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Eine märchenhaft-utopische Erzählung Dem Erzähler gelingt die Durchdringung von Zeit und Raum und er erkennt in einem nächtlichennTraum seinen Seelenkern und begleitet diesen auf dessen Reise - jenseits seines eigenen Daseins. Getarnt hinter einem Schleier folgt er Safira, der die Flucht aus Georgien nach Deutschland gelingt und die dort nach vielen lehrsamen Begegnungen eine wundersame Beziehung zu Martin eingeht. Zurückgekehrt von dieser Traumreise bleibt dem Leser das Nachdenken nicht erspart.
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Seitenzahl: 101
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Vorwort
Das Nachleben
Schlupfloch
Unfassbar!
Seelenkern
Ende des Traums
Anderswo
Der Vorarbeiter
Mittelmeer
Silvio
Immer wieder abhauen
Safiras Traum
Martins Vater
Fabiennes Geheimnis
Martins Weg
Martins Erbe
Drohnenumweg
Nikolaus heute
Der Flüchtlingsmarsch
Die nächste Flucht
Das Fahrrad
Deutschland
Woher die Distanz?
Pandemien
Ein Blick zurück
Marta und Maria
Weiter am Hof vorbei
Inga und Johann
Gerechtigkeit
Abrundung
Status Quo
Vorbereitung auf den nächsten Flug
Bereits in meinem Gedichtband „Zwanzig Zwanzig“ hatte ich die märchenhafte Erzählung von Safira herausgebracht. Leider fand das Büchlein mit vielen Gedichten und Texten rund um das Pandemiegeschehen 2020 wohl nicht sehr viele Leser. Allerdings erhielt ich von ein paar treuen Lesern doch die Rückmeldung, dass ihnen die Erzählung sehr gefallen habe. Darum habe ich mich entschlossen, diese utopisch-märchenhafte Erzählung in einem eigenen Band herauszugeben, in der Hoffnung weitere Leser vom Schicksal eines „Seelenkerns“ sich inspirieren zu lassen.
Die Erzählung steht ganz unter dem Eindruck der 2020 entfesselten Pandemie. Auch wenn viele in der Erzählung beschriebenen Prophezeiungen sich nicht in der Form bewahrheitet haben, so bin ich nach wie vor voll der Hoffnung dessen, was die Erzählung den Lesern eigentlich mitteilen will, und wünsche Ihnen eine gute Unterhaltung.
Michael Thomsen, im Dezember 2022
Ich möchte von dieser einen – der Anderen - Welt erzählen. Sie ist wirklich eine Er-Fahrung wert.
Aber leider er-fährt sie scheinbar niemand.
Doch es gab ein Schlupfloch.
Dort schlüpfte ich hindurch und kam einerseits ernüchtert, andererseits voller Hoffnung zurück.
Diese – unsrige - Welt ist uns bereits, wenn nicht vertraut, so doch bekannt. Wir sind in ihr eingerichtet. Aber dorthin zu gelangen, wo bestenfalls und ansatzweise vielleicht der Philosoph John Rawls mittels eines Gedankenexperimentes gelangte, ist schon etwas ausgesprochen Wunderbares.
Stellen Sie sich vor, Sie seien in einen Rat berufen worden, der die Regeln und Gesetze der zukünftigen, möglichst gerechten Gesellschaft bestimmen soll. Ist so etwas überhaupt und grundsätzlich vorstellbar in unseren Zeiten?
Nun, stellen Sie sich es dennoch vor! Insbesondere die Ökonomie und Ökologie soll dabei eine zentrale Rolle spielen. Dieses Gremium wird lange beraten und es wird von den Einflüssen von außen möglichst weitgehend abgeschirmt sein. Und nun zum Knackpunkt:
Den Mitgliedern des Rates wird eine einmalige Wiedergeburt gewährt, und zwar in DER Gesellschaft, die die vom Rat beschlossenen Gesetze umgesetzt hat und bereits einige Jahre damit lebt. Die Mitglieder werden – wie Sie sich noch denken werden können – alles daransetzen, ein gerechtes und nachhaltiges Regel- und Gesetzeswerk zu entwickeln.
