Der Sohn des Donnergottes - Arto Paasilinna - E-Book

Der Sohn des Donnergottes E-Book

Arto Paasilinna

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Beschreibung

Der finnische Himmel und seine Götter sind älter als die ganze Welt. Sie sehen mit großer Besorgnis, dass die Finnen seit vielen Jahren abtrünnig sind und an den christlichen Gott glauben. Höchste Zeit also, dass jemand zur Erde niederfährt, Menschengestalt annimmt und die Finnen wieder zu ihrem alten Glauben bekehrt. Und wer könnte dafür besser geeignet sein, als der junge, tollkühne Rutja, der Sohn des Donnergottes?

Der stille Antiquitätenhändler Sampsa Ronkainen ist der von ihm auserkorene Mensch für den Rollentausch. Nachdem der Sohn des Donnergottes zwar Sampsas Gestalt, nicht jedoch seinen Charakter annimmt und sich auf der Erde auch nicht besonders gut auskennt, ist für viel Wirbel und Aufregung gesorgt ...

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Seitenzahl: 328

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Arto Paasilinna

DER SOHN DES DONNERGOTTES

Aus dem Finnischen von Stefan Moster

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainmanet in der Bastei Lübbe AG

© 1984 by Arto Paasilinna

Die finnische Originalausgabe erschien unter dem Titel:

Ukkosenjumalan poika

bei WSOY, Helsinki

Copyright © 2001/2013 by Bastei Lübbe AG, Köln

Titelillustration © shutterstock/Natali Snailcat,© Hein Nouwens/shutterstock.com

Titelgestaltung: FAVORITBUERO, München

Datenkonvertierung E-Book:

hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-8387-5091-0

Sie finden uns im Internet unter www.luebbe.deBitte beachten Sie auch: www.lesejury.de

Vorrede

Der Himmel der Finnen wird von einem Weltnagel an Ort und Stelle gehalten, dessen Fixpunkt der Polarstern ist. Der Himmel an sich ist ein Schwindel erregend weitläufiges Firmament, erleuchtet von Tausenden von Sternen. Dort regieren die finnischen Götter und Schutzgeister, und dort wohnen die verstorbenen guten Finnen. Die größte Macht liegt in den Händen von Obergott Ukko, dem Donnergott.

Der Himmel der Finnen ist älter als die ganze restliche Welt, und die Götter der Finnen sind noch älter. Es gibt keine anderen Götter, die so alt sind. Der älteste von allen ist der Donnergott. Er ist so alt, dass noch nichts fertig und noch kein einziger Gott geboren war, als er sein jetziges Alter schon fast erreicht hatte. Der Donnergott ist nicht nur der älteste, sondern auch der strengste und stärkste. Er ist der beste.

Manchmal gibt der Donnergott im Sommer den Befehl, den Himmel mit einem Regenbogen zu verzieren, und zum winterlichen Himmelsfest wird das Firmament mit flackernden Nordlichtern garniert. Der Donnergott kann die Erde beben lassen, Orkane und Sintfluten hervorrufen, glühende Lava aus Vulkanen ausbrechen lassen, er kann explodierende Meteoriten auf die Erde schleudern, Satelliten aus ihren Umlaufbahnen bringen und Mond und Sonne verfinstern. Mit Blitz und Donner sendet er seine Botschaften auf die Erde. Dann fürchten die Menschen um ihr Leben.

Die toten Finnen, die in ihrem Leben böse Taten begangen haben, kommen in die Hexenküche. Dort kochen ihnen Lempo und Turja das böse Blut ab. Wenn die Verstorbenen das aushalten, dürfen sie auf einem Kiefernbrett den glühenden Unterweltfluss hinabfahren, durch viele siedend heiße Stromschnellen hindurch, bis sie in die Unterwelt Tuonela oder ins Totenreich Manala gelangen. Wer dabei in die heißen Fluten stürzt, ist nicht mehr zu retten. Der Hund von Tuonela zieht den jämmerlichen Leib ans Ufer, um ihn dort zu verschlingen. Nur die bleichen Knochen bleiben auf dem Uferkies zurück und erzählen vom Ende des Unglücklichen.

Vor langer Zeit, als nur Finnen auf der Welt lebten und es noch keine anderen Völker gab, herrschte der Donnergott über alles Lebende, im Himmel wie auf der Erde. Er war der König des großen Firmaments, der Herr des Wassers und des Landes. Und es war gut so.

