Der Mitbewohner - Akif Turan - E-Book

Der Mitbewohner E-Book

Akif Turan

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Beschreibung

Nachdem ihre Freundin ausgezogen ist, macht sich Angelika auf die Suche nach einer neuen Mitbewohnerin. Doch auf ihrer Suche lernt sie einen jungen und attraktiven Mann kennen, der nicht die Person zu sein scheint, die er vorgibt zu sein.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: MITBEWOHNERIN GESUCHT

Kapitel 2: DER FEINSCHMECKER

Kapitel 3: DAS „KENNENLERNEN“

Kapitel 4: WEISSER KALBSFOND UND PREISELBEERSAUCE

Kapitel 5: WELCOME HOME

Kapitel 6: EIN NEUER PLAN

Kapitel 7: DER AUSERWÄHLTE

Kapitel 8: KÄMPFE NICHT DAGEGEN AN!

Kapitel 9: MEISTER UND SCHÜLERIN

Kapitel 10: DAS KILLER-PAAR

Kapitel 11: DAS CARNISVAL

Kapitel 12: VEREWIGT

NACHWORT

KAPITEL 1

MITBEWOHNERIN GESUCHT

Erneut musste sich die 24-jährige Angelika aus Wien auf die Suche nach einer neuen Mitbewohnerin begeben, nachdem ihre gleichaltrige und gute Freundin Neslihan vor Kurzem zu ihrem festen Freund umgezogen ist.

Sie hatten bereits vier Jahre zusammengelebt und so einiges in ihrer kleinen Wohngemeinschaft erlebt.

Angelika und Neslihan kennen sich vom Arbeitsplatz. Sie sind nach wie vor Kolleginnen, die sich von Anfang an gut leiden können.

Sie arbeiten als Kellnerinnen im Café Museum im 1. Wiener Gemeindebezirk.

Meist haben sie gemeinsame Schichten, worüber sich die beiden immer freuen. So konnten sie immer gemeinsam ihre Wohnung verlassen und auch gemeinsam wieder nach Hause gehen.

Doch jetzt, seit Neslihan, die ursprünglich aus der Türkei stammt, jedoch in Wien geboren und aufgewachsen ist, zu ihrem Freund, der ebenfalls aus der Türkei stammt, eingezogen ist, sehen sich die beiden Freundinnen, die mittlerweile wie Schwestern zueinander stehen, nur noch bei der Arbeit.

Wenn sie Glück haben, haben sie gemeinsame Schichten, doch es kommt auch oft vor, dass sie getrennte Schichten haben und sich nur dann sehen können, wenn eine von ihnen Dienstschluss hat während die andere mit ihrer Schicht anfängt.

Und obwohl diese Tatsache die beiden Freundinnen traurig macht, freut sich Angelika sehr für Neslihan.

Neslihan ist zwar seit acht Monaten mit ihrem Freund zusammen, aber erst jetzt hatte sie sich dazu entschlossen gemeinsam mit ihm zu leben. Es war ihr nicht leicht gefallen, ihre Freundin Angelika alleine zu lassen, aber in diesem Fall musste sie sich für die Liebe entscheiden.

Doch sie hatte Angelika versprochen, sie so oft wie möglich, zu besuchen.

Anfangs war es für Angelika nicht leicht gewesen, sich erneut an die Einsamkeit zu gewöhnen. Es war plötzlich so still und langweilig geworden, seitdem Neslihan ausgezogen ist.

Doch, ob es ihr gefiel oder nicht, sie musste sich daran gewöhnen. Sie musste sich wieder ihr eigenes Reich in der Dreizimmerwohnung erschaffen und das Beste daraus machen.

Aber auch nur solange, bis sie eine neue Mitbewohnerin gefunden hatte. Angelika war bereits klar gewesen, dass niemand ihre Freundin Neslihan ersetzen könnte, aber sie musste sich nach einer neuen Mitbewohnerin umsehen, weil sie zum einen Angst hatte alleine zu leben und zum anderen konnte sie die Gesamtmiete nicht komplett übernehmen. Zumindest nicht langfristig. Daher musste sie schnell eine neue Anzeige aufgeben, sodass sich potenzielle Mieterinnen bei ihr melden konnten. Und je schneller Angelika die Anzeige im Internet aufgeben würde, umso schneller würde sie die Miete aufteilen können.

Also setzte sie sich vor ihren Laptop und gab folgende Anzeige auf,

MITBEWOHNERIN GESUCHT!

Falls du auf der Suche nach einer Unterkunft bist und Interesse daran hast Teil einer gemütlichen WG zu werden, dann schreibe mir bitte eine E-Mail! Ich freue mich darauf dich kennenzulernen. :-)

[email protected]

Aus Sicherheitsgründen verzichtete Angelika gerne darauf ihre Telefonnummer oder Wohnadresse online bekanntzugeben.

Dazu war sie viel zu misstrauisch und bevorzugte es von daher lieber ihre E-Mail Adresse anzugeben.

So konnte sie nicht unnötig belästigt werden.

Falls jemand ernsthafte Interesse haben sollte, würde sie schon sämtliche Informationen mitteilen und bestimmte Fragen beantworten.

Und wenn schriftlich alles gut ablaufen würde, würde sie weitere Kontaktdaten mitteilen, damit die Interessentin die Wohnung besichtigen kommen kann.

Nachdem sie die Online-Anzeige aufgegeben hatte, klappte sie ihr Laptop zu und machte sich erst einmal ein Tee.

Neslihan und sie tranken beide am liebsten Pfefferminztee.

Doch jetzt musste sie den Tee ganz alleine genießen.

Es war schon ein sehr komisches Gefühl musste sie sich eingestehen. Da hatte sie vier Jahre mit der selben Person zusammengelebt und von heute auf morgen war diese Person weg.

