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Der Profifußball verliert seine Unschuld Wir reden von Fußballvereinen, obwohl wir es längst mit AGs und GmbHs zu tun haben. Wer aber steht hinter diesen Gesellschaften? Wer profitiert von diesem gigantischen Geschäft um Übertragungsrechte und Merchandising? Welcher Apparat ist um die 90 Minuten herum entstanden, der uns tagaus, tagein Relevanz vortäuscht, es aber immer weniger schafft, vom großen Geschäft für einige wenige abzulenken, die knallhart ihre Interessen verfolgen? Deutschland ist Weltmeister, die Bundesliga boomt, König Fußball ist beliebt wie nie. Meint man. Dabei sagen nur rund 30 Prozent der Deutschen, dass sie sich aktiv für Fußball interessieren, wie Umfragen bestätigen. Trotzdem werden viele Kosten, die durch dieses Spektakel entstehen, der Allgemeinheit aufge- drückt. Der Großteil der Umsätze wird schon lange nicht mehr mit den Einnah- men aus den Stadionbesuchen bestritten. Entstanden ist ein Wirtschaftszweig, der sich perfide unschuldig gibt, von dem aber nur wenige profitieren - auf Kosten der Fans. Das vorläufige Ergebnis: In vielen Ligen herrscht bereits große Langeweile, weil ein, zwei Vereine jeden Wettbewerb dominieren. Jens Berger durchleuchtet unseren Lieblingssport und nennt Zahlen, Daten und Fakten, die bisher nicht bekannt waren.
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Seitenzahl: 351
Ebook Edition
Jens Berger
Der Kick des Geldesoderwie unser Fußball verkauft wird
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ISBN 978-3-98791-012-8
Neuauflage 2022
© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2015
Satz und Datenkonvertierung: Publikations Atelier, Dreieich
In diesen Tagen findet im Wüstenstaat Katar die Fifa-Fußballweltmeisterschaft statt – in einem Land, das nicht nur der gelebte Gegenentwurf zu den von der Fifa propagierten »Werten« ist, sondern vor allem nicht einmal im Ansatz über so etwas wie eine Fußballtradition verfügt. Die Frage, wie Katar die WM bekommen konnte, ist recht einfach zu beantworten: Man hat sich das Turnier ganz profan gekauft. Und dies ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Kommerzialisierung des Fußballs und die krummen Geschäfte rund um die ehemals schönste Nebensache der Welt schreiten in so kaum für möglich gehaltenem Maße immer weiter voran.
Als ich im Jahre 2015 dieses Buch schrieb, waren die Weichen zu dieser Fehlentwicklung schon lange gestellt. Die Chance, korrigierend einzugreifen, wurde nicht wahrgenommen. Um so interessanter ist es, heute, also gute sieben Jahre später, zurückzuschauen. Auch wenn die Zahlen von damals überholt sind und von der Realität vielfach übertroffen wurden, ist dieses Buch auch heute noch brandaktuell. Vielleicht hilft der Blick in die Vergangenheit, die Gegenwart besser zu verstehen und diesmal die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen. Wäre es nicht schön, wenn die WM in Katar als grotesker Höhepunkt der Fehlentwicklungen in die Geschichte einginge? Als Weckruf, der den institutionellen Fußball an das erinnert, was er mal war und auch künftig sein könnte? Wir alle wissen, dass die Hoffnung zuletzt stirbt. Vielleicht trägt dieses Buch ja zumindest einen winzigen Teil dazu bei, dass wir diese Hoffnung noch nicht sterben lassen.
Jens Berger
Wolfshagen, im November 2022
Mythos Fußball
Welcher Fußballfan erinnert sich nicht mit Tränen in den Augen an den großen Moment, als er zum ersten Mal als kleiner Junge die Treppe zur Tribüne eines Bundesligastadions erklommen hatte und nun inmitten einer singenden und emotional aufgeheizten Menge von mehreren Zehntausend Gleichgesinnten den Rasen erblickte, der für uns die Welt bedeutet? Und wer erinnert sich nicht an die Panini-Bildchen, die man von seinem knappen Taschengeld beim Kiosk vor der Schule kaufte, um dann seine »Doppelten« mit den Klassenkameraden zu tauschen? Und wer mag sich nicht an all die grenzenlose Freude erinnern, wenn das Lieblingsteam einen wichtigen Sieg errungen hatte, und an all die Tränen, die unweigerlich flossen, wenn es mal nicht so gut lief und der Abstieg mal wieder ein Stück näher gerückt war? Wer hat die Umarmungen wildfremder Menschen und den kollektiven Freudentaumel vergessen, als die Mannschaft, die Fans stets als »wir« bezeichnen, den Cup holte?
Fußball ist viel mehr als ein Spiel. Fußball ist Emotion, ist Leidenschaft. Fußball ist der erste Ball, den man beim Kicken mit den Jungs aus der Nachbarschaft zwischen zwei Mülltonnen versenkte, die das Tor darstellen sollten. Fußball ist die erste Schürfwunde auf dem Hartplatz, auf den man die Jugendmannschaften im ersten echten Fußballverein verbannte. Fußball ist die Kiste viel zu warmes Bier, die man nach dem Spiel an der Uni zusammen mit den Kumpels aus der – nomen est omen – Thekenmannschaft hinunterkippte. Fußball ist die Pause vom »richtigen« und nicht immer nur von Glück und Erfolg bestimmten Leben. Fußball ist auch eine universelle Sprache, die kulturelle und soziale Unterschiede überbrückt und selbst im afrikanischen Dschungel oder der südamerikanischen Pampa verstanden wird. Noch heute ist Fußball in Entwicklungsländern oft der einzige legale Weg, um vielleicht einmal selbst am großen Geld der reichen Welt teilzuhaben. Ein Traum – aber was wäre die Welt ohne die Träume? All dies kann Fußball sein, und all dies ist Fußball auch für Millionen Menschen.
Fußball ist jedoch auch Korruption, ein Sport, der von alten, traurigen Männern zu Tode verwaltet wird. Fußball ist das Aufmarschgebiet von rechtsradikalen Schreihälsen und Schlägern, die mit ihrem Leben nichts anfangen können. Fußball ist die letzte Bastion des Machismo, in der Frauen allenfalls als Accessoire, als Spielerfrauen mit falschen Brüsten und riesigen Sonnenbrillen vorkommen. Fußball ist Gegenstand von bestochenen Schiedsrichtern und Spielern, Wettpaten und Funktionären, die mit Geldbündeln Siege kaufen. Fußball ist das Lieblingsthema der Bild-Zeitung, er ist Segen und Fluch zugleich. Und Fußball ist vor allem eins: ein gigantisches Geschäft, das sich von Jahr zu Jahr mehr von seinen Wurzeln entfernt und mehr und mehr zu einer Ware verkommt.
