Der Todesclaim - Earl Warren - E-Book

Der Todesclaim E-Book

Earl Warren

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Beschreibung

Lautlos glitt eine dunkle Gestalt durch die Nacht. Hin und wieder brach bleiches Mondlicht zwischen den treibenden Wolkenbänken durch und hüllte die bizarre Felslandschaft in gespenstischen Schein. Dann kauerte sich die Gestalt blitzschnell zusammen und wartete, bis ihn wieder die schützende Dunkelheit umgab. So näherte er sich der kleinen Blockhütte am Fuß der Felswand. Er horchte, hörte regelmäßige Atemzüge eines Schläfers und öffnete dann unendlich langsam die Tür. In der rechten Hand hielt er einen schweren Revolver. Er war gekommen, um zu töten. Es sollte ein perfekter Mord sein. Alles war sorgfältig durchdacht. Nicht der geringste Verdacht würde auf ihn fallen. Er riss ein Zündholz an und hielt die Flamme an den Docht der verrußten Lampe, die auf dem wackligen Tisch stand. Im flackernden Lichtschein richtete sich der Schläfer auf. Überrascht rieb er sich über die Augen. Dann grinste er. "He, Jim. Du wolltest doch die ganze Nacht bleiben. Was ..." Er verstummte, schien jetzt erst den Revolver zu sehen. "Was, zum Teufel, Jim!", rief er heiser. "Was hat das zu bedeuten? Soll das ein schlechter Scherz sein?" Jim schüttelte grinsend den Kopf. "Nein, Partner", sagte er kalt. "Das ist kein Scherz, Sam. Dieser Claim wird nur für einen genug abwerfen. Deshalb ist einer von uns zu viel auf der Welt ..." Dann schoss er.

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Der Todesclaim

ONLY eBook - Mystery/Horror

Buch 12

Earl Warren

In dieser Reihe bisher erschienen

ONLY eBook - Mystery/Horror 01: ALS ICH TOT WAR (Band 1)ONLY eBook - Mystery/Horror 02: ALS ICH TOT WAR (Band 2)ONLY eBook - Mystery/Horror 03: DAS ÄQUINOKTIUM DER WAHNSINNIGENONLY eBook - Mystery/Horror 04: PRIESTER DES TODESONLY eBook - Mystery/Horror 05: HaschischONLY eBook - Mystery/Horror 06: Die Weissen HändeONLY eBook - Mystery/Horror 07: CosmogenesisONLY eBook - Mystery/Horror 08: Spuk des AlltagsONLY eBook - Mystery/Horror 09: Totenmaar: Mystery-Thriller aus der EifelONLY eBook - Mystery/Horror 10: TerrorinselONLY eBook - Mystery/Horror 11: Power-E-Book-Sammelband 1-4 - Agenten-Romane (Gegen Tod und Teufel)ONLY eBook - Mystery/Horror 12: Kane und der TodesclaimONLY eBook - Mystery/Horror 13: Die schwarze LogeONLY eBook - Mystery/Horror 14: Love, Romance & MysteryONLY eBook - Mystery/Horror 15: Die Ernte des Blutes

© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a,  51570 Windeck

Redaktion: Alfred Wallon

Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten

ISBN: 978-3-7579-3466-8

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Inhalt

Der Todesclaim

Über den Autor

Der Todesclaim

Lautlos glitt eine dunkle Gestalt durch die Nacht. Hin und wieder brach bleiches Mondlicht zwischen den treibenden Wolkenbänken durch und hüllte die bizarre Felslandschaft in gespenstischen Schein. Dann kauerte sich die Gestalt blitzschnell zusammen und wartete, bis ihn wieder die schützende Dunkelheit umgab. So näherte er sich der kleinen Blockhütte am Fuß der Felswand. Er horchte, hörte regelmäßige Atemzüge eines Schläfers und öffnete dann unendlich langsam die Tür. In der rechten Hand hielt er einen schweren Revolver. Er war gekommen, um zu töten. Es sollte ein perfekter Mord sein. Alles war sorgfältig durchdacht. Nicht der geringste Verdacht würde auf ihn fallen. Er riss ein Zündholz an und hielt die Flamme an den Docht der verrußten Lampe, die auf dem wackligen Tisch stand. Im flackernden Lichtschein richtete sich der Schläfer auf. Überrascht rieb er sich über die Augen.