So als hätte man ihr plötzlich ein Arm ausgerissen.

Sie vermisste Neslihan sehr und auch all ihre schönen gemeinsamen Erlebnisse.

Angelika hoffte nur, dass ihre neue Mitbewohnerin halbwegs so gut sein würde wie Neslihan. Das würde ihr schon genügen.

Daher musste ihre Wahl ganz sorgfältig treffen und durfte ihre Entscheidung auf gar keinen Fall bereuen.

Sie holte den wassergetränkten Teebeutel aus ihrer Tasse heraus, drückte ihn ganz fest zusammen, sodass auch der letzte Tropfen in der Tasse landen konnte und nahm ein Schluck vom köstlichen Pfefferminztee.

Voller Hoffnung ging sie zurück ins Wohnzimmer und setzte sich vor dem Fernseher hin.

Es war bereits neunzehn Uhr am Abend gewesen und sie hatte einen stressigen Arbeitstag hinter sich. Neslihan hatte sich aufgrund ihres Umzuges frei genommen und würde erst zwei Tage später wieder zur Arbeit kommen.

Daher war es Angelika so vorgekommen, als ob der Arbeitstag nie enden würde.

Doch sie hatte geendet und jetzt saß sie mit einer Tasse Pfefferminztee in der Hand vor ihrem Fernsehapparat und sah sich ihre Serie „The Witcher“ auf Netflix weiter an. Neslihan und sie lieben diese Serie und sahen sich jede einzelne Folge gemeinsam an. Umso frustrierender war es nun für Angelika sich die Serie alleine ansehen zu müssen.

Dabei hatten die beiden Freundinnen immer von Henry Cavill, dem Hauptdarsteller der Serie, geschwärmt und auch darüber, dass er mit Abstand der beste „Superman“ gewesen war.

Angelika weiß noch wie sie eines Abends zu Neslihan gesagt hatte, dass sie sich ihren persönlichen Superman wünschte und, dass er eines Tages geflogen kommt, um mit ihr gemeinsam hoch über den Wolken zu fliegen.

Das hatte sich Neslihan auch immer gewünscht und war ihr Wunsch wahr geworden. Sie hatte bereits ihren persönlichen Superman gefunden. Jetzt musste nur noch Angelika ihren Superman finden.

Dabei sollte es ihr als Kellnerin nicht so schwer fallen, jemanden kennenzulernen, aber Angelika hatte Probleme Menschen zu vertrauen. Sie hatte oft die Erfahrung gemacht, dass die Menschen nicht die waren, die sie vorgegeben hatten zu sein.

Angelika wurde schon oft enttäuscht, weswegen sie seitdem viel zu vorsichtig mit dem Umgang mit Menschen geworden ist.

Vor allem wenn es um eine ernsthafte Beziehung mit einem Mann ging.

Angelika musste dieses gewisse Etwas spüren können, um sich demjenigen öffnen zu können. Sie musste tief in ihrem Herzen von ihm überzeugt werden, bevor sie ihm erlauben konnte, ein

Teil ihres Lebens zu werden. Und weil sie sich mit diesem Thema so schwer tut, hatte sie schon seit Jahren keine feste Beziehung mehr gehabt.

Sie ist eine von diesen Dauersingles. Auch wenn es ihr schwer fällt das zuzugeben, ist ihr bewusst, dass das wahr ist.

Und jetzt, wo Neslihan einen festen Freund hat, den sie abgöttisch liebt und sogar zu ihm eingezogen ist, plagt die Einsamkeit Angelika umso mehr.

Vielleicht war es ja ihre Bestimmung einsam und allein zu sein, dachte sie sich hin und wieder. Vielleicht aber würde es noch etwas dauern bis sie ihren Lebenspartner kennenlernen würde, dachte sie sich auch nebenbei. Meist, um sich selber nicht allzu sehr zu deprimieren.

Doch allzu viele Gedanken wollte sie nicht daran verschwenden und ließ es einfach drauf ankommen.

Sie hatte stets die Hoffnung, dass es schon passieren würde, wenn die Zeit dafür kommen würde.

Sie war ja schließlich auch eine sehr attraktive, freundliche und gar nicht so dumme junge Dame, tröstete sie sich immer wieder.

Das Liebesglück würde auch schon bald an ihrer Herzenstür klopfen.

Das wusste sie ganz genau.

Doch bis es tatsächlich so weit sein würde, würde es möglicherweise noch dauern.

Daher hörte sie auf weitere Gedanken daran zu verschwenden und konzentrierte sich voll und ganz auf ihre Serie und fixierte sich dabei auf Geralt von Riva und auf seinen muskulösen Körper. Verdammt konnte der aber sein Schwert schwingen, dachte sie sich beeindruckt während sie ein Schluck von ihrem Tee machte.

Für Angelika hatte ein neuer Tag angefangen und es war der erste Morgen seit langem in der sie alleine aufgestanden war.

Sofort hatte sie festgestellt, dass es, ohne die Anwesenheit von Neslihan, ein sehr ruhiger Morgen war. An das musste sie sich auch wieder gewöhnen.

Denn für gewöhnlich wachten sie zur selben Zeit auf, um zur Arbeit zu gehen und rannten um die Wette, wer von den beiden zuerst das Badezimmer betreten würde. Oft war es Neslihan gewesen, die gewann.

Es war schon seltsam gewesen, welch einen großen Unterschied die Abwesenheit einer einzigen Person machen konnte.

Vor vier Jahren, als sie noch alleine gewohnt hatte, hatte sie das gar nicht gemerkt. Doch jetzt, nach vier Jahren, konnte sie den Unterschied deutlich merken.

Es war für Angelika eindeutig gewesen. Es musste unbedingt jemand diese Leere wieder füllen, die nach Neslihan's Umzug entstanden ist.

