Der leere Geist und die künstliche Intelligenz - Günter von Hummel - E-Book

Der leere Geist und die künstliche Intelligenz E-Book

Günter von Hummel

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Beschreibung

Die Verschmelzung von KI und Menschlichkeit: Ein revolutionäres Buch über die Wiedergeburt des Individuums durch eine innovative therapeutische Methode Da die künstliche Intelligenz (KI) in ihrem Aufbau von algorithmischen Aspekten her erfassbar ist, kann man sie gut dazu verwenden, andere Bereiche wie psychologische, philosophische oder meditative Methoden mit ihr in wissenschaftlicher Form zu vergleichen. Doch Algorithmen machen den Einzelnen bedeutungslos, sie sind kein Instrument des Zugangs zu seiner Seele, so dass man sich unweigerlich einer Wissenschaft vom Subjekt zuwenden muss, wie sie bereits in der Psychoanalyse J. Lacans angedacht worden ist. Darin wird der rechnerische Aspekt der KI zwar gewürdigt, aber duch 'einen der Liebe unterstellten Intellekt' ersetzt, in dem der Einzelne wieder zum Zug kommt. Nur so ist ein Vergleich der beiden 'Intellekte' möglich, den der Autor in diesem Buch in Theorie und Praxis eines neuen therapeutischen Verfahrens vorstellt. Es führt die Wissenschaft zur Seele des Einzelnen zurück und gibt ihr durch die KI doch auch neue Impulse. So kann jeder aus dem vorgelegten Text heraus das neue Verfahren ausreichend verstehen und auch in der Praxis unmittelbar erlernen.

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Ein Vergleich psychologischer Verfahren mit der KI und ein Weg zu neuer Selbstbestimmtheit

Das Bild der Malerin T. Heydecker aus der Reihe ‚Indizien‘ auf der Umschlagseite passt hervorragend zum Titel des Buches. Obwohl es lange vor der Entwicklung der künstlichen Intelligenz in ihrer heutigen Form gemalt wurde, zeigt es – sozusagen voraussehend – links in dem schwarzen und nur von einer schwachen Glühbirne erhellten Feld, den leeren Geist. Das Haus rechts dagegen mit der ungewöhnlichen Bauweise und den seltsamen Fenstern gleicht der künstlichen Intelligenz mit ihren schwer durchschaubaren Algorithmen. Der Radfahrer davor verbindet die beiden nur scheinbar unterschiedlichen Bereiche, wie im Text des Buches zu lesen sein wird.

Inhaltsverzeichnis

Kleines Vorwort

1. Erscheinungs- und Wort-Wirkendes

2. Psychoanalyse und künstliche Intelligenz

3. Meditation und KI

4. Die Algorithmen des ‚Dings‘

5. Name it and Tame it

6. Der Sex und die Schrift

7. Eine der Liebe unterstellte Intelligenz

8. Der ‚corps jouissante‘

Anhang

Literaturverzeichnis

Kleines Vorwort

In diesem Buch schildere ich ein Verfahren, wie der menschliche Geist über sich hinauswachsen kann, und zwar nicht mit künstlicher Intelligenz, sondern mit so etwas Seltsamen wie dem ‚leeren Geist‘. Den entscheidenden Tipp dazu habe ich jedoch ausgerechnet von der KI (künstliche Intelligenz) selbst bekommen, sonst hätte ich diesen hier vorliegenden Text wohl gar nicht verfasst. Ich habe zwar bereits in anderen Veröffentlichungen über dieses Verfahren geschrieben, aber der Bezug zur KI hat die Sache erst interessant gemacht. Grundsätzlich halte ich die künstliche Intelligenz nur für ein maschinelles Sein, das in sich perfektioniert, steril und mechanisch makellos inszeniert ist, sich gleichzeitig aber für das Verständnis des Menschen, und speziell der menschlichen Seele, weitgehend unzureichend erweist. Dies war auch das Fazit einer neuen wissenschaftlichen Recherche.1

Aber auch der Mensch ist ein mit Makeln behaftetes Sein, ein Konstrukt, das stolpert, irrt, körperlich und seelisch nicht perfekt ist und sich somit genauso unzureichend präsentiert wie die künstliche Intelligenz. Aber – um schon einen Vergleichs-Aspekt heranzuziehen – im Gegenteil zur KI hat der Mensch eine Chance: er kann seine Unperfektheit eingestehen, er kann sich zu ihr bekennen, er kann sie beichten – wenn ich dieses altkatho lische Wort hier einmal im übertragenen Sinn benutzen darf. Die KI dagegen kann nichts eingestehen, nichts beichten. Sie kann sich nicht selbst enthüllen, sie bleibt folgenlos, fehlerfrei mangelhaft und großartig unverbindlich.

