Dorian Hunter 161 - Earl Warren - E-Book

Dorian Hunter 161 E-Book

Earl Warren

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Beschreibung

»Holla, siehst du die Metze? Was für ein Rasseweib!«
Ich hatte nicht gehört, wie sich zwei Reiter näherten. Ich staunte, denn sie trugen die Kleidung von Söldnern aus dem Dreißigjährigen Krieg.
»Wer seid ihr?«, fragte ich.
»Wir sind Landsknechte des Kaisers und kämpfen für das Heilige Römische Reich.«
»Welches Jahr schreiben wir?«
»Anno Domini 1629, im Spätsommer ...«

Ziccis Rettungsversuch bringt Coco in unerwartete Gefahr. Unverhofft findet sie sich in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges wieder, von ihrer Familie durch einen Abgrund von fast vier Jahrhunderten getrennt.

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Seitenzahl: 138

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

IN DER VERGANGENHEIT VERSCHOLLEN

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

Als Rückzugsort in seinem Kampf bleibt Dorian neben der Jugendstilvilla in der Baring Road in London noch das Castillo Basajaun in Andorra, in dem er seine Mitstreiter um sich sammelt – darunter die ehemalige Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu Dorian die Seiten gewechselt hat. Nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Martin hat Coco diesen zum Schutz vor den Dämonen an einem Ort versteckt, den sie selbst vor Dorian geheimhält.

Auf der Suche nach dem Erbe des Hermes Trismegistos findet Dorian den Steinzeitmenschen Unga, der Hermon gedient hat und sich nach seinem Erwachen schnell den Gegebenheiten der Gegenwart anpasst. Die Invasion der Janusköpfe von der Parallelwelt Malkuth wird mit Dorians Hilfe abgewehrt. Hermes Trismegistos wird klar, dass er für das Entstehen der Psychos auf Malkuth verantwortlich ist. Um zu büßen, geht er durch eins der letzten Tore nach Malkuth.

Olivaro, das frühere Oberhaupt der Schwarzen Familie und selbst ein Januskopf, beschließt, seine auf der Erde gestrandeten Artgenossen zu jagen. Ein Diener des Januskopfes Pyko hext Dorian eine magische Pest an. Der Dämonenkiller droht bei lebendigem Leib zu verfaulen. Olivaro opfert sein zweites Gesicht und befreit Dorian von der magischen Pest. In die Erleichterung mischt sich Trauer: Der Tod des Trigemus weist darauf hin, dass Hermes Trismegistos auf Malkuth gestorben ist.

Die Vampirin Rebecca, eine Jugendfreundin Cocos, greift nach der Macht in der Schwarzen Familie und fordert den Erzdämon Luguri, den derzeitigen Fürsten der Finsternis, heraus. Im Vorhof des centro terrae stellt sich Luguri dem Gevatter Tod zum Kampf. Gerade als der Gevatter zu siegen scheint, greift die Teufelin Angelina ein und rettet den Erzdämon. Der Gevatter Tod verschwindet im centro. Der Hausgeist Zicci rettet Dorian und seine Freunde. Der Dämonenkiller findet sich in seinem Hotel wieder, glaubt aber Cocos Hilfeschrei zu hören ...

IN DER VERGANGENHEIT VERSCHOLLEN

von Earl Warren

Abi Flindt heftete seinen Blick auf die Bilder, die in prächtigen Rahmen an der frisch geweißten Wand hingen. Sie zeigten Bauteile und Ausschnitte der längst verschwundenen Ringmauer, die vor unendlich langer Zeit die Burg umgeben hatte.

»Unruhe!«, sagte er halblaut. »Unruhe kennzeichnet die Lage. Wir scheinen alle auf irgendein besonderes Ereignis zu warten.«

»Und es könnte so ruhig sein«, gab Ira Marginter zurück.

»Es könnte. Aber es ist nicht«, murmelte Abi gedankenverloren.

Ira nickte; eigentlich hatte Abi völlig recht. In den letzten Tagen war nicht wirklich etwas geschehen, dennoch schien es unter der Oberfläche zu brodeln.

Dorian Hunter trieb sich in der Weltgeschichte herum, auf der Suche nach Erinnerungen an sein Leben als Matthias Troger von Mummelsee. Auf einen Anruf von ihm waren Coco und Unga vor einigen Tagen abgereist, um ihn im Kampf zu unterstützen.