Also beeilte sie sich und versuchte so schnell wie möglich im Badezimmer fertigzuwerden und ganz schnell eine Kleinigkeit zu frühstücken, um dann auf ihrem Smartphone ihren E-Mail Eingang nach neuen Nachrichten abzuchecken, bevor sie zur Arbeit ging. Sie hoffte so sehr, dass sie mittlerweile mehrere Anfragen auf ihr Inserat erhalten hatte.

Doch zu ihrem Bedauern hatte sich bisher noch niemand gemeldet.

Aber Angelika tröstete sich mit dem Gedanken, dass es noch zu früh dafür wäre und, dass sich bestimmt im Laufe des Tages einige bei ihr melden würden.

Sie verstaute ihr Smartphone in der rechten Gesäßtasche ihrer engen Jeans, sodass jedes kleine Detail davon zu erkennen war, stopfte sich das letzte Bissen von ihrem, mit einer Scheibe Gouda belegtem Kornspitz in den Mund und ging auf dem direkten Wege zur Arbeit.

So wie sie es bereits vorgehabt hatte, wollte Angelika in ihrer Mittagspause Neslihan anrufen und nach dem Stand der Dinge fragen. Abgesehen davon hatte sie die Gespräche mit ihr vermisst.

Sie wusste zwar, dass Neslihan sie schon anrufen würde, sobald sie Zeit dazu hätte, aber Angelika konnte es nun mal nicht abwarten und wollte jetzt schon hören, wie es ihrer ehemaligen Mitbewohnerin in der neuen Wohnung ging. Und vor allem das Zusammenleben mit ihrem festen Freund.

Ohne etwas Klatsch und Tratsch ging es eben nicht.

Sie hatte sich bereits ihr Mittagessen geholt und saß alleine im Pausenraum um ihr Wienerschnitzel vom Kalb mit Erdäpfel-Vogerl-Salat und Preiselbeeren zu genießen. Zum Trinken hatte sie ein Glas kühles Soda Orange dazu genommen.

Noch bevor sie mit dem Essen begann, zückte sie ihr Smartphone heraus um Neslihan anzurufen.

Doch auf dem Bildschirm konnte sie sehen, dass sie eine neue E-Mail erhalten hatte. In der Hoffnung, dass es sich um eine Interessentin für ihre Wohngemeinschaft handeln könnte, entschied sie sich dazu die E-Mail zuerst zu öffnen und erst danach Neslihan anzurufen.

Mit ihrem rechten Zeigefinger tippte sie auf das Icon mit dem Kuvert und öffnete so ihr digitales Postfach.

Tatsächlich hatte sie eine Anfrage bezüglich einer Wohngemeinschaft erhalten über die sie sich sehr gefreut hatte. Sofort öffnete sie die E-Mail und genau in diesem Moment war ihre Freude wieder ganz schnell davon geflogen.

Denn die E-Mail kam von einem gewissen Elias Lechner.

Angelika war verblüfft darüber, dass ein Mann sie angeschrieben hatte, obwohl sie ganz deutlich angegeben hatte, dass sie eine Mitbewohnerin sucht. Sie dachte sich, dass das klar sein würde. Doch anscheinend hatte es einer nicht begriffen und sie tatsächlich bezüglich einer Wohngemeinschaft angefragt.

Schon allein der Gedanke, dass sie mit einem fremden Mann eine Wohnung teilen musste war für sie mehr als nur unangenehm gewesen. Wie es in Wahrheit tatsächlich sein würde wollte sich sich gar nicht erst vorstellen. Wirklich unheimlich.

Wie kam er überhaupt dazu eine fremde junge Frau anzufragen, ob er bei ihr einziehen durfte? Was sollte das? Dachte sie sich, während sie mit einer angewiderten Mimik die Nachricht las. Es hatte sie trotzdem interessiert was dieser Elias Lechner geschrieben hatte.

Es stand folgendes darin,

Hallo Angelika,

ich hoffe es geht in Ordnung, wenn ich dich mit Du“ anspreche. Das wirkt viel sympathischer finde ich.

Nachdem ich deine WG Anzeige gelesen hatte, wollte ich mich sofort bei dir melden.

Ich bin 26 Jahre alt und auf der Suche nach einer neuen Wohnung, besser gesagt, nach einer neuen WG. Denn die Mietpreise für eine Einzelperson sind nicht leistbar. Daher bevorzuge ich es lieber in einer Wohngemeinschaft zu leben und die Kosten gerecht aufzuteilen.

Es wäre sowieso nur für eine kurze Zeit. Denn ich bin ständig auf Reisen und bin daher nicht sesshaft. Ein weiterer guter Grund, wieso ich keine eigene Wohnung beziehen möchte. Für jemanden wie mich sind WG's optimal geeignet.

Daher ergreife ich jede, die sich mir bietende Chance und versuche mein Glück. In diesem Fall bei dir.

Ich hoffe, dass du mir für die Zeit, die ich in Wien bin, ein Zimmer anbieten kannst.

Dafür wäre ich dir sehr dankbar.

Alle weiteren Details können wir dann gerne bei einem persönlichen Treffen besprechen.

Würde mich sehr über eine positive Rückmeldung von dir freuen.

Ich wünsche dir noch einen schönen und angenehmen Tag!

Mit freundlichen Grüßen,

Elias Lechner

Nachdem sie die Nachricht zu Ende gelesen hatte, war sie sich absolut davon sicher, dass dieser Elias Lechner nicht die Person ist, die sie als Mitbewohner haben wollte.

Abgesehen davon, dass er ein Mann war, passte er generell nicht in ihr Konzept hinein. Denn Angelika wollte jemanden haben, die langfristig die Wohnung mit ihr teilen würde und nicht etwa jemanden, der für eine kurze Zeit einzieht und dann wieder verschwindet.