Denn sie werden nicht wissen, als was oder wer, ob als Frau oder Mann, ob reich oder arm oder mit welcher Hautfarbe, sie wiedergeboren werden! Einzig Ihr Seelenkern wird im Nachleben fortbestehen.
Ist das Regelwerk schlecht, unvollkommen und nicht genügend durchdacht, kann eine sehr ungerechte und bösartige Welt daraus entspringen, in der sie als wiedergeborenes Ratsmitglied möglicherweise viel Leid und Ungerechtigkeit erleben. Wenn sie also Pech haben und in eine arme Familie hineingeboren werden oder in eine kranke oder bösartige Umgebung geraten. Oder aber, Sie haben Glück: Sie werden in eine reiche Familie geboren und erhalten daraus alle Vorzüge, die ein Leben in Wohlstand und Glück sicherstellt. Gleichwohl sind die Chancen in letztere Welt geboren zu werden deutlich geringer und in der Sie aber wegen Ihrer Mitgliedschaft im Rat – die natürlich der Nachwelt bekannt sein wird! – angefeindet und beschimpft werden und sich möglicherweise hinter dicken Mauern verschanzen müssen, um keinem Raub, Attentat oder Überfall zum Opfer zu fallen.
Oder aber: Das Gesetzeswerk ist nahezu perfekt. Es ist umfassend, gerecht und nachhaltig. Also der Fortbestand der heutigen Welt wird gesichert und die Lebenschancen sind für alle Menschen annähernd gleich. Dann wird es egal sein, in welche Familie ein Mensch hineingeboren wird. Und niemand wird den Gesetzgebern Vorwürfe machen, auch wenn es naturgegeben manchmal Unglück oder Erkrankungen gibt, gegen die auch ein Regelwerk machtlos ist.
Soweit das Gedankenexperiment. Es hat natürlich keine Chance auf reale Umsetzung, denn niemand spielt mit so einer Zukunft Risiko, denn zu gering scheint die Aussicht auf Gewinn. Entweder reich zu gewinnen, aber sich abschotten zu können, oder sozusagen mit der geschaffenen Gesetzgebung das Ei des Kolumbus gefunden zu haben. Zu verstrickt und undurchsichtig sind die Machenschaften von Politik und Gesellschaft.
Und nun zu meinem Erlebnis. Ich folgte nämlich meinem Seelenkern in die Zukunft, wieder mal ohne Nutzen für die Nachwelt, aber für mich wurde es doch zu einem aufrüttelnden Erlebnis.
Als Rentner erlaube mir den Luxus, hin und wieder länger zu schlafen – froh darüber, nicht nur, dass ich es kann, sondern mehr darüber, dass es meistens klappt! Vielleicht bin ich aber eines Morgens dabei zu weit gegangen?
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Nun können die Träume zwar gewissermaßen auslaufen, gleichwohl kann ich mich nach wie vor kaum je genauer an Geträumtes erinnern. Geht es Ihnen da nicht auch so? Und wenn, dann verflüchtigt sich Geträumtes wie Alkohol beim Kochen, aber an ein vermehrtes Auslaufen und Fortkommen der Traumbilder, daran glaube ich schon. Ob es guttut? Ich weiß es nicht, aber hoffe es. Wie gesagt: Einmal war es anders! Als ich aufwachte, war es wie ein Offenbarungsgefühl, eine seltsame Mischung aus Allwissenheit, Entzücken und Ohnmacht.
So war ich scheinbar eingedrungen hinter den Schleier eines kollektiven Nichtwissens. Wie an einer Angel zog ich das U-Boot mit den Daten dieser Anderen Welt aus dem dunklen Meer eines Nichtwissens, das eigentlich kein Überleben oberhalb der Meeresoberfläche zulässt.
Aber: Wie Träume sich dem bewussten Zugriff gern rasch und doch bleiern entziehen, war es Diesmal nicht! Zwar können wohl alle Erfahrungen der Weltgeschichte beweisen, dass jemand recht hat, doch ein einziger Tag, ein einziger Vorfall oder ein einiges Traumerlebnis kann alles umstürzen. Wir haben uns in Einem Punkt geirrt! Und auf genau diesen Punkt könnte alles angekommen sein, sollten wir ihn als Angelpunkt genommen haben.
