Der merkwürdige Alte - Brigitte Klotzsch - E-Book

Der merkwürdige Alte E-Book

Brigitte Klotzsch

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Beschreibung

Ein vom Leben enttäuschter, zurückgezogener, älterer Biologie Professor stellt eine junge Frau als Putzhilfe ein. Sie befindet sich zu dem Zeitpunkt in einer schwierigen persönlichen Situation. Gelingt es den beiden Protagonisten, aus ihren festgefahrenen Lebensentwürfen auszubrechen? Schaffen sie es, wieder Perspektive in ihrer beider Leben zu bringen? Das ist ein Bilderbuch für Erwachsene, ein Märchen, eine Liebesgeschichte, eine Entwicklungsgeschichte, eine Hingabe an Gärten und das Malen.

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Seitenzahl: 93

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Ich widme dieses Buch Petra Gressler, die meine Liebe zur Natur und den englischen Gärten teilt.

August 2017

Inhaltsverzeichnis

Er sucht eine Putzhilfe!

Der erste Putztag

Vielleicht hat er ein Telefon mit Wählscheibe?

Der geheimnisvolle Garten

Die Geschichten mit den Wildbienen

Ich verbiete dir den Umgang mit dem Professor!

Ich will doch nur dein Bestes!

Sie haben ihn entführt!

Ich kann weinende Frauen nicht aushalten!

Rosa entdeckt Wildblumen

Die Aquarelle der Rosa

Kunst und Natur

Der Brief

Der wilde Garten

Der Professor und sein Garten

Die Regenwürmer

Ich möchte nach England reisen

Reise nach England

Sie fühlte sich wie die Protagonistin einer Oper

Die Aquarelle und der alte Küchentisch

Der Paradiesgarten

Das Sommergewitter

Pläne

Ein arbeitsreicher Sommer

Wer will das Kinderbuch?

Schicksal

Auf der Isle of Wight

 Er sucht eine Putzhilfe!

Es war einmal vor vielen Jahren, in einer Zeit, in der es schon Computer und Handys gab, ein alter Mann. Der lebte mutterseelenallein in einem Haus, das man von der Straße des kleinen Städtchens, in der es stand, nicht erblicken konnte, weil es von einer hohen Backsteinmauer umschlossen war. Die ließ keine Sicht zu. Das Tor war aus Holz, aber auch da konnte man nicht hindurchsehen.

Allerlei wurde in dem kleinen Städtchen über den alten Mann geredet. Man sah ihn nie in den Straßen herumgehen und auch nicht einkaufen. Er hatte ein uraltes Automobil, mit dem er einmal im Monat das Haus verließ und am Abend zurückkehrte.

Die Leute munkelten, dass es in dem nicht sichtbaren Inneren des Hauses vollkommen verdreckt wäre und ungeordnet. Hatte er doch keine Putzfrau. Sie erzählten sich, dass der alte Mann alles horten würde, dass er wohl nie etwas wegwerfen würde. Wahrscheinlich kam man in seinen Wohnbereich gar nicht herein, so sehr würde er überquellen von all den Büchern und Dingen, die er nie wegwarf. Die Frauen des Städtchens wussten genau, dass Wohnungen verkommen, wenn Männer ohne Frau alleine zurückbleiben. Dass da vielleicht sogar die Ratten hausen könnten.

Die Straßenjungen berichteten, dass sie schonmal auf die hohe Mauer geklettert wären, um sich zu überzeugen, was dieser merkwürdige Alte da anrichtete, aber da wäre er herausgetreten und hätte sie bedroht und fürchterlich mit den Augen gerollt. Er war also auch außerordentlich gefährlich. Keiner getraute sich, ihn zu besuchen. Selbst der Postbote erledigte soweit es ging, seine Briefsendungen direkt am großen Tor. Der alte Mann bekam keine Reklame, aber manchmal einen Brief. Wenn der Postmann ihm ein Einschreiben persönlich überreichen musste, dann - so erzählte er in der Kneipe des kleinen Städtchens -, wäre der alte Mann ohne ihn eines Blickes zu würdigen, aus der Haustüre getreten und hätte das Schriftstück weder angenommen, geschweige denn unterschrieben. Er musste unverrichteter Dinge wieder abziehen. Der Garten sei verwildert und der alte Mann hätte weiße Haaren, die ihm den Rücken herabfielen.

So redete man in dem Ort über den alten Mann, aber keiner wußte Genaues.