Sie wollte sich einfach nicht ständig nach neuen Mitbewohnerinnen umsehen müssen. Angelika wollte jemanden finden, die über viele Jahre mit ihr zusammenlebt. Auf das ständige Hin und Her konnte sie sehr gerne verzichten.

Also verzichtete sie auch, aus mehreren Gründen, auf den seltsamen Elias Lechner und löschte seine E-Mail, um sich anschließend auf ihr Mittagessen zu konzentrieren.

Da sie bereits viel Zeit mit der Nachricht von Elias Lechner verschwendet hatte, hatte sie nicht mehr viel davon übrig, um Neslihan anzurufen und ihren Schnitzel genüsslich aufzuessen. Daher hatte sie beschlossen, gleich nach Dienstschluss, Neslihan anzurufen. Und sie würde auch definitiv die WG Anfrage von Elias Lechner erwähnen. Das war auf jeden Fall ein interessantes Gesprächsthema.

Zu ihrem Glück war ihr Schnitzel noch warm genug.

Während sie so vor sich hin aß, hoffte sie auf weitere Anfragen und darauf, dass eine dabei ist, die für ihr WG Konzept geeignet wäre.

Auch dieser Arbeitstag ging nach ganzen acht Stunden zu Ende und Angelika hatte sich bereits fertig für den Heimweg gemacht.

Sie hatte sich noch schnell von ihren Kolleginnen und Kollegen verabschiedet und war unterwegs zu der U-Bahn Linie U2 gewesen, die sie auf direktem Wege, ohne umzusteigen, nach Hause bringen sollte.

Mit der Verbindung zwischen ihrer Wohnung und ihrem Arbeitsplatz hatte Angelika Glück. Das galt für Neslihan auch als sie noch mit ihr zusammengewohnt hatte. Doch jetzt war sie ein paar Bezirke weitergezogen und musste daher zwei U-Bahn Linien benützen. Das wiederum hieß, dass sie noch früher von Zuhause weggehen musste.

Angelika war froh darüber, dass sie diesen Stress nicht gehabt hatte.

Wobei, der Freund von Neslihan, wie war sein Name doch gleich? Ach ja, Faruk. Er hatte ein Auto mit der er sie herumchauffieren könnte.

Andererseits war Faruk selbst arbeitstätig und musste ebenfalls in der Früh losfahren, weshalb Neslihan dennoch auf die U-Bahnen angewiesen wäre. Zumindest könnte er sie eventuell von der Arbeit abholen. Wäre schon eine feine Sache, wenn man täglich zur Arbeit und dann wieder nach Hause gefahren werden würde, dachte sich Angelika nebenbei. Vor allem bei Schlechtwetter könnte ein solches Service sehr angenehm und gemütlich sein.

In diesem Moment schüttelte Angelika leicht ihren Kopf während sie weiterhin nachdenklich zur U-Bahn Station ging, weil ihr klar wurde, dass sie zu viele unnötige Gedanken daran verschwenden würde.

Sie sammelte ihre Gedanken wieder und rief Neslihan an, so wie sie das vorgehabt hatte.

Es klingelte einmal. Es klingelte ein zweites Mal. Es klingelte ein drittes Mal. Wo zum Teufel bleibt sie denn bloß? Dachte sich Angelika während sie auf die Uhr in der U-Bahn Station geschaut und festgestellt hatte, dass die nächste U-Bahn in vier Minuten ankommen würde.

Währenddessen hatte es insgesamt fünfmal geklingelt und als Angelika kurz davor gewesen war wieder aufzulegen, um Neslihan zu einem späteren Zeitpunkt anzurufen, ging Neslihan doch noch ran und sagte mit einer überaus erfreuten Stimme >>Hallo Angie! Wie schön, dass du anrufst. Wie geht es dir? Ich vermisse dich so sehr.<<

Ein leichtes Lächeln überkam Angelika's Gesicht und ihr wurde ganz weich um das Herz.

>>Ach, ich vermisse dich auch sehr Nesli. Mir geht’s gut danke und deiner Stimme zu urteilen, geht’s dir auch ziemlich gut wie es scheint. Ich dachte, ich rufe dich mal an und frage wie es bei dir so läuft. Wieso hast du denn so spät abgehoben? Ich war schon kurz davor gewesen wieder aufzulegen.<<

>>Ja, ich kam gerade aus der Dusch heraus und habe dich gerade noch so erwischt.<< Beantwortete Neslihan Angelika's Frage.

Angelika nickte mit ihrem Kopf verständnisvoll und sagte >>Achso, tut mir Leid, dass ich dich so unpassend anrufe.

Wenn du willst, rufe ich dich zurück, wenn ich Zuhause bin und du kannst dich bis dahin fertig machen?<<

>>Nein, nein. Ist schon in Ordnung. Ich habe ja ein Bademantel und abgesehen davon ist Faruk noch nicht zurück von der Arbeit. Er dürfte aber schon bald da sein.<<

Das freute Angelika zu hören, woraufhin sie ganz neugierig folgendes fragte >>Ja, das wollte ich natürlich auch fragen.

