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"Mein Job ist es, Menschen zu beschützen, nicht welche zu töten. Ich bin Polizistin, keine Soldatin." Ein Selbstmordattentat auf einem Konzert in Frankfurt erschüttert die deutsche Bevölkerung. Während die Landespolizei versucht das Chaos in den Griff zu bekommen, macht sich die Sondereinheit Themis an die Arbeit, die Hintergründe für die Tat aufzudecken. Noch bevor die Opfer des Attentats beerdigt sind, gibt es jedoch einen weiteren Anschlag, und unversehens gerät der Fall zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Für Natasha, den Neuzugang im Team, stellt der Fall eine besondere Herausforderung dar. Immer wieder bringt sie durch ihre eigenwillige Vorgehensweise sich und auch anderen in Gefahr. Aber das ist nicht das Einzige, das Natasha zu schaffen macht. Da ist auch noch ihr Partner Peter, der sie besser versteht, als jeder andere Mensch zuvor. Er ist die Schulter, an die sie sich anlehnen kann, der Freund, der für sie da ist, wenn sie ihn braucht. Wäre da nicht die eiserne Regel, an der beide Festhalten und die Natasha davon abhält, ihm ihre wahren Gefühle zu offenbaren.
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Deutsche Erstausgabe Juni 2018
Copyright © 2018 Kerstin Rachfahl, Hallenberg
Lektorat, Korrektorat: Martina Takacs
Umschlaggestaltung: neptunian art
Kerstin Rachfahl
Heiligenhaus 21
59969 Hallenberg
E-Mail: [email protected]
Webseite: www.kerstinrachfahl.de
Alle Rechte einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Das Team und Familie Abel
1. Leistungstest
2. Orientierung
3. Geheimnisse
4. Tochter
5. Phase 1
6. Chaos
7. Ermittlungen
8. Familie Yavuz
9. Plan
10. Gefängnis
11. Phase 2
12. Unterstützung
13. Phase 3
14. Familie Keller
15. Eine Spur
16. Abu Sajaf
17. Ortswechsel
18. Eda Aslan
19. Tiefpunkt
20. Phase 4
21. Verhandlung
22. Countdown
23. Wunden
24. Wette
Nachwort
Bücher von Kerstin Rachfahl
Über die Autorin
Für Jörg. Vielen Dank für deine Geduld, mit der du mir meine unzähligen Fragen beantwortest.
Generalmajor Karl Hartmann
Ist der Gründer und Chef der Einheit. Er war lange Zeit Polizist und ist dann zum Militär gewechselt.
Oberst Ben Wahlstrom
Ist der Personalverantwortliche der Einheit. Er war schon immer Soldat und ist mit der Fotografin Johanna Rosenbaum, die immer nur Hanna genannt wird, liiert. Er leitet die Einsätze.
Major Tobias Wagner (TJ)
Ist der Länder Analyst der Einheit. Er ist auch Springer, wenn mal einer ausfällt. Auch er leitet Einsätze. Er ist mit Tamara, kurz Tami verheiratet. Sie ist ein IT-Security Consultant und arbeitet ab und an für die Einheit. Aus erster Ehe bringt TJ drei Kinder mit in die Ehe und mit Tami hat er eine Tochter.
Kriminalkommissar Paul Gerlach
Ist der IT Wizard in der Einheit. Eigentlich gehört er zum BKA, doch oft arbeite er exklusiv für Hartmann.
Kriminalhauptkommissarin Natasha Kehlmann
Ist die Verhörspezialistin und Hauptfigur in der Reihe. Früher Wettkampfschwimmerin und Polizistin aus Leidenschaft.
Kriminalhauptkommissar Peter Abel (Pit)
Ist der Leiter des Teams. Er erstellt die Trainingspläne für alle und kennt keine Gnade, wenn es um die Leistungsfähigkeit aller geht. Sein Spitzname kommt von Pitbullterrier, weil er sich gerne in etwas festbeißt.
Odin von Lichtenfels (Smart)
Ist der Diensthund in der Einheit und wird von Pit geführt. Er ist unglaublich klug, weshalb er auch seinen Spitznamen hat. Zusammen mit Pit und Natasha bildet er ein Dreierteam.
Kriminalhauptkommissar Kevin Steuber
Ist der Fahrer des Teams. Er kann alles fahren, egal ob auf Vierrädern, Zweiräder, dem Wasser oder in der Luft. Außerdem kann er auch alles kurzschließen.
Stabsfeldwebel Chris Neumann
Ist der Kommunikationstechniker der Einheit. Seine Aufgabe ist es, den Kontakt zu halten und den Input bei einem Einsatz zu liefern. Er bildet mit Kevin ein Zweierteam.
Kriminalhauptkommissar Mark Becker
Ist der Entschärfer und Spotter (Beobachter für einen Scharfschützen) im Team. Egal um was für Sprengsätze es geht, er weiß, wie er sie deaktiviert. Nur nicht, wenn es um seine Partnerin geht.
Oberleutnant Carolina Herrmann (Caro)
Ist die Scharfschützin im Team. In den ersten drei Monaten bei der Einheit war sie die Partnerin von Pit, dann hat sie zu Mark gewechselt.
Kriminalhauptkommissar Römer
Ist der Forensiker im Team. Er kennt sich mit allen Themen der Forensik aus, ist aber kein Spezialist für ein Teilgebiet. Er beurteilt einen Tatort und zieht daraus Schlüsse oder weiß, was untersucht werden muss.
Kriminalhauptkommissarin Gabriella Santinos
Ist die Fassadenkletterin im Team. Einem Affen gleich, kommt sie überall hoch. Sie bildet ein Team mit Bodo, der einzige, der mit ihrem Temperament und Agilität umgehen kann.
Leutnant Zoe Dübbers
Ist die Nahkampfspezialistin im Team. Eine echte Ninja-Kämpferin, die mit Carolina liiert ist. Sie legt jeden Mann flach, sehr zum Ärger der Männer.
Oberleutnant Ulf Clemens
Ist der Sanitäter im Team. Die tödlichste Waffe und der Lebensretter bilden ein Zweierteam und sind das einzige rein militärische Duo in dem Team.
Dr. Kain Abel, Mediziner, arbeitete in der Forschung und lehrte, Sportfanatiker, Peters Vater, kommt nur im kostenlosen Zusatzkapitel »Mia« auf meiner Autorenwebsite vor.
Dr. Lydia Abel, Allgemeinärztin, inoffizielles Oberhaupt der Familie, mit dem sich keiner anlegt. Kommt nur im kostenlosen Zusatzkapitel »Mia« auf meiner Autorenwebsite vor.
Yvonne Kramer, Peters älteste Schwester, verheiratet mit Robert, zwei Kinder: Charlotte und Tim.
Die Zwillinge: Dr. Carina Abel, Ärztin der Inneren Medizin, war Stammzellspenderin für ihre Zwillingsschwester, als diese Leukämie hatte, Dr. Cecilia Abel, Psychotherapeutin, auf Gewaltopfer spezialisiert. Zwei Jahre älter als Peter.