Schon heute entscheiden nicht nur das Talent und die sportlichen Fähigkeiten, sondern vor allem das große Geld über Erfolg und Niederlage. Wer in den obersten Ligen mitspielen will, muss seine Haut zu Markte tragen und Teil eines Verwertungskarussells werden, dessen Ziel nicht die Leidenschaft der Fans, sondern deren Geld ist. Fußballstars werden von den Medien und spezialisierten PR-Firmen zu modernen Halbgöttern stilisiert, aus denen dann globale Werbe- und Marketingikonen geformt werden. Aus dem Arbeitersport mit seinen gesellschaftlich bestenfalls belächelten, schlimmstenfalls verachteten Anhängern ist ein Event für die Allgemeinheit geworden – ein Event, das für teures Geld vermarktet werden will, um Renditen zu generieren. Aus Fans werden Kunden, aus Zuschauern Zielgruppen. Und wer nicht ins ökonomische Verwertungskonzept passt, soll sich halt ein neues Hobby suchen.
Der moderne Fußball integriert nicht, er schließt aus. Wer nicht genug Geld für die immer teurer werdenden Eintrittskarten hat, gehört ohnehin nicht zur Zielgruppe, da er sich dann auch die Merchandisingartikel der Klubs und die tollen Produkte, die auf den Trikots und Banden beworben werden, nicht leisten kann. Und ohne die Einnahmen aus dem Merchandising und dem Sponsoring kann kein Klub auf Dauer in den oberen Ligen mitspielen. Wir liefern euch neunzig Minuten Unterhaltung und wollen dafür euer Geld und eure Bereitschaft, noch mehr Geld für die Produkte und Dienstleistungen auszugeben, mit deren Vermarktung wir die Show bezahlen. Was können wir schon dafür, dass unsere Dienstleistung immer teurer wird. Mit Schülertickets und einer Bratwurst für 1,50 Euro können wir die Millionengagen der Stars, für die ihr ins Stadion kommt, schließlich nicht finanzieren. Ihr wollt eine Show, die Weltklasse und nicht Kreisklasse ist – dann bezahlt auch dafür. Das ist der Deal, und wer sich nicht daran halten will oder kann, ist bei uns nicht erwünscht.
Die Fans drohen bei dieser Kommerzialisierung zum Beiwerk, zur Staffage zu werden. Das Zauberwort des modernen Fußballs lautet »Globalisierung«, und damit ist vor allem der globale Verkauf von Merchandisingprodukten und TV-Rechten sowie der Zugang zu einer globalen Öffentlichkeit gemeint, die schließlich auch für die Sponsoren viel Geld wert ist. Der Fan, der dem Verein seit Jahrzehnten die Daumen drückt, aber immer noch den ollen Strickschal von 1983 trägt, weil er sich schon die Eintrittskarten vom Munde absparen muss, ist im Sinne der Verwertungslogik uninteressant. Bei den großen Klubs schielt man schon längst auf den asiatischen Markt. Dabei ist es zweitrangig, ob der Chinese überhaupt weiß, in welcher Stadt der jeweilige Klub zu Hause ist, und ob er die Regeln des Spieles eigentlich kennt. Entscheidend ist nur, dass er zahlungsfähig und zahlungswillig ist. Wen interessiert denn schon Tradition? Was ist Treue? Ist das mehr als ein »Claim« in der Vermarktungsstrategie, mehr als ein »Unique Selling Point« auf dem globalen Markt?
Machen wir uns nichts vor: Das idealisierte, eingangs beschriebene Bild des Fußballs hat mit der Realität nicht mehr viel zu tun. Dieses Buch versucht, die Entwicklungen, die der moderne Spitzenfußball ökonomisch genommen hat, nachzuzeichnen, über aktuelle Entwicklungen aufzuklären und so manchen Mythos zu entzaubern. Mit dem Wissen wächst bekanntlich der Zweifel. Dabei geht es nicht darum, den Fußball schlechtzumachen. Es geht vielmehr darum, die Notbremse zu ziehen und das Ruder herumzureißen. Denn noch ist es nicht zu spät.
Big Business Fußball
Fußball ist nicht nur die schönste Nebensache der Welt, sondern mittlerweile auch ein gigantisches Geschäft. Die fünf größten Profiligen Europas setzen zusammen pro Jahr rund 11 Milliarden Euro um. Wenn der Wachstumstrend anhält, wird sich diese Zahl Prognosen zufolge bereits 2017 verdoppelt haben und dann ungefähr dem Bruttoinlandsprodukt von Lettland entsprechen. Und dies sind lediglich die direkten Umsätze der Klubs; wie groß das Geschäft rund um den Fußball ist – also von Sportartikeln, über die Gastronomie im Umfeld des Fußballs bis hin zu Sportwetten –, ist unmöglich zu schätzen.
Das Spiel, bei dem sich elf Freunde auf jeder Seite in ihrer Freizeit auf einem Bolzplatz die Lunge aus dem Leib rennen, ist dabei jedoch nur das Mittel zum Zweck. Es könnte genauso gut Handball, Basketball oder Cricket sein, wenn eine dieser Sportarten derart großes Interesse bei den Massen hervorrufen würde. In Deutschland, wie in den meisten Ländern der Welt, ist es jedoch König Fußball, der nicht nur ein echter Breitensport ist, sondern auch als modernes Event Millionen Menschen in seinen Bann zieht. Und in einer globalen Marktwirtschaft sind es genau diese Events und Größenordnungen, mit denen sich sehr viel Geld verdienen lässt.
Im großen Geschäft Fußball geht es natürlich vor allem darum, Geld zu verdienen. Direkt mit dem Verkauf von Tickets, Trikots und kitschigen Werbeartikeln, dem Handel von Übertragungsrechten, der seinerseits über Pay-TV und Werbespots refinanziert wird, und dem Verkauf von Werberechten, angefangen beim Trikot, über die Banden im Stadion bis hin zum Ausrüstervertrag mit einem Sportartikelhersteller. Das Geld fließt in rauen Mengen, und es sind keinesfalls nur die Fußballfans, die für das Spektakel bezahlen. Über die Fernsehabgabe, den Preisanteil für Werbekosten bei Markenprodukten und die Steuern beteiligt sich jedermann an der Finanzierung.
Dafür ist die Show, die uns von den modernen Helden auf dem Rasen geboten wird, ja auch nicht schlecht. Sie muss schließlich auch gut sein, ansonsten ließe sich der Wachstumstrend kaum fortsetzen und mit dem gigantischen Geldverdienen wäre erst einmal Schluss. Genau diese Gefahr wird von den Managern ignoriert, die in den Klubs, Ligen und Unternehmen im Umfeld den modernen Spitzenfußball nach modernen Managementmethoden führen. Wie sich der Fußball weltweit verändern und in welche Richtung sich vor allem der deutsche Fußball entwickeln wird, ist dabei vollkommen offen.
