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Ende der 20iger Jahre heirateten Liese und Maritta fast zeitgleich zwei in ihrem Wesen und ihrem gesellschaftlichen Status höchst unterschiedliche Männer und ihre lebenslange Verbundenheit wurde einer schweren Prüfung unterzogen. Liese bekam 1929 ihren Sohn Jochen und zog sechs Kinder ihres Mannes aus erster Ehe auf. Das Heranziehen des Nationalsozialismus und seines Gedankenguts warfen einen schweren Schatten besonders auf Lieses Leben, während Maritta mit ihrem Mann Konzerte besuchte und selbst welche gab.
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Seitenzahl: 87
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Aus der Familienchronik meines Bruders Uwe
Lieses jüdische Herkunft
Sie glühte wie ein Lampion (November 1927)
Der Erdbeerfleck (Dezember 1927)
Wohin mit dem Flügel? (Januar 1928)
Mein Busen ist um ein Vielfaches geschwollen (Januar 1928)
In 4 Wochen heiratet Maritta! (März 1928)
Der Herr Landrat hat eine Sitzung (Anfang April 1928)
Ich wünsche mir sehnlich eine Tochter ( Anfang Juni 1928)
Der Herr Rittmeister bittet um seinen Rücktritt (August 1928)
Der Herr Landrat gönnt sich nicht die Butter auf dem Brot! (Oktober 1928)
Der Kerl denkt wohl, ihm stünde alles zu! (Januar 1929)
Mit einem Schlag wird eine dreindreißigjährige Liebe beendet (Februar 1929)
Jochen und die Maikäfer (Anfang August 1929)
Du bist mit deinem Auge einzigartig, unverwechselbar! (24.12. 1929)
Du bist eine Rose, eine zerzauste! (Januar 1930)
Die Verbannung mitten in Berlin! (April 1930)
Sie hätte eine dritte Hand gebraucht (April 1930)
Du solltest Fürsprecherin und nicht Sängerin werden! (Juli 1930)
Die Klebe! (Februar 1931)
Sonst platze ich (November 1931)
Ich verstehe das alles nicht… (23. Dezember 1931)
Der singende Zug (März 1932)
Endlich ohne Erich! (Juli 1932)
Der Auftritt (Juli 1932)
Jojo und der Schnee (Ende Dezember 1932)
Das Ermächtigungsgesetz (Anfang April 1933)
Liese ist kein Quasselweib (Juni 1933)
Ein überraschender Besuch (Juli 1933)
Männer! (Juli 1933)
Liese heiratete den Landrat Erich von Stosch aus Wernigerode, der sich nach dem frühen Tode seiner Frau „mit seinen 6 Kindern von nun 9 – 19 Jahren und den älteren Hausdamen, Schwestern der Frau, abquälte.“
Tante Maritta: … Liesens Hochzeit, bei welcher Gelegenheit ich in der Gedächtniskirche mit einer Mezzosopranistin das Duett von Mendelssohn: „Ich harrete des Herrn, und er neigte sich zu mir“ sang. Ich hatte Paul Zschorlich gebeten, auch in die Kirche zu kommen, und wollte dann noch einmal sein Urteil über meinen Gesang hören. Er war zur Hochzeit noch nicht mit eingeladen, weil wir ja erst heimlich verlobt waren, außerdem war er ja kein Offizier, auch kein Beamter, sondern nur der Musikkritiker der „Deutschen Zeitung“, was Vater natürlich gegen den Strich ging!! Nach dem Duett auf der Orgelempore lief ich nun schnell zum Altar herunter, um mit meinem Vater hinter dem Brautpaar hinausgehen zu können. Da entdeckte ich Paul Zschorlich unter den Brautschauern, und obwohl wir doch das 1. Paar hinter dem Brautpaar waren, lief ich schnell zu ihm, um sein Urteil zu hören, wodurch natürlich der ganze Zug ins Stocken geriet.
Die Hochzeitstafel fand in unserer Wohnung in der Eislebener Straße 12 statt.