Seitdem hatte sich keiner der drei gemeldet.

1. Kapitel

Abi glaubte nicht, dass ihnen etwas zugestoßen war. Martin, der die Räume von Basajaun mit lärmender Fröhlichkeit erfüllte, hätte es bemerkt, wenn mit seiner Mutter etwas nicht in Ordnung wäre.

»Phillips Zustand ist bedenklich«, meinte Ira. »Vermutlich schlägt seine Unruhe auf uns über.«

»Das ist es nicht allein«, widersprach Abi.

Aus Gründen, die keiner im Castillo genau kannte, schien sich so etwas wie ein Aufstand der Bergbauern anzubahnen. Bisher hatten sie sich, von gelegentlichen, unbedeutenden Vorfällen abgesehen, friedlich verhalten.

Nun aber versammelten sie sich, stießen Drohungen aus, verlangten die Räumung des Castillos. Juan Urales hatte sich zu ihrem Wortführer gemacht. Schon vor Dorians und später Cocos Abreise hatte Abi eindrücklich davor gewarnt, dass sich etwas zusammenbraute, aber der Herr Dämonenkiller hatte nichts davon hören wollen.

Abi erinnerte sich, wie sich vor vier Tagen die quälende Unruhe zum ersten Mal entladen hatte.

Langsam kam Phillip die Treppenstufen hinauf. Seine golden schillernden Augen hefteten sich auf die Stirnwand, die von zwei wuchtigen Mauerbögen begrenzt wurde.

Das Fresko war fast völlig restauriert. Leitern und die fahrbare Plattform, auf der Ira arbeitete, standen noch da. Ebenso Farbtöpfe und Teile ihres Handwerkszeugs. Bunt und abstoßend brutal, aber künstlerisch genau, breiteten sich die uralten Fresken um die erhaben ausgeführten Teile der Wand.

Der Hermaphrodit blieb stehen und begann zu zittern. Aus seiner Kehle drang ein keuchender Laut. Sein engelhaftes Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse. Er schüttelte den Kopf. Das wirre Haar, das in blonden Locken bis auf die Schultern fiel, wirbelte durcheinander. Wieder keuchte er auf und stieg ein paar Stufen höher. Die Bilder und Farben schienen ihn magisch anzuziehen.

Ira hatte die starken Speziallampen nicht ausgeschaltet. Wahrscheinlich wollte sie keine lange Pause machen. Das gesamte Fresko breitete sich in der Helligkeit aus, und die Figuren, Ranken und Dämonenwesen erhielten ein neues, eigenständiges Leben in dieser Beleuchtung.

Phillips Finger bewegten sich wie aufgeregte Schlangen. Er schwankte vorwärts und zurück. Er schien sich nicht entscheiden zu können, was er tun sollte. Schließlich zitterte er am ganzen Körper. Er schaute sich um und machte dann förmlich einen Satz die Stufen aufwärts.

Er sprang auf die Plattform los, warf Leitern und Stative um, dann schrie er schrill:

»Böse! Böse!«

Er krallte seine Finger in das farbbespritzte Holz und zog sich in die Höhe. Klappernd fielen Werkzeuge und leere Farbtöpfe herunter. Über der Plattform ragte eine steinerne Dämonenfratze, umgeben von mythologischen Schlangenleibern. Jetzt war der einst verwitterte Stein gereinigt und restauriert worden; grimmig und starrend von spitzen Zähnen, einer schnabelartigen Nase und hypnotisierendem Blick aus Halbedelsteinaugen schien der Dämon aus der Wand geradewegs auf Phillip losspringen zu wollen.