Dann grinste er. „He, Jim. Du wolltest doch die ganze Nacht bleiben. Was ...“

Er verstummte, schien jetzt erst den Revolver zu sehen.

„Was, zum Teufel, Jim!“, rief er heiser.

„Was hat das zu bedeuten? Soll das ein schlechter Scherz sein?“

Jim schüttelte grinsend den Kopf.

„Nein, Partner“, sagte er kalt. „Das ist kein Scherz, Sam. Dieser Claim wird nur für einen genug abwerfen. Deshalb ist einer von uns zu viel auf der Welt ...“

Dann schoss er.

* * *

Im Donnern des Schusses zuckte sein Partner Sam Bradley zusammen und fiel dann steif auf die Pritsche zurück. Die Kugel hatte ihn mitten ins Herz getroffen. Mit teuflischem Grinsen schob Jim den Revolver ins Holster zurück. Die Gestalt seines Partners lag verkrümmt auf der Pritsche. Beide Beine hingen an der Seite des Lagers herab. Die Absätze der hohen Stiefel berührten den Boden. Nur noch mit dem halben Oberkörper lag der Tote auf den Fellen der Pritsche. Ein Arm pendelte mit schwachen Bewegungen hin und her. Die Fingernägel schabten über den Boden und verursachten ein Geräusch, das dem Mörder fast die Nerven zerriss. Die andere Hand hatte sich in den Stoff des Hemdes gekrallt. Rot sickerte es zwischen den Fingern hervor.

„Jetzt gehört das Silber mir, mir allein!“, flüsterte der Mörder.

Er wollte sich gerade abwenden, da nahm er eine Bewegung wahr. Die von dem Lager herabpendelnde Hand war zur Ruhe gekommen und kroch auf die Felle! Jetzt hoben sich beide Arme, bewegten sich nach hinten und stützten sich auf den Fellen ab. Langsam hob sich der Oberkörper des Toten! Als er abzugleiten drohte, machten beide Beine eine Bewegung, die dem Leib Halt boten, und nach kurzer Zeit stand der Erschossene aufrecht vor der Pritsche. Immer noch war der höhnische Zug in der Mundpartie eingegraben. Die Augen waren geschlossen, aber als jetzt die Lider zu flattern begannen, peitschte eine Welle des Grauens durch den Körper des Mörders.

Sein Gehirn weigerte sich, das Gesehene zu akzeptieren. Sein Herzschlag steigerte sich zu einem rasenden Trommelwirbel, der alles andere übertönte. Der Mörder wollte einen Schrei ausstoßen, seinem Entsetzen Ausdruck verleihen. Aber noch nicht einmal ein Krächzen drang aus seiner Kehle. Der Hals war ihm wie zugeschnürt. Krampfhaft versuchte er zu schlucken. Erst nach mehreren Versuchen verschwand der Knoten in seiner Kehle. Jetzt brachte er ein fragendes Geräusch hervor, das aber so verzerrt klang, als ob er sich nur geräuspert hätte.

Die Augen des Mannes, den er soeben kaltblütig ermordet hatte, starrten ihn an. Sie glänzten wie polierte Kugeln. Es war nicht Sam Bradleys Blick, der den Mörder traf! Eine fremde Macht hatte diesen Mann übernommen und verlieh ihm neues Leben. Ein Leben, das aus einer Welt kam, von der die Menschen kaum etwas ahnten. Dieses Leben verband sich jetzt, in diesem Moment, mit dem Geist des erschossenen Silberschürfers. Die Augen nahmen einen drohenden Ausdruck an. Als der Blick, auf Jim Braddock fiel, der immer noch wie erstarrt vor dem Fenster stand, blitzten sie zornig auf. Sam Bradley öffnete den Mund, bewegte ein paarmal den Unterkiefer, aber bevor er ein Wort sagen konnte, rannte Jim Braddock mit einem erstickten Aufschrei davon. Er brach ohne Rücksicht durch die Büsche und jagte dorthin, wo er sein Pferd versteckt hatte. Die Zweige rissen an seiner Kleidung wie gierige Hände. Erst als er im Sattel saß und die Zügel hochnahm, hörte er das Klappen der Hüttentür.