Aber die Zeiten ändern sich, im Himmel wie auf Erden. Heutzutage gibt es auf der Welt Tausende von Völkern und Rassen, Tausende neue Religionen und Millionen von Göttern. Das finnische Volk, der finnische Himmel und die finnischen Götter sind nur ein geringer Bestandteil dieses unvorstellbar großen Ganzen.

Das Schlimmste ist, dass das Volk Finnlands seine Götter nicht mehr ehrt und ihnen nicht mehr opfert. Die Finnen haben sich dem christlichen Glauben zugewandt und verleugnen ihre eigenen Götter. Viele wissen nicht einmal, dass die Finnen immer noch einen eigenen Himmel und eigene Götter haben. Es gibt nur noch ungefähr fünfhundert Verehrer der alten Götter in Finnland, die aber trauen sich nicht, sich öffentlich zu ihrem Glauben zu bekennen, denn das würde ihnen ernsthafte Schwierigkeiten bereiten. Ruft ein Finne heutzutage den Donnergott um Hilfe, kann er wegen Götzenverehrung oder Verunglimpfung des christlichen Gottes verklagt werden. Er verliert seinen Arbeitsplatz, wird unter Umständen zu Gefängnis oder Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt verurteilt, und seine Kinder und die Gattin werden zum Ziel von Hohn und Spott.

Einer der wenigen, die noch den alten Göttern huldigen, ist Sampsa Ronkainen, ein vierzigjähriger Landwirt und Antiquitätenhändler. Er besitzt eine heruntergekommene Landwirtschaft in der Provinz Uusimaa, in der Gemeinde Suntio, und betreibt einen Antiquitätenladen im Helsinkier Stadtteil Punavuori in einer Straße namens Iso Roobertinkatu.

Seit kammkeramischer Zeit hat Ronkainens Familie an die wahren finnischen Götter geglaubt, ihnen gehuldigt und Opfergaben dargebracht. Sampsa ist geimpft, aber nicht konfirmiert. Er gehört nicht der evangelisch-lutherischen Kirche an und besucht auch nicht den Gottesdienst. Er hat die Angewohnheit, wenn es die Umstände erfordern, zu Ukko Obergott zu beten, denn er glaubt an die alten Götter, so wie seine Väter und Vorväter zu ihrer Zeit. Dennoch verheimlicht Sampsa seinen Glauben. Kein Mensch weiß davon, und darum kann Sampsa Ronkainen in Finnland seinem Broterwerb nachkommen, ohne von der Inquisition verfolgt zu werden.

Weil Sampsa Ronkainen ein gläubiger Mensch ist, fürchtet er sich bei Gewittern.

Im Himmel der Finnen herrscht neben Ukko Obergott dessen Frau Rauni, die auch Erdenmutter genannt wird. Einst verlieh sie den urfinnischen Menschen Kraft im Kampf gegen die Bergkobolde. Die Bergkobolde sind langschwänzige Kerlchen, die sich nicht die Zähne putzen und auch sonst schlechte Manieren haben. Wäre Rauni nicht gewesen, hätten die Kobolde Himmel und Erde erobert.

Von Zeit zu Zeit ist das Verhältnis zwischen Ukko und Rauni ein wenig durch Zänkereien getrübt. Rauni hat gelegentlich die schlechte Angewohnheit, zu schnauben und zu fauchen. Dann wird sogar auf der Erde das Klima drückend, und die Menschen sagen, es liegt ein Gewitter in der Luft.

Außer Ukko und Rauni haben die Finnen eine ganze Reihe weiterer einflussreicher Götter. Der bedeutendste von ihnen ist Ilmarinen, der Gott des Friedens und der Sonne. Ihm darf man für schönes Wetter und goldene Tage danken. Er freut sich über Werke des Friedens und ist traurig bei Kriegen. Im Jahr 1956 war es Ilmarinen, der am Ufer des Totenflusses bereitstand, um den Präsidenten der Republik Finnland, Juho Kusti Paasikivi, nach dessen Tod in Empfang zu nehmen. Ilmarinen sorgte dafür, dass Paasikivi nicht in die Hexenküche musste, sondern direkt in den Himmel gelangte, der extra für ihn mit Nord- und Irrlichtern beleuchtet war. Paasikivi, der kräftig fluchen konnte, stellte fest, das sei ja nun wirklich von einer verdammt höllischen Pracht. Als Erstes erkundigte er sich, ob es möglich sei, den sowjetischen Generaloberst Zdanov zu treffen, der nach dem Krieg als Vorsitzender der Kontrollkommission der Alliierten in Helsinki fungiert hatte. Zdanov war 1948 gestorben, erläuterte Paasikivi, und es sei nun interessant zu wissen, wie es dem alten Verhandlungskumpan anschließend ergangen war.