Aber Phillip war es, der die steinerne Fratze angriff. Er war außer sich. Phillip schrie unverständliche Worte, er griff den Stein mit den Händen an und versuchte, ihn zu zerstören. Er attackierte den überlebensgroßen Kopf, als sei er lebendig. Er riss daran, zerrte und schürfte die Haut an Fingern und Handgelenken auf. Seine Fingernägel brachen ab; er schien den Schmerz nicht zu spüren. Dann bückte er sich, suchte zwischen Iras Werkzeugen und fand einen Meißel und einen kleinen Hammer. Wieder kam er hoch und schlug in besinnungsloser Wut oder Angst auf die Fratze ein. Der Meißel hinterließ auf dem Stein lange Kratzer. Dann glitt er ab und schlug schwer auf die Finger des Rasenden. Phillip stieß einen gellenden Schrei aus, hob den Hammer und drosch auf die Augen des Steingebildes ein. Splitter summten durch die Luft, und der Schrei hallte nachzitternd durch Gänge und Treppenhaus. Das kalkweiße Gesicht des Hermaphroditen war schweißbedeckt. Er atmete schwer, sein Puls ging rasend schnell. Blut tropfte aus den Schnitten und den halb aufgerissenen Fingergelenken. Phillip hatte nicht gespürt, dass er sich einige Finger gebrochen hatte. Mit der rechten Hand hielt er den Hammer. Das Blut verschmierte den steinernen Halbkopf, tropfte auf die frischen, leuchtenden Farben. Als Phillip wieder ausholte und den Arm weit nach hinten streckte, verlor er das Gleichgewicht. Er stolperte über herumrollende Farbdosen. Dann kippte er zur Seite, fing sich halb ab und fiel über die Kante des Gerüsts.

Burian Wagner, der inzwischen wieder zum Team gestoßen war, und Ira Marginter waren aus zwei Nebenkorridoren herangelaufen. Sie stießen am Fuß der Plattform fast zusammen. Als Phillip aufkreischend über den Rand kippte, konnte ihn Burian auffangen. Sie fielen beide zu Boden, und langsam befreite sich der stämmige Bayer von dem zuckenden, zitternden Körper.

»Phillip!«, rief Ira. »Was ist los? Was hast du angestellt?«

Sie fassten ihn unter den Schultern und stellten ihn auf die Beine. Sein Atem ging schrill und pfeifend. Auch seine Lippen, übernatürlich rot im kalkweißen Gesicht, zitterten. Speichel tropfte aus dem Mundwinkel.

»Weiß nicht«, wimmerte er. »Böse!«

Ira blickte hinauf zum steinernen Kopf und den Restaurierungsarbeiten. Die Schäden schienen auf den ersten Blick gering zu sein.

»Komm!«, sagte Burian und führte Phillip zur Seite. »Beruhige dich. Nichts ist vorgefallen.«

Das war der dritte Anfall des Hermaphroditen in den zurückliegenden Tagen. Burian merkte, dass Phillip den Arm hochhielt. Die Hand war blutbeschmiert. Die Fingerglieder bildeten ungewohnte Winkel.

»Mann!«, rief Burian. »Du hast dir die Finger gebrochen!«

»Die Dämonen ...«, lispelte der Hermaphrodit. Ira lief herbei, und dann kam auch Abi Flindt. Ira berichtete voller Aufregung, wie sie Phillip angetroffen hatten.

»Die Finger müssen geschient werden!«, entschied Abi nach einer kurzen Untersuchung. Phillip starrte seine zuckenden Finger an, als gehörten sie ihm nicht mehr.

»Und verbunden«, brummte Burian. »Was machen wir mit ihm? Er bringt sich selbst mehr und mehr in Gefahr.«

»Stellt euch vor«, sagte Ira und hob die Schultern, »er rennt aus dem Castillo hinaus, zu den Bauern, und Urales erwischt ihn«

Ira versorgte zusammen mit Burian die Hände Phillips. Er spürte den Schmerz, den die gebrochenen Finger unweigerlich verursachen mussten, offenbar nicht. Burian schüttelte den Kopf.

»Der arme Kerl«, sagte er brummig. »Er ist völlig durcheinander. Ganz plötzlich muss es über ihn gekommen sein.«

»Warum eigentlich ausgerechnet dieser Dämonenkopf?«, wunderte sich Ira Marginter.

»Keine Ahnung.«

Ira löste einige milde Schlaftabletten auf und gab Phillip die aufschäumende Flüssigkeit zu trinken. Er streckte sich dann auf seinem Bett aus und war eine halbe Stunde später eingeschlafen. Abi schloss leise die Tür und winkte seine Freunde in die Bibliothek.

»Es ist zu riskant, Phillip hierzubehalten«, sagte er. »Hast du einen vernünftigen Vorschlag, Ira?«

»Warum schickst du ihn nicht zu Trevor nach England? Er kümmert sich liebend gern um Phillip!«

Abi nickte, auch Burian stimmte in seiner bedächtigen Art zu.