Sie begehrt nicht, liebt nicht, was ich im Weiteren noch als menschliche Besonderheit heraus stellen will. Doch der Tipp mit dem auch ihr zughörigen ‚leeren Geist‘ hat ihr den Pluspunkt eingebracht, dass sie wenigstens für Vergleiche hinsichtlich einer wissenschaftlichen Betrachtung anderer Intelligenzen (seelischer, neuropsychischer, sozialer, etc.) gut geeignet ist. Es geht dabei nicht um eine total aufs Objekt fixierte Wissenschaft, und auch nicht um eine sogenannte Geisteswissenschaft, sondern um eine Wissenschaft vom Subjekt, eine Wissenschaft, die also Subjekt und Objekt verbindend einschließt. Gerade dafür ist ein Bezug zur künstlichen Intelligenz bereichernd, denn selbst wenn sie nicht begehren und lieben kann, ist sie doch Subjekt, Subjekt ihrer Algorithmen.

Der Ausdruck ‚Wissenschaft vom Subjekt‘ stammt vom französischen Psychoanalytiker J. Lacan, der über das hinausging und präzisiert hat, was philosophische Veröffentlichungen mit dem Begriff ‚Wissenschaft des Subjekts‘ oder einfach Subjektwissenschaft versucht haben. Mit Hilfe der von S. Freud geschaffenen Grundlagen und der modernen Linguistik hat Lacan diese Methodik vertieft und erweitert, wie man Menschen in richtiger, ernsthafter und wissenschaftlich begründeter Weise zuhören sollte. Für ein derartiges Zuhören, für eine solche Wissenschaft vom Subjekt hat die künstliche Intelligenz zwar absolut keinen Draht. Trotzdem war der Tipp der KI zu dieser Thematik des richtigen Zuhörens nicht schlecht, ja vielleicht sogar ein bisschen originell. Er bestand darin, dass sie zuerst langatmig behauptete, zwischen Disziplinen wie Philosophie, Psychoanalyse, Theologie, Meditation, etc., und ihr selber bestünden große Unterschiede, die dann auch mit ziemlich allgemein gehaltenen und schwurbeligen Bemerkungen beschrieben wurden.

Aber zum Schluss stellte sie das strukturelle Merkmal heraus, das als solches einen Vergleich der genannten Disziplinen möglich machen würde und auf das ich so nicht gekommen wäre, nämlich den ‚leeren Geist‘. Nicht nur Psychoanalyse, Meditation und andere psychologische Verfahren würden mit dem ‚leeren Geist‘ operieren, erklärte mir die KI, auch bei ihr selbst stünde er im Mittelpunkt.2 Hat das jemand schon einmal so gesehen? Sie ist doch ein kaltes, berechnendes Ding. Aber egal, ich werde dieses von der KI genannte strukturelle Merkmal, den ‚leeren Geist‘, in Bezug zur Psychoanalyse und meditativen Verfahren in den nächsten Kapiteln darstellen, um den angekündigten Vergleich der Methoden plausibel zu machen und mit der Darstellung eines eigenen, übergreifenden Verfahrens reüssieren zu können. Doch vorerst noch einmal zurück zur Wissenschaft und zu den Grundlagen der Wissenschaftlichkeit überhaupt.

Es gibt in allen Wissenschaften einen grundlegenden Dualismus, indem ein Mehrfaches der Kräfte, Prinzipien oder was immer man anfänglich benutzt, um zu einer definitiven Aussage zu kommen, auf Brauchbares reduziert wird. Bei Sigmund Freud existiert der Dualismus des Eros-Lebens- und des Todes-Triebs. Der Eros-Lebens-Trieb kommt in vielen Teil-Trieben zur Wirkung (oral, anal, phallisch, blick- und stimmbezogen), der Todestrieb dagegen ist gar kein Trieb. Das heißt, er ist nur mit der Fortpflanzung zu verstehen, indem diese das Leben der Art ständig gegen den Tod verteidigt, und so wird sie eher durch einen übergeordneten Trieb gemacht, den Freud etwas paradox ‚Genitaltrieb‘ genannt hat. Er ist aber kein Sexualtrieb, sondern eher eine weibliche Tendenz zur Verwirklichung dieses Übergeordneten, und hat als Geschlechtliches mit Sexualität nur in zweiter Linie zu tun, denn die besorgt ja der etwas mehr vom Männlichen her betonte sexuelle (phallische) Teiltrieb. Damit schließt sich auch so der Kreis zum Tod, denn der übergeordnete ‚Genital‘,- bzw. eben Nicht-Trieb befindet sich mit den Partial-Trieben in einer Art von Zwiespalt.