Noch boomt der Fußball jedenfalls und mit ihm boomt die Bundesliga. Von den 306 Spielen der 1. Bundesliga waren in der letzten Saison 133 ausverkauft. Insgesamt wurden in der Saison rund 13,3 Millionen Karten verkauft. Durchschnittlich schauten sich 43 532 Fans die Spiele im Stadion an. Das ist Weltrekord – weder im fußballverrückten Italien noch im international dominanten Spanien noch im selbsternannten Mutterland des Fußballs England haben so viele Fußballbegeisterte den Weg ins Stadion gefunden.
Wenn am Samstagnachmittag die Spiele der Bundesliga angepfiffen werden, verfolgen mindestens 1,29 Millionen Haushalte das Spektakel im Pay-TV-Sender Sky. Wie viele Fans die Spiele in Kneipen und Sportbars verfolgen, ist nicht messbar. Die samstägliche ARD-Sportschau wurde in der letzten Saison von durchschnittlich 5,34 Millionen Zuschauern verfolgt – die ARD erzielt mit diesem Sendeplatz einen Marktanteil von 24,3 Prozent. Weitere 2,15 Millionen Zuschauer verfolgen am Samstagabend das aktuelle sportstudio im ZDF. Sämtliche Sendungen konnten ihre Quoten gegenüber den Vorjahren stetig steigern.
Das Produkt Bundesliga ist so beliebt wie nie zuvor, und das macht sich natürlich auch in den Zahlen bemerkbar. In der abgelaufenen Saison erwirtschafteten die 18 Klubs der Bundesliga einen Umsatz von 2,45 Milliarden Euro – eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr von 12,9 Prozent. 2,45 Milliarden Euro … diese Zahl mag sich in Zeiten, in denen man aus den Medien tagein, tagaus mit absurd hohen Zahlen aus dem Finanzsektor bombardiert wird, gar nicht mal so fürchterlich groß anhören. Um wie viel Geld es geht, zeigt jedoch folgender Vergleich: Würden sich die Einnahmen der Bundesliga in gleicher Summe auf alle deutschen Haushalte verteilen, hätte jeder deutsche Haushalt den Bundesligaklubs im letzten Jahr 61,25 Euro bezahlt.
Als Deutschland wiedervereinigt wurde, lag der Umsatz noch bei vergleichsweise bescheidenen 186 Millionen Euro, und auch zur Jahrtausendwende war man mit 757 Millionen Euro noch sehr weit von den heutigen Dimensionen entfernt. Jahr für Jahr wächst der Umsatz der Bundesliga im Schnitt im zweistelligen Bereich und es ist durchaus anzunehmen, dass sich dieser Trend fortsetzt. Welche Branche kann schon solche Wachstumszahlen generieren?
Und wenn nun Fußballgegner sagen, dieses Wachstum sei doch nur eine Blase, die auf Pump finanziert wurde, so muss man sie eines Besseren belehren. In der Saison 2013/2014 konnten die Bundesligaklubs einen operativen Gewinn von mehr als 390 Millionen Euro vermelden – auch hier gibt es einen stetig steigenden Trend. König Fußball ist demnach in Deutschland nicht nur sehr beliebt, sondern auch sehr profitabel.
Werfen wir einen Blick auf die Klubs, die mit den größten Zahlen jonglieren.
Nur die wenigsten Fans können sich vorstellen, wie die millionenschweren Gagen der Topstars und erst recht die immer absurder werdenden Transfersummen, die im internationalen Fußballgeschäft mittlerweile zur Normalität gehören, eigentlich refinanziert werden. Wer bezahlt die Show, die uns da geboten wird? Um einen ungefähren Überblick über das Geschäftsmodell Fußball zu bekommen, lohnt sich ein Blick auf den nationalen Branchenprimus – den FC Bayern München.
Der Todesstern des Südens – wie der FC Bayern München die Bundesliga dominiert und beschädigt
Die Bayern haben ihres eigenen Jahresabschlusses zufolge im Geschäftsjahr 2013/2014 487,5 Millionen Euro umgesetzt und dabei einen operativen Gewinn von 83,3 Millionen Euro erzielt, wovon nach den Abschreibungen noch 25,4 Millionen Euro und nach Steuern 16,4 Millionen Euro übriggeblieben sind.1 Damit ist der FC Bayern der weltweit drittgrößte Fußballklub, gemessen am generierten Umsatz2, und trägt knapp 20 Prozent des Umsatzes der gesamten Bundesliga bei.
Kaum verwundern dürfte, dass auf der Kostenseite die Personalkosten den mit Abstand größten Block ausmachen. Im bilanzierten Jahr gaben die Bayern 215 Millionen Euro für Gehälter aus – rund drei Viertel davon dürften an die Profispieler und den Trainerstab gegangen sein, während der Rest sich auf die rund 500 übrigen Mitarbeiter des bayerischen Fußballkonzerns verteilte. Auch hier sind die Wachstumsraten beeindruckend: Zehn Jahre zuvor lagen die Personalkosten der Bayern noch unter der 100-Millionen-Euro-Marke. Von derartigen Gehaltssteigerungen können normale Arbeitnehmer nur träumen. Zusätzlich geben die Bayern Jahr für Jahr zwischen 50 und 70 Millionen Euro für Neuverpflichtungen aus – so kauften sie 2012 den spanischen Innenverteidiger Javi Martínez für 40 Millionen Euro und den kroatischen Stürmer Mario Mandžukić für 13 Millionen Euro, 2013 schnappten sie den Dortmunder Konkurrenten den späteren WM-Star Mario Götze für 37 Millionen Euro weg und leisteten sich mit Thiago Alcántara noch einen Mittelfeldspieler für 25 Millionen Euro. 2014 holte man sich unter anderem den marokkanischen Verteidiger Mehdi Benatia für 28 Millionen Euro, der in der letzten Saison jedoch nur fünfzehnmal in der Bundesliga zum Einsatz kam. Materialkosten und Abschreibungen komplettieren die Kostenseite.
Interessanter dürfte jedoch die Einnahmenseite sein. Hier macht nicht der Erlös aus dem Kartenverkauf, der früher der mit Abstand größte Einnahmenblock von Fußballvereinen war, sondern der Bereich »Commercial« mit fast 300 Millionen Euro 60 Prozent der Gesamteinnahmen aus – der Bereich »Matchday«, der die Kartenverkaufserlöse samt Catering und Hospitality (also Logen usw.) ausmacht, trägt bei den Bayern mit 88 Millionen Euro nur noch zu 18 Prozent der Gesamteinnahmen bei. Unter »Commercial« werden dagegen sowohl Sponsoreneinnahmen als auch die immer wichtiger werdenden Einnahmen aus dem Merchandisinggeschäft verbucht.