Angela Abel, fünf Jahre jünger als Peter und damit das Küken, leitet die Stiftung der Familie.
Natasha atmete tief durch. Sie korrigierte den Sitz ihrer Schwimmbrille, lockerte ein letztes Mal ihre Armmuskeln und ließ den Kopf kreisen. All das gehörte zu ihren Ritualen. Sie blendete die Geräuschkulisse aus. Der erste Pfiff. Sie setzte die Füße auf den Startblock und nahm die Starthaltung ein. Ihre Bahn war rechts außen. Die Auswahl, wer gegen wen antrat, hatte Oberst Ben Wahlstrom, ihr Chef, per Losverfahren getroffen. Sie hatte keine Ahnung, wer im Themis-Team der stärkste Schwimmer oder die stärkste Schwimmerin war. Es war ihr erster Quartalsleistungstest, und der entschied, ob sie ein festes Mitglied von Themis werden würde oder nicht. Im Geist war sie die 400 Meter Freistil bereits mehrfach geschwommen. Es war die letzte Disziplin des Leistungstests. Alles andere hatte sie nach den Anforderungen, die Wahlstrom für sie festgesetzt hatte, bestanden – einschließlich dieses verdammten, verfluchten Seils.
Das Schwimmen war ihre Königsdisziplin, kein Grund also zu befürchten, sie könnte durchfallen. Peter hatte ihr bereits mit einem breiten Lächeln ein Daumen hoch signalisiert. Jawohl, in knapp viereinhalb Minuten, vielleicht auch zwanzig Sekunden mehr, würde sie ein Mitglied der BKA-Sondereinheit Themis sein.
Der Startpfiff ertönte und ihr kräftiger Absprung erfolgte den Bruchteil einer Sekunde später. Sie tauchte flach ins Wasser ein, hielt ihren Körper vollkommen gestreckt, die Finger aneinandergelegt, um möglichst wenig Widerstand zu erzeugen. Sie konnte spüren, wie das Wasser an ihrem Körper vorbeiströmte. Der erste Armzug. Dann im Wettkampftempo im Vierertakt: vier Armzüge, ein Atemzug. Neben ihr schwamm Ulf, in der Mitte folgte Bodo, danach Zoe und auf der Bahn links außen Chris. Bereits nach der ersten Bahn kristallisierte sich heraus, an wem sie sich orientieren musste. Ulf und Chris lieferten sich Kopf an Kopf einen Wettkampf. Sie setzte sich knapp hinter die beiden, blieb an ihnen dran, ohne sie zu überholen. Ab der zehnten Bahn legten sie an Tempo zu. Zoe hatten sie hinter sich gelassen, doch Bodo holte in der Mitte beständig auf, während Chris nachließ. Die letzte Wende. Sie hielt sich aus dem Kampf zwischen Bodo und Ulf heraus. Am Ende war es Bodo, der als Erster anschlug, knapp gefolgt von Ulf und ihr. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht schwamm sie auf dem Rücken ein paar Meter zurück. Ihr Blick ging auf die Anzeigetafel, wo die Zeiten aufgeführt waren. 4:59,3 Bodo, 5:10,7 Ulf, 5:11,3 Natasha, 5:16,7 Chris und 5:48,9 Zoe. Ulf hielt die Hand hoch und sie schlug ein. Die anderen Kollegen und Kolleginnen jubelten, nachdem sie gewartet hatten, bis auch Zoes Hand am Beckenrand anschlug.
Sie schwamm zurück zum Startblock.
»Für dein erstes Mal echt gut, Brain. Wenn du noch etwas mehr trainierst und deine Kräfte besser einteilst …« Bodo, noch immer im Wasser, schob die Brille hoch und schenkte ihr ein Lächeln. Er war der Stillste in der Truppe, lächelte selten, und sie war eine der wenigen, die hin und wieder ein Lächeln von ihm zu sehen bekam. Sein Blick fiel auf jemanden hinter ihr, und das Lächeln verschwand. Auch der Jubel der am Beckenrand Stehenden brach abrupt ab. Verwirrt sah sich Natasha um. Hinter ihr, breitbeinig, die Arme vor der Brust verschränkt, die Augenbrauen finster zusammengezogen, stand der Personalverantwortliche der Sondereinheit, Oberst Ben Wahlstrom. Rasch warf sie noch mal einen Blick auf die Anzeigetafel. Okay, Kevin aus der ersten Schwimmgruppe war definitiv der Schnellste gewesen, doch sie lag knapp hinter Peter und damit exakt in der Mitte, und nach ihr folgten noch Chris, Mark, Gabriella, Carolina und zuletzt Zoe.
»Alle raus aus dem Wasser und unter die Duschen. Zoe, gut gemacht, du hast deine Zeit vom letzten Mal um 32 Sekunden gesteigert.«
Natasha stemmte sich aus dem Wasser, erhob sich und wollte sich an ihrem Chef vorbeidrücken.
»Sie nicht, Kehlmann. Sie bleiben schön hier und fangen an, Liegestütze zu machen, dabei zählen Sie laut und deutlich bis dreißig.«
Eine Sekunde starrte sie den Mann fassungslos an. Auch nach knapp drei Monaten in der Truppe hatte sie keine Ahnung, wie sie Wahlstrom einschätzen sollte. Bei ihrem ersten offiziellen Gespräch war sie in so ziemlich jedes Fettnäpfchen getreten, das sich ihr dargeboten hatte. Zu behaupten, sie wäre entspannt, wenn er sie allein in sein Büro zitierte, wäre gelogen. Aber sie hatte sich in den letzten Wochen ohne größeren Fauxpas durch die Gespräche manövriert.
»Brauchen Sie eine Extra-Aufforderung, Kehlmann?«
Sie begab sich in die Waagrechte und begann mit dem ersten Liegestütz.
»Zählen. Laut und deutlich!«
»Vier, fünf …«
»Von vorne, weil Sie die ersten nicht gezählt haben.«
»Eins, zwei, drei …«
»Boss?«
»Das ›unter die Duschen‹ galt auch für Sie, Abel. Wird’s bald?«
»Ich möchte nur wissen …«
»Das war ein Befehl!«
»Wir sind hier nicht beim Militär.«
»Wollen Sie mir jetzt erklären, wie ich meinen Job zu machen habe?«
»Zehn, elf, zwölf …« Natasha schielte nach oben. Die beiden Männer standen sich förmlich Nase an Nase gegenüber.
»Dreizehn, vierzehn …« Sie brach ab. »Pit, du musst Smart noch was zu fressen geben.«
Der Blick, den Oberst Wahlstrom ihr zuwarf, ließ sie rasch die Liegestütze wieder aufnehmen.
»Fünfzehn, sechzehn …«
»Von vorne, wenn Sie eine Pause einlegen.«
Innerlich fluchend begann sie wieder von eins zu zählen. Sie hörte, wie sich die Schritte ihres Partners entfernten und die Tür mit einem Knall geschlossen wurde. Ihre Arme zitterten vor Anstrengung, als sie sich von dem dreißigsten Liegestütz hochstemmte. Erschöpft ließ sie sich auf dem Hintern nieder, lockerte die Armmuskulatur.