Ilmarinen kümmerte sich um die Angelegenheit. Es stellte sich heraus, dass Zdanov nicht anzutreffen war, denn er verbrachte seine Zeit bei minus 70 °C hinter der Hexenküche, in der so genannten russischen Hölle.

»Warum kann der alte Teufel mich nicht empfangen?«, murrte Paasikivi, nahm aber Abstand von dem Besuch, als er erfuhr, dass Zdanov weder ihn noch die Finnen im Allgemeinen gering schätzte, sondern allein aus persönlichen Gründen verhindert war.

Als die Zeit für den späteren finnischen Präsident Kekkonen gekommen war, holte Ilmarinen auch ihn am Totenfluss ab. Wäre Kekkonen allein und ohne Empfang dort angekommen, hätte Lempo ihn auf der Stelle in die Hexenküche gezerrt, und eine solche Behandlung war nach Ilmarinens Ansicht für einen Mann des Friedens keinesfalls angemessen.

Für Landwirtschaft und Viehzucht ist der langmähnige Gott Sampsa Pellervoinen zuständig. Zu seinem Tätigkeitsbereich gehört es auch, gegen die Macht des Winters anzukämpfen, keine leichte Aufgabe in Finnland, wo die Schneewehen zwei Meter hoch werden und die Seen einen Meter tief zufrieren können. Und erst die eisigen Moore und Sümpfe! Da einen Frühling zu organisieren ist Schwerstarbeit. Sampsa erledigt sie, indem er den Himmelsnabel mit aller Kraft so weit zu drehen versucht, dass die Sonne auf das vereiste Finnland scheinen kann und dadurch die Macht des Winters gebrochen wird, der Schnee schmilzt und das Land zu grünen beginnt. Die finnische Agrarpolitik verfolgt Sampsa Pellervoinen mit Besorgnis. Er kann nicht begreifen, dass landwirtschaftliche Überproduktion etwas Schlechtes sein soll, wie es die Finnen behaupten. Sampsa findet, die Menschen sollten umso glücklicher sein, je mehr Getreide und Fleisch sie produzierten. Falls es die Finnen tatsächlich nicht schaffen, alles selbst aufzuessen, müssen sie das, was übrig bleibt, eben in Länder schicken, wo Nahrungsmittelmangel herrscht.

Im Himmel der Finnen halten sich noch viele andere bedeutende Götter auf.

Der Gott des Bieres, Pelto-Pekka, ist der Schutzgeist der Trunkenheit und Zügellosigkeit. Seiner Meinung nach kommt es nicht darauf an, welche Marke man trinkt, Hauptsache man ist fröhlich und die Trinksitten sind einigermaßen anständig. Pelto-Pekka mag Gesang und Spiel, Sprücheklopfen und Armdrücken, und es versetzt ihn immer wieder in Erstaunen, dass man heutzutage in finnischen Wirtshäusern nicht mehr singen darf. Er kann auch nicht verstehen, warum man so ein Aufheben um das so genannte Mittelbier macht. Seiner Ansicht nach ist das Mittelbier derart leicht, dass es am ehesten für Frauen und Kinder taugt. Man könnte es für wenig Geld in Familienberatungsstellen und Kindergärten anbieten. Alleinerziehenden sollte das Mittelbier umsonst frei Haus geliefert werden.

Von den großen finnischen Göttern ist außerdem Ägräs zu nennen, der Gott der Fruchtbarkeit. Ägräs besitzt ein Gemächt in der Form einer Doppelrübe, ein flinkes Pferdchen und eine verführerische Stimme. Er ist für jede Art von Fruchtbarkeit zuständig. Verhütungsmittel kann er nicht ertragen, und Abtreibungen sind ihm ein Graus. Die Alt-Lestadianer, die keine Geburtenregelung akzeptieren, sind ganz nach seinem Geschmack, ungeachtet der Tatsache, dass sie nicht an Ägräs, sondern an einen ernsten christlichen Gott glauben, der nicht mal das Fernsehen erlaubt. Die Lockerung der sexuellen Umgangsformen hält Ägräs für eine großartige Sache. Die Hauptsache ist, dass Kinder geboren werden, uneheliche sind dabei genauso genehm wie alle anderen Sprösslinge.