Im Bereich »Sponsoring« nehmen die Bayern jährlich rund 117 Millionen Euro ein. Darunter befindet sich der Vertrag mit dem Trikotsponsor Deutsche Telekom, der jährlich rund 30 Millionen Euro in die Kassen spült, und der Vertrag mit Ausrüster Adidas, der 20 Millionen Euro einbringt. Der Versicherungskonzern und Bayern-Miteigentümer Allianz zahlt den Bayern jährlich 6 Millionen Euro dafür, dass die Bayern ihre Heimspiele in der »Allianz Arena« austragen. Komplettiert wird das Feld von zahlreichen weiteren Sponsoren, die im Umfeld des FCB werben dürfen. All diese Zahlen sind nur Momentaufnahmen und steigen rasant. So hat der FC Bayern jüngst seinen Ausrüstervertag mit Adidas, ebenfalls ein Miteigentümer der Bayern, verlängert und erhält nun anstatt der bisherigen 20 Millionen stolze 70 Millionen Euro pro Jahr.
Ebenfalls unter »Commercial« fallen die Einnahmen aus dem Merchandisinggeschäft. Darunter fallen in erster Linie die verkauften Trikots, die vor allem dann hochprofitabel sind, wenn sie über den eigenen Fanshop online oder offline verkauft werden. Der FC Bayern verkauft momentan rund 1,2 Millionen Trikots pro Jahr – das ist mehr als der Rest der Bundesliga zusammen. Und auch das ist erst der Anfang. Im letzten Jahr hat der FC Bayern ein Kooperationsabkommen mit dem chinesischen Staatsfernsehsender CCTV abgeschlossen, um im Land des Lächelns noch bekannter zu werden.3 Die Bayern-Offiziellen rechnen bereits vor, dass der chinesische Markt für die Bayern das Volumen von 90 Millionen verkauften Trikots ermöglichen soll – wen interessiert da noch der Arbeiter aus Giesing?
Neben den Sponsoring- und den Merchandisingeinnahmen sind die Einnahmen aus dem Verkauf der Fernsehübertragungsrechte die dritte Säule im Einnahmenkonzept des FC Bayern (siehe Seite 122). Aktuell kassieren die Bayern jährlich rund 50 Millionen Euro über die DFL, die die Bundesligaspiele national und international vermarktet, rund 7 Millionen Euro über den DFB, der die Pokalspiele vermarktet, und weitere 68 Millionen Euro über die UEFA, die die Rechteeinnahmen aus der Champions League ausschüttet. Zusammen sind dies 125 Millionen Euro. Nur mal so zur Einordnung: Es gibt inklusive der Bayern nur drei Bundesligaklubs die auf ein Gesamtbudget kommen, das über 120 Millionen Euro liegt.
Wenn Bayern-Offizielle über diese Zahlen sprechen, dann tun sie dies stets mit dem Unterton, dass seriöses Management nun einmal sportlich und auch finanziell belohnt wird. Das ist freilich heuchlerisch hoch zehn. Die Münchner Bayern wurden vielmehr durch ihre traditionell gute finanzielle Lage in die Situation versetzt, sportliche Erfolge zu erzielen. Und mit den Erfolgen kam die Bekanntheit und mit der Bekanntheit das Interesse der Sponsoren und der Käufer für Merchandisingartikel. Und die Spirale dreht sich munter weiter: Mit den Rekordeinnahmen können Rekordtransfers und Rekordgehälter bezahlt werden, die wiederum zu sportlichen Erfolgen führen, die abermals die Bekanntheit steigern. Man sollte Glück nicht mit Seriosität verwechseln – und für ihren Dusel sind die Bayern ja sprichwörtlich bekannt.
Vor allem die Fans der Bayern lassen diese Argumente natürlich nicht gelten. Auch als neutraler oder bayernfeindlicher Fußballinteressierter solle man doch froh sein, dass es die Bayern gibt. Mia san halt mia, und mia schaffen es zumindest, auch international mit den Topklubs aus England, Spanien und Italien mitzuhalten. Und das ist doch das Beste, was dem deutschen Fußball passieren kann. Ist das so?
Oberflächlich betrachtet sind die Bayern natürlich schon das Aushängeschild der Bundesliga und interessanterweise im Ausland auch wesentlich beliebter als im Inland. Dieser internationale Erfolg hat jedoch seinen Preis, und den bezahlen vor allem die anderen Bundesligisten und schlussendlich auch der deutsche Fußballfan. Durch die Bayern ist zwar die Champions League für diejenigen, die gerne ein deutsches Team anfeuern, interessanter geworden, gleichzeitig hat jedoch die Bundesliga an Spannung verloren. Der Dauerdominator FC Bayern ist nun einmal zu groß, zu mächtig und zu erfolgreich für die Bundesliga. Und dies hat vor allem finanzielle Gründe.
Siege auf Pump – die Verfolger und ihr riskantes Spiel
Dies verdeutlicht ein Vergleich zwischen den Bayern und dem zuletzt nicht sportlich, aber sehr wohl finanziell Zweitplatzierten der deutschen Bundesliga. Borussia Dortmund setzte 2014 rund 262 Millionen Euro um, das ist rund die Hälfte des Bayern-Umsatzes und weniger als die Einnahmen der Bayern nur im Bereich Sponsoring und Merchandising. Dabei ist der BVB zumindest nach dem Zuschauerschnitt die beliebteste Mannschaft Deutschlands und kann dennoch im Bereich »Einnahmen aus dem Spielbetrieb« nur knapp zwei Drittel der Bayern-Einnahmen generieren. Dortmund kann im Grund machen, was es will – es ist wie beim Rennen zwischen Hase und Igel: »mir san scho da!«
Dabei war der BVB lange Zeit der einzige Verein, der überhaupt mit den Bayern mithalten konnte. Die Borussia aus Dortmund hat 500 offizielle Fanklubs, in denen mehr als 25 000 Fans organisiert sind, und die Südtribüne mit ihren treuen Fans ist ein Mythos für sich. Das sah nicht immer so aus. 1974 spielte der BVB in der 2. Liga und war finanziell und sportlich am Boden. Nur 8 900 Zuschauer kamen im Schnitt zu den Heimspielen ins Stadion Rote Erde. Doch Dortmund hatte das Glück, dass die Stadt zu einem der Spielorte der Fußballweltmeisterschaft 1974 ausgewählt wurde. Durch die Weltmeisterschaft bekamen die Schwarz-Gelben mit dem Westfalenstadion das erste wirklich moderne und attraktive Fußballstadion im »englischen Stil« – also ohne Laufbahn, die den Abstand der Zuschauer zum Rasen unnötig erhöht. Und das Beste dabei: Nicht die Borussia, sondern Bund, Land, Glücksspirale und die Stadt Dortmund finanzierten die neue Wirkstätte der Borussia, die in der Folgesaison aus Dankbarkeit dann auch Trikotwerbung für ihre Heimatstadt machte. Wer hier Wettbewerbsverzerrung wittert, sollte jedoch vorsichtig sein – auch der FC Bayern bekam zwei Jahre zuvor mit dem Olympiastadion eine moderne Spielstätte geschenkt, die jedoch als Universalstadion mit Laufbahn lange nicht so attraktiv war.