»Richtig. Nach London«, murmelte der Däne. »In der Jugendstilvilla wird Trevor Sullivan ihn auf andere Gedanken bringen. Ich kann mir nicht denken, warum er plötzlich so unruhig wurde. Keine Prophezeiungen, keine dunklen Reden – nur diese seltsamen, sinnlosen Angriffe.«

Der Hermaphrodit, der schon oft wichtige Hinweise hatte geben können, schien einem unheilvollen Einfluss erlegen zu sein. Er war nicht in der Lage, ihnen sagen zu können, wovor er sich fürchtete, oder warum er plötzlich in Raserei verfiel. Zweifellos war es das Castillo, in dessen Mauern und Gewölben etwas hockte und lauerte und nach Phillips wirrem Verstand griff.

»Einverstanden?«, fragte Abi. »Wir schicken ihn nach London.«

»Dort ist er am besten aufgehoben«, bestätigte Ira. »Könntest du das erledigen, Burian?«

»Selbstverständlich.«

Zwei Tage später flogen Burian und Phillip vom Flughafen Nizza ab. Burian Wagner kam allein zurück, überbrachte herzliche Grüße von Trevor Sullivan und bestätigte, dass sich Phillip völlig ruhig verhalten hatte.

Dennoch blieb Abi unsicher. Alle hier im Castillo meinten, dass Phillip, schon immer eine lebende Merkwürdigkeit und so gut wie in allen Reaktionen undurchschaubar, nun völlig den Verstand verloren hatte. Aber der Däne war mit dieser Erklärung nicht einverstanden. Sie war ihm zu glatt, zu schnell gefasst. Weil er auch keine sinnvolle Erklärung fand, nahm auch in ihm das Gefühl der Bedrückung zu.

Der nächste Tag

Abi Flindt setzte die Sonnenbrille ab und deutete auf die Wolkenwand im Westen.

»Wahrscheinlich haben wir heute Nacht ein schönes Gewitter«, sagte er. »Vielleicht klärt der Regen die Luft.«

»Und nicht nur sie«, antwortete Ira und lächelte. Sie verstanden sich in den letzten Tagen noch besser als sonst, auch wenn Abi sich innerlich dagegen wehrte, sich in sie zu verlieben. Allerdings war er nicht sicher, ob ihm das noch lange gelingen würde.

Sie standen auf der obersten Plattform des Wehrturms. Von hier aus war die Aussicht bis tief in ein Nebental hinein besonders spektakulär. Die andere Hälfte des Himmels zeigte ein durchdringendes Blau.

»Du meinst die Bauern, nicht wahr?«

»Ja. Sie bereiten mir echte Sorgen. Ich rechne nicht damit, dass sie mit Sensen und Sturmleitern die Mauern stürmen. Aber dort in den Bergdörfern geht etwas vor, das mir gar nicht behagt.«

»Mir noch weniger. Aber ohne wirkliche Informationen können wir nichts unternehmen. Noch nicht.«

»Warum kann es nicht immer so ruhig sein. Wenigstens so wie jetzt, im Augenblick.«

»Das weißt du ebenso gut wie ich«, wich er aus. »Diese Ruhe ist leicht zerbrechlich. Ich kann nicht glauben, dass sie lange anhält.«

»Pessimist!«

»Nicht grundlos, Ira. Aber ich hoffe auch, dass die lebensgefährlichen Abenteuer nicht auftreten.«

Ira hatte auf einmal eine Idee. »Wenn sich hier wirklich etwas zusammenbraut, sollten wir die Kinder in Sicherheit bringen.«

Abi nickte. »Der Gedanke kam mir auch schon.«

»Sollen wir sie nicht nach Island bringen, um Reena, Don und Dula einen Besuch abzustatten? Für sie wäre es mal eine Abwechslung, und vor allem wären sie aus der Schusslinie.«

»Du hast recht.« Er grinste. »Also kann sich Burian gleich auf die nächste Reise machen. Denn ich werde das Castillo nicht verlassen, solange Gefahr besteht. Dorian mag keine Probleme damit haben, dies alles im Stich zu lassen, um längst vergangenen Zeiten nachzujagen. Für mich kommt diese Verantwortungslosigkeit nicht infrage.«

Ira legte die Hand auf seine Schulter. »Sei nicht so hart mit ihm.«

Abi winkte ab. »Wenn er endlich wieder hier ist, werde ich ihm ein paar unangenehme Wahrheiten sagen müssen. Aber jetzt sind erst einmal die Kinder wichtiger.«

Die Vorbereitungen waren schnell getroffen, allzu viel Reisegepäck benötigten die Jungen ja auch nicht, schließlich hatten die Freunde in Island alles Notwendige immer vorrätig.