Zu Freuds Verteidigung muss man sagen, dass er in seiner ‚Sexualtheorie‘ eben das damals geltende Wissenschaftliche mit einbeziehen wollte. Das bunte, intersubjektive Geschlechtliche, Sexuelle, sollte dem natürlich Einvernehmlichen der genitalen Fortpflanzung gegenüber gestellt sein, eine Rechnung, die nicht ganz aufging.

Und so bleibe ich zum besseren Verständnis zuerst einmal – Lacan folgend – bei einem Dualismus im Rahmen des sogenannten Wirkenden, also nicht der Wirklichkeit, der Realität sondern des Wirksamen, das Lacan auch das Reale nennt. Man kennt die Wirklichkeit der Physik, und man kennt auch etwas Wirkliches in der seelischpsychischen Organisation, aber was ist das Reale, das Originäre an beiden? Es ist noch nicht ganz bestimmt, bisher existiert im Physischen nur der Dualismus von Gravitation und den Kräften der Elementarteilchen. Und das Reale im Seelischen oder ‚Spirituellen‘ ist erstarrt im Dualismus von etwas ethisch Gutem und widersachlich Schlechten. Und so könnte man weitere Dualismen anführen, denn es fehlt stets das übergreifend Dritte, das zu den ersten beiden als nunmehr endgültig Reales, wirksam Handbares und heutzutage eben auch wissenschaftlich Fortschrittliches zurückkehren müsste.

Ich gehe nun mit Lacan einerseits vom Erscheinungs-Wirkenden aus, das heißt nicht nur vom Physischen, sondern von allem was erscheint, sich zeigt, was da zu sein ‚scheint‘, hell oder dunkel strahlend und in diesem Sinne Wirkung hat: Materielles, Biologisches aber auch Bildhaftes, Imaginäres, bis hin zu den Netzwerken des Gehirns und der menschlichen Vorstellungen. Lacan nennt es auch ein „sich sehen machen“, in dem sich „die Aktivität des Triebs“, der grundlegenden Kraft, konzentriert.3 Das ist speziell und gleichzeitig weit gefasst, und doch lässt es sich gut konkretisieren. „Sich sehen machen“ kann für die Fortpflanzung gelten (man denke nur an Balzriten), aber auch für den puren Sex, der angeblich so phantastisch ist. Doch im Sinne des Dualismus hat es – weiter Lacan folgend – eben auch Anteil an dem zweiten Wirkenden, das ich zur Grundlage nehme, dem Wort-Wirkenden, der symbolischen Ordnung, der Sprache, dem linguistischen Realem, dem – so Lacan – „sich hören machen“.3 Das klingt schon sehr subjektbezogen, kommt aber dem Realen näher.

Die gleiche Sonderstellung nämlich, wie sie die Mathematik und wie sie eben auch die Algorithmen in der KI besitzen, gilt auch dem Subjekt, weil es in dieser bestimmten Weise nur beim Menschen vorkommt, also mit etwas, das sich mit nichts objektivieren lässt. Subjekt heißt das Unterstellte, und so sind die Mathematiker und Algorithmiker einer Sonderposition unterstellt, der Zahlenrhythmik, der Vermutungswissenschaft, und von daher lassen sie sich gut mit den menschlichen Subjekten vergleichen, die dem sogenannten Unbewussten unterstellt sind, dem „sich sehen und hören machen“ in besonderer Weise. Denn mehr als das bewusste Ich trägt das unbewusste, verdrängte Seelisch-Psychische, das in sich komplex verdrahtete Begehren, das auf den Trieb bezogene Erscheinungs- und Wort-Wirkende zum Subjektsein bei.