Dortmunds finanzielle Misere nahm schnell ihr Ende. Obgleich man immer noch grauenhaften Fußball bot, kamen in der ersten Saison im Schnitt mehr als 25 000 Zuschauer in das neue Stadion, und der Verein hatte plötzlich wieder eine Perspektive. Die Stadt Dortmund übernahm daher auch die Kreditbürgschaften, und der lokal verankerte Hoesch-Konzern half mit Geld aus und stellte dem Verein neue Trainingsplätze zur Verfügung. Der BVB war gerettet. Und von nun an ging es bergauf.
1977 spielte der BVB schon mit Manni Burgsmüller und »Ente« Lippens im Mittelfeld der Bundesliga. Pro Spiel kamen rund 40 000 Zuschauer, die Borussia war nun einer der wohlhabendsten Vereine Deutschlands. Doch das Management konnte mit dem Geld nicht umgehen und warf es mit beiden Händen zum Fenster hinaus. 1984 war der Verein bereits mit 8,3 Millionen Mark derart verschuldet, dass das Amtsgericht ihn unter Notvorstand nehmen musste. Nur mithilfe lokaler Sponsoren konnte der Lizenzentzug abgewendet werden. Sportlich krebste man damals am unteren Ende der Tabelle herum und der Zuschauerschnitt hatte sich zwischen 20 000 und 25 000 eingependelt.
Als rettender Engel erschien ein Rechtsanwalt mit dem Namen Gerd Niebaum am rußigen Himmel des Kohlenpotts. 1986 übernahm Niebaum beim BVB das Amt des Präsidenten und ging erst einmal mit neuen Krediten auf Einkaufstour. Vor Niebaums Amtsantritt hatte der BVB noch nie mehr als eine Million Mark für einen neuen Spieler ausgegeben. Doch nun brachen die Dämme. Erst holte man den Dänen Flemming Povlsen (1990 für 2 Millionen Euro) und Stefan Reuter (1992 für 2,1 Millionen Euro). Der Erfolg gab Niebaum recht. 1992 wurde man Vizemeister, und 1994 konnte der BVB sogar überraschend den UEFA-Pokal gewinnen und bekam dafür auch über die TV-Rechte neue Millionen in die Kasse gespült, die Gerd Niebaums Konzept erst einmal aufgehen ließen. Der BVB war vom Arbeiterklub zum Klub der Neureichen geworden und setzte seine Einkaufstour fort. 1993 holte man Matthias Sammer (4,25 Millionen Euro) und Karl-Heinz Riedle (4,5 Millionen Euro) aus Italien zurück, damals der teuerste Transfer der Bundesligageschichte. Dann kaufte man den Italienern auch noch Andreas Möller (1994 für 4,6 Millionen Euro) und Júlio César (1994 für 1,25 Millionen Euro) ab. Und wieder brachte die Einkaufstour Erfolge mit sich: 1994/1995 und 1995/1996 wurde man Meister und gewann 1996/1997 sogar die Champions League. Neues Geld strömte in den Pott.
Niebaum gab nun in den nächsten 3 Jahren 40 Millionen Euro für neue Spieler aus, darunter Thomas Häßler, Fredi Bobic und Victor Ikpeba, die jedoch nicht glänzen konnten – und nun ging es auch sportlich wieder bergab. Neues Geld musste her. 1999 ging der BVB dann als erste und einzige deutsche Fußballmannschaft an die Börse. Die Aktien gingen für umgerechnet 11 Euro das Stück weg (zehn Jahre später waren sie nur noch ein Zehntel wert) und der BVB hatte nun zusätzliche 135 Millionen Euro in der Kasse. Nun gab man abermals zweistellige Millionenbeträge für Spieler aus und verbrannte das Geld mit beiden Händen. Ein Beispiel dafür ist der brasilianische Stürmer Márcio Amoroso, der 2001 für die damalige Rekordsumme von ca. 25 Millionen Euro verpflichtet wurde, eine gute Saison spielte, dann durch Verletzungen und schlechte Leistungen aufs Abstellgleis geriet und schließlich 2004 ablösefrei nach Spanien wechselte. Zwischen 2000 und 2004 gab der BVB insgesamt 103 Millionen Euro für neue Spieler aus, die sich als Fehlkäufe herausstellen sollten. Damit war das Geld aus dem Börsengang verschleudert, und zusätzlich hatte man ja auch noch 110 Millionen Euro in den Ausbau des Westfalenstadions investiert. Die Schlinge um den Hals des BVB zog sich immer enger.
Zwischen 2003 und 2006 machte der Verein 143 Millionen Euro Verlust und hatte nun fast 240 Millionen Euro Schulden angehäuft. Wie war das möglich? Ganz einfach, Präsident Gerd Niebaum und sein Manager Michael Meier waren die westfälischen Lehman Brothers. Sie jonglierten mit Zahlen, die größer waren als ihre Rechenkünste. Ihre größte Leistung bestand nicht darin, die Meisterschaft oder die Champions League zu gewinnen, sondern darin, sich immer neue Finanztricks auszudenken. Man hatte die Markenrechte an den Kölner Versicherer Gerling verleast und die Anteile am Stadion, die man nach dem Börsengang aufgekauft hatte, wieder verscherbelt. Wie später herauskommen sollte, hatte man das schöne Stadion für 75 Millionen Euro an den Commerzbank-Fonds Molsiris verpachtet und zahlte nun jedes Jahr 15 Millionen Euro für die Miete des eigenen Stadions.
Im Herbst 2004 stand der BVB abermals kurz vor der Pleite. Die Vereinsmitglieder jagten nun Niebaum und Meier vom Hof und die Nachfolger Reinhard Rauball und Hans-Joachim Watzke krempelten die Ärmel hoch und entwarfen ein Sanierungskonzept. So wurde unter anderem der Stadion-Leasing-Vertrag mit der Commerzbank durch einen 79,2-Millionen-Euro-Kredit, der von der Investmentbank Morgan Stanley vermittelt wurde, rückgängig gemacht. Die Altschulden zahlte der BVB noch bis ins letzte Jahr ab.
Mehr aus Not denn aus Tugend musste der BVB nun auch sportlich neue Wege gehen. Der Altkader mit den verdienten, aber unglaublich teuren Spielern wurde aufgelöst, und man verpflichtete mit Jürgen Klopp einen Trainer, dessen Spezialität es war, junge Talente auszubilden. Und das Wunder vom Borsigplatz geschah. 2011 und 2012 konnten die jungen Wilden aus Dortmund Meister werden, 2013 und 2014 holten sie die Vizemeisterschaft. Finanziell konnte der Verein durch vier Kapitalerhöhungen, die insgesamt 140 Millionen Euro in die Kassen spülten, seine Altschulden abbauen. Nun sind der Chemiekonzern Evonik (15 Prozent), der Versicherungskonzern Signal Iduna (5,5 Prozent) und der Sportartikelhersteller Puma (5 Prozent) Miteigentümer des BVB – es hätte schlimmer kommen können. Offiziell ist der Klub seit 2013 durch einen Gewinn von 53,6 Millionen Euro »schuldenfrei«. Das ist natürlich nicht wörtlich zu nehmen, aber immerhin übersteigt seitdem das Guthaben die Verbindlichkeiten. Dortmund ist gerettet.