Als wir uns den nächsten Mittag zu Tisch setzten, und ich das Tischgebet sprechen sollte, fing ich an mit „Hier von Reichenbach“, weil ich in den letzten Tagen sehr oft mit Paolo telefoniert hatte und mich immer so gemeldet hatte! Vater war entsetzt, und ich schämte mich… in Grund und Boden!!
Maritta heiratete den Musikkritiker und Komponisten Paul Zschorlich in Berlin. Erich erschien nicht zur Hochzeit. Liese besuchte sie alleine.
Maritta: „Ich bin am 2. Februar 1929 nach Wernigerode gefahren, um Liese in ihrem neuen Heim zu besuchen, und Erich versuchte, mir Paolo auszureden, aber da war nichts mehr zu machen!
Vater ging übrigens zu seinen beiden Chefs … in die Deutsche Zeitung, und als die Beiden ihn so in dem hohen Klee lobten, machte er mir keinerlei Schwierigkeiten mehr. Paolo heiratete nun in unsere Wohnung hinein, und da wir nun jeden Abend in Konzerte und Opern mussten (das war ja Paolos Beruf!), aßen wir immer erst hinterher (um ½ 11 oder 11 Uhr) Abendbrot; sonst hätten wir schon um ½ 7 Uhr, vor den Konzerten, essen müssen, was Paolo zu früh war. “Vater bekam natürlich pünktlich um 8 Uhr sein Abendbrot, aber er nannte unser Leben ein Bohéme – Leben, zog dann für einige Zeit zu Liese nach Wernigerode, wo die 6 Kinder, die bei Tisch nicht mit gefalteten Händen saßen und sogar „ungefragt“ sprachen, ihm zu lebhaft waren, weshalb er dann nach Berlin zurückzog und dann zu einer Witwe, Frau Dr. Croner, nach dem Grünewald zog, bei der er sich sehr wohl fühlte, und die auch sehr gut zu ihm war…“
Kurz nach Jochens Geburt kam es zum endgültigen Zerwürfnis von Liese und Maritta.
Am 20.04.1929 schreibt Maritta an ihren Mann: „Du glaubst nicht, was ich innerlich durchmache, wenn ich mir die ganzen Konsequenzen ausmale, die ein endgültiger Bruch mit Liese mit sich brächte! Ich kann an nichts anderes denken, nichts mehr beginnen, nichts leisten, weil ich mir einfach nicht vorstellen kann, wie ich es ertragen soll, wenn alle Brücken zu Liese abgebrochen sind und alle Leute, die mir vor meiner Ehe lieb und wert waren, natürlich das sinkende Schiff verlassen …
Am 25.05.1929 schritt Dori ein:
„Geliebte Liese!
Heute erst finde ich die genügende Muße, Dir Deinen Brief vom 12. Mai zu beantworten. Ich kann ein Wort, das Du darin gegen meinen Schwiegersohn Paul aussprichst, nicht stillschweigend übergehen, sondern muss energisch dagegen Stellung nehmen. Du gebrauchst darin den verächtlichen Ausdruck „der Mensch“, und da Du selbst an Maritta schriebst, sie sollte Deinen Brief an mich lesen, so ist sie natürlich aufs Tiefste in ihrer Frauenehre gekränkt. Hinzu kommt, dass Erich bei seinem hiesigen Besuch (als Maritta verzweifelt ausrief, sie werde nun vor die Alternative gestellt, ob sie zu ihrem Mann oder zu Dir halten sollte, welch Letzteres gleichbedeutend mit einer Scheidung wäre!) äußerte, eine Scheidung wäre ja auch das Beste! Leider habe ich einen großen Teil der Auseinandersetzung zwischen Erich und Maritta in meiner Erregtheit und weil ich ziemlich weit von Erich entfernt saß, nicht verfolgen können, denn sonst wäre ich sofort eingeschritten! Das geht natürlich nicht, dass Ihr Beide jetzt noch versucht, Maritta und Paul auseinanderzureißen, andererseits ist es selbstverständlich, wenn Maritta sich vorläufig von Dir lossagt, bis Du endlich zu der Überzeugung gekommen bist, dass sie in Paul ihr Glück sieht und Du nur weiter mit ihr in Kontakt bleiben kannst, wenn Du eine Form gefunden haben wirst, auch mit Paul auf einigermaßen gutem Fuße zu stehen. Du irrst Dich, wenn Du es für möglich hältst, dass Euer schwesterliches Verhältnis ungetrübt bleibt, solange Du in solchen Ausdrücken von Marittas Mann sprichst!“
Im Schwesternstreit gab es immer mal wieder Annäherungsversuche.