Wahlstrom ging vor ihr in die Hocke, sodass sie sich auf einer Höhe befanden.
»Und jetzt, Kriminalhauptkommissarin Kehlmann, erklären Sie mir, weshalb Sie die Extraübung einlegen durften.«
Sie starrte ihn an. Er fixierte sie, das Gesicht eine unnahbare Maske. Sie hatte alle Anforderungen erfüllt, sich in jedem Bereich gesteigert. Bei den 400 Metern Freistil lag sie weit unter der von ihm geforderten Zeit von siebeneinhalb Minuten. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Scheiße! Sie hatte nicht daran gedacht, dass sie im Training schon mal eine bessere Zeit hingelegt hatte. 5:07,2 – also vier Sekunden schneller als heute. Verflucht! Eine Anforderung von Oberst Wahlstrom an sie hatte gelautet, dass sie bei dem Leistungstest in allen Disziplinen eine Steigerung zeigen musste, unabhängig davon, dass die Werte für die Einstellung erreicht werden mussten. Das Herz rutschte ihr in die Hose. Sie senkte den Kopf. Würde er sie wirklich wegen der vier Sekunden aus dem Team werfen?
»Ich höre.«
»Weil ich vier Sekunden schlechter war als beim letzten Mal?«
»Zwanzig Crunches.«
Diesmal begann sie sofort und zählte auch laut. Er machte es sich auf einem der Startblöcke bequem. Jetzt spürte sie ihre Bauchmuskeln und die Arme. Es war ja nicht so, als hätte sie nicht den ganzen verfluchten Tag bereits Sport getrieben.
»Weshalb bin ich wütend auf Sie, Kehlmann?«
Weil du ein verdammtes Arschloch bist?, dachte Natasha erbost, hütete sich aber davor, es laut auszusprechen. Immerhin hatte er sie noch nicht aus der Einheit geworfen, sondern triezte sie nur. War das ein gutes Zeichen?
»Wissen Sie, Kehlmann, was wichtiger ist als die Leistung des Einzelnen im Team?«
»Dass jeder sein Bestes gibt«, kam es heraus, wie aus der Pistole geschossen. Sie hatte den Spruch in den letzten Wochen unendlich oft zu hören bekommen.
»Und warum ist das wichtig?«
»Damit Sie entscheiden können, wer für welche Aufgabe die beste Wahl ist.«
»Und haben Sie eben im Wasser ihr Bestes gegeben?«
Sie erstarrte. Beim Antworten hatte sie gar nicht mehr an das Schwimmen gedacht.
»Ich kapiere nicht wieso. Sie haben bei allen anderen Aufgaben das Letzte aus sich herausgeholt. Warum haben Sie sich hier beim Schwimmen zurückgehalten? Sie hätten locker sowohl Ulf als auch Bodo schlagen können. Ja, ich glaube sogar, dass Sie schneller hätten sein können als Kevin, unser bester Schwimmer. Also warum?«
»Sie täuschen …«
»Wagen Sie es nicht, mir ins Gesicht zu lügen. Die Leichtigkeit, mit der Sie aus dem Wasser gekommen sind, Ihr Puls, die Art, wie Sie immer wieder das Tempo reduziert haben, als Sie zu dicht an Ulf herankamen. Ich bin weder blind noch blöd.«
Sie schaute auf den Boden.
»Ihre Mutter ist Olga Natasha Orlow, unsere erste olympische Goldmedaille in 400 Meter Freistil mit einer Zeit von 3:55,27. Es ist schwer, Ihre Leistungen in dem Wust an Informationen über ihre Mutter im Internet zu finden. Doch wenn man Geduld hat, dann findet man die kleine Natasha. Sie belegten bei allen Schwimmwettkämpfen, an denen Sie teilnahmen, den ersten Platz. Sie sollten der neu aufgehende Stern unter den deutschen Schwimmerinnen werden. Bis Sie auf einmal von heute auf morgen von der Bildfläche verschwanden, noch ehe die Welt bei den Olympischen Spielen auf Sie aufmerksam werden konnte.«
Natasha schloss die Augen. Genau davor hatte sie Angst gehabt. Dass jemand ihre Vergangenheit aufdecken würde. Sie liebte das Schwimmen über alles. Was sie gehasst hatte, war, im Rampenlicht zu stehen, auch wenn es zu dem Zeitpunkt gerade erst begonnen hatte. Doch sie hatte erlebt, wie man daran zerbrechen konnte.
»Okay, Kehlmann, ich lass Sie von der Leine. Gehen Sie unter die Dusche, packen Sie Ihre Tasche und dann gehen Sie nach Hause.« Oberst Wahlstrom erhob sich langsam, beinahe schwerfällig.
»Bedeutet das, Sie schmeißen mich aus dem Team?« Jede Wärme wich aus ihrem Körper. In ihrem Kopf erklang ein lautes Summen.
»Nein, ich werfe Sie nicht aus dem Team. Sie werfen sich selbst aus dem Team.«
Natasha hatte keine Ahnung, wie lange sie vor dem Startblock ihrer Bahn auf dem Boden sitzen blieb. Als sie sich erhob, zitterte sie am ganzen Körper.
Ben hatte bewusst langsam die Schwimmhalle verlassen. Die ganze Zeit lauschte er darauf, dass sich Natasha erhob, um ihm hinterherzulaufen und ihn umzustimmen. Innerlich fluchend nahm er zwei Treppenstufen auf einmal, um wenigstens etwas wieder runterzukommen. Warum waren die Besten immer die Anstrengendsten und Sturköpfigsten von allen? Was glaubte sie? Ihn verarschen zu können? Seine Stimmung sank noch ein paar Grad tiefer, als er sah, dass seine Bürotür offenstand. Drinnen fläzte sich Peter Abel, Kehlmanns Partner, auf dem Besucherstuhl, und Smart lag neben ihm. Mit dem Kopf auf den Pfoten schien er ihn aus vorwurfsvollen Augen anzuschauen.
Er schloss seine Tür vor dem Rest der Mannschaft, der draußen auf dem Flur herumlümmelte. Auch das noch. Sie hatte das gesamte Team hinter sich.
»Sie sind immer noch stocksauer«, merkte Abel an.
»Gut erkannt. Ein wohlgemeinter Rat, Abel – schwingen Sie Ihren Hintern aus meinem Büro, bevor ich mit Ihnen weitermache.«
Abel beugte sich vor. Er trug sein Pokerface, war nach außen vollkommen gelassen, doch in ihm knurrte der Pitbullterrier, von dem auch sein Spitzname ›Pit‹ herrührte. Er war an dem dunklen Grauton erkennbar, den seine Iris angenommen hatte. Man musste ihn schon sehr gut kennen, um das zu bemerken.
Ben kannte alle Stärken und Schwächen der Mitglieder seines Teams, das war sein Job. Er war für ihr Leben verantwortlich, wenn er sie in einen Einsatz schickte, und musste wissen, womit sie klarkamen und womit nicht.