„Denk an Ritahuna“, drang es schwach und verweht an sein Ohr. „Du wirst sterben, Partner!“

In den Gedanken des Mörders war kein Platz für diesen Ausruf. Er konnte sich nicht erinnern, was diese Worte zu bedeuten hatten. Nur eines beherrschte seinen Geist, Flucht! So schnell wie möglich weg von hier, weg von einem Ermordeten, der wieder aufgestanden war. Weg von dem Mann, der mit einer fünfundvierziger Kugel im Herzen immer noch lebte! Jim Braddock, der Revolvermann, riss die Zügel hoch und stieß dem Pferd die Sporen in die Weichen. Das Tier schnaubte unwillig und jagte los. Zusammengesunken saß er im Sattel und versuchte die Angst, die ihn in ihren Fängen hielt, zu überwinden. Es gelang ihm nur allmählich. Erst als er in die Mainstreet von Rawlins einritt, hatte er sich einigermaßen gefangen. Aber immer noch prickelte sein Nacken, immer noch lief es ihm kalt den Rücken herunter, wenn er an das dachte, was er eben gesehen hatte. Vor dem ersten Saloon hielt er an und warf den Zügel um den Hitchrack. Whisky, er brauchte Whisky. Nur so konnte er sich von dem lösen, was ihn beherrschte.

* * *

Kaum drei Minuten waren seit dem Brechen des Schusses vergangen, da jagte der Mörder durch die Nacht in Richtung Rawlins. Niemand fand auch nur eine Spur von ihm. Jim Braddock war vorsichtig gewesen, auch bei seiner Flucht. Es war sehr knapp für ihn geworden. Die Digger, die in dem kleinen Camp am Fuße der Hügel kampierten, hatten schlechte Erfahrungen gemacht. Die meisten der rauen Burschen waren in Rawlins und spülten sich den Gesteinsstaub aus der Kehle. Aber einige blieben immer als Wache für die Claims zurück. Mehr als einmal hatten goldgierige Banditen versucht, ihre Claims zu überfallen. Jim Braddock hatte kaum die Felsen hinter sich gebracht, da stürmten schon die ersten Männer mit Revolvern in den Fäusten durch die Nacht. Blendlaternen tauchten auf und wurden entzündet. Die Goldgräber waren entschlossen, einen Dieb sofort zu hängen! In Rawlins gab es zwar einen Hilfssheriff, aber das Gebiet des Minencamps lag eine halbe Meile außerhalb seines Bezirkes.

„Bei Sam und Jim ist noch Licht!“, rief einer der Männer, der durch die dichten Buschreihen einen Feuerschein sah.

Als ein scharfer Windstoß durch die Hügel fauchte, sahen sie, dass die Hütte der beiden Männer in Brand geraten sein musste. Die Hähne der Revolver klickten und die Männer stürmten den Hügel hinauf. Sie hatten sich vergewissert, dass in ihren eigenen Claims kein Fremder sein Unwesen trieb.

Sie mochten die beiden Revolvermänner zwar nicht besonders, aber sie gehörten, auch wenn sie auf der Flucht vor dem Gesetz hierhergekommen waren, zu den Schürfern. Als die Männer das kleine Plateau erreichten, schien der Mond so hell, dass sie ihre Laternen gar nicht mehr benötigten. Keine einzige Wolke zog über den Himmel, und das Licht des Mondes fiel ungehindert auf die brennende Hütte.

„Nicht mehr viel zu machen“, sagte einer der Digger. Aber sie gingen trotzdem näher an die Bretterhütte heran. Einige rissen die dünnen Seitenwände nieder und drangen in den Raum ein. Zuerst konnten sie vor lauter Rauch nichts sehen, dann verzog sich der Qualm aber durch die von den Diggern geschaffene Öffnung. Niemand achtete darauf, dass die Schwaden seltsame Formen annahmen. Sie stellten Szenen dar, die die Ermordung eines Mannes schilderten. Eines Mannes, der friedlich auf seiner Pritsche schlief! Der Rauch quirlte durcheinander und formte immer neue Figuren. Schließlich stand der Erschossene auf, taumelte zum Tisch und stieß ihn um. Das auslaufende Öl der Lampe setzte die Hütte in Brand. Die Männer, die jetzt die Augen vor der schwelenden Glut und dem beißenden Rauch zusammenkniffen, tasteten sich vor. Sie erreichten Einrichtungsgegenstände und warfen sie ins Freie. Dann stieß einer auf den Körper des toten und doch noch lebenden Sam Bradley. Zu zweit trugen sie den Mann hinaus und untersuchten ihn.