Weniger wichtige Götter haben die Finnen unzählige. Ronkoteus ist der Gott des Roggens, als Schutzgeist der Gerste wirkt Virankanos. In der Hexenküche sind die Blutköche Lempo und Turja zugange, denen eine kolossale Schar Kleingeister zur Hand geht. Unter der Erde wohnen die zottigen Gnome, koboldartige Wesen, die immer ein ernstes Gesicht machen und ein wenig simpel, aber auch äußerst verlässlich und fleißig sind. Auf Friedhöfen und in Leichenhallen hausen die Wichtelmännchen. Sie sind fröhliche Gesellen, obwohl sie ständig ums Leben gekommene Menschen betrachten müssen und trauernde Angehörige untröstlich weinen hören. Viele von ihnen haben sich auch in städtischen Mehrfamilienhäusern niedergelassen, wo sie gemeinhin über das gesamte Treppenhaus herrschen und sich um die Familien kümmern, die ihre Kredite abbezahlen müssen.

Paara, der Schutzgeist der Bankenwelt, ist ein merkwürdiges Wesen, das vor langer Zeit mithilfe von Hexen dem Nachbarsvieh die Milch absaugte. Die gestohlene Milch wurde dann in Paaras Magen ausgebuttert, und das Resultat schied dieser seltsame Erdgeist als fix und fertige Butter direkt in das Butterfass des Besitzers aus. Heutzutage wuchert Paara mit überhöhten Zinsen, jongliert mit Aktien, setzt Menschen wegen des Verkaufs von Mietwohnungen auf die Straße und häuft den Gewinn, den er aus all dem gezogen hat, auf dem oftmals geheimen Bankkonto des Eigentümers an. Früher hieß es, »Paaras Scheiße ist weiß«, heute sagt man, sie »raschelt«. Als die größten Banken Finnlands ihre Aktienausbeute in Milliardenhöhe ablieferten, wäre Paara vor Glück fast verrückt geworden. Viele Monate lang galoppierte er ununterbrochen im Land umher, sein Magen wollte vor Anteilscheinen platzen, und aus seinem Mund troffen die Gratisausgaben, dass es das arme Volk völlig in Panik versetzte.

Oft hört man auch den Grenzteufel rufen. Er schrie laut auf, als 1940 der Friede von Moskau unterzeichnet wurde, und die schlimmsten Laute gab er von sich, als die finnischen Truppen in den Tagen des Fortsetzungskrieges die alte Ostgrenze überschritten. Im Jahr 1944 verstummte seine Stimme, als die Verteidigung der Karelischen Landenge zusammenbrach. Über den Verlust der Stadt Viipuri klagt der Grenzteufel immer noch, und heftigen Lärm machte er anlässlich des geteilten Berlins, des Libanons, wegen der Lage in Südamerika und Afghanistan. Während des Vietnamkrieges mussten seine Stimmbänder operiert werden, weil sie sich jedes Mal entzündeten, wenn wieder eine Nachricht von amerikanischen Bombardements den Himmel der Finnen erreichte.

Böse Geister und Totengeister aller Art flitzen mal im Himmel, mal auf der Erde oder gar unter der Erde herum. Ihtiriekko ist der Schutzgeist der unehelichen Kinder und ein fast ebenso lauter Schreihals wie der Grenzteufel. Liekkiö und Aarni kümmern sich um das Polarlicht, und sollten zufällig einmal ein paar Elfen in der Nähe sein, werden für sie die notwendigen Irrlichter angesteckt.

Ajattara, ein weiblicher Schutzgeist, ist immer irgendwohin unterwegs und in Eile. Sie ist unbeschreiblich schön und betörend, sie trägt ein durchsichtiges Irrlichterkleid, und es wird im Himmel eher für unpassend gehalten, sich öffentlich mit ihr in die Horizontale zu begeben. Nichtsdestotrotz galoppieren die männlichen Götter, allen voran Ägräs, der langhaarigen Ajattara im Wettlauf hinterher, und bis weit hinter die Sterne schallt das girrende Lachen dieser Göttin.