Bisher hatte er keinen seiner Mitarbeiter verloren. Zwei hatten den Job hingeschmissen. Einer davon war der Partner von Peter Abel gewesen, genauso wie Sean, der aber aufgrund einer Verletzung ausscheiden musste. Seine dritte Partnerin, Carolina Herrmann, hatte zu Mark Becker gewechselt, nachdem dessen Partner den Dienst quittiert hatte.
Generalmajor Hartmann, der oberste Chef der Abteilung und verantwortlich für Verwaltungsaufgaben der Sondereinheit, die viel politisches Fingerspitzengefühl erforderten, hatte daher potenziell interessante Kandidaten und Kandidatinnen zu einem Auswahlverfahren eingeladen.
Normalerweise war das seine Aufgabe. Auch beim abschließenden psychischen und physischen Leistungstest der letzten sechs Kandidaten – darunter eine Frau, Natasha Kehlmann – war er nicht dabei gewesen. Generalmajor Hartmann war für ihn eingesprungen. Am Ende hatte es keiner der Anwärter geschafft, die Anforderungen zu meistern. Abel hatte den Parcours bewusst derart gestaltet, dass Kehlmann durchfiel, wenn auch verdammt knapp. Hartmann hatte daraufhin die Entscheidung getroffen, für sie eine Ausnahme zu machen und sie auf Probe in die Einheit aufzunehmen.
Das Mädel hatte in der Tat nicht lange gebraucht, um überall Leistungssteigerungen zu verbuchen, nicht zuletzt weil Hartmann Pit gezwungen hatte, sie unter seine Fittiche zu nehmen. Sein Verbleib im Team hatte er mit Natashas Erfolg, ein Teil des Teams zu werden, verknüpft.
Ben hasste es, wenn Hartmann anfing, sein manipulatives Spiel zu spielen. Einst war er selbst ein Opfer davon gewesen. Dennoch, so musste er zugeben, besaß der Mann eine nahezu untrügliche Menschenkenntnis. Natasha war eine echte Bereicherung für das Team. Ihr Talent, Menschen zu verhören, und die 27 Sprachen, die sie beherrschte, hatten zu ihrem Spitznamen ›Brain‹ geführt. Aber wo es Licht gab, gab es Schatten, und ihr Schatten war gerade eindeutig zu einem Problem für ihn geworden.
Es störte ihn nicht, wenn seine Leute eigenwillige Entscheidungen trafen. Das gehörte zu ihrem Job. Egal wie gut man einen Einsatz plante, es gab immer etwas, was schieflief. Darauf mussten sie flexibel reagieren, trotz der Stresssituation, in der sie sich befanden. Jedes Teammitglied von Themis war eine starke Persönlichkeit, jeder auf seine Art und Weise. Das Problem mit Natasha war, dass sie sich oberflächlich betrachtet vollkommen in das Team integrierte, doch sah man genau hin, so merkte man, dass sie einen Teil von sich außen vor hielt. Es war eine Eigenschaft, die er nur allzu gut von seiner Frau Hanna kannte. Natasha blieb am Rande des Teams in gewisser Weise eine Einzelgängerin.
Im Gegensatz dazu führte sich ihr Partner Abel nach außen hin als ein typischer Einzelgänger auf, doch war er innerlich ein absoluter Teamplayer. Auf ihn war hundertprozentig Verlass. Er war der Typ Anführer, der erst das untergehende Schiff verließ, wenn alle seine Leute in Sicherheit waren. Alle Mitglieder des Teams Themis waren Platzhirsche, egal ob männlich oder weiblich. Wenn es hart auf hart ging, vertrauten sie jedoch auf die Führung von Abel. Ihm war es zu verdanken, dass bei dem Einsatz, in dem sein Partner Sean die Verletzung erlitten hatte, dass ganze Team lebendig nach Hause zurückgekommen war.
Wegen Natasha hatte das Team eine Wette laufen gehabt, ob sie es ins Team schaffen würde oder nicht, das wusste er. Drei zu sieben hatte es gestanden. Er hatte heute gesehen, wie die sieben genauso erpicht darauf waren, dass sie ein fester Bestandteil von Themis wurde, wie die drei, die von Anfang an an sie geglaubten hatten: Carolina, Bodo und Gabriella – die Attraktivste, der Stillste und die Lauteste im Team.
»Wir wollen Natasha.«
»Es ist mein Job, zu entscheiden, wer ins Team kommt und wer nicht.«
»Das ist mir klar, und keiner von uns stellt das infrage.«
»Ach ja?« Trotz seiner schlechten Laune hob Ben halb belustigt die Brauen. Selbstverständlich würden sie seine Entscheidung infrage stellen, wenn ihnen klar wurde, dass Kehlmann rausflog. Und in dem Fall musste er sich noch eine schlaue Begründung einfallen lassen, warum Abel drinblieb, trotz der Bedingung von Generalmajor Hartmann. Ben war klar, dass er vor einer echten Zerreißprobe stand, die seine Autorität und das Vertrauen in ihn infrage stellen würde.
»Wenn es um die Bedingung geht – ich werde Hartmann erklären, dass Sie Ihren Teil der Abmachung eingehalten haben und Kehlmann die geforderten Leistungen im Test zeigte.«
»Woran liegt es dann?«
»Wissen Sie, weshalb ich stocksauer bin?« Ben beugte sich vor. Abel war der Schlüssel. Wenn er ihn auf seine Seite bekäme, würden die anderen folgen.
Eine Weile betrachtete Abel ihn. Sein Spezialgebiet war das tagtägliche Training der Mannschaft, und darin war er einsame Spitze. Vor allem die Mädel brachte er auf Vordermann. Mit seinen Erfahrungen als Bruder von vier Schwestern verfügte er über ein erstaunliches Einfühlungsvermögen, um die Frauen im Team zu Höchstleistungen anzuspornen. Wenn einer erkannte, wo das Problem lag, dann er.
»Lassen Sie sie den Schwimmtest morgen wiederholen und sie wird besser sein.«
Ben musterte seinen Mitarbeiter. »Besser?«
»Geben Sie ihr einfach ein bisschen mehr Zeit.«
»Wissen Sie, wie schnell sie wirklich ist, wenn sie alles gibt?«
»Nein«, gab Pit zähneknirschend zu. Wann immer er Natasha beim Schwimmen zusah, konnte er sich der Faszination, sie in diesem Element zu sehen, nicht entziehen. Es war, als würde sie eins werden mit dem Wasser. Eine verdammte Meerjungfrau.