Wie läuft es so zwischen euch beiden? Erzähl mal!<<

Mit einer sehr verliebten Stimme fing Neslihan zu erzählen an >>Es ist wundervoll. Es ist besser als ich es mir vorgestellt hatte. Faruk ist so ein toller Mann. Ich meine, das wusste ich natürlich bereits von Anfang an, aber so richtig erkenn konnte ich es, nachdem wir angefangen haben zusammenzuwohnen. Und, ich habe eine Neuigkeit für dich liebe Angie. <<

Angelika hörte ganz gespannt zu und wartete darauf, was für eine Neuigkeit das wohl sein könnte. Neslihan verriet es ihr >>Wie du ja auch weißt, sind wir seit acht Monaten ein glückliches Paar. Wir verstehen uns so gut und passen so gut zueinander, sodass wir sogar beschlossen haben gemeinsam zu wohnen. Daher werden wir demnächst unseren Familien von unserer Beziehung erzählen und und uns ihnen gegenseitig vorstellen.<<

>>Wow, das ist ja echt toll liebe Nesli. Das freut mich sehr für euch zwei, aber vor allem freue ich mich natürlich für dich.<< Brachte Angelika ihre Freude zum Ausdruck. Aber Neslihan war noch nicht fertig mit ihren Neuigkeiten >>Ja, danke Angie! Wir sind beide deswegen schon ganz nervös. Und die Nervosität wird nicht so schnell wieder verschwinden, weil wir uns bereits gestern Abend über eine gemeinsame Ehe unterhalten haben. Sowohl Faruk als auch ich, werden uns wohl, so wie es aussieht, schon kurz nach der Bekanntgabe, verloben. Ach Gott Angie, ich sag's dir. Das ist alles so aufregend. Ich könnte vor Freude Luftsprünge machen.<<

>>Das hört sich ja alles wunderbar an meine liebe Neslihan. Ich freue mich sehr für euch zwei.<< Brachte Angelika ihr Freude zum Ausdruck.

>>Was tut sich bei dir? Hast du dich inzwischen wieder an das Alleinleben gewöhnt?<< Fragte Neslihan rhetorisch und lachte dabei, weil sie die Antwort darauf bereits kannte. Ihr war selbstverständlich bekannt, dass Angelika etwas paranoid sein konnte, wenn sie alleine bleiben musste. Sie wusste, dass ihre ehemalige Mitbewohnerin Angst hatte alleine zu leben. Zumindest wusste sie, dass sie es nicht für eine längere Zeit alleine aushalten würde. Das war auch eines der Gründe für ihren späten Auszug. Sie wollte und konnte ihre Freundin und Arbeitskollegin nicht sofort alleine lassen.

Im Nachhinein war ihnen beiden eingefallen, dass sie mit der Suche nach einer neuen Mitbewohnerin schon viel früher hätten anfangen sollen, aber da war es leider bereits zu spät gewesen. Doch Neslihan wusste oder sie redete sich das einfach so ein, um sich selbst vor Schuldgefühlen zu schützen, dass Angelika schon klar kommen und, dass sie schon sehr bald eine neue und nette Mitbewohnerin finden würde.

Das wünschte sie sich vom ganzen Herzen für sie.

>>Ja, es geht. Noch bin ich nicht in Panik geraten.<< Antwortete sie Neslihan und lachte dabei so laut, dass sich in der U-Bahn Station sämtliche Gesichter für einige Sekunden mit erstaunten Blicken zu ihr gerichtet hatten. Verlegen lächelte sie einige von ihnen an und konzentrierte sich wieder auf das Gespräch mit Neslihan.

>>Auch ich habe einige Neuigkeiten für dich meine liebe Nesli. Du wirst mir nicht glauben, was mir heute passiert ist.<< So wie sie das betont und gesagt hatte, wurde Neslihan plötzlich sehr ernst und begann ihr aufmerksam und interessiert zuzuhören, nachdem sie ihr folgende Frage einfach stellen musste >>Oh Gott, Angie! Erzähl's mir bitte sofort!<<

>>Da du ja offiziell ausgezogen bist, habe ich eine neue Anzeige im Internet aufgegeben, um mir eine neue Mitbewohnerin zu suchen.<< Erzählte Angelika während Neslihan ganz gespannt und beinahe ohne zu atmen ihr zuhörte.

>>Obwohl ich ausdrücklich angegeben hatte, dass ich eine MitbewohnerIN...<< sie betonte die letzten zwei Buchstaben, um es ganz deutlich zu machen >>...suche, hat sich doch tatsächlich ein Mann bei mir gemeldet. Also ein junger Mann, denn er ist laut eigenen Angaben 26 Jahre alt, aber dennoch ein Mann. Also ein männlicher. Kannst du dir das bitte vorstellen?<< Neslihan war verwundert darüber, aber zeigte nicht die Reaktion, die Angelika von ihr erwartet hatte.

>>Also, ja, schon etwas creepy, aber...<< jetzt war Angelika darauf gespannt, wie Neslihan ihren Satz zu Ende bringen würde >>...vielleicht solltest du ihm eine Chance geben.<< Das hatte Angelika nun tatsächlich nicht erwartet und war verblüfft darüber es zu hören. Sofort musste sie dagegen kontern >>Was? Ist das dein ernst? Das könnte ja sonst irgendein Perverser oder so sein. Abgesehen davon würde ich mich total unwohl dabei fühlen mit einem fremden Mann zusammenzuwohnen.<< Sagte sie entsetzt, woraufhin Neslihan folgendes darauf antwortete >>Ja, da könntest du natürlich recht haben, aber du solltest dennoch keine Vorurteile haben. Vielleicht ist er ja ein ganz netter oder möglicherweise sogar Homosexuell. Ich denke du solltest ihm eine Chance geben.<<

Angelika ist immer noch entsetzt und weiß nicht, was sie darauf antworten soll und sagt >>Also Neslihan, ich weiß ja nicht.<<

Neslihan versucht sie zu beruhigen und sagt >>Ja klar, gib ihm mal eine Chance. Trefft euch irgendwo auf ein Kaffee und gib ihm mal die Chance sich richtig vorzustellen und lernt euch mal kennen. Vielleicht änderst du dann deine Meinung. Und wer weiß, vielleicht ist er ja doch Hetero und er gefällt dir so sehr, dass eine ernsthafte Beziehung zwischen euch beiden entsteht.<<

Über den letzten Satz musste Angelika herzhaft lachen. Denn dazu würde es definitiv nicht kommen.

