannte los. Im Laufen entsicherte er die Waffe.
Er erreichte die Treppe, als ein weiterer Wärter auftauchte. Er kümmerte sich nicht um ihn, sondern sprang die Treppe hoch. Die Luft wurde ihm knapp, aber er zwang sich, weiterzulaufen. Da er bei seiner Ankunft gesehen hatte, dass die Fenster im ersten Stock vergittert waren, stürmte er bis zum zweiten Stock hoch und riss hier die erste Tür auf. Zwei Männer blickten ihm erstaunt entgegen. Ehe sie wussten, was los war, hatte Roman zweimal abgedrückt, und die Männer schlugen mit durchschossener Brust auf die Schreibtische. Roman rannte durchs Zimmer, riss das Fenster auf, schwang sich aufs Fensterbrett und sprang nach unten. Er fühlte einen stechenden Schmerz im rechten Fuß, aber er biss die Zähne zusammen und lief humpelnd weiter.
Er mochte etwa fünfzig Meter weit gekommen sein, als er Schüsse hinter sich hörte. Zickzack laufen, war sein letzter Gedanke, bevor er, von einer Kugel getroffen, aufs Pflaster geschleudert wurde.
Nur zwei Häuserblocks weiter besprachen zwei hohe Offiziere die Katastrophe von Mizdah. Der Ältere von beiden war der Kriegsminister, er trug die Rangabzeichen eines Armeegenerals. Sein Gesprächspartner war Generalmajor Kassim, Chef der Geheimpolizei und Kommandeur des militärischen Geheimdienstes. Der Kriegsminister war sichtlich erregt.
»Alles schön und gut, aber sind Sie sicher? Haben Sie Beweise?«, unterbrach er den Vortrag des Generalmajors.
Der kleine, untersetzte Offizier mit den intelligenten Gesichtszügen rückte seine goldene Brille zurecht. Es war eine Angewohnheit von ihm, wenn er Zeit zum Überlegen gewinnen wollte. Betont ruhig antwortete er: »Sicher, Herr Minister, bin ich mir nicht, aber«, seine Stimme wurde eindringlicher, »es deutet einiges darauf hin, dass es kein Unglücksfall war.«
Der Minister schlug mit der Faust auf den Tisch. »Verdammt, Kassim, das reicht mir nicht! Ich muss Genaueres wissen. In zwei Stunden muss ich zum Präsidenten. Der macht mir die Hölle heiß, wenn ich ihm keine Fakten melden kann. Haben denn Ihre Spezialisten nichts Konkretes gefunden? Sie sind doch nun schon seit Tagen bei der Arbeit.«
»Seit vier Tagen, um genau zu sein.«
Der Kriegsminister machte eine verächtliche Handbewegung. »Das sind vier Ewigkeiten. Ihre Männer hätten längst etwas finden müssen. Vielleicht hätte ich mit den Ermittlungen nicht den Geheimdienst betrauen sollen.«
Nur am plötzlichen Aufglühen der schwarzen Augen konnte man erkennen, dass Kassim sich getroffen fühlte. Er antwortete jedoch ohne erkennbare Gefühlsregung: »Ich glaube nicht, dass jemand anderes bessere Arbeit leisten könnte als meine Männer. Sie sollten sich das Fabrikgelände einmal ansehen. Wenn dort eine Atombombe eingeschlagen hätte, könnte es nicht schlimmer aussehen. Da steht auch …«
Der Minister unterbrach ihn ungeduldig: »Woraus schließen Sie, dass es kein Unglücksfall war?«
Kassim machte eine vage Handbewegung. »Meine Männer haben in der Nähe der Fabrik Reifenspuren von Motorrädern gefunden. Außerdem haben wir einen Mann aufgegriffen, der sich zum Zeitpunkt des Stromausfalls in der Nähe der Umformerstation herumgetrieben hat.«
»Und?«
»Er wird gerade vernommen.«
»Machen Sie Dampf! Ich brauche Fakten, wenn ich zum Präsidenten muss.«
Der Minister konnte seine Angst vor diesem Besuch kaum verbergen.
»Das geschieht bereits. Wenn er etwas weiß, kriegen wir es heraus.«
Der Minister trommelte nervös mit den Fingern auf der Schreibtischunterlage. »Wir sollten die ganze Sache als Terroranschlag der Israelis hinstellen.«
Kassims Miene zeigte deutlich, dass er von diesem Vorschlag wenig hielt. »Ich glaube auch, dass diese verfluchten Hunde dahinterstecken. Unser Verbindungsmann in Tel Aviv hat nämlich gemeldet, dass Aaron Goldsteen vor zwei Tagen auf dem Flughafen Lod erschossen wurde. Sie wissen sicherlich, Goldsteen ist«, er verbesserte sich sofort, »war Spezialist für solche Terroraktionen. Wir haben sofort nachgeforscht und konnten seine Spur bis zum Flughafen von Tunis verfolgen. Trotzdem«, Kassim machte eine Pause, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen, »glaube ich nicht, dass es ein guter Gedanke wäre, wenn wir Israel für die Katastrophe verantwortlich machen würden.«
Kassim wusste, dass seine Stellung als Chef des Geheimdienstes und der Geheimpolizei so mächtig war, dass er sich diese ehrliche Aussage erlauben konnte.
»Unsinn!«, fuhr der Minister böse auf. »Wenn wir Israel dafür verantwortlich machen, werden wir den Hass des Präsidenten auf diese Hundesöhne so schüren, dass er alles andere vergisst, und ich glaube, das kann uns beiden nur recht sein. Schließlich war dieses Projekt sein Lieblingskind.«
»Das schon«, stimmte Kassim zu, »nur sollten wir uns gerade aus diesem Grund genau überlegen, ob wir Israel ins Spiel bringen. Jetzt, nachdem der Irak zerschlagen ist, sind wir die stärkste islamische Macht. Unsere Armee ist gut ausgerüstet und schlagkräftig. Wir sind von Allah dazu ausersehen, die Führung der islamischen Welt zu übernehmen und unter unserem Banner zu vereinigen. Gerade dieser Gedanke war es doch, der den Präsidenten dazu bewog, die neuartige Waffe entwickeln zu lassen. Ein Konzept, dem ich schon immer skeptisch gegenüberstand, wie Sie wissen.«
»Natürlich weiß ich das«, fuhr der Minister ungehalten dazwischen. »Sie haben mir aber immer noch nicht gesagt, warum wir Israel nicht für die Tat verantwortlich machen sollten.«