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Was ist in den letzten Jahrzehnten verloren gegangen? In Gedichten und Essays versucht der Autor für sich aufzuarbeiten, wie Pfadabhängigkeiten und maligne Strukturen sich verfestigt haben. Die Denkweise vieler Menschen ändert sich nur langsam, aber sie ist spürbar und es wird erkennbar, wie immer mehr Menschen andere Lebensentwürfe und Begründungen für ihr Tun artikulieren. Wecken die Zeiten nach Corona und die Folgen des Klimawandels die Menschen? Aber weit wichtiger erscheint dem Autor die Frage, wie solche Strukturen aufzubrechen sind und wie können sie in eine friedliche Richtung gelenkt werden?
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Seitenzahl: 63
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Vorwort
Gedichte
Essays
Hat die Corona-Zeit Spuren hinterlassen? Ich denke ja! Aber dennoch wird mir immer deutlicher, dass Veränderungen im Denken der Menschen, also auch bei mir, nur sehr, sehr langsam vonstattengehen. Der Mainstream mag keine komplexen und differenzierten Analysen, kein Abweichen vom Gewohnten und er liebt einfache Erklärungen und Lösungen. Mit dem im Zuge des Kapitalismus aufkeimenden Neoliberalismus etwa Anfang der achtziger Jahre wurde wirtschaftliches Denken reduziert auf Zahlen der Geschäftsbücher gepaart mit einer scheinbar unumstößlichen Wachstumsideologie und diese Diktion ließ keine Alternativen zu. Herbert Marcuse hatte schon in den sechziger Jahren diese Form gesellschaftlichen Lebens und Denkens als eindimensional beschrieben. Über 50 Jahre später muss ich ihm absolut rechtgeben.
Die etablierten Parteien trauen sich nicht mehr, den Bürgern die Wahrheit zu sagen, wenn es um notwendige Veränderungen geht, und sie können keine ehrlichen Antworten geben auf die drängendsten Fragen. Unser Leben wird geprägt von Pfadabhängigkeiten, Intransparenz und Flickschusterei. Mutige, vor allem tiefe und grundlegende Reformen sind tabu, könnten sie doch den Durchschnittsdenker und Durchschnittssteuerzahler überfordern.
Dennoch mehren sich die Stimmen, die aus dem starren Gebäude der verfestigten Glaubenssätze auszubrechen wagen. Immer häufiger wird erkannt, dass Wohlstand einer Gesellschaft und das Glück der Menschen anders als bisher verortet und bewertet werden muss. Nicht die Bilanzen der Geschäftsführer sind nun maßgebend für eine Neuausrichtung, sondern Werte und eine Beachtung und Wertschätzung unserer Potentiale und Ressourcen.
Insbesondere die Analysetools der Modern Money Theory (MMT) machen deutlich, dass wir etwa seit den frühen achtziger Jahren („verlorene Zeiten“) falsch abgebogen sind. Immer deutlicher wird, dass die Ausbeutung der Natur, das grenzenlose Wachstum der Wirtschaft und bloßes Gewinnstreben Irrwege sind, da sie nicht nur unsere Lebensgrundlagen gefährden und die Erde zerstören, sondern dass die Menschen an der Seele erkranken, wenn die Potentiale der Menschen weiter ausgepresst werden wie Zitronen, anstatt sie richtig zu nutzen.
Immer deutlicher wird, dass Ressourcen nicht nur begrenzt sind, sondern geradezu verschwendet werden, weil wir die falschen Prioritäten setzen und der Staat durch inflationäre Privatisierungen sich das Heft aus der Hand nehmen lässt. Der Staat hat bei genauerer Betrachtung kein Finanzierungsproblem, wie es liberale und konservative Politiker ständig betonen, sondern er
unterschätzt fast sträflich seine Möglichkeiten und bewertet seine Ressourcen, sowie die Potentiale vieler Menschen völlig falsch. Mit allem Geld, das er investiert, schafft er Werte, bereitet neue Pfade und kann dazu beitragen, dass die Probleme des gesellschaftlichen Zusammenlebens und Wirtschaftens relativ zeitnah gelöst werden können. Aber die Verschuldungsangst des auf Kredit angewiesenen Bürgers wird zum gefräßigen Bild einer Bedrohungskeule. Aber die Schulden des einen sind der Profit des anderen. Eigentlich bleibt alles in der Waage. Das Wirtschaften des Staates folgt anderen Regeln als denen privater Unternehmen und uns Bürgern.
Noch ist nichts verloren. Ganz zarte Blüten erkenne ich darin, dass sich die Denkweise vieler Menschen ändert und ich sehe, wie immer mehr Menschen andere Lebensentwürfe und Begründungen für ihr Tun artikulieren. Und ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass meine Enkel nach mir, im Sinne einer wertebasierten und weniger zahlenorientierten Sichtweise Zukunft gestalten, anstatt sie ständig zu berechnen, um sie am Ende zu zerstören. Mehr als in meinen Gedichten, noch mehr in den Essays, versuche ich den Kern der verlorenen Zeiten zu fassen. Ob es mir gelungen ist, mag nun der Leser beurteilen.
Michael Thomsen, im April 2024
Bevor Anstrengung und Stress
irgendwann „Herausforderung“ hießen,
und als dann Wohlstand plötzlich
„Wachstum“ genannt wurde …
Als Sparen auf einmal
Ausgaben vermeiden war,
als alle Geschlechter gemeint,
aber Frauen benachteiligt wurden …
Als Kindheit noch im Freien stattfand,
bis Medien die Kindheit ersetzten,
nachdem beide Eltern arbeiteten
und doch keinen Kita-Platz bekamen ...