>>Also, ich weiß immer noch nicht so recht. Und außerdem hatte er geschrieben, dass er nicht sesshaft werden möchte. Aus irgendeinem Grund scheint er ständig unterwegs zu sein und sucht daher nur vorübergehend nach Unterkünften.<< Informierte sie Neslihan weiter, woraufhin Neslihan nur ein nachdenkliches >>Hmmm!<< von sich gegeben hat.

>>Ja, hmmm!<< bestätigte Angelika Neslihan's Bedenken. >>Na dann...<< fuhr Neslihan mit ihrem Gedanken weiter, die sie mit Angelika teilte >>...könntet du mit ihm ein kurzes Verhältnis anfangen.<<

>>Also, jetzt klingst du wirklich verrückt.<< Ließ Angelika Neslihan wissen. Doch Neslihan blieb dabei und setzte sogar einen drauf >>Ja also, überleg doch mal Angie! Auch du hast etwas Liebesglück verdient. Auch du hast etwas Romantik und auch etwas Erotik verdient. Verschließe dich nicht allzu sehr.

Das könnte eine recht interessante Beziehung zwischen euch beiden werden. So eine kurze Affäre voller heißer und inniger Leidenschaft.<<

Jetzt wurde Angelike richtig verlegen und ihr wurde etwas mulmig in der Magengegend. So wie Neslihan das gesagt hatte, klang es schon nach einem Liebesabenteuer, das sie sich nur ungern entgehen lassen würde, aber nachdem sie wieder zu sich gekommen war, sagte sie >>Ja, es mag sein, dass ich schon länger keinen festen Freund und auch kaum Sex in letzter Zeit hatte, aber dennoch finde ich das ehrlich gesagt unheimlich.<<

Neslihan seufzte ins Telefon und sagte >>Naja Angie, ich bin dennoch der Meinung, dass ihr euch mal treffen solltet. Gib dir selbst eine Chance. Vielleicht ist er die wahre Liebe, die du dir immer gewünscht hattest. Abgesehen davon wäre es doch super, wenn wir dann Paardatings hätten. Zu viert ausgehen und Spaß haben. Also, das ist natürlich alles nur meine Meinung darüber. Die Entscheidung liegt bei dir. So oder so, du wirst dich schon richtig entscheiden meine Süße. Ich muss jetzt leider schon auflegen. Faruk ist soeben Heim gekommen. Ruf mich wieder an und lass mich wissen, was passiert ist. Pass auf dich auf Angie! Bis dann, tschüss!<<

>>Ja, mache ich! Hat mich auch gefreut deine Stimme zu hören. Liebe Grüße an Faruk, biss dann und Bussi!<< Hatten sich Angelika und Neslihan verabschiedet. Und in diesem Moment fuhr auch schon die U-Bahn in die Station hinein. Nachdenklich stieg Angelika in die U-Bahn hinein.

Auf dem gesamten Weg bis zu ihr nach Hause, konnte Angelika nicht aufhören an das Telefongespräch und daran, was Neslihan ihr nahegelegt hatte zu denken.

Sie spielte jetzt ernsthaft mit dem Gedanken, ob sie ihren Rat befolgen und sich mit diesem Elias Lechner treffen sollte.

Eine Stimme in ihr sagte ja und wieder eine andere sagte eindeutig nein. Sie war noch sehr unentschlossen und wusste nicht, wie sie tatsächlich vorgehen sollte.

Sie warf einen letzten Blick auf ihre E-Mail's, in der erneuten Hoffnung, dass Nachrichten von weiblichen Interessenten gekommen sind, musste jedoch enttäuscht feststellen, dass sich immer noch niemand gemeldet hatte.

Enttäuscht und mit einem leichten Seufzer packte sie ihr Handy weg und stieg aus der U-Bahn aus.

Kurz bevor sie ihre Wohnung betrat, ertönte auf ihrem Smartphone der typische Klang, wenn eine neue Nachricht eingegangen war. Verwundert, was das wohl sein könnte, griff sie in ihre Gesäßtasche hinein, holte das Handy heraus und warf ein Blick auf das Display. Sie hatte eine neue E-Mail erhalten, die sie neugierig öffnete.

Sie erkannte den Absender sofort. Die E-Mail war von Elias Lechner. Er hat ihr eine neue Nachricht gesendet. Sie vermutete schon, dass er sie erneut angeschrieben hatte, um eine endgültige Antwort von ihr zu erhalten. Denn auf seine erste Nachricht hatte sie ja nicht geantwortet.

Sie öffnete die Nachricht und konnte folgendes darin lesen,

Hallo,

ich bin es wieder. Ich wollte nur wissen, wie es nun aussieht? Habe bisher keine Rückmeldung von dir erhalten. Bitte schreibe mir so schnell wie möglich zurück, damit ich mich danach richten kann und nicht unnötig Zeit verschwenden muss. Für mich ist diese Sache nämlich äußerst dringend, da ich im Moment so gar nicht weiß, wo ich noch suchen kann.

Danke und liebe Grüße,

Elias

Ihre Annahme hatte sich somit bestätigt und sie bekam Schuldgefühle, weil sie das Gefühl bekommen hatte, dass sie ihn im Stich lassen würde. Anscheinend war es wirklich dringend und er hatte Hilfe nötig.

Doch trotz dessen war sie nach wie vor unentschlossen und konnte sich einfach nicht entscheiden, ob sie ihm zu- oder absagen sollte.

Sie betrat ihre Wohnung, setzte sich auf das Sofa, biss sich nachdenklich auf die Unterlippe und wippte nervös vor und zurück.

Ihr Handy hatte sie auf dem Kaffeetisch vor sich liegen. Sie fasste ihren Mut zusammen und fing an ihm doch eine Antwort zu senden.

Sie hatte sich doch dazu entschieden, sich mit ihm zu treffen und ihn besser kennenzulernen. So gutmütig war Angelika. Sie wollte ihm zumindest diese Chance geben und nicht einfach so sitzen lassen.