Von den wichtigen finnischen Göttern sollte man noch Tapio erwähnen, den Schutzgeist des Waldes. Er herrscht über den Wald mitsamt seinen Tieren, über das Wild und die Forstwirtschaft. Tapio ist ein sanftmütiger Herr, und sanftmütig sind auch seine Frau und seine Kinder: das Weib Nyrkytär, die Tochter Myyrikki und der Sohn Nyyrikki. Tapios Mutter, die sanfteste von allen, heißt Mieluutar. Ihr ureigenster Schützling ist das Eichhörnchen, und die Kiefer ist ihr Opferbaum. Vor langer Zeit, als es auf der Welt noch mehr Eichhörnchen als Finnen gab und in Finnland nur Laubbäume und Fichten wuchsen, hatte Ukko Obergott den Wunsch, mit Mieluutar zu schlafen. Ohne eine Morgengabe war Mieluutar dazu aber nicht bereit. Ukko fragte sie:

Woran fände Mieluutar Gefallen?

Bescheiden wie sie war, erbat Mieluutar nichts für sich selbst. Stattdessen dachte sie an ihre Eichhörnchen und sagte dem Donnergott einen beziehungsreichen Vers auf:

Das Eichhörnchen lebt in der Birke nicht,

noch klettert’s in der Fichte …

So wurde Mieluutar der Sohn Tapio geboren, und in Finnland wuchsen von nun an mächtige Kiefern als Wohnbäume für die Eichhörnchen. Bis auf den heutigen Tag quartieren sich die Eichhörnchen am liebsten in Kiefern ein, und gerade diese Baumart gilt auf dem Exportmarkt als das meistgeschätzte Schnittholz.

Die Gräberwichtel, neugierige und muntere Wesen, wunderten sich über diese merkwürdigen neuen »Fichten«, die den alten über den Kopf wuchsen. Sie sprachen so eindrucksvoll darüber, dass man anfing, sie Fichtelmännchen zu nennen. Im Lauf der Jahrtausende hat sich daraus die heutige Form des Namens entwickelt: Die Schutzgeister der Friedhöfe und Leichenhallen sind die Wichtelmännchen. Kaum jemand kennt heute noch den wahren Ursprung dieser Bezeichnung trotz des hohen Niveaus der mythologischen Forschung.

Hittavainen ist Tapios Gehilfe, seine ursprüngliche Aufgabe bestand darin, Hasen für Tapios Tafel zu jagen. Heutzutage kümmert er sich um Abschussgenehmigungen für Elche sowie um Naturschutzangelegenheiten.

Der Schutzgeist des Wasser heißt Ahti. Er wird von einer Meerjungfrau namens Vellamo unterstützt. Manchmal spielen Ahti und Vellamo so hemmungslos im Meer und in den Seen, dass das Wasser schäumt, aber im Allgemeinen ist Ahti zurückhaltend und friedlich. Tapio, Hittavainen und Ahti verfolgen besorgt die Verschmutzung der Natur in Finnland und auf dem gesamten Globus. Sie haben Ukko Obergott von der alarmierenden Sachlage berichtet, doch der Donnergott hat gesagt, er könne die Menschheit keinesfalls zu besserem Benehmen zwingen. Zwar könne er die ganze Erdkugel aus der Umlaufbahn heben, wenn es darauf ankäme, aber selbst wenn damit das Umweltproblem gelöst sei, hätte man doch zugleich die ganze Erde zerstört.

Der Donnergott hat einen Sohn, Rutja, der stattlichste und jüngste von allen Göttern. Rutja ist mutig, fähig und geschickt, wenngleich noch ziemlich unerfahren. Manchmal hält er sich in der Unterwelt Tuonela auf, um seinen Stiefbruder Turja zu besuchen. Dann unterbricht Turja seine Blutkochgeschäfte mit den Sündern, und die beiden Götter fahren mit dem Floß den Totenfluss hinunter. Mit wildem Gebrüll schießen sie durch die kochenden Fluten, und wenn sie ruhige Wasser erreicht haben, lachen sie und schlagen sich gegenseitig auf den Rücken. So vertreiben sich junge, ungestüme Götter die Zeit! Im Himmel versucht Rutja, durch verführerische Reden Ajattara für sich zu gewinnen, aber die hektische Göttin lacht nur und läuft davon. Eigentlich hat Rutja nichts Besonderes zu tun und fragt alle deshalb ununterbrochen, was er anfangen könne. Er steckt voller Tatkraft und ist ruhelos.