Nun – einen Tag später habe ich meinen Zugriff auf die Datenboxen und diversen Aufzeichnungen im U-Boot sichern können und bin einerseits fassungslos und andererseits heiter und wie benebelt. Ich war nämlich tatsächlich in diese Andere Welt eingetaucht. Und sie entpuppte sich mir als eine Art, na ja – Jenseits. Was ich sehen, tasten, hören, schmecken und nachempfinden konnte und immer noch kann, kommt das Ganze gewissermaßen einem Schlupfloch gleich, durch das sich wie durch ein Nadelöhr ein Faden wand, der das Undurchdringliche fand und im Jenseitigen einen Anker warf.
Da ich nicht weiß, wie lange mir dies alles, das Herausgeholte, bleibt, ist Eile geboten. Drum schreibe ich! Bedenken Sie dabei: Die Bücher Dieser Welt sind lange nicht so wertvoll wie die Mehrzahl der Ungelesenen. Dazu gehört eben in einem gewissen Sinne die Andere Welt. Wohl jeder gern ein Kafka wäre, aber ohne einen Max Brod es keinen Kafka gäbe.
Wie viele Talente starben in den Schützengräben der Weltkriege oder in den Konzentrationslagern? Sie hätten die Texte oder Erkenntnisse produzieren können, die den Verlauf der Geschichte verändert hätten haben können, die uns einen Hitler und Goebbels erspart hätten und die Bombe auf Hiroshima vielleicht auch.
„Unfassbar!“ Das ist das passende Wort.
Was ich auf dem Acker der Anderen Welt durchpflügen konnte, bleibt nur schwer vermittelbar. Und der Leser merkt mir hoffentlich den Kampf um den rechten Ausdruck an? Möge am Ende ein Schatz im Acker gelegen haben, der mich mit dieser Nacht-Reise derart verbindet, dass der Kern des Berichts einen Samen bildet, aus dem für eine Nachwelt Erkenntnis erwachsen kann. Aber am Ende gehöre auch ich mit all meinen Texten zu den Toten, deren Werk nie wirken konnte. Zu früh und unschuldig gestorben, oder zu Lebzeiten ohne Einfluss oder unverstanden. Nicht immer werden die richtigen Wege ausgetreten, die Lösung eines Problems nicht ergriffen, weil die Ablenkung und Verführung den Aufschub und manchmal das Ersterben gebar.
Was wäre, wenn? Das nun wiederum wäre schließlich auch ein Umweg. Der Umweg über Experimente mit Gedanken und dem Gewährenlassen der Fantasie kann die Lösung sein. So hatte ich beispielsweise in einem Buch eine Denksportaufgabe gelesen. Danach galt es, neun quadratisch angeordnete Punkte mit vier geraden Linien so zu verbinden, dass, ohne abgesetzt zu haben, alle Punkte miteinander durchschnitten wurden. Nachdem ich dies einige Male vergeblich versucht hatte, glitten meine Gedanken ins Spielerische ab und ich machte der Aufgabe folgende Zusätze:
Die neun Punkte bedeuten die Weltwirklichkeit.
Die Lösung der Aufgabe bedeuten den Sinn der Welt.
Als ich es abermals nicht schaffte, die Punkte "richtig" und "sinnvoll" zu verbinden, kam ich mir vor wie Sisyphos, der permanent versucht, dieses Problem immanent, das heißt auf der Grundlage des Offensichtlichen, des Sichtbaren, Machbaren, nach Vorgabe des Naheliegendsten zu lösen. Ich kam auf die Idee, das Neun-Punkte-Schema zu sprengen, zu transzendieren, mich nicht von den Grenzen der Welt gefangen nehmen zu lassen, und ich kam dann auch prompt auf des Rätsels Lösung:
Unser Geist ist frei, wenn auch die Natur ihn fesselt. Und irgendwo bleibt etwas wie Seele, die alle Türen aufschließen kann.