Vielleicht hatte ja Neslihan recht. Vielleicht ist er ja tatsächlich ein netter Mensch. Zumindest schrieb er nett und wirkte dadurch recht freundlich.

Nachdem sie ihre Nachricht fertiggeschrieben hatte, las sie sie noch einmal durch und drückte anschließend auf „Senden“.

Jetzt hieß es, abwarten.

KAPITEL 2

DER FEINSCHMECKER

Eigentlich war Elias ein gewöhnliches Kind wie jedes andere auch. Er wuchs als der jüngste von zwei Geschwistern in einer liebevollen Familie auf und führte bis zu seinem elften Geburtstag eine ganz normale Kindheit.

Als er eines Tages mit seinem neuen Fahrrad, das er von seinen Eltern zu seinem elften Geburtstag geschenkt bekommen hatte, nach Hause gefahren war, hatte er ein paar schnelle Tritte am Pedal zu viel gemacht als er die Straße bergab hinuntergefahren war.

Er hatte die Kontrolle über sein Fahrrad verloren, kam mit der Lenkstange ins Schleudern und war in dieser Geschwindigkeit mit voller Wucht zu Boden gefallen.

Doch zu seinem Glück war er gerade noch mit ein paar Blauen Flecken, kleinen Kratzern und einigen Schürfwunden sowohl an den beiden Unterarmen, an seinen Knien und an seiner linken Stirnseite davongekommen.

Sein Fahrrad jedoch hatte einen Totalschaden erlitten. Ein kaputter Griff an der Lenkstange, zerfetzter Sattel und zwei völlig verbogene Räder.

Kaum hatte er das Fahrrad bekommen und schon war es reif für den Schrottplatz gewesen.

Doch interessanterweise kümmerte ihn das nicht allzu sehr. Er zeigte kein Gefühl von Traurigkeit und fing auch nicht zu Weinen an.

Es schien ihm egal gewesen zu sein was mit seinem neuen Fahrrad geschehen war.

Viel mehr hatte er seine Konzentration auf das Blut gerichtet, das aus seiner rechten Handfläche geronnen war. Ein kleiner Teil von seiner Haut, mit etwa drei Zentimeter Durchmesser, hatte sich abgezogen, sodass es unaufhörlich blutete. Um das Blut irgendwie zum Stoppen bringen zu können, war er auf die Idee gekommen es abzulecken. Leicht angewidert näherte er seine angespitzte Zunge an seine Handfläche und berührte schließlich mit der Spitze seiner Zunge das dick tropfende Blut. Zu seiner Überraschung, hatte er festgestellt, dass es gar nicht so schlimm gewesen war. Also hatte er begonnen sein gesamtes Blut abzulecken und sogar auszusaugen.

Das war der Moment gewesen in der er gemerkt hatte, dass er Hämatomanie hatte. Die Sucht danach Blut zu trinken. Doch zu diesem Zeitpunkt wusste er das noch nicht. Erst nach einigen Jahren sollte er den richtigen Begriff für seine abscheuliche Sucht herausfinden.

So hatte er bis dahin und auch fortwährend immer wieder und immer öfter menschliches Blut getrunken. Anfangs verletzte er sich selbst mit Messern, Schraubenziehern, Nadeln und Scheren, um sich selbst zum Bluten zu bringen, sodass er sein eigenes Blut trinken konnte.

Doch schon nach einiger Zeit, als er vierzehn geworden war, war ihm das nicht mehr genug gewesen. Elias wollte mehr. Er wollte mehr Blut kosten. Blut, das ausnahmsweise nicht von ihm gestammt hatte.

Er war bereit gewesen Neues auszuprobieren.

Die damalige alleinstehende 46-jährige Nachbarin, Frau Dittmann, hatte einen grauen Nymphensittich namens Sweety, den sie so sehr liebte als sei er ihr Kind gewesen. Sie hatte sich rund um die Uhr um ihr Vogel gekümmert, ihn gepflegt und sich sogar mit ihm unterhalten. Er war ihre gesamte Welt gewesen. Er war alles was sie je hatte und was ihr wichtig gewesen war. Für ihren Sweety hätte sie alles getan.

Mit dem schrecklichen Schicksal, das ihm widerfahren war, hätte sie in ihren tiefsten Albträumen nicht erlebt.

Wie jeden Sonntag, sofern das Wetter schön gewesen war, hatte sie auch an jenem Sonntag ihren geliebten Sweety samt Käfig hinaus auf ihren Gartentisch gestellt.

Frau Dittmann war es einfach wichtig gewesen, dass ihr Vogel auch von der Sonne profitiert und auch etwas frische Luft schnuppert. Und sie wusste ganz genau, dass Sweety den Duft ihrer farbenfrohen Blumen geliebt hatte.

Er spannte dann immer seine Flügel ganz weit aus und streckte sein Kopf mit geschlossenen Augen in die Höhe. Daran konnte Frau Dittmann erkennen, dass er sich im Garten am wohlsten gefühlt hatte.

Das einzige Problem war der Vogelkäfig gewesen. Doch Frau Dittmann konnte ihren Vogel, wie in ihrem Wohnzimmer, nicht einfach frei im Garten fliegen lassen, weil sie die große Befürchtung gehabt hatte, dass er davonfliegen würde. Und das wollte sie auf gar keinen Fall erleben. Das letzte was sie gebrauchen könnte, wäre ein vermisster Vogel. Es würde sie zutiefst traurig machen, wenn ihrem geliebten Sweety etwas schlimmes zustoßen würde.

Um das zu verhindern musste Sweety das herrliche Wetter und den wundervollen Garten in seinem Käfig genießen, während sie in aller Ruhe und mit ruhigem Gewissen das Mittagessen in der Küche zubereitete.