„Mitten ins Herz, da ist nichts mehr zu machen“, sagte einer. „Aber warum? Die beiden haben doch immer noch nichts gefunden!“

„Aber sie klopften Tag für Tag in ihrem Stollen herum“, sagte ein dritter und kam neugierig näher. Er betrachtete den Toten und fuhr dann fort: „Er ist vollständig angezogen. Sogar der Colt steckt im Holster.“

„Ach, du weißt ja, wie diese Revolvermänner sind! Ohne Kanone fühlen sie sich nur als halbe Menschen.“

„Was ist nun? Bringen wir ihn runter oder warten wir, bis Old Henry aus Rawlins zurückkommt?“

„Lassen wir ihn liegen, Henry kann Sam später holen. Er hat ja seinen Karren, und wir brauchen uns dann nicht abzuschleppen.“

Die Digger zogen wieder in ihr Camp und suchten ihre Zelte, Erdlöcher und sonstige Unterkünfte auf.

* * *

Als die ersten Betrunkenen in das Camp zurückkamen, erwachten die anderen und die Nacht war für die meisten Männer zu Ende. Der Mord auf dem Hügel wurde eingehend besprochen.

Schließlich traf auch Old Henry ein, der zwischen einigen windschiefen Bretterwänden seinen Beruf als Sargmacher und Coroner ausübte. Nebenbei hatte er auch die Aufgabe des Totengräbers übernommen. Die Schürfer, die in der Nacht auf dem Hügel gewesen waren, sagten dem Alten Bescheid, dass es Arbeit für ihn gäbe. Knurrend und murrend spannte Henry die beiden Maultiere an den flachen Wagen mit den niedrigen Borden und hatte dabei den üblichen Kampf mit den widerspenstigen Tieren zu bestehen.

„Du Mistvieh! Willst du wohl! Ich werde es dir schon zeigen!“ Dann klangen nicht wiederzugebende Flüche durch das Morgengrauen. Schließlich verrieten die über das Gestein knirschenden Eisenreifen, dass der Alte es geschafft hatte und sich, immer noch stark benebelt, auf den Weg machte, Sam Bradley zu holen.

* * *

Schon in der Nacht, in genau dem Moment, als der Schuss auf Sam abgegeben wurde, wachte in einigen Meilen Entfernung ein alter Indianer auf. Es hatte ihn wie einen Windhauch gestreift. Eisige Kälte fuhr durch seinen Körper und der alte Medizinmann wusste, dass eine seiner Beschwörungen Erfolg gehabt hatte. Jetzt war das Wesen, das er vor Monaten in Bereitschaft versetzt hatte, zum Leben erwacht. Der Alte richtete sich auf und warf einige Zweige in das heruntergebrannte Feuer. Als die Flammen wieder flackerten, streute er ein Pulver auf die Glut und murmelte leise Sprüche dazu. Das Pulver stieg hoch, verwandelte sich zu gelblich gefärbtem Rauch und zeigte die gleichen Szenen, die auch die Goldgräber in der brennenden Hütte hätten sehen können. Der alte Indianer spürte, wie die Furcht seinen Nacken hinaufkroch. Er hatte ein Wesen freigesetzt, das er kaum noch bannen konnte. Dass das alles damals unter Zwang geschehen war, konnte ihn nicht beruhigen. Regungslos saß der Mann vor dem Feuer und starrte in die flackernden Flammen. Plötzlich fielen die Figuren des Rauches in sich zusammen. Aus einer unlotbaren Tiefe heraus kroch etwas in dem alten Medizinmann hoch, dass er zuerst nicht erkannte. Dann wusste er es, sein Tod stand nahe bevor. Er, der sich unzählige Jahreswechsel mit den Dingen befasst hatte, die nicht dieser Welt zugeordnet werden konnten, hatte die Gefühle entwickelt, die ihn vieles voraussehen ließen.

