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Alle starrten Abi Flindt an.
»Deine Behauptung, dass ein Verräter in unserer Mitte sei, ist ungeheuerlich«, sagte Hideyoshi Hojo schneidend. »Wer sollte das sein?«
»Wenn ich wüsste, wer der Verräter ist, wäre er schon nicht mehr am Leben«, antwortete Flindt. Er zückte ein Silberkreuz mit eingravierten Zeichen und einem Edelstein in der Mitte. »Wir führen jetzt einen Test durch. Jeder wird das Kreuz anfassen, und dann beträufle ich ihn mit Weihwasser. Das wollen wir doch einmal sehen, ob ich den Verräter nicht entlarve. Dann Gnade ihm Gott!«
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Seitenzahl: 138
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Was bisher geschah
VERRAT IM CASTILLO BASAJAUN
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
mystery-press
Vorschau
Impressum
Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.
Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.
Als Rückzugsort in seinem Kampf bleibt Dorian neben der Jugendstilvilla in der Baring Road in London noch das Castillo Basajaun in Andorra, in dem er seine Mitstreiter um sich sammelt – darunter die ehemalige Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu Dorian die Seiten gewechselt hat. Nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Martin hat Coco diesen zum Schutz vor den Dämonen an einem Ort versteckt, den sie selbst vor Dorian geheimhält.
Auf der Suche nach dem Erbe des Hermes Trismegistos findet Dorian den Steinzeitmenschen Unga, der Hermon gedient hat und sich nach seinem Erwachen schnell den Gegebenheiten der Gegenwart anpasst. Die Invasion der Janusköpfe von der Parallelwelt Malkuth wird mit Dorians Hilfe abgewehrt. Hermes Trismegistos wird klar, dass er für das Entstehen der Psychos auf Malkuth