Frau Dittmann war viel zu sehr mit dem Zubereiten ihres Essens beschäftigt, sodass sie es gar nicht mitbekommen hatte, dass ein Eindringling ihren mit bunten Blumen ausgestatteten Garten betreten hatte.

Sweety hatte den uneingeladenen Gast sehr wohl bemerkt, aber er war ein Vogel, der kein Alarm schlug, solange man ihn nicht gedrängt hatte. Mit seinen kleinen und schwarzen Kugelaugen beobachtete er die langsamen Bewegungen des jungen Mannes, der sich Schritt für Schritt ihm näherte.

Als Elias schließlich direkt vor dem Käfig gestanden und einen großen Schatten drauf geworfen hatte, hatte Sweety ganz neugierig darauf, was wohl nun geschehen würde, seine Kopffedern senkrecht aufgestellt.

Elias hatte einen kurzen Blick durch die Gartentür in das Wohnzimmer geworfen, um sicherzustellen, ob Frau Dittmann in sichtbarer Nähe gewesen war oder nicht.

Als die Luft rein war, wollte er nicht länger zögern und machte mit langsamen Bewegungen die Käfigtür auf und streckte seine Hand hinein, um nach dem, inzwischen verängstigtem Vogel, zu greifen.

Als Sweety kurz davor gewesen war seine Kehle wie eine Kirchenglocke läuten zu lassen, packte Elias ihn wie eine Kobra ihre Beute ganz schnell am Kopf und holte ihn aus dem Käfig heraus.

Er sah sich den erschrockenen Vogel mit kalten und leeren Augen für einige Millisekunden an und riss ihm mit einer wuchtigen Bewegung den Kopf von seinem kleinen und gefiederten Körper ab.

Wie ein Trinkglas hatte er den enthaupteten Körper des Vogels an sein Mund gepresst und das Blut des Tieres getrunken. Er quetschte den Körper in seiner Hand fest zusammen und saugte aus, was zum Aussaugen vorhanden war.

Doch Elias war enttäuscht von der kleinen Menge, die der Vogel ihm angeboten hatte. Sein Durst nach Blut war damit nicht gestillt gewesen. Er wollte mehr. Er wollte ein größeres Tier. Da war ihm das Kaninchen Purzel von Julia eingefallen. Sie war seine Klassenkameradin und hatte bald Geburtstag. Zu diesem Anlass hatte sie die gesamte Klasse zu ihrer Geburtstagsfeier bei sich zu Hause eingeladen.

Für Elias war dies die perfekte Gelegenheit, um an ihren Hasen zu gelangen.

Er dachte sich, dass ein pummeliger Hase wie Purzel mehr zu bieten hätte als so ein jämmerlicher, kleiner Vogel, dessen entstellten Körper er auf die eine Seite und den abgetrennten Kopf auf die andere Seite des Gartens geworfen hatte, bevor er ihn wieder genau so still und unbemerkt verlassen hatte.

Als Frau Dittmann einiger Zeit später hinaus in den Garten ging, um nach ihrem Sweety zu sehen, bekam sie bei dem grausamen Anblick auf der Stelle ein Herzinfarkt und war tot umgefallen. Sie hatte diesen schrecklichen und barbarischen Anblick einfach nicht ertragen können.

Einige Tage später war es dann schließlich so weit. Die Geburtstagsfeier von Julia lief wie geplant auf Hochtouren. Alle, die sie eingeladen hatte waren gekommen. Einschließlich Elias. Um nicht allzu sehr verdächtig aufzufallen, hatte er ihr ein Geschenk überreicht und sich dann unter das Getümmel gemischt. Er feierte mit ihnen mit und führte mit einigen ein paar nette Gespräche über Videospiele, Filme und neue Sammelkarten. Doch mit den Gedanken war er die ganze Zeit über bei Purzel gewesen.

Er konnte es nicht erwarten endlich dem Hasen die Kehle aufzuschlitzen und sich an seinem Blut zu erfreuen.

Er hatte nur auf eine gute Gelegenheit gewartet, um sich unbemerkt von der Menge zu lösen und sich in das Zimmer zu schleichen in dem sich Purzel befunden hatte.

Und diese Gelegenheit ließ nicht länger auf sich warten. Kurz nachdem die Geburtstagstorte angeschnitten und verteilt worden war, war es an der Zeit gewesen die Geburtstagsgeschenke auszupacken.

Als alle gespannt mitverfolgten wie das Geburtstagskind ein Geschenk nach dem anderen öffnete, hatte Elias die Chance ergriffen und sich ganz unbemerkt davon geschlichen.

Nun war er mit dem Hasen Purzel vollkommen alleine im ein und derselben Raum.

So wie er das Zimmer betreten hatte, hatte er sofort Blickkontakt mit dem Hasen aufgenommen. Genau wie Sweety vor ihm, schien auch Purzel die sich ihm nähernde Gefahr zu wittern. Auch hier wollte Elias nicht allzu viel Zeit verschwenden. Er ging zum Hasenkäfig, öffnete ihn, packte das Tier an den Ohren und holte ihn heraus.

Purzel trat immer wieder mit seinen beiden Füßen gegen die Luft und versuchte seinem Feind zu entkommen. Doch es war vergebens. Er war ihm vollkommen ausgeliefert gewesen. Elias holte ein Springmesser aus seinem Hosenbund hervor und mit einem kleinen Knopfdruck kam das spitze und scharfe Messer auch schon herausgeschossen. Selbst das Messer wirkte in diesem Moment beinahe lebendig. Es schien so, als ob es kaum erwarten konnte den Hasen aufzuschlitzen. Elias konnte die Gier des Messers so richtig spüren. Oder aber, es war einfach auch nur seine Gier, die er in diesem Moment verspürte. Er setzte das Messer schließlich direkt an die Kehle des Hasen an.