Die ganze göttliche Organisation hat in den letzten fünfhundert Jahren mit verminderter Kraft gewirkt. Die Götter der Finnen haben betrübten Sinnes feststellen müssen, dass fremder Glaube und falsche Götter das finnische Volk komplett verdorben haben. Im Lauf der Jahrhunderte ist immer wieder über den Verfall des althergebrachten Glaubens nachgedacht worden, aber man konnte keine taugliche Lösung des Problems finden. Die Götzenverehrung hat in Finnland derart breite Unterstützung gefunden, dass nur noch ungefähr fünfhundert Finnen an Ukko Obergott und die anderen alten wahren finnischen Götter glauben.

Der Donnergott und Ilmarinen empfinden an und für sich nicht den geringsten Hass gegenüber Jesus und dem Gott der Christen. Im Gegenteil, mag an sie glauben, wer will. Aber den Christen steht es nicht zu, den Donnergott einen Götzen zu nennen und seine Verehrer als Heiden zu bezeichnen!

Seinerzeit, als der neue Glaube mithilfe der Kreuzzüge nach Finnland gebracht wurde, lachte der Donnergott amüsiert über das Treiben. Aber mit den Jahrhunderten hat die neue Lehre ihren Status gefestigt, und Ukko lacht nicht mehr. Schon seit hundert Jahren nicht mehr.

Nach Ansicht von Ilmarinen, Tapio, Ägräs und vieler anderer Götter sollte man trotzdem die Finnen nicht völlig vergessen, noch sollte man vor dem Christenglauben und dem verkappten Atheismus kapitulieren. Man müsste vielmehr sämtliche Kräfte bündeln und etwas unternehmen, das dem alten wahren Glauben seine frühere Bedeutung und seine Macht zurückgäbe.

Die Finnen sind Sturköpfe, das weiß man im Himmel nur allzu gut. Trotzdem sprechen Ilmarinen und die anderen Götter bei Ukko Obergott vor und bitten ihn, eine Götterversammlung einzuberufen, um über diese ernste Frage zu beraten. Ukko spricht:

»Seit fünfhundert Jahren bin ich nicht mehr der Gott, den die Finnen verehren … Manchmal scheint mir, als geschähe es den Finnen gerade recht, wenn ich sie verstieße und das ganze Volk durch ein großes Erdbeben vernichtete … aber da ihr nun einmal eine letzte Versammlung verlangt, so kann ich auch zustimmen. Leitet das Entsprechende in die Wege!«

Sampsa Pellervoinen schlägt vor, die Götterversammlung am 27. Juni abzuhalten, an seinem Geburtstag. Sampsa begründete den Vorschlag damit, dass dann das Getreide reif werde und so auch bei den zu behandelnden Glaubensangelegenheiten vielleicht fruchtbarere, ergiebigere Ergebnisse erzielt werden.

Der Donnergott akzeptiert das Datum und beruft sämtliche Götter, Gnome, Elfen und Wichtelmännchen zur Versammlung ein. Wie um der Sache Nachdruck zu verleihen, lässt er es für den Rest des Tages stürmen und in der Nacht einen Blitz in den Glockenturm der Kirche von Vieremä einschlagen, die daraufhin in Flammen aufgeht und niederbrennt. Keine Versicherung kommt für den Schaden auf.

1

Der Landwirt und Antiquitätenhändler Sampsa Ronkainen ging die Birkenallee seines Hofes entlang zum Briefkasten, der gut hundert Meter vom Haupthaus entfernt an der Landstraße stand. Das Johannisfest war vorüber, vielleicht lagen die vor den Feiertagen abgeschickten Briefe jetzt im Kasten.

Der Ronkaila-Hof im Dorf Pentele in der Gemeinde Suntio war ein alter Familienbesitz. In der Mitte stand das große, heruntergekommene Hauptgebäude, dahinter das neuere Wohnhaus, das zusammen mit dem Wirtschaftsgebäude – der ehemaligen Gesindestube – und dem Kuhstall eine in sich abgeschlossene Hofanlage hinter dem alten Haupthaus bildete. Im Hinterhof war vor Urzeiten ein Garten angelegt worden, der mittlerweile völlig verwildert war.

Sampsas Spaziergang wurde von den zwei Frauen auf der Veranda des neuen Gebäudes genau beobachtet. Die eine war Sampsas Schwester, die über fünfzigjährige Zahnärztin Anelma Ronkainen-Kullberg, die sich mithilfe eines langen Morgenmantels in Schale geworfen hatte. Die andere war Sampsas inoffizielle Ehefrau, Sirkka Leppäkoski, eine dreißigjährige magere, nichts sagende Person. Eine Lebensgefährtin der gefährlichsten Art.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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