Die sportliche Perspektive sieht jedoch weniger rosig aus. War der ehemalige Arbeiterverein zu Niebaums Zeiten ein Klub der Neureichen, der weltweit Talente für absurde Summen einkaufte, so ist er heute ein Ausbildungsverein für den europäischen Geldadel, der den Dortmundern seine besten Spieler für absurde Summen abkauft. Nach dem Wechsel von Mario Götze und Robert Lewandowski konnte der BVB sich nicht mehr gegen die reichen Bayern und die von VW unterstützten Wolfsburger behaupten und stürzte im letzten Jahr sportlich wieder ins Mittelmaß ab. Aber wen wundert das? Mario Götze hat 37 Millionen Euro gekostet und damit ganz maßgeblich zur »Schuldenfreiheit« des BVB beigetragen. In München soll er nun 12 Millionen Euro pro Jahr bekommen. Sein Mannschaftskollege Lewandowski, der sehr zum Ärger der Dortmunder ablösefrei wechseln durfte, soll in München auf ein Gehalt von 8 Millionen Euro pro Jahr kommen. 20 Millionen Euro Gehalt für zwei Spieler – das kann sich in Deutschland nun einmal nur der FC Bayern München leisten.
So führt die Zweiklassengesellschaft in der Bundesliga dazu, dass der FC Bayern wie der Todesstern des Südens jeden Klub, der es wagt, mit ihm ernsthaft zu konkurrieren, durch seine schiere Finanzmacht an die Wand drückt. Wenn erst einmal die Anrufe aus München kommen, können sich die Konkurrenten schon darauf einstellen, dass sie ihre besten Spieler nicht halten können. Und die Fans schauen in die Röhre und können sich bereits auf den Dauermeister aus München »freuen«.
Wenn man sich die jüngere Geschichte des BVB anschaut, die neben den sportlichen Erfolgen eben auch von zwei Fastpleiten begleitet ist, fragt man sich natürlich, warum niemand die dubiosen Geschäfte der Herren Niebaum und Meier kritisiert hat, als es an der Zeit war. Die Antwort darauf ist so einfach wie deprimierend: Obgleich jeder wusste, dass hier irgendetwas schiefläuft, hat es niemanden interessiert, solange der BVB sportliche Erfolge feiern konnte. Als die Dortmunder Fans zum ersten Mal von gegnerischen Fans als »Scheiß Millionäre« verspottet wurden, war dies für die Anhänger des ehemals armen Arbeitervereins ein Novum, auf das man tief im Inneren stolz war. Man gehörte nun dazu und wurde mit den Parolen beschimpft, die man früher der erfolgreicheren Konkurrenz entgegengeschleudert hatte. Wen interessieren schon die Bilanzen? Meistertitel sind die Währung, die für die Fans von Bedeutung ist. Alles andere ist sekundär. Erst als die Erfolge ausblieben, drehte sich das Blatt, und plötzlich erwachte die Kritikfähigkeit bei den BVB-Fans. Und als dem letzten Fan klar wurde, dass die finanzielle Situation lebensbedrohlich war, schickte man Niebaum und Meier in die Wüste. Nicht weil man wirklich sauer über deren Missmanagement war, sondern weil den Fans nun klar wurde, dass man nicht mehr zu den »Scheiß Millionären« gehörte, keine neuen Millionenstars mehr im Stadion bejubeln und sich künftige Meistertitel erst einmal abschminken konnte. Wie soll der Fußball rein werden, wenn sogar die Fans käuflich sind?
Vielleicht hilft ein Blick über den Tellerrand der Bundesliga, um zumindest eine Ahnung davon zu bekommen, in welche Richtung sich der Fußball möglichst nicht entwickeln sollte.
Wachsende Kritik an der Kommerzialisierung: die englische Premier League
Wenn auch oft nicht sportlich, so ist der englische Fußball zumindest ökonomisch ohne Zweifel ein Erfolgsmodell, das weltweit seinesgleichen sucht. Die oberste Spielklasse, die Premier League, hat in der Saison 2013/2014 fast 3,9 Milliarden Euro eingenommen.4 Das entspricht einem Wachstum von mehr als 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr und ist rund anderthalb so viel wie in der deutschen Bundesliga. Wann immer in den Medien über eine neue Rekordtransfersumme berichtet wird, ist meist zumindest auf einer Seite ein englischer Klub beteiligt – oft sind sogar beide beteiligten Klubs Mitglied der Premier League. Die Premier League gab in der letzten Saison mehr als 1,4 Milliarden Euro für Transfers aus und zahlte den Spielern in Summe mehr als 2,6 Milliarden Euro für Gehälter und Prämien – ein Weltrekord.
Wenn diese Zahlen in Deutschland in den Medien zirkulieren, so sind sie meist von einem neidischen Unterton begleitet: Der englische Fußball sei nun einmal eine Tummelwiese der Oligarchen und Ölscheichs, die sich die Klubs als Luxusspielzeug halten und dabei Unsummen an Geld verbrennen. Ersteres ist durchaus richtig, Letzteres ist jedoch kompletter Unsinn. Die Klubs der Premier League konnten im letzten Jahr einen operativen Gewinn von insgesamt rund 850 Millionen Euro vermelden. An der Spitze steht dabei das sportlich momentan nicht sonderlich erfolgreiche Manchester United mit einem operativen Gewinn von 162 Millionen Euro – mehr als jedes andere Sportunternehmen weltweit, inklusive der amerikanischen Profiklubs aus dem Basketball, dem Eishockey oder dem Football.
Die Fahnenstange des kommerziellen Erfolgs ist dabei noch längst nicht erreicht. Für die Saison 2016/2017 peilt die Premier League bereits einen operativen Gewinn von rund 1,4 Milliarden Euro an. Es gibt jedoch auch ökonomische Schattenseiten. Nimmt man alle Klubs der Premier League zusammen, so steht auf der Passivseite der Bilanz auch eine Schuldenhöhe von 3,3 Milliarden Euro. Auch dies ist ein Weltrekord, der jedoch gemessen an den Umsätzen nicht so dramatisch ist, wie er auf den ersten Blick zu sein scheint. Die hohen Schulden haben jedoch – wie in anderen Bereichen des Lebens auch – einen sekundären Effekt: Die Liga ist zum ökonomischen Erfolg verflucht. Sie muss wachsen, sie muss ständig mehr Geld einnehmen. Denn wenn die Wachstumsraten schrumpfen, die operativen Gewinne ausbleiben und der Marktwert der Spieler dann schneller schrumpft als ein Eisberg in der Sahara, wird aus dem Schuldenberg eine Schuldenfalle. Der moderne Fußball ist daher zum Erfolg verdammt – komme, was da wolle.