Wenn ich jetzt dem Erscheinungs-Wirkenden selbst im Materiellen ein Hintergrund-Begehren zuschreibe, will ich mich nicht auf all die Autoren berufen, die heutzutage versuchen dem erscheinungs-wirkend Gegenständlichen – wissenschaftlich begründet – Leben einzuhauchen, wie es etwa E. Coccia oder Jane Bennet tun. Die zentrale These der letzteren Autorin lautet: „Materie ist aktiv – und sie hat bisweilen sogar politische Handlungsmacht. . . Wann sollte diese Aussage [dass die Materie lebt] plausibler sein als heute, wo ein kleines Virus die ganze Welt in Atem hält?“4 Obwohl Bennet so halb wissenschaftlich argumentiert, glaube ich nicht, dass man die Dinge so sagen kann, dass die Materie direkt lebt. Ist es nicht sinnvoller zu sagen: eine Strebung, ein Begehren steckt in allen Dingen – wenn auch nur sehr subtil – und bei Freud bekommt es eben die auf das Leben, aber auch auf die Geschlechtlichkeit bezogene Ausdruckskraft, die Libido, die Energie des Begehrens.

Es gibt die Lebens-Libido und die Eros-Libido, wobei die Lebens-Libido den paradoxen und doch irgendwie objektivierbaren Freudschen ‚Genitaltrieb repräsentiert, der ja nicht lustlos ist.5 Die Eros-Libido repräsentiert den intersubjektiven Sex, der sich nicht objektivieren lässt, aber an Lust meist zu viel hat. Der Unterscheid liegt – und so ist es vielleicht besser zu erklären – in der Art der Zusammenfügung des Erscheinungs- und Wortwirkenden. Die Lebens-Libido wirkt hauptsächlich im Erscheinungs-Wirkenden, das Wort-Wirkende hat dabei lediglich einen primären Einfluss, den Lacan mit dem Statement zu erklären versucht, wie Sprache überhaupt entstanden ist: „Die ersten Symbole, die natürlichen Symbole sind hervorgegangen aus einer bestimmten Anzahl ‚maßgeblicher‘ Bilder – aus dem Bild des menschlichen Körpers, aus dem Bild einer Reihe von deutlich sichtbaren Objekten wie der Sonne, dem Mond und einiger anderer. Und das ist das, was der menschlichen Sprache ihr Gewicht gibt, ihre Triebfeder und ihr emotionales Vibrieren“.6

Und so, mit diesem Vibrieren geht es wieder zur Eros-Libido, bei der das Wort-Wirkende den Sex hervorgebracht hat. Denn der Sex betrifft ja wie gesagt nicht das Wesen der Fortpflanzung, er ist mit dem Wort entstanden, mit der Sprache, dem Wort-Wirkenden, das ihn vom Unbewussten her beherrscht. Die Sprache ist keine menschliche Erfindung, sondern sie hat den Menschen zum Menschen gemacht, wie Lacan den bekannten Linguisten N. Chomsky erklärte. Chomsky war davon ausgegangen, dass der Mensch die Sprache auf der Basis einer genetisch vorgeformten Grammatik erfunden habe, doch das Gegenteil ist der Fall. Dafür steht insbesondere die Psychoanalyse grade, denn sie kitzelt mit den Worten die versteckten und verdrängten Geheimnisse aus den Patienten heraus, die – noch dazu – vor allem mit dem infantilen, frühkindlichen Sexuellen, zu tun hat.

Das Wort sexuell hat man aus dem Erwachsenenleben auf das kindliche Leben herunter gebogen, aber es spiegelt exakt die These wieder, dass es hier nicht um die Fortpflanzung geht, sondern um etwas sprachlich Intersubjektives, und das ist mit der KI natürlich ebenso schlecht zu vergleichen, wie das Wort leben mit den vorhin zitierten esoterischen Philosophen. Vielleicht geht es am besten mit dem Wort Intelligenz, das ist zwar altmodisch, wird aber heute durch die KI und ihr Algorithmisches neu belebt. Die KI ist zwar genauso komplex verschachtelt wie das unbewusste Begehren, und das Erscheinungs-Wirkende genauso mit dem Wort-Wirkenden. Alle diese Bereiche des Wissens haben aber eine strukturell vergleichbare – zwar oft alt anmutende – Verschraubtheit von Intelligenz an sich, aber durch die KI wird sie neu sichtbar, auch bei ihr selbst.