Unendlich langsam griff der alte Mann nach dem kleinen Schläger und einer Trommel. Der leise Wirbel, der aufklang, brachte Unruhe in den Pueblo. Der Alte war wach und etwas Wichtiges war geschehen. Ein noch junger Indianer sprang von seinem Lager hoch und lief zu dem alten Medizinmann. Er sollte der Nachfolger sein, den der Alte bereits seit einigen Sommern ausbildete.

Jetzt, mitten in der Nacht, begann der Medizinmann damit, den jungen Krieger in die letzten Geheimnisse einzuweihen.

* * *

Der Karren des alten Henry polterte über die Felsen dem Camp entgegen. Fluchend und mit rot unterlaufenen Augen stierte Henry nach vorne. Er hatte in der vergangenen Nacht eine Menge Whisky getrunken, und es passte ihm gar nicht, dass er jetzt schon wieder arbeiten sollte.

Als er den Flachwagen an seine Werkstatt herangebracht hatte, fiel ihm ein, dass er ja noch einen fertigen Sarg stehen hatte! Außerdem hatte er gestern ein Grab auf dem Stiefelhügel ausgehoben. Es war zwar noch nicht ganz fertig, er musste noch zwei Fuß tiefer graben, aber für Sam würde es schon reichen. Der Alte dachte gar nicht daran, sich schon heute an die anstrengende Arbeit zu machen. Fluchend und mit Peitschenhieben brachte er die beiden Maultiere dazu, rückwärts an seine Werkstatt heranzufahren. Henry riss die Brettertür zur Seite und lud sich den Toten auf die Schultern. Ächzend ging er vorwärts und ließ dann den Oberkörper des Mannes in den Sarg fallen. Halb hing Sam Bradley schon in der rohen Holzkiste, nur die Beine baumelten noch heraus. Henry verschnaufte eine Minute und schob dann auch den Unterkörper in den Brettersarg.

Er nahm den Deckel in beide Hände und legte ihn auf die Kiste. Suchend sah der Alte sich um und entdeckte die Büchse mit Nägeln und den Hammer in einer anderen Ecke der Werkstatt.

Henry murmelte unwillig vor sich hin und schlurfte zu seinem Werkzeug. Gerade als er Büchse und Hammer gegriffen hatte, polterte es hinter ihm. Der Alte fuhr herum und sah, dass der Sargdeckel heruntergefallen war. Er lag neben den Böcken, auf denen die Kiste stand, auf dem Boden. Mit seinem Werkzeug ging Henry zurück zum Sarg. Er hob den Deckel und legte ihn wieder auf die Kiste. Dann griff er sich einen Nagel, den Hammer und schlug den Stift in das Holz.

* * *

James Hadlock hatte nicht so viel getrunken, aber trotzdem brummte ihm der Schädel. Er trat vor sein Büro, einen schäbigen Bretterbau, und sah den staubigen Weg hinunter. Hadlock hörte das Klopfen des Hammers aus Henrys Werkstatt, die nur dreißig Yards entfernt lag. Er wunderte sich, dass der Alte so lange brauchte, die anderen Nägel einzuschlagen. Da flog die Brettertür der Sargtischlerei auf und ein Schrei, der Hadlock die Haare hochtrieb, hallte durch das Camp.

Der alte Henry stürzte aus seiner Werkstatt und kreischte gellend auf. Das spärliche Haar hing ihm wirr um den Kopf. Schreiend rannte der alte Mann die Straße entlang. Aus sämtlichen Hütten und Zelten stürmten Männer heraus und rannten auf den Alten zu. Doch Hadlock war schneller. Er sprang auf den Weg und packte Henry an der Schulter. Als Hadlock dem Alten ins Gesicht sah, zuckte er zusammen. Henrys Züge waren zu einer Maske verzerrt, die Schrecken und Grauen widerspiegelten. Nur das Weiße war noch in den verdrehten Augen zu sehen. Speichel troff dem alten Mann aus den Mundwinkeln. Er würgte, als ob er sich übergeben müsse. Dann schluckte er und die Augen glitten wieder in die normale Stellung. Aber immer noch hatten sie einen irren Ausdruck.

Hadlock schüttelte den Sargmacher und schrie ihn an: „Was ist denn los? Was hast du, Henry?“

„Der Tote ...“, ächzte der Alte. Der Rest seiner Worte verlor sich in einem wirren Gestammel.