Englische Profiklubs haben mit den gemeinnützigen Vereinen, die das Rückgrat des deutschen Fußballs bilden, so gar nichts gemein. Dies ist jedoch auch historisch bedingt. Bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts, als der Fußball vor allem kommerziell noch in den Kinderschuhen steckte, hat der englische Fußballverband bereits ein Statut erlassen, nach dem Klubs, die in der obersten Spielklasse zu Hause sind, auch gleichzeitig Besitzer ihrer Spielstätten sein müssen. Und da genossenschaftliche Kickergemeinschaften sich auch damals kein eigenes Stadion leisten konnten, waren es nun die reichen Gönner, meist Unternehmer aus dem unmittelbaren Umfeld der Klubs, die zu Investoren wurden und sich durch eine Beteiligung am Klub die nötigen Sicherheiten überschreiben ließen.
Heute sind Premier-League-Klubs ausnahmslos professionell geführte Wirtschaftsunternehmen, die dreistellige Millionenbeträge umsetzen. Unter den zehn Fußballklubs, die weltweit nach Angaben des Wirtschaftsberatungsunternehmens Deloitte am meisten umsetzen, spielt die Hälfte in der Premier League (Manchester United, Manchester City, Chelsea FC, Arsenal London und der FC Liverpool). 14 der 20 Premier-League-Klubs sind unter den Top 30 zu finden, sämtliche Klubs in den Top 40. 19 der 20 Klubs der obersten englischen Spielklasse sind dabei direkt oder indirekt im Besitz von Personen, die über einen Vermögen von mehr als einer Milliarde Euro verfügen, zwölf Klubs gehören Milliardären aus dem Ausland. Einzig und allein der vergleichsweise kleine Klub Swansea City gehört seinen Fans und einigen lokalen walisischen Unternehmern, die jedoch weit davon entfernt sind, irgendwann einmal in der Forbes-Liste aufzutauchen.
Wenn Englands Profiklubs nach modernen Managementmethoden geführt werden, so schließt dies freilich auch die Schattenseiten modernen Managements mit ein. So sind nach Recherchen des Tax Justice Network5 34 britische Profiklubs aus den ersten drei Ligen über teils komplexe Firmengeflechte in Steueroasen registriert. Insgesamt werden so Besitzanteile im Wert von mehr als 4 Milliarden Euro vor dem Zugriff des britischen Fiskus versteckt. Branchenprimus Manchester United ist auch in dieser Disziplin Spitzenreiter und führt auch seine operativen Geschäfte über mehrere Offshore-Standorte aus. Die Holding, der die verschiedenen Unternehmen, aus denen ManU besteht, gehört, ist auf den Cayman Islands gemeldet und gehört wiederum einer Beteiligungsgesellschaft aus dem US-Steuerparadies Delaware. Dieses Konstrukt sorgte dann auch dafür, dass der damals auf 2,2 Milliarden Pfund taxierte Klub 2014 beim Tod seines Besitzers Malcolm Glazer nahezu steuerfrei an dessen Söhne übergeben werden konnte. Ein Deal mit dem Gouverneur der Cayman Islands, der im Übrigen formal ein Repräsentant der britischen Regierung ist, und Manchester United sorgt ferner dafür, dass die Gewinne von ManU über 20 Jahre hinweg Steuerfreiheit genießen.
Neben Manchester United haben auch Birmingham City, Coventry City und Cheltenham Town ihren Sitz auf den Cayman Islands. Der FC Fulham steht im Eigentum einer Holding auf den Bahamas, und die Besitzanteile von Arsenal London befinden sich im US-Bundesstaat Delaware. Die durchaus üppigen operativen Gewinne der Premier League werden somit zu großen Teilen der britischen Allgemeinheit entzogen – ein Privileg, das leider nicht auf den Fußball beschränkt ist, sondern auch von multinationalen Konzernen ausgenutzt wird.
Von derlei Tricks und Gaunereien wird in den Medien jedoch nur sehr selten berichtet. Vor allem im fußballbegeisterten England scheint es ohnehin einen Burgfrieden zwischen dem Fußball und den Medien zu geben: Ihr liefert uns den Content, mit dem wir unsere Zeitungen verkaufen, dafür berichten wir dann auch lammfromm und gewohnt unkritisch. Wenn Englands Boulevardzeitungen die Kommerzialisierung mal kritisch kommentieren, so hat dies etwas mit einem rassistischen und fremdenfeindlichen Unterton zu tun. So hatten sich die Medien beispielsweise nie daran gestört, dass die großen Klubs mehrheitlich im Besitz weißer, englischer Gentlemen sind. Als 1996 der Ägypter Mohamed Al-Fayed, der Vater von Lady-Di-Freund Dodi Al-Fayed, den Drittligisten FC Fulham übernahm und dann auch noch die Frechheit besaß, in diesen Klub Geld zu investieren, reichte es dem britischen Boulevard. Erstmals war von einem Ausverkauf des britischen Fußballs die Rede. Der Sturm im Wasserglas währte jedoch nicht lange, und erst sieben Jahre später brach ein wahrer Orkan aus, der weit über den britischen Blätterwald hinausging und bis heute anhält.
Was war gesehen? Zu den Millionen Menschen, die bei der Fußballweltmeisterschaft 2002 ihr Interesse am runden Leder entdeckt hatten, gehörte auch ein russischer Milliardär, der, wie eigentlich alle russischen Milliardäre, eine dubiose Vergangenheit aufwies. Während heute im Lexikon beim Begriff »Oligarch« eigentlich sein Bild erscheinen müsste, kannte 2002 zumindest im Westen noch kein Mensch Roman Abramowitsch. Doch dies sollte sich grundlegend ändern. Und ein Grund dafür war die Verhaftung des russischen Oligarchen Michail Chodorkowski im Jahre 2003.
Wie Chodorkowski besaß auch Abramowitsch vor allem Anteile an russischen Gas- und Ölkonzernen. Abramowitschs Lektion aus der Festnahme und Enteignung Chodorkowskis war es, zum einen aus Schutz die Öffentlichkeit im Westen zu suchen und zum anderen einen Teil seines Vermögens im Westen zu investieren, um ihn damit vor dem Zugriff des russischen Staates zu schützen. Damals wusste schließlich noch niemand, dass Chodorkowski ein Exempel bleiben sollte und dem Rest der Oligarchen ihre Verbrechen wenn auch nicht vergeben, dann doch zumindest vergessen wurden.