Martin und Tirso waren außer sich vor Freude. Endlich konnten sie diesem düsteren Gemäuer – und vor allem Virgil Fenton, ihrem Privatlehrer – mal für ein paar Tage entkommen.

Dunkle Augen unter buschigen Brauen starrten die uralten Mauern an. Hass und Abscheu lagen in dem Blick. Langsam stand der Bauer auf und stützte sich auf dem Felsvorsprung ab. Das Gestein war von gelb schillerndem Moos und von schwarzen Flechten überzogen. Neben dem Felsen, der wie ein hingekauertes Fabelwesen aussah, wuchs ein verkrüppelter Baum. Der Bauer murmelte einen Fluch und spuckte aus. Er mochte sie alle nicht, die im Castillo Basajaun lebten.

Ungewöhnlich heiß brannte die Spätsommersonne. Schrundige Felsen warfen pechschwarze Schatten. Büsche und Bäume, die ihre knorrigen Wurzeln in die Ritzen und Spalten des Gesteins geschlagen hatten, wurden vom warmen Wind geschüttelt, der die Berghänge hinaufstrich. Im Westen stieg eine riesige Gewitterwolke auf.

Es gab viele Bergbauern, Hirten und Waldarbeiter, die so wie Pero dachten und empfanden. Sie kannten die hässliche Geschichte des Castillos.

Auch Pero erinnerte sich an die vielen Legenden und Berichte, die seine Eltern und Großeltern ihm erzählt hatten – an die Geschlechter, die auf Castillo Basajaun gelebt und geherrscht und kaum vorstellbare Gräueltaten begangen hatten. Und er kannte auch die seltsamen Gestalten im Innenhof, die Besucher und jene Vorfälle, die in gewissen Nächten die Bergbauern verängstigten.

Bald, sagte er sich, würde sich der Zorn entladen. Jeder hasste das Castillo; die Bauern würden es am liebsten sehen, wenn Zerstörung über Basajaun käme.

Vater Arias, ein Wandermönch, der seit einiger Zeit zwischen den Dörfern umherzog und den Bauern seelischen Beistand leistete, unterstützte sie in diesem Gedanken.

Wieder fluchte Pero. Seine Finger tasteten nach einem scharfkantigen Stein. Nachdenklich wog er ihn in der Hand. Es war sinnlos, ihn zu schleudern; das Castillo war viel zu weit entfernt.

Plötzlich erstarrte er. Ein Wagen verließ das Castillo. Pero grub in der Tasche und zog ein altes Fernglas heraus. Er hob es an die Augen und blickte hinunter zum Haupteingang des wuchtigen Bauwerks. Im Inneren des Autos erkannte er zwei Kinder sowie einen Mann. Die Namen kannte er nicht, aber der kleine Junge musste der Sohn von Dorian Hunter und Coco Zamis sein, von der man sich erzählte, dass sie eine Hexe war. Waren sie überhaupt verheiratet, wie jeder anständige Mensch in Andorra? Die Kinder lachten und alberten in dem Wagen. Sie schienen fröhlich zu sein.

Dann blinzelte er, überrascht und fast erschreckt.

Der andere Junge war vielleicht zehn Jahre alt, aber überraschend groß für dieses Alter. Aber das war es nicht, was den Bergbauern bleich werden ließ. Er hatte nur ein Auge! Ein einziges Auge, mitten auf der Stirn. Und seine Haut war blau.

Pero schüttelte sich und fluchte wieder. Diese gespenstischen Schlossbewohner. Gab es denn nur Monstren dort?

»Ihr seid alle verflucht! Höllengespenster! Teufelsspuk«, murmelte er und bekreuzigte sich.

Dann schwieg er.