Wieder schüttelte Hadlock den Mann, und jetzt gelang es Henry, einen zusammenhängenden Satz hervorzubringen. Er zitterte am ganzen Leib, als er stockend sagte: „Der Tote, er hat den Deckel heruntergeworfen!“

Fassungslos starrte Hadlock den Sargmacher an. Dann verzog sich sein Gesicht zu einem Grinsen und im gleichen Moment brüllten die Digger, die sich um sie versammelt hatten, vor Lachen auf.

„Alter!“, schrie einer, „du solltest die Finger vom Whisky lassen!“ Jetzt wurde Henry böse. „Wenn ihr es nicht glaubt, dann geht doch selbst hin und nagelt den Deckel fest! Ich hatte gerade den ersten Nagel eingeschlagen und griff nach dem zweiten, als der tote Sam den Deckel anhob und herunterwarf!“

Wieder brandete Gelächter durch das Camp. Immer mehr Männer kamen hinzu und die Geschichte wurde jeweils wieder neu erzählt.

„Gut, wir gehen mit dir. Und wenn er den Deckel herunterwirft, ist er nicht tot!“

„Aber er hat eine Kugel im Herz“, wimmerte Henry auf, „das habe ich doch genau festgestellt!“

„Wir gehen in deine Werkstatt und nageln den Sarg zu!“

Die Männer beeilten sich, um in die Tischlerei zu kommen. Aber der Platz war begrenzt. Die, die nicht mehr in den großen Raum hereinkonnten, drängten sich an dem Tor und an den Fenstern.

Zwei Männer hoben den Deckel hoch und knallten ihn auf den Sarg. Sie sahen Old Henry an, der mit zitternden Fingern auf die Nägel und den Hammer wies. Hadlock griff nach einem Nagel und trieb ihn mit wuchtigen Schlägen in das Holz. Als er nach dem zweiten Nagel griff, geschah es!

Langsam, unendlich langsam hob sich der Deckel. Alle Augen hingen wie gebannt auf der Lücke, die jetzt sichtbar wurde. Ein Arm stemmte sich gegen das Innere des Kistendeckels und drängte ihn immer höher. Es knirschte, und die Bretter rissen aus dem Nagel. Jetzt hatte der Deckel eine gewisse Höhe erreicht und polterte zu Boden. Die Anwesenden zuckten zusammen. Ihre Augen starrten auf den Arm, der jetzt schlaff in den Sarg zurückfiel. Regungslos lag die Gestalt des toten Sam Bradley vor ihnen. Ein Schauder packte die Männer. Die meisten drängten sich in Richtung Ausgang und zogen sich mehrere Yards zurück. Einige der rauen Burschen wurden kalkweiß und liefen in das Camp. Die anderen spürten, dass sie von etwas berührt worden waren, dass sie nicht erklären konnten und noch niemals zuvor empfunden hatten. Allen saß die Furcht im Nacken. Manch einer dachte an sein wildes Leben und schwor bei sich selbst Besserung. Hadlock hielt immer noch den Hammer in der Hand. Sein Blick hatte einen seelenlosen Ausdruck angenommen. Erst als der Arm wieder auf der Leiche lag, kam der Mann zu sich. Als er den Toten im Sarg genauer betrachtete, sah er den Einschuss im Herzen.

„Er ist tot, da gibt es keinen Zweifel“, brach es heiser aus dem Regierungsagenten heraus.

„Aber er hat den Sargdeckel heruntergestoßen“, sagte der alte Henry.

„Wir packen mit mehreren Männern zu! Jeder schnappt sich einen Hammer, und dann nageln wir diesen Sarg so schnell zu, dass der Deckel nicht mehr gelöst werden kann!“

Acht Männer machten sich an die Arbeit. Vier hielten den Deckel auf der Kiste. Jeder horchte, aber nichts, nicht mal ein Kratzen war zu hören. Die anderen Männer packten sich die Hämmer.

Dann war die Sargtischlerei von einem Trommelwirbel der klopfenden Hämmer erfüllt. Innerhalb einer Minute hatten sie den Deckel so mit Nägeln gespickt, dass er unmöglich wieder gelöst werden konnte.

„So, das wäre es wohl“, schnaufte Hadlock und warf den Hammer auf den Boden.