Beispielsweise am 13.11.1929, als Liese die Zschorlichs in Berlin besuchte. In einem Brief an Erich schreibt Liese, dass sie viel Ruhe brauche und sie… erst wieder ganz frisch und tatkräftig werden (müsse) und keine solche Trauertante, wie ich es in der letzten Zeit war, wo Du Dich so viel über mich ärgern musstest.“
Dann fährt sie fort: „Es ist für die allgemeine Stimmung auch ganz gut gewesen, dass ich mich ausschließlich Zschorlichs widmen konnte. Zwei Abende bin ich bis 1 oder ½ 2 aufgeblieben, weil ich ja den ganzen Tag liegen konnte, und das hat Paolo doch recht befriedigt. Er gibt sich überhaupt große Mühe und wenn man sich an seine Art gewöhnt hat, kann er ganz gemütlich und witzig sein. Man muss ihn nur reden lassen und kommt selten zu Wort. Neulich hat er uns auch Klavier vorgespielt, was wirklich sehr schön war.“
Pfingsten 1931 fuhren Maritta und Paolo nach Wernigerode, aber es kam zu einem erneuten Streit.
Maritta: „Am nächsten Morgen verließ Paolo das Haus, ohne Abschiedsgruß, in aller Frühe! …
Dann begann ein schreckliches halbes Jahr, in dem ich Liese nicht schreiben „durfte“ (eine andere Frau von fast 37 Jahren hätte sich ja das nicht „verbieten“ lassen!!, vor allem heute nicht!) und indem auch Liese nicht „wagte“, mir zu schreiben!…
Tante Maritta: „Dadurch, dass mein Schwager Erich so sehr gegen Paolo eingestellt war, mochte Paolo nicht, dass ich nach Wernigerode ging, denn er wusste, dass ich leicht beeinflussbar war!
In den ersten 3 Jahren meiner Ehe kam ich nicht nach Wernigerode und erlebte deshalb Jochens früheste Kindheit leider nicht mit!“
Im März 1932 brach der Bann der Schwestern und Maritta fuhr freudig nach Wernigerode und besuchte Jochen und Liese.
Maritta: „Manchmal klagte sie etwas darüber, wie schwer es für sie war, mit Adalbert, Jobst und Albrecht Schularbeiten zu machen, während Jochen wie am Spieß schrie, weshalb sie ihn in das hinterste Zimmer des Landratamtes verbannte!
Liese an Erich am 9.07.1929… Diese einsamen Tage und Abende sind doch nicht gut für mich, verbunden mit Deinen sachlichen Briefen und Karten, in denen ich vergebens nach einem Wort der Liebe oder Zärtlichkeit suche. Nun habe ich auch noch Deine Briefe aus dem Felde an Deine Frau gelesen und das hat mir den Rest gegeben. Wenn Du einen Menschen lieb hast und Dich nach ihm sehnst, kannst Du also doch liebe und zärtliche Briefe schreiben und auch über Deine Gefühle sprechen. Ich wusste es ja immer und habe nun die traurige Bestätigung gefunden, wie wenig ich von Deinem Herzen besitze. Deine Liese.
In einem Brief vom 24.04.1939 an Paolo schreibt Liese: „Natürlich bin ich äußerlich eine kühlere Natur als Dittchen, was in meiner Ehe auch entschieden besser ist, weil ich sonst die Kühle von Erich noch schwerer ertragen würde.“
Bereits wenige Wochen nach dem Kennenlernen am 12.12. 1927 schrieb Liese an Erich einen Brief, in dem es um seine Reaktion auf ihre Offenbarung ihrer jüdischen Herkunft am Grab ihrer Mutter geht.
Lieber!