Wer Öffentlichkeit sucht und Geld loswerden will, ist im Profifußball natürlich genau richtig. Nachdem Abramowitsch zunächst bei Lazio Rom, den Tottenham Hotspurs, Arsenal London und Manchester United vorgehorcht hatte, fiel seine Wahl auf den Londoner Premier-League-Klub Chelsea FC. (Kleine Randnotiz: Bei Manchester United ist Abramowitsch damals abgeblitzt, weil ihm der Klub zu teuer war – irgendwie kaum zu glauben.) 2003 war es also so weit. Für nicht weniger als 165 Millionen Euro kaufte sich der erste russische Oligarch seinen eigenen Fußballklub. Selbst in der reichen Premier League waren Besitzer, die mit dem Hubschrauber auf dem Trainingsplatz landeten und dann mit kugelsicherer Limousine und einem Heer an Leibwächtern ins Stadion kamen, eine Novität und damit auch ein gefundenes Fressen für die Medien, die nun mit dem »Chelsky FC« ein neues Feindbild hatten.
Zu Recht? Es ist natürlich richtig, dass die rund eine Milliarde Euro, die Abramowitsch seither in Chelsea investiert hat, eine massive Wettbewerbsverzerrung darstellt. Es ist auch richtig, dass Abramowitsch den Klub komplett von sich selbst abhängig gemacht hat. Ließe man einmal die Umwandlung von Privatdarlehen in Besitzanteile außen vor, wäre Chelsea bei Abramowitsch mit stolzen 1,3 Milliarden Euro verschuldet. Es ist jedoch falsch, Chelsea als teures Hobby eines Milliardärs abzutun. Wie alle anderen Premier-League-Klubs ist auch Chelsea ein renditeorientiertes Unternehmen, das sich durch die Investitionsbeihilfen von Roman Abramowitsch Aktiva zulegen konnte, die den sportlichen Erfolg und damit den Zugriff auf das ganz große Geld im Fußball sichern. Im letzten Jahr nahm Chelsea FC immerhin 388 Millionen Euro ein und konnte einen Reingewinn von fast 30 Millionen Euro vermelden. Wer Chelsea kritisiert – und dazu gibt es sehr gute Gründe –, muss auch andere Klubs, die mehr oder weniger nach dem gleichen Prinzip wirtschaften, kritisieren. Dies ist jedoch in den Medien die Ausnahme – und es sage niemand, dass dies nicht etwas mit der Nationalität Abramowitschs zu tun hat.
Der Londoner Nachbarklub FC Arsenal wird beispielsweise nach ganz ähnlichen Methoden geführt. Nur dass der Besitzer kein russischer Oligarch, sondern ein amerikanischer Milliardenerbe ist. Neben dem eine halbe Milliarde Euro teuren FC Arsenal hat sich Stan Kroenke gleich eine ganze Sammlung von Profisportteams zugelegt: in der NFL das Footballteam St. Louis Rams, den in der NHL spielenden Eishockeyklub Colorado Avalanche, die NBA-Basketballer der Denver Nuggets sowie die Kicker der Colorado Rapids in der MLS. Stan Kroenke, der sein Vermögen vor allem seiner Frau Ann Walton Kroenke, die der Walmart-Dynastie der Waltons angehört, zu verdanken hat, ist jedoch auch kein reicher Exzentriker, sondern ein kühl kalkulierender Investor, dem es vor allem um die Rendite geht, die sich im Sportbusiness erzielen lässt.
Der Premier-League-Klub Stoke City gehört zum Glücksspiel-Unternehmen Bet365 des britischen Milliardärs Peter Coates, der den Klub von einer isländischen Investorengruppe übernommen hat. Die Tottenham Hotspurs gehören dem englischen Milliardär und Investmentbanker Joe Lewis. Der walisische Klub Cardiff City wurde 2010 vom malaysischen Investor Vincent Tan gekauft. Tans erste Amtshandlung war es, den »Bluebirds« nicht nur ihre blauen Trikots, sondern auch den Vogel aus dem Wappen wegzunehmen. Tan verpasste seinem Klub nun rote Trikots und einen Drachen im Wappen, da dies Glück bringe und in Asien besser zu vermarkten sei. 113 Jahre Tradition wurden in einer Stunde weggewischt – Vincent Tan kennt übrigens, so kolportieren es die Medien, noch nicht einmal die Fußballregeln. Das ist aber auch egal, denn schließlich gehört ihm ja ein Klub und mit seinem Eigentum darf auch ein malaysischer Milliardär tun und lassen was er will. Dazu gehört es auch, den Klub im Falle des Todes zu vererben. So kam die Schweizer Milliardärstochter Katharina Liebherr unversehens in den Besitz des Profiklubs FC Southampton, den ihr Vater wenige Jahre zuvor erworben hatte, um ihn zu sanieren. Das Problem für den FC Southampton: Die Schweizer Erbin meldete ihre Besitzansprüche auch an und mischte sich ins Tagesgeschäft ein. Pech gehabt.
Zu den schillerndsten Fußballklubbesitzern gehört zweifelsohne ein gewisser Scheich namens Mansour bin Zayed Al Nahyan, der der Herrscherfamilie Abu Dhabis angehört und mittlerweile sogar Roman Abramowitsch in den Schatten stellt. Scheich Mansour leistete sich 2009 den Traditionsklub Manchester City, der zuvor eher im Mittelfeld der Liga ein unspektakuläres Dasein verbrachte. Ob Scheich Mansour ein Geschäftsmodell hat, ist unbekannt. Fest steht jedoch, dass er nicht unbedingt knausert, um sein Geschäft voranzubringen. Über die letzten Jahre hinweg pumpte Scheich Mansour die stolze Summe von einer Milliarde Euro in den Klub – davon gingen alleine 720 Millionen in Transfers. Und wer sagt denn, dass Erfolg im Fußball nicht käuflich sei, dass Geld keine Tore schießt? Mit der Ölmilliarde im Rücken wurde der erfolglose kleine Lokalrivale des großen Manchester United plötzlich 2012 und 2014 englischer Meister.
Der Preis des Erfolgs schlug sich jedoch auch in den Bilanzen nieder. 2011 verbuchten die Citizens einen Rekordverlust von 315 Millionen Euro, auch 2013 waren es noch 72 Millionen Pfund. Für ein Mitglied der Herrscherfamilie eines Ölemirates mögen das Peanuts sein, die UEFA hatte jedoch mittlerweile auf die offene Wettbewerbsverzerrung auf ihre Art und Weise reagiert und über die Financial-Fairplay-Regelung verfügt, dass kein Klub an den europäischen Wettbewerben Europa League und Champions League teilnehmen darf, der dauerhaft zu hohe Schulden macht. Und schon begann in Manchester das große Tricksen. Das City of Manchester Stadium, in dem Manchester City seine Heimspiele austrägt, heißt seit 2011 Etihad Stadium, und Etihad Airways ist nun auch Trikotsponsor von City. Dafür bezahlt die Airline dem Klub auf zehn Jahre stolze 466 Millionen Euro. Etihad Airways gehört übrigens ebenfalls der Herrscherfamilie von Abu Dhabi – Zufälle gibt es.