Als nicht schon alles
irgendeinmal dagewesen war,
als Pausen noch sozial waren
und nicht nur Regeneration sein sollten ...
Als Arbeit noch Chance war
und Arbeiten nicht Ausbeutung,
als der Langsame noch mitgenommen
und der Schnelle warten konnte ...
Als Fleiß noch belohnt wurde,
nicht Erben allein lohnenswert war,
als Anstrengung anerkannt wurde
und Ehrlichkeit etwas galt ...
Als Vater die ganze Familie
von Gehalt und Rente ernähren konnte,
als Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit
mehr galten als Betriebskosten und Renditen ...
Als Effizienzsteigerung bedeutete
noch schneller und mehr zu arbeiten,
als der Staat Handlanger wurde
für Interessen von Einfluss-Reichen,
da verschwand die alte Zeit.
Ich fühle mich,
als wäre ich
meiner Zeit
weit voraus.
Sagt man das
nicht erst posthum?
Leider ja!
Ein Denken, das
Zusammenhänge sieht
und dennoch ganz
verbunden ist mit der Welt?
Kein Mainstream,
keine Mehrheiten
und auch kein Trend
macht diese Denker
abhängig vom Pfad,
den die Massen
gern marschieren.
Angefeindet und als
Spinner stigmatisiert,
vom Realo traumatisiert,
lebt unter den Menschen
ein Denken fort, das
anders zu sein wagt.
In dem Zimmerlein, das ich erwählt,
wirkt die Welt draußen ganz groß und kühle.
Aber hier, wo ich mich zu Hause fühle,
sind meine Geheimnisse leicht erzählt.
Heraus hier Sorgen und das Wutgedröhne,
meine Schmerzen und mein Gestöhne,
einmal von mir weg und zu Papier gebracht,
bleiben sie im Gestern, dem Freund der Nacht.
Wenn es dann dunkel ist und ich bin allein,
Kann ich ganz und völlig bei mir sein.
Alle Hektik der Welt, die mir verhasst,
haben hier drinnen keinen Platz.
Vor´m Bildschirm erscheint mir eine Welt,
wo Regen, Fels und Bombe fällt.
Nur Bilder sind es, die wir seh´n,
deren Zeichner nicht auf Gründe geh´n.
Sie reichen ans Auge, verfehlen das Hirn.
Kommen zu mir immer aufs Neue reinmarschiert.
Nicht drücken hier mich Saufkumpanen
mit platten Parolen in rechte Unglücksbahnen.
Will ein Ehrlicher und Gerechter sein;
Den lassen sie auch nicht zu sich rein.
Der bleibt sich selbst und andern treu,
woran sich nicht jedermann erfreut.
Ich atme langsam und bewusst.
Sieben, acht Mal und mit Lust.
Liege hier und lese in dem Buch,
Dazu das Herz den Rhythmus sucht.
Finde endlich wieder Kraft zum Schreiben,
Kann Bilder meinem Geiste einverleiben.
Hier kann ich es frei und ungezwungen tun.
Wenn ich friedlich weile – in my room.
Vor Kindern, die unbequeme Fragen stellen,
Vor Jugendlichen, die Widerstand bestellen,
Vor Betrunkenen, die ungeschminkt viel Wahres sagen,
Vor Dichtern, die sich weit heraus noch wagen.
Sich bloßzustellen vor einer Menge,
Die Rache nimmt in aller Strenge.
Vor Veränderung, die nottut und nicht eint,
Verlustig dessen, was Leben zu bereichern scheint.
Vor der Sichtweise, die wir dem andren nicht gönnten,
Auch, dass wir falsch gelegen haben könnten,
Glücksempfinden verlieren, nach dem wir verlangen
Und in dem wir bisher wohlbehütet eingefangen.
Vor Ehrlichkeit, Treue, Transparenz und Mitgefühl,
Vor der Wahrheit der Diagnose, die klingt so kühl.
Die Fratze, die unsere Gesichtszüge entgleiten lässt,
Wenn wir nicht mehr von andern wertgeschätzt.
Die Peinlichkeit empfinden, was nun aufgedeckt
Und die Nächsten zuvor hat aufgeschreckt,
Kann uns um Verstand und Sinne bringen,
Wenn uns Worte und Taten nicht gelingen.
Überall bewandert und nirgends tief verwurzelt,
Bin ich der, der sich Dinge zu sagen wagt,
Dafür durch Missachtung und Meidung bestraft,
So wirkte ich fort in dieser Welt voll Angst!
Alles ist vorherbestimmt,
so sagen es die Götter.
Nichts kommt dennoch -
wie vorhergesagt.
Denn das - bewirken die Bestimmer.
Ob ruhmreich oder tragisch,
ihre Wirkung ist gar magisch.
In Nachgang zum Geschehen aufgesagt
bedeutungsschwanger mitgeklagt.
Helden überleben Zeiten länger,
weil manch ein treuer Sänger
ihnen seine Stimme leiht,
und in dem Liede wohl gedeiht.
Die nicht im Lied besungen,
deren Leiden war nicht erklungen,
sie schreien heraus umsonst ihr Klagen,
denn davon handeln keine Sagen.
Nur ein Rädchen im ganzen Getriebe,
von einem Sandkorn wundgerieben,
Macht so manches Mal den Betrieb kaputt
und legt alles Treiben in den Schutt.