»Wissen Sie, warum Sie es nicht wissen?«
»Nein.«
»Wissen Sie, wer ihre Mutter ist?«
»Ja.«
»Haben Sie sie kennengelernt?«
»Nein.«
»Redet Kehlmann mit Ihnen über ihre Eltern?«
»Nein.«
»Besucht sie ihre Eltern?«
»Ja. – Okay, was wird das hier, ein Verhör?« Pit rutschte auf seinem Stuhl nach vorn. »Oberst Wahlstrom, Sie wollen Natasha doch nicht ernsthaft aus dem Team werfen.«
»Wie ich bereits Ihrer Kollegin sagte – nicht ich werfe sie aus dem Team, sondern sie wirft sich selbst raus.«
»Warum? Nur weil sie beim Schwimmen nicht alles gibt? Sie können sicher sein, dass sie im Einsatz alles geben wird.«
»Was macht Sie da so sicher?«
Pit atmete tief durch. »Ich weiß es einfach.«
»Tut mir leid, das reicht mir nicht.«
»Geben Sie mir 24 Stunden.«
»Und dann?« Ben sah, wie Abel einen Moment zögerte, bevor er tief durchatmete. »Danach stehe ich voll hinter Ihnen, wenn Sie dem Team sagen, dass Natasha rausfliegt.«
Ben nickte. »24 Stunden.«
Ohne eine für ihn sichtbare Aufforderung war der Hund direkt an Abels Bein, kaum dass dieser sich erhob und das Büro verließ. Ben sah den zweien mit gemischten Gefühlen nach.
Peter schaute als Erstes in ihr gemeinsames Büro. Keine Spur von Natasha. Er fühlte, wie die anderen ihn beobachteten und versuchten, aus seinem Gesicht abzulesen, was vorgefallen war. Aber niemand sprach ihn an. Kein Grund, die anderen mit reinzuziehen. So sehr es ihm gegen den Strich ging, Wahlstrom hatte recht. Es gab etwas in Natasha, das für das Team zum Problem werden konnte. Nicht umsonst beinhaltete das psychologische Profil seiner Partnerin, das Dr. Franziska Naumann, die Psychologin, mit der jedes Teammitglied regelmäßig Gespräche führen musste, weiterhin zwei Einschränkungen: ihre Empathie und ihre Bereitschaft, Risiken einzugehen. Ihre Empathie war eine Stärke bei den Verhören, konnte aber beim Verarbeiten dessen, womit sie in ihrer Arbeit konfrontiert wurden, problematisch werden.
Nicht dass er das psychologische Profil seiner Partnerin mit der Ärztin besprochen hätte. Es reichte ihm, mit ihr zusammenzuarbeiten, um zu wissen, dass sie einen verletzbaren Kern besaß, den sie gut zu schützen wusste. Was ihre Risikobereitschaft anging, so hatte er zuerst angenommen, diese fehle ihr vollkommen. Inzwischen wusste er, dass das genaue Gegenteil der Fall war. Sie ging zu viele Risiken ein. Ohne die geringste Erfahrung mit Hunden hatte sie den Zwinger von Akiro betreten, weil sie glaubte, etwas verbinde sie mit dem traumatisierten Hund. Er hatte sie angegriffen und verletzt, am Ende jedoch hatte sie recht behalten, und Akiro hatte den Wesenstest bestanden. Vor vier Wochen hatte Jake Benedict, ein amerikanischer Soldat, in dessen Einheit der Hund seinen Militärdienst absolviert hatte, Akiro adoptiert.
Natasha hatte es das Herz gebrochen, den Hund gehen zu lassen. Mindestens einmal am Tag kam ein Bild oder eine Textnachricht von Jake aus den USA. Statt sich um den Hund zu kümmern, ließ Jake ihn die meiste Zeit in der Familie seines Bruders. Nach Peters Ansicht war er kein Familienhund. Was er brauchte, war ein psychologischer Anker. Das war Natasha für ihn gewesen. Er hatte das Thema bereits mit Malte, einem Hundetrainer und guten Freund von ihm, besprochen und beschlossen, mit Jake ein ernsthaftes Gespräch über die Verantwortung für ein Tier zu führen.
Bodo hielt ihn auf, als er die Treppe in den Keller nehmen wollte.
»Wenn du Natasha suchst – sie hat sich vorhin rausgeschlichen. Was ist los? Wahlstrom denkt nicht ernsthaft darüber nach, sie rauszuwerfen?«
Bodo war der stille, introvertierte Typ und sah mehr als jeder andere im Team. Wenn es bei einem Tatort um Spuren ging, war er unschlagbar. Er schaffte es, aus geringem Spurenmaterial einen ganzen Tathergang zu rekonstruieren. Es war schon ausgesprochen irritierend, dass er ausgerechnet mit der temperamentvollen, extrovertierten Gabriella ein Team bildete. Doch es funktionierte hervorragend.
»Nicht, wenn ich es verhindern kann. Sag den anderen nichts. Wahlstrom hat mir ein Zeitfenster von 24 Stunden eingeräumt. Hast du eine Ahnung, wohin sie gegangen ist?«
»Nein. Sieh zu, dass du das geradebiegst, nicht nur im Interesse des Teams. Wenn du sie verlierst, musst du dich auf die Suche nach einem neuen Partner machen.«
Allein bei dem Gedanken lief es Peter eiskalt den Rücken hinunter. Er wollte keinen anderen Partner. Er wollte seine Natasha behalten.
Natasha wusste nicht, wann sie das letzte Mal einfach so durch Berlin gestreift war. Sie beobachtete die Menschen auf der Straße, in den Kaufhäusern, in den Restaurants und den Cafés. Den Menschen, die verloren auf ihre Straßenkarten schauten, half sie, sich zu orientieren. In Berlin begegnete man einer Menge Touristen aus aller Herren Länder. Irgendwann wurden die Straßen ruhiger, durch die sie ging. Es gab weniger Verkehr, und weniger Menschen waren unterwegs. Schließlich stand sie vor einem Wohnhaus in Berlin Pankow. In den letzten Monaten war ihr wenig Zeit für Besuche geblieben. Das würde sich wohl bald wieder ändern. Sie klingelte.
»Ja?«
»Hallo Sybille, ich bin’s, Natasha. Ich möchte Frau Franke besuchen.«
Ein Summen ertönte. Sie betrat das Treppenhaus und stieg in den vierten Stock.
»Natasha, das ist aber schön, dass du mal wieder vorbeischaust.« Sybille, die eine Küchenschürze über dem Rollkragenpulli trug, nahm sie in den Arm. »Du bist schmal geworden. Hast mehr Muckies bekommen.«
»Das macht das viele Training. Stör ich?«
»Ach was, wir backen gerade Plätzchen für unseren Tag der offenen Tür. Bianca sticht welche aus. Wenn du möchtest, kannst du uns helfen. Aber erst mal kriegst du einen Becher Kakao.«
Nicht nur Bianca, auch die anderen beiden Mitbewohnerinnen der WG waren in der Küche mit Teigkneten, Ausstechen und Plätzchenverzieren beschäftigt. Im Hintergrund lief das Radio.
»Hallo, Frau Franke«, sagte Natasha und setzte sich neben die schmale, gebrechliche Gestalt an den Tisch.
Dunkle, ausdruckslose Augen streiften kurz ihr Gesicht, dann widmete die Frau sich wieder dem Ausstechen, als erforderte die Arbeit ihre ganze Konzentration.
Sybille legte Natasha mit einem Lächeln die Hand auf die Schulter und stellte ihr einen Becher Kakao vor die Nase. »Sag doch ruhig ›Bianca‹ zu ihr.«
Das brachte Natasha einfach nicht über sich. Für sie würde die Mutter ihrer besten Freundin Marietta immer Frau Franke bleiben.