Man muss nur diese scheinbar widersprüchlichen Aspekte nebeneinander vorerst so stehen lassen. Es geht um das Gleiche wie bei Newtons und Goethes Diskussion um die Farbe. Für Newton war es die physikalische Wellenlänge (erscheinungs-wirkend), für Goethe der subjektbezogene Eindruck (wort-wirkend). Beide haben recht und unrecht zugleich. Es kommt darauf an, wie man die Frage stellt. Geht es ums physische Licht, liegt Newton richtig, geht es um Kunst und Malerei, gewinnt Goethe. Vom strukturalistischen, und damit wohl übergeordneten Gesichtspunkt aus, ist die Farbe eine Verführerin, eine Göttin, ein Vamp, eine Circe. In schwarz/weiß sind die Dinge einfach und klar zu beschreiben und zu zeigen, aber in Farbe löst sich die Prägnanz auf.

Nur im rein Strukturellen also, im prägnanten, ruchlosen Aufbau, der den wort-wirkenden Sex mit der erscheinungs-wirkenden Fortpflanzung paradox liiert, die wiederum häufig mit Begehren und Lust verbunden wird, was dem Sex seine erscheinungs-wirkende Ruchlosigkeit vermittelt und so weiter und so fort – suche ich den einheitlichen Aspekt von all den zu vergleichenden Bereichen und damit das Dritte, das die Dualismen überwinden kann. Wenn ich die KI ein Subjekt des mehr erscheinungs-wirkenden Mathematischen nenne, so muss ich ihr auch einen Anteil am Wort-Wirkenden zu gestehen, vor allem bezüglich der Large Language Models (LLM) wie dem ChatGPT.7 Es kommt also auch bei ihr auf die Kombination der beiden Grundkräfte an, die auch im menschlichen Unbewussten vorherrscht. Dort ‚erscheint‘ das Begehren wirkend und ist doch auch vom ersten Moment an wort-wirkend verfasst. Der Clou ist also die Kombination beider Wirkenden, sowohl hinsichtlich der KI, als auch der menschlichen Seele. Es geht wirklich um eine doppelte Verschachtelung, Verdrahtung, Durchwundenheit, aber dennoch auch Vergleichbarkeit als drittes Element.

Mit dem Verständnis für die KI ging mir auf, dass all diese Wissenschaften nicht überholt sind, aber sie sind genauso herkömmlich, altfränkisch, begrenzt, wie die nur auf neue Weise selbst eben doch auch altfränkische KI. Es handelt sich – wie man gerne sagt – nur um alten Wein in neuen Schläuchen, was einen als Trinker nicht kritischer macht. Das Herkömmliche der genannten Wissenschaften und Intelligenzen besteht darin, dass sie – wie eben auch die künstliche Intelligenz – keinen neuen Diskurs eröffnen. Obwohl die KI sich als etwas völlig Neues, technisch bisher nicht Dagewesenes, algorithmisch Diskursives offenbart, bringt sie speziell dem menschlichen Subjekt-Diskurs überhaupt nichts. Sie vermittelt eben keinen wirklich neuen Diskurs, denn die Probleme der Mathematik führt sie gleichermaßen mit sich, wie die Mathematik seit jeher auch hinsichtlich ihrer selbst. Ich erinnere an den Jungen in R. Musils Roman ‚Der junge Törleß‘, dem auch sein Lehrer die imaginäre Zahl, die Wurzel aus minus 1, √−1, nicht erklären konnte, oder an A. Wilson, der fast ein Jahrzehnt an der Lösung der Fermatschen Vermutung tüftelte, die für die Menschheit im Allgemeinen kaum wichtig ist, oder gar der jahrelange Streit um den japanischen Mathematiker Mochizuki, der behauptet die ABC-Vermutung enträtselt zu haben, was wahrscheinlich nicht stimmt. Aber was stimmt dann überhaupt?