Da ich nun einmal an diesem Gedankenspiel Gefallen gefunden hatte, dachte ich noch weiter. Während der Mensch immer blind gegen die Grenzen der Welt, die er in der Vernunft installiert, anrennt, eröffnet sich dem Kreativen und Freien allererst ein Sinn, eine klarere Sicht.
Diese Sicht bleibt aber auch nur eine vorläufig Klarere, da der Sinn im Suchen besteht und sich an realen Problemen festmacht, das heißt, es muss immer wieder und immer neu transzendiert und befreit werden, weil Sinn und Lösung immer wieder und immer neu mit Weggefährten gesucht und gefunden werden wollen.
Ich fürchte, niemand wird mir glauben, weil wir so schon viel zu viel Geglaubtes - oder Glaubensinhalt - in der Gedankenwelt haben, und dennoch schreibe ich die Begegnungen meines Seelenkerns mit der Anderen Welt nieder. Scheinbar ist es uns Menschen nicht vergönnt, überhaupt eine Idee von der Seelenreise und dem Erleben der Seele nach dem Ableben zu bekommen.
Zwar erschaffen gewisse Religionsgemeinschaften immer wieder und gerne recht wundersame Bilder einer jenseitigen Welt, deren Herkunft sie aber bei nüchterner Betrachtung eben Dieser Welt verdanken, aber sie müssen vor der Anderen Welt, der nächsten Stufe auf der imaginären Himmelsleiter kapitulieren; es ist eben Glaube und kein Wissen. Unerreichbar bleibend und doch sich immer annähernd.
Hier müssen wir stets ohne Gewissheit leben, der Rest ist groß und kann sinnvoll nur mit Zuversicht, Bemühen, Vertrauen und Liebe gefüllt werden. Mit Sicherheit (sic!) die einzig sinnstiftende und trostreiche Lösung, um angenommen werden zu können und zurechtzukommen.
Mir wurde also der Zugang durch einen nur gedachten Türhüter in Richtung des allumgreifenden Gesetzes gewährt. Und ich sage gleich: Es hat mich zwar weitergebracht, aber eben nicht an das Ende des Weges. Und schon hinter der ersten Tür war es auch gar nicht heller, sondern eher dunkel,- aber wohlig warm. Mein Seelenkern hatte sich nach dem Tod – und ich machte hier scheinbar (im Traum) einen (hoffentlich) kräftigen Zeitsprung – in ein neues menschliches Lebewesen eingepflanzt! Und was ich dann zu sehen bekam, kann einem wahrlich den Atem nehmen; denn es ist durchaus spannend, aber mehr noch - ernüchternd.
Niemand kann aus Dieser Welt in diese Andere Welt eindringen. Niemand weiß, ob es umgekehrt ebenso ist. Eben das hat sich mir aber offenbart. Das hat mir diese Traumreise deutlich gemacht. Wie an der Angel aus dem Meer gezogen, hängen die Fakten am Haken, und sie werden hiermit aufbereitet.
Eingepflanzt als „Seelenkern“ schwebt meine Diese-Welt-Person hinter einem Tarnmantel in der Anderen Welt, in der Welt der Mit- und Nachgeborenen. Sie sehen uns nicht, aber der Seelenkern funkt deren Erleben in Richtung Tarnmantel.
Und mir wird klar: Unsere Seele schaut der Nach-Mir-Geburt zu. Und noch klarer wird mir: Der Nachgeborene ahnt nichts von dem Zuschauer.
Und was mich nun berührt: Wir wissen davon in Dieser Welt (noch) nichts.
Und was mich nachdenklich stimmt: Wir ahnen nicht, ALS WAS ODER WER unser Seelenkern eingepflanzt sein wird. Das Gedankenexperiment lebt auf anderer Ebene fort.
Mir, besser und - darf ich`s sagen: uns allen -, ist scheinbar ein Seelenkern eingepflanzt, den zumindest ich, an jemandem mir vollkommen Unbekannten weiterreiche. Ich ahne nicht, wo – bei wem - er landet, was aus diesem Nachgeborenen wird, wie er sich entwickelt? Welche Umstände erwarten ihn, wenn er zur Welt