»Bianca, sei so lieb und reich Natasha den Entenausstecher rüber, dann kann sie dir helfen.«
Ohne Natasha anzusehen, schob die Angesprochene ihr eine Ausstechform zu. Eine Weile sprach niemand. Jede arbeitete still vor sich hin. Natasha wusste nie, wie sie sich verhalten sollte. Es fiel ihr schwer, die Frau von früher mit der von heute zusammenzubringen. Krampfhaft suchte sie nach einem unverfänglichen Thema, über das sie reden konnte.
»Erinnern Sie sich noch, wie begeistert Sie von dem Buch ›Der Alchimist‹ von Paulo Coelho waren? Ich hab es jetzt gelesen. Denken Sie, er musste die Reise antreten und alles erleben, um zu verstehen?«
Keine Antwort.
»Ich denke ja, denn erst durch seine Erlebnisse verstand er, was wirklich wichtig für ihn war«, sprang Sybille ein, als Bianca keine Anstalten machte, ihr zu antworten. Zwischen Natasha, Sybille und den beiden Mitbewohnerinnen entstand ein lebhaftes Gespräch über Bücher und Filme. Heiße Bleche wurden aus dem Backofen gezogen, mit neuen ausgestochenen Plätzchen belegt und die fertigen dekoriert. Nach zwei Stunden waren die Dosen voll.
Kaum war die Arbeit beendet, erhob Frau Franke sich ohne ein Wort des Abschieds und zog sich in ihr Zimmer zurück. Die beiden anderen Frauen gingen zum Kartenspielen ins Wohnzimmer. Natasha half Sybille, die Küche in Ordnung zu bringen.
»Ich weiß, für dich sieht es nach nicht viel aus. Aber sie kommt in die Küche, hilft uns und ist auch bei dir sitzen geblieben. Das ist für sie ein enormer Fortschritt.«
»Ich weiß, es ist nur …« In einer hilflosen Geste zog sie die Schultern hoch.
»Sei geduldig, gib ihr Zeit. Du hast die richtige Entscheidung getroffen. Ohne dich wäre sie verloren gewesen. Sie wäre vor die Hunde gegangen, ein Sozialfall geworden, vielleicht sogar auf der Straße gelandet, oder sie hätte sich das Leben genommen.«
»Es ist zehn Jahre her. Verdammte zehn Jahre.«
»Du kannst es nicht in Jahren berechnen. Du musst es an den Fortschritten messen. Sie ist aus der geschlossenen Abteilung raus. Sie nimmt wieder Alltagsaufgaben wahr. Manchmal schaut sie mit uns zusammen einen Film an. Und neulich hat sie sogar gelacht.«
»Sie hasst mich, weil ich lebe und Marietta tot ist.«
Sybille seufzte. »Okay, was ist passiert?«
»Wie meinst du das?«
»Ich sehe dir an, dass du am Boden zerstört bist. Hat es mit deinem neuen Job zu tun?«
»Sie haben mich rausgeworfen.«
»Dann müssen sie ziemliche Idioten sein.«
»Nein, sind sie nicht. Ich bin selbst schuld.«
»Warum, was hast du gemacht?«
»Versprichst du mir, nicht zu lachen?«
»Ich versuch’s.«
»Ich war zu schlecht im Schwimmen.«
Sybille brach in Gelächter aus.
»Das ist nicht lustig«, brummte Natasha verstimmt.
»Konntest du nicht mehr geben oder wolltest du nicht?«
»Letzeres.«
»Wieso um alles in der Welt?«
»Weil ich nie wieder die Beste sein will. Das habe ich mir an Mariettas Grab geschworen.«
»Aber das ist doch purer Unfug. Du versuchst, überall die Beste zu sein, und du liebst das Schwimmen. Dass du besser warst als Marietta, hat nichts damit zu tun, dass sie sich das Leben genommen hat. Ihr beide seid durch die Hölle gegangen, und jede von euch ist anders damit umgegangen. Du kannst dir für Mariettas Tod nicht die Schuld geben.«
»Sie war der Liebling der Presse. Sie war in der Marian mit einem großen Interview, und sogar auf der Titelseite. Dann kam ich zurück und sie war wieder Zweite.« Sie zuckte mit den Schultern.
Sybille nahm sie in den Arm. »Wenn du diesen Job willst, geh zu deinem Boss und erklär es ihm, oder ist es eine Frau?«
»Mann.«
»Also, erkläre deinem Boss, warum du dich zurückgehalten hast, dann wird er es verstehen.«
»Du kennst ihn nicht.«
»Das stimmt«, gab Sybille zu und verpasste ihr eine Kopfnuss, »aber ich kenne dich und deinen Dickschädel. Wenn du dir was in den Kopf gesetzt hast, schaffst du es. Lebe und liebe, Natasha, du hast es verdient wie jeder andere Mensch auch. Das hätte auch Marietta gewollt. Ganz bestimmt.«
Zum zweiten Mal an diesem Tag stand Natasha vor einem Wohnhaus. Diesmal hatte es drei Etagen. Für das Erdgeschoss stand auf einem Messingschild: Praxis für Innere Medizin Dr. Elisabeth und Tom Jung. Dieselben Namen standen auf dem Klingelschild für die Wohnung im mittleren Stock. Auf dem obersten Namensschild stand »Rosenbaum/Wahlstrom«.
Sie spürte ihr Herz bis zum Hals klopfen. Was, wenn er ihr erst gar nicht die Tür aufmachte? Was, wenn er ihren Versuch zur Erklärung direkt abblockte? Sie schloss die Augen. Jetzt reiß dich verdammt noch mal am Riemen, er ist auch nur ein Mann. Energisch drückte sie auf die Klingel.
»Natasha? Bist du das?«, erklang eine Frauenstimme.
Irritiert blinzelte Natasha. Woher …? Dann bemerkte sie die Kamera an der Haustür und lächelte. »Ja, ich bin’s.«
»Komm rauf und zieh dir vor der Wohnungstür die Schuhe aus.«
Jede Treppenstufe, die sie ihrem Ziel näherbrachte, war für sie schwerer zu erklimmen. Die Wohnungstür stand einen Spalt offen. Natasha zog die Turnschuhe aus. Auf Socken betrat sie den Flur. Sie hörte leise klassische Musik aus einem der hinteren Räume.
»Du kannst dich ins Wohnzimmer setzen!«, rief Hanna über den Korridor. »Ich bin gleich bei dir, ich will nur noch den Effekt an dem Bild testen. Wenn du was trinken möchtest – in der Küche steht alles. Bedien dich einfach. Ben wird noch ein Weilchen mit Einkaufen beschäftigt sein.«
Natasha schaute in den Raum auf der rechten Seite, dessen Tür weit offen stand, und grinste, weil sie intuitiv richtig geraten hatte. Eine große, gemütliche Couch mit Chaiselongue-Elementen und einer Menge kuscheliger Kissen dominierte das Zimmer. An allen Wänden hingen eingerahmte Landschaftsszenen, Menschen, Tiere, Pflanzen, Sonnenauf- und -untergänge. Jedes Foto für sich fing das Wunder des Lebens ein.