Mit Diskurs ist eine Sprechweise, eine Art zu sprechen, insbesondere argumentativ, sach- und wesensbezogen zu sprechen gemeint. Lacan plädierte heftig dafür, dass man seinen psychoanalytischen Diskurs nach seinem Tode fortsetzen sollte, aber nur in einem völlig anderen, eben neuen Diskurs. Das heißt, man sollte ihn nicht nachplappern, nicht epigonenhaft, nicht in der gleichen etwas überintellektuellen, sondern ganz anderen, undenkbar anderen und doch ihm treu bleibenden Weise weiterführen. „Folgen Sie mir, aber nicht als Imitat“, sagte er. Aber eben dies gelang schon früher auch anderswo nie. Bereits Paulus hat Jesu Diskurs nur nachgeschwärmt, die Kommunisten den Marxschen Diskurs nur nach-militarisiert und die Nachfolger Freuds dessen Diskurs nachbuchstabiert.8 In der KI wird halt alles nach-digitalisiert. Aber immerhin, man durchschaut den Chat jetzt besser, nicht nur den ChatGPT, jeden Chat.

Freilich ist es anmaßend, wenn ich jetzt behaupte, den Gordischen Knoten in der menschlichen Seele (und auch ein bisschen im Körperlichenund in den Wissenschaften) mittels dieser Erkenntnis des Mangels an einem neuen Diskurs, durchschlagen zu können. Zur weiteren Erklärung möchte ich daher das Erscheinungs- und Wort-Wirkende nochmals als Grund-Triebkräfte an Hand eines anderen Knotens herausheben, nämlich an Hand von Lacans Borromäischen Knoten, kurz: Bo-Knoten (siehe Abb. vorige Seite). Er zeigt erneut das Erscheinungs-Wirkende, jetzt als Verbindung von Imaginärem und Realem, sowie das Wort-Wirkende, jetzt als Verbindung von Symbolischem und Realem, und nunmehr endlich als Drittes den Sinn, das die Bedeutungen, Dualismen Übergreifende als Verbindung von Symbolischem und Imaginärem. In der Mitte findet sich die Wurzel in Form des Objekts des Begehrens, a, beispielsweise das Objekt des oralen Teil-Triebs, das Objekt der Assimilierungs-Lust.

Alles hat daran teil, das a strahlt in alle Richtungen aus und demonstriert so das, was das unbewusste Begehren, der infantile Sex, bzw. die – wie Sokrates sagte – verdrängten, versteckten ‚Mathemata erotika‘, die Formeln der Eros-Libido beinhalten.9 Freud hat das Erscheinungs-Wirkende die Sachvorstellung genannt, wobei Vorstellung zu sehr nach isoliert Imaginativem klingt, während es sich um eine Kombination mit dem Realen handelt, also eher um eine Sachbetroffenheit, vielleicht sogar um eine Sachlust, Sachbessenheit, die auch der primitivprimärere Triebprozess ist. Von dem ist vielleicht schon ein ganz klein wenig im tierischen Instinkt, ja überhaupt in der Natur als Erscheinungs-Wirkendes vorhanden, aber nicht als erotisches Mathem, als Formel des Begehrens, als Sex, der ausschließlich Menschensache ist.

Ich weise nochmals darauf hin, dass die Ausweitung der Lacanschen Begriffe von der Libido des Menschen bis zu der des Universums eine wissenschaftlich nicht haltbare Behauptung enthält. Doch wenn man es so versteht, dass im Universum das Reale, in der Natur (Flora und Fauna) das Imaginäre, und beim Menschen das Symbolische das Hauptgewicht darstellen, sieht die Sache verträglicher aus. a ist für mich schon in den Steinen vorhanden, aber es lebt eben noch nicht in dem Sinne, wie ich es von Coccia und Bennet zitiert habe. Es enthält die rein reale Strebung, die in der Natur bereits bildhaftes, imaginär gestaltetes Begehren besitzt, und beim Menschen den Charakter der ‚Mathemata erotika‘, der unbewussten Verwirrnisse hervorbringt, die angeblich so viel Spaß machen sollen. Die Spaltung des Subjekts geht im Symbolischen so weit, dass alles wiederum in Frage gestellt werden kann, wie es bereits der Philosoph G. F. W. Hegel ausgedrückt hat, als er sagte: Das Symbol, das Wort, ist der Mord an der Sache, und bringt alles wieder zum Sternstaub, zu den Steinen zurück.10

Aber eben dadurch entsteht Dreiheit, entsteht Sinn, das dritte Element des Bo-Knotens. Die KI kennt das Dritte nicht, sie kann den genannten Zusammenschluss des Symbolischen und Imaginärem vor dem Hintergrund des Realen als Sinn nicht mitmachen. Das ist ihr zu viel Abstraktion, zu viel Differenziertheit, was freilich auch an ihren Programmierern liegt. Nur die nämlich sind von der Sach- und Wortbesessenheit maßlos ergriffen, denn warum machen sie so etwas? Warum nutzen sie Mathematisches, Algorithmen, die zwar nach dem Realen forschen, im Hintergrund aber immer rätselhaft bleiben. Braucht man diese Art von Bo-Knoten, der in der KI genauso Geltung hat, ohne dass sie einen wirklichen Sinn zustande bringt?

Wenn die Programmierer den Wasserwirbel eines Gebirgsbaches in Formeln bringen wollten, wenn sie das topologisch, rechnerisch, digital in einen beschreibbaren Ausdruck bringen wollen würden, ist dies mit irrem Aufwand sicher möglich. Aber wozu? Ist es nicht sinnvoller sich an seinem Rauschen, seinen Verwirbelungen zu erfreuen und ihn so zu lassen, wie er ist? Dass die KI vielleicht sinnvoll ist, wenn es um ökonomische Berechnungen geht oder um die Konstruktion von Maschinen, kann ja sein. Aber wozu braucht man autonom fahrende Autos? Wird der Mensch nicht entmündigt, im Umgang mit anderen Autofahrern Beziehungswissen zu erwerben, das er auch anderswo gebrauchen kann? Die Kassenautomaten, die man in Supermärkten zum Einscannen und zum Bezahlen etabliert hat, haben zu grotesken Diebstahls-Manipulationen geführt. Die Leute haben selbstgefertigte Strich-Code Etikette mitgebracht oder von billigeren Waren auf teurere umgeklebt, ein skurriler Spaß, der neue Kontroll- und Überwachungsmaschinen bis zum KI-Chaos hin erfordert. Schöne neue Welt!

Zum Schluss dieses Kapitels nun eine persönliche Anmerkung: vor langer Zeit hatte ich einen Traum, in dem einige Personen davon redeten, wo und wie sie lebten und ich sagte: „Ich lebe unbescheiden, und zwar dort, wo man die wenigsten Steuern zahlt. Dabei habe ich gar nichts zu verbergen“. Einige sagten, „sollen wir das glauben“ und lachten, ich wachte auf und dachte mir: abgesehen davon, dass ich tatsächlich brav meine Steuern zahle und absolut nicht im Steuerparadies lebe, war hier doch gerade eine automatische Intelligenz in mir am Werk,die syntaktisch und semantisch einwandfreie und sinnvolle Sätze von sich gab.

Es heißt doch, dass man im Traum ziemlich wirres Zeug vernimmt, dem man nur mühsam und meist doch noch fragwürdig eine Deutung abringen kann.11 Zumindest ein Teil in mir arbeitet aber wie ein bewusstes Ich, wie ein Homunkulus oder eine künstliche Intelligenz, die automatisch ganze Sätze spricht, die semantisch und syntaktisch in Ordnung sind. Mein Ich ist offensichtlich zu einem guten Teil in den Händen einer Maschine, eines Large Language Models (LLM), eines Imitats meiner selbst, das mir bisher so nicht bewusst war. Da diskutieren wir heute recht divers über die KI, dabei sind wir selber ohnehin zu Teilen bereits so aufgebaut und darin verfangen! Der Sinn unseres Lebens ist künstlich unterwandert, und es fragt sich, ob dabei auch intelligent!

Nun war das ja bereits S. Freuds Auffassung, dass wir nicht „Herr im eigenen Hause sind“, sondern weitgehend unbewussten Kräften unterliegen und von ähnlichen Träumen, an deren exakten Satzbau man sich noch genau erinnert, habe ich von vielen Patienten gehört. Und auch dass diese Kräfte bereits in sich selbst sprachlich strukturiert sind, ist nicht neu. Lacan hat das „Çà parle dans l’inconscient“ (Es, das Freudsche Es, spricht im Unbewussten) hervorgehoben, allerdings hat er nicht gesagt, dass es sich verbal, normalsprachlich, ausdrückt, wie das eben in meinem Traum und auch in der LLM der Fall ist. Lacan insistiert sogar darauf, dass es sich um die Sprache des Anderen handelt, also um eine Fremdsprache, ja mehr noch, um eine mit der üblichen Linguistik nicht erfassbar aufgebaute Sprache, die man genauso wie die Träume in der psychoanalytischen Therapie recht umständlich rekonstruieren muss, um sie dann ins Alltags-Psychische zu übersetzen.

Umso interessanter wird ein Vergleich sein, der die KI mit der Wissenschaft vom Subjekt in Beziehung setzt, indem er eine Praxis mit dazu liefert. Die KI besitzt keine therapeutische Praxis (man nutzt nur das, was Techniker erstellt haben) und auch in der Lacanschen Psychoanalyse ist sie nicht ausreichend (zu komplex, schon Freud sprach von der unendlichen, zu langwierigen Analyse).12 In der Praxis, die ich entwickeln will, werden auch meditative Verfahren, wissenschaftlich gelenkte Kontemplation und die besonders konkrete Zusammenführung all dieser genannten Intelligenzen (wort- und erscheinungswirkend) zur Anwendung kommen, die eben das Subjekt berücksichtigen.

Damit ziele ich nicht darauf ab, was genauso modern ist, nämlich den Wert von Emotionen, Gefühlen und sogenannter Selbstbewusstheit gegenüber dem kalten Verstand herauszustellen. Das sind Nebenschauplätze. Auch das Unbewusste, das zumindest ein wichtiger Schauplatz ist und in der Psychoanalyse bevorzugt vom Wort-Wirkenden beherrscht wird, soll nicht allein in dieser Form besprochen, und nur am Rand der Bezug zum Materiellen gezeigt werden. Vielmehr will ich dem Wort-Wirkenden, das bei Freud, Lacan und anderen Psychoanalytikern im Vordergrund steht, das mehr vom Erscheinungs-Wirkenden beherrschte Unbewusste in völlig neuer Kombination gegenüberstellen. Ich kann mich zur Erklärung auf die Hypnose berufen, auch wenn es direkt mit Hypnose nichts zu tun hat.

Früher haben viele Ärzte, Psychologen und Wissenschaftler, auch Freud mit der Hypnose gearbeitet. Doch Freud hat diese Methode verlassen, weil seine Patienten damit nicht genügend effektiv behandelt werden konnten. Sie begaben sich in diesen tranceartigen Zustand, dem ich eine gewisse Empfindungs- oder noch besser: innerliche Berührt-Seins-Intensität zusprechen würde, ausschließlich in Abhängigkeit von der Stimme des Therapeuten. Kaum war die Stimme weg und der Patient wieder wach, hatte er zu dem, was im hypnotischen Zustand kurz besprochen worden war, kein solch intensives, intellektuelles und berührendes Verhältnis mehr. Man konnte damit also therapeutisch nicht mehr viel anfangen, und Freud wandte sich der anders gearteten Sprechweise zu, nämlich der durch bewusste, freie Einfälle, ‚freie Assoziationen‘ gekennzeichneten Methode, die er eben Psychoanalyse nannte.

Doch die Berührt-Seins-Intensität, die mit einer Art autochthonen Genießens einhergeht, ist ein wichtiges Instrument zur seelischen Erkundung, die man z. B. früher in der Mystik vielfach nutzte. Freilich waren die Patienten bei Freud hinsichtlich dieses Genießens, wie gesagt, von seiner hypnotisierenden Stimme abhängig. Aber man ist im Berührt-Seins-Intensiven ja nicht nur sehr entspannt und empfindungsmäßig, erscheinungs-wirkend und genießend ganz bei sich im Unbewussten. Man kann mit ihr auch ohne Hypnose in die tiefen oder hohen Bereiche gelangen, und so hätte ich mich hinsichtlich dieses erscheinungs-wirkenden Berührt-Seins auch auf Schilderungen von Jakob Böhme oder der Heiligen Theresa von Avila berufen können.

Aber ich will mit wissenschaftlichen Grundlagen gesichert beschreiben, wie man sich in sublimierte, stark vergeistigte Zustände begeben kann, die modernen Ansprüchen gerecht wird. Eben diese Zustände vergleiche ich mit denen, die ich vorhin als die der künstlichen Intelligenz, der LLM zugehörige Verfassung erwähnt habe. Dort, in der KI, sind sie selbstverständlich nicht so berührt-seins-intensiv, aber Vergleich heißt ja auch Unterschiede zulassen. Beide Zustände sind neuronal netzwerkartig, aber im Wesentlichen wird es auf ein strukturelles Vergleichsmoment ankommen. Diesen Begriff kann man in psychologisch-psychotherapeutischen Verfahren genauso anwenden wie in elektronischsprachverarbeitenden der KI.