Eines Tages schlug eine Nachricht wie eine Bombe ein: der alte Mann suchte eine Putzhilfe. Also, da sollte eine Frau wirklich in dieses verdreckte Haus gehen? Keine meldete sich! Fürchteten sie um ihr Seelenheil, wenn sie in die verborgene Höhle hineingingen? Keine Frau des Städtchens wollten sich einen ganzen Vormittag der Laune des Alten aussetzen, geschweige denn in seine Gewalt kommen.

Die Stellenvermittlungsbehörde, die sich rühmte, alle Stellen erfolgreich zu vermitteln, blieb das erste Mal erfolglos. Der alte Mann wetterte so ins Telefon, dass der Beamte das Telefon weit weghielt, um nicht hinweggepustet zu werden und nicht an Taubheit zu erkranken. Der Beamte sagte: „Warten Sie noch eine Woche, vielleicht ergibt sich noch etwas!“ Wütend knallte der Alte den Hörer auf die Gabel.

Da ergab es sich, dass eine frisch in das Städtchen zugezogene alleinstehende Frau mit einem 8- jährigen Kind sich auf just diese Stelle bewarb. Der Beamte schaute ihr tief in die Augen und fragte eindringlich: „Haben Sie sich das genau überlegt? Der alte Herr ist unleidlich!“ „Das macht nichts“, rief die junge Frau aus, „ich habe schon andere Kaliber bewältigt als einen unleidlichen alter Mann!“ Sie lachte und schob ihre blonden Locken aus dem Gesicht: „Ich schaffe das schon!“ Der Beamte fragte besorgt: „Was machen Sie in der Zeit mit dem Kind?“ Sie lachte hell auf: „Wenn es nicht in der Schule ist, nehme ich es mit. Ich lasse es doch nicht alleine zuhause!“ Eine lockige Strähne war wieder über das fröhliche Gesicht gefallen, und sie strich sie erfolglos wieder zurück. Mit Angst geweiteten Augen rief der Beamte: „Um Gottes Willen, nehmen Sie das Kind nicht mit! Er hasst kleine Kinder! Wer weiß, ob er ihnen was antut!“

Die junge Frau nickte ernst, bedankte sich für den wohlgemeinten Rat. Dann füllte sie das Formular aus, das sie ermächtigte, einmal die Woche bei dem schrulligen alten Mann sauber zu machen. Der Beamte war einerseits froh, wieder erfolgreich vermittelt zu haben, andererseits bemitleidete er diese frische junge Frau, die nichtsahnend in ihr Unglück lief. Er riet ihr auch: „Nehmen sie Desinfektionsmittel und Handschuhe mit und Mülltüten. Wer weiß, was sie erwartet!“

„Das werde ich ja sehen!“, rief die junge Frau, nun ein wenig unwillig. Mit dem Knaben an der Hand schritt sie nachdenklich auf das Haus des alten Mannes zu. Auf ihrem Weg durch die Straßen der Stadt raschelten Gardinen und flüsterten Menschen miteinander. Sie spürte die Blicke vieler Menschen auf ihr lasten. Unwillig schüttelte sie sie ab und ging raschen Schrittes auf das hölzerne Tor zu.

Der erste Putztag

Es war mitten im Winter. Der Frost pustete dicke Rauchwolken aus dem Mund der jungen Frau und das Kind quengelte, weil es fror. Sie standen vor dem hohen hölzernen Tor des Alten, und sie drückte beherzt auf den Klingelknopf. Die junge Frau mit Namen Rosa hielt den Atem an, als sie das schrille Schreien der Klingel vernahm. Das Tor wurde unter lautem Knarren geöffnet. Eine barsche Stimme ließ sich vernehmen: „ Sind Sie die Putzhilfe?“ Rosa schluckte und sagte mit trocken heiserer Stimme: „Ja! Mein Herr!“ O mein Gott, sie lebte doch im 21. Jahrhundert und nicht mehr 1910, als man die Menschen so unterwürfig titulierte. Irgendwie war ihr das herausgerutscht. Sie folgte dem Alten. Als sie ihn verstohlen ansah, fiel ihr seine Nase auf, die besonders groß aus seinem Gesicht herausragte. Außerdem trug er merkwürdigerweise eine Sonnenbrille. Er forderte sie mit barscher Stimme auf: „Folgen Sie mir!“ Rosa gehorchte. Da weigerte der Junge sich, weiterzugehen. Rosa nahm ihn an die Hand und tröstete ihn. Der Herr schritt voran, ohne sich umzusehen und ohne das Zögern des Kindes zu bemerken.

Rosa glaubte, sie sei in einem Märchen oder einem Albtraum gelandet. Das Haus war überall mit Efeu zugewachsen. Es umhüllte das Haus wie eine Mauer, die grün und lebendig war. Einige Amseln machten sich über die schwarzen Früchte her. Sogar die Fenster waren mit Efeu zugewachsen, zumindest die, die sie erblicken konnte. Als sie eintrat, empfing sie ein dunkles geheimnisvolles Dämmerlicht. Nachdem die Türe sich geschlossen hatte, schauderte es sie ein wenig, aber der Junge war ruhig geworden. Es war als ob Mutter und Kind den Atem anhielten. Jeder Raum war durch das Wuchern des Efeus ein wenig düster. Sie traten von der knarrenden Treppe in einen großen dunklen Raum ein. Der war mitten am helllichten Tag dunkel. Der alte Herr knipste das Licht an. Ein riesiger Kronleuchter erhellte das Zimmer. Ein Steinwayflügel beherrschte den Raum. Der schwarze Flügel war glänzend und sauber. Um einen bequemen Tisch standen 4 Sessel im Bauhaus-Stil, und dort nahmen sie Platz.

Er entschuldigte sich und sagte: „Ich muss das Licht leider ausmachen. Es blendet mich zu sehr!“ Erstaunt sah Rosa ihn an und wurde bald wieder in das Dämmerlicht getaucht, das sie schon beim Eintritt in dieses Haus ertragen musste. Als sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte, bemerkte sie, dass der alte Herr einen Anzug trug, der wie handgeschneidert aussah. Sein weißes Haar bildete einen Kranz um seinen Hinterkopf. Rosa brauchte ein wenig, um sich in dem Dämmerlicht zurechtzufinden. Er sagte in bestimmendem Ton: „Heute ist Ihre Aufgabe, den Boden zu saugen, zu wischen, alles staubzuwischen und das Klavier zu polieren. Danach machen Sie bitte das Bad, das direkt nebenan ist. Im Flur gibt es eine Klingel. Bitte bedienen Sie sie, wenn sie fertig sind. Dann lass ich Sie wieder hinaus!“ Dann erhob er sich behende, vom Sitz und verabschiedete sich von der verdatterten Rosa. Sie hörte seine Schritte auf der knarrenden Treppe verklingen.

Sie stand mit zitternden Knien auf, und knipste als erstes das Licht an und schaute wie geblendet in dem Raum umher. Alles war altmodisch in diesem Raum: das Klavier, der Tisch, die Sessel. Aber es passte alles zusammen und nichts stand auf dem Flügel oder auf dem Tisch herum. Ein Teppich mit geometrischen Mustern bedeckte den Eichendielenboden. Überall herrschte peinlichste Ordnung! Das wenige Papier auf dem Schreibtisch war zu ordentlichen Stapeln gebündelt. Der Schreibtisch war leer. Außer am Rande, da stand eine Statue eines schwarzen Elefanten mit einem Schwarzen darauf. Der Elefant hatte eine Inschrift, die sie aber bei dem Zwielicht nicht entziffern konnte.

In dem Bücherregal standen die Bücher peinlich genau in einer Linie geordnet. Es gab im ganzen Raum keinen Computer, keinen Laptop kein Fernseher. Das konnte ja in einem anderen Zimmer sein. Auf dem Sideboard am Flügel standen ordentlich aufgereiht Notenbücher. Mitten im Raum stand ein Dawson Staubsauger, ein Putzeimer und allerhand Putzzeug.

Rosa machte sich an die Arbeit. Das Säubern dieses schon sehr geordneten Zimmers ging ihr leicht von der Hand. Das Polieren des Klaviers machte mehr Arbeit. Bald duftete der ganze Raum nach der Politur.

Das Bad war modern eingerichtet mit einer Dusche, einem Waschbecken aus dunkelblauem Glas. Rosa wunderte sich und wurde aus dem alten Mann nicht schlau. Auf ihr Klingeln kam er gemächlich die Treppe herabgeschritten und geleitete sie ein ganz klein wenig weniger barsch zur Türe. Er sagte: „Nächste Woche zur gleichen Zeit. Bezahlung erfolgt am Ende des Monats!“

Vielleicht hat er ein Telefon mit Wählscheibe?