»Hi.« Hanna lehnte barfuß, in Jogginghose und Sweatshirt am Türrahmen, die Arme vor der Brust verschränkt.
»Hi.« Verlegen richtete Natasha die Aufmerksamkeit auf die Frau ihres Chefs. »Es tut mir leid, dass ich einfach so unangemeldet hier reinplatze.«
»Kein Problem.« Ein verschmitztes Grinsen erschien auf Hannas Gesicht. »Ehrlich gesagt, ich wäre enttäuscht gewesen, wenn du nicht gekommen wärst.«
»Warum? Das verstehe ich nicht.«
»Erinnerst du dich an die Bilder, die ich von dir gemacht habe?«
»Wie könnte ich sie vergessen?«
»Das bist du, eine Frau, die genau weiß, was sie will. Mutig und entschlossen. Nicht jemand, der vor einem Hindernis, das sich ihm in den Weg stellt, kneift. Ist dein Plan damals aufgegangen?«
»Für mich ja.«
»Es tut mir leid, dass du deine Freundin verloren hast.«
»Mir auch.«
»Du kannst nicht das Leben für andere leben.«
»Ich weiß, aber ich kann sie beschützen.«
»Ja, das kannst du. Magst du einen Tee?«
»Gerne.«
Ben schleppte die Einkaufstaschen zur zweiten Etage hoch. Hanna hatte ihm eine lange Einkaufsliste gemacht – zum Abreagieren – und es hatte tatsächlich funktioniert. Er hoffte, dass sie bereits gekocht hatte. Ihm knurrte der Magen. Schnuppernd hob er die Nase und blieb abrupt im Flur stehen. Im Wohnzimmer hörte er zwei Frauen lachen. Das zweite Lachen klang weder nach seiner Schwester Lisa noch nach seiner Schwägerin Marie, Hannas Zwillingsschwester.
Er stellte erst die Einkaufstaschen auf dem Küchentisch ab, bevor er neugierig ins Wohnzimmer blickte. Seine Frau lachte nur mit wenigen Menschen, und bisher hatte er geglaubt, alle von ihnen zu kennen. Kaum erkannte er den Gast, der dort mit seiner Frau zusammenstand, sank seine Laune auf den Gefrierpunkt. »Kriminalhauptkommissarin Kehlmann«, stieß er hervor und verschränkte die Arme vor der Brust.
Sie strahlte noch, als sie sich zu ihm umwandte. »Oberst Wahlstrom«, sagte sie dann, und das Lächeln wich aus ihrem Gesicht.
Hanna ging an ihm vorbei, drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Siehst du, ich hatte recht«, wisperte sie ihm ins Ohr und fügte laut hinzu: »Ich koche Linsen-Dal. Möchtest du mit uns essen?«
»Nein.«
»Nein danke«, erwiderte Natasha höflich und senkte den Blick. »Es tut mir leid, dass ich Sie zu Hause überfalle.«
So wie er dort am Türrahmen stehen blieb, machte er ihr überdeutlich, dass sie unerwünscht war. Man, ist das ein harter Brocken, stöhnte sie innerlich auf. »Darf ich mich setzen?«
Weder verweigerte er es ihr, noch sandte er irgendein körperliches Signal aus, dass es in Ordnung sei. Sie entschied, sich einfach hinzusetzen. Was sie erzählen wollte, konnte sie unmöglich im Stehen loswerden. Sie verknotete nervös die Finger miteinander. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals.
»Es tut mir leid, Oberst Wahlstrom, Sie hatten recht. Ich hätte beim Schwimmen mein Bestes geben müssen. Dafür gibt es keine Entschuldigung.«
Ein abgrundtiefes Seufzen ertönte. Sie hörte seine Schritte, dann ließ er sich ihr gegenüber auf einem der Sessel nieder, die gegenüber der Couch standen. »Weshalb sind Sie hier?«
»Sie sagten, dass Sie mich nicht aus der Sondereinheit werfen, sondern dass ich mich selbst rausgeworfen hätte. Sie möchten wissen, weshalb ich mich beim Schwimmen zurückhielt. Sie glauben, der Grund sei etwas, das im Einsatz ein Problem darstellen könnte.« Sie sah ihm geradewegs in die Augen.
»Nur zu. Reden Sie weiter.« Er lehnte sich im Sessel zurück.
»Das ist nicht so leicht, wie Sie denken.«
»Kehlmann, ich muss wissen, welche Leistung Sie erbringen können. Wie sonst soll ich in den Einsätzen entscheiden, wer wofür der Geeignetste ist? Das kann aber für das Team überlebenswichtig sein.«
»Ich weiß, und ich kann Ihnen versichern, dass ich für das Team immer das Beste geben werde.«
»Wirklich? Wissen Sie, was ich sehe? Ich sehe eine Frau, die Geheimnisse hat. Jemanden, der sich scheinbar in ein Team einbringt und ein Teil davon ist, aber in Wahrheit für sich bleibt. Jemanden, der etwas aus seiner Vergangenheit tief in sich vergräbt, von dem ich nicht weiß, ob es vielleicht in einer extremen Stresssituation hervorbricht. Wir sind nicht nur ein Team, Kehlmann, wir sind eine Familie. Und ich frage mich, ob sie wirklich bereit sind, ein Teil von uns zu sein, mit allen Konsequenzen.«
»Ich bin ein Einzelkind. Ich brauche einen Rückzugsort. Ich hatte nie Geschwister, keine Cousinen und keinen Cousin. Ich war immer anders als die anderen, und von mir wurde immer mehr erwartet. Ich habe gelernt, mich in eine Gruppe zu integrieren, doch ich brauche auch meine Privatsphäre. Und wenn Sie ehrlich sind, werden Sie zugeben, dass die jeder von uns braucht. Ich weiß auch nicht alles über Sie.«
»Stimmt.«
»Warum ist es dann ein Problem für Sie, wenn Sie nicht alles von mir wissen?«
Ihre Stimme war sanft, ihr Blick offen und verständnisvoll. Sie hörte zu, wollte wissen, wollte verstehen und akzeptieren. Er spürte sein inneres Nachgeben. »Wie ich bereits sagte, ich muss mir über Ihre Reaktionen in einer Stresssituation absolut sicher sein. Ich kann Sie einfach nicht greifen, Kehlmann.«
Sie saugte ihre Ober- und Unterlippe zwischen die Zähne und nickte langsam. »Verstehe. Ich möchte, dass das, was ich Ihnen jetzt erzähle, unter uns bleibt.«
»Mein Ehrenwort.«
Sie rückte auf die Kante der Couch, legte die Arme auf die Knie. »Bevor ich laufen lernte, konnte ich bereits schwimmen, und das ist kein Scherz. Meine Mutter fing an, mich richtig zu trainieren, als ich keine drei Jahre alt war. Verstehen Sie mich nicht falsch. Sie hatte in ihrer sportlichen Karriere alles erreicht, was sie erreichen wollte. Ich war nicht etwa der Ersatz für ihren Traum. Sie machte es, weil ich ihr Talent geerbt hatte. Es war für mich nie fraglich, ob ich in den Leistungssport gehen würde oder nicht. Ich liebe das Schwimmen. Wasser ist mein Element.«
»Keine Frage. Jeder kann das sehen, wenn er Sie im Wasser beobachtet.«
»Neben der Schule und dem Schwimmen blieb mir keine Zeit für andere Aktivitäten. Meine beste Freundin war eine Schwimmerin wie ich. Wir waren derselbe Jahrgang. Sie war die ewig Zweite im Wettbewerb. Mit fünfzehn hatte ich einen Fahrradunfall. Ich zog mir einen Bruch in der linken Schulter zu, nichts Dramatisches, aber zum ersten Mal in meinem Leben musste ich eine Pause einlegen, und um die Rekonvaleszenzzeit und den damit verbundenen Trainingsverlust gering zu halten, bekam ich ein Schmerzmittel, das auf der Dopingmittelliste stand. So lange das Mittel in meinem Blut nachweisbar war, durfte ich nicht in offiziellen Wettkämpfen starten. Das war die Stunde des Ruhms für Marietta.«
Sie schwieg und begann, ihre Hände zu kneten. »Als ich wieder starten durfte, verdrängte ich Marietta sofort vom ersten Platz. Sie hat das nicht verkraftet. Sie nahm sich das Leben, und ich stieg aus dem Leistungssport aus und schwor mir, nie wieder die Erste bei einem Schwimmwettbewerb zu sein.«
Ihre grünen Augen schimmerten feucht, doch keine Träne stahl sich daraus hervor. Ihm war klar, dass hinter diesen einfachen Worten noch viel mehr steckte, aber mehr würde sie nicht erzählen.
»Wie schnell können Sie die 400 Meter schwimmen?«
Sie schüttelte langsam den Kopf. »Ich weiß nicht. Ehrlich.«
Er musterte sie eine Weile schweigend, dann stand er auf. Natasha sah ihm nach. Alles in ihr fühlte sich taub an, in ihren Ohren rauschte es. Es war aus. Ihre Antwort reichte ihm nicht. Sie musste aufstehen und gehen, doch sie schaffte es nicht, ihrem Körper diesen Befehl zu erteilen.
Er kam zurück, setzte sich diesmal neben sie auf die Couch. In der Hand hielt er eine schmale, längliche Schachtel, die er ihr hinhielt. Sie starrte die Schachtel verständnislos an.
»Nehmen Sie, bevor ich es mir anders überlege.«
»Was ist das?«
»Machen Sie es auf.«
Zögernd nahm sie das Kästchen aus seiner Hand und klappte es auf. Darin lag eine Uhr, wie sie jeder vom Themis-Team trug. Eine Sportuhr mit Tiefenmesser, Höhenmesser, Kompass, automatischer Einstellung auf die Zeitzone sowie einer Beleuchtung, die das Ablesen im Dunkeln ermöglichte, ohne ein Signalfeuer zu verursachen. Ehrfürchtig nahm sie die Uhr aus dem Kästchen und drehte sie um. Dort war das Abbild von Themis, der Göttin der Gerechtigkeit in der griechischen Mythologie eingraviert, darunter die Initialen NK.
Überrascht sah sie ihn an. »Das verstehe ich nicht.«
Er zuckte mit den Achseln. »Weder Generalmajor Hartmann noch ich hatten Zweifel, dass Sie den Aufnahmetest bestehen würden. Noch mal, nicht ich hätte sie aus der Einheit geworfen, sondern Sie sich selbst.«
»Heißt das, ich bin aufgenommen?«
»Wonach sonst sieht das Ihrer Meinung nach aus?«
Am liebsten wäre sie ihm vor Freude um den Hals gefallen, aber sie hielt sich wohlweislich zurück.
»Enttäuschen Sie mich nicht noch einmal, Kehlmann.«
»Das werde ich nicht, Oberst Wahlstrom. Versprochen.«
Ben ließ nachdenklich den Wein im Glas kreisen. Hanna hatte den Kopf in seinen Schoß gelegt und machte, was sie am besten konnte: schweigen. Das war gefährlicher, als wenn sie ihm zig Fragen gestellt hätte.
»Es reicht.« Sie erhob sich vom Sofa und lief hinaus.
Verblüfft sah Ben ihr nach.
Als sie wiederkam, hatte sie ihren Laptop dabei. Sie setzte sich diesmal im Schneidersitz neben ihn und hielt den Computer fest an ihre Brust gepresst. »Das, Oberst Ben Wahlstrom, widerspricht absolut meiner Berufsethik, und das weißt du. Schwöre mir hoch und heilig, dass das, was ich dir jetzt zeige, unter uns bleibt. Und zwar nur unter uns, ohne Wenn und Aber. Auch nicht Karl, verstanden?«
Viel zu sprachlos, um ihr zu antworten, legte er eine Hand aufs Herz.
Sie klappte den Laptop auf. Er rutschte zu ihr hin, sodass er mit auf den Bildschirm schauen konnte, sah eine Schwimmhalle mit Kindern. Eine Frau in einem leichten Trainingsanzug und mit einer Trillerpfeife im Mund war vollkommen auf die Schwimmer und Schwimmerinnen konzentriert. Sie hatte ein klassisches Profil, die langen, glatten Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Das Licht reflektierte goldene Töne im Haar. Es folgten Porträtaufnahmen. Ein ernster, melancholischer Ausdruck lag in ihren grünen Augen. Ihre waren dunkler als die ihrer Tochter, hatten braune Sprenkel. Es folgte ein Bild von zwei Mädchen, die beide den Arm über die Schulter der jeweils anderen gelegt hatten. Das eine trug ein breites Grinsen im Gesicht, das andere verzog den Mund zu einem schüchternen Lächeln. Ob es an der Haltung lag, der Vertrautheit der Berührung? Für den Betrachter war es offensichtlich, dass die beiden Mädchen ein Herz und eine Seele waren.
»Sie waren mehr als nur beste Freundinnen. Marietta war wie Marie, laut, frech und immer mitten im Geschehen. Natasha hingegen ähnelt mir. Aber das brauche ich dir nicht zu sagen, denn genau deshalb hast du ein Problem mit ihr.«
»Habe ich nicht.«
»Oh doch, mein Lieber, das hast du. Du liebst mich, und doch gibt es da ganz hinten in deinem Herzen eine Stelle, die verletzt ist, weil ich dir nicht alles erzählt habe. Und genau den Teil unserer Beziehung projizierst du auf Natasha.«
»Ihre Mutter sieht streng aus.«
»Diszipliniert. Sie liebt Natasha, aber ihrer Ansicht nach vergeudet sie ihr Talent.«
»Danke.«
»Das war es nicht, was ich dir zeigen wollte. Sie hat die Bilder ins Internet gestellt und mir nie verboten, sie zu zeigen.« Sie startete eine zweite Diashow auf dem Bildschirm.
Im ersten Moment wollte Ben sich abwenden, weil er es definitiv ablehnte, in die Privatsphäre seiner Angestellten einzudringen, was sie in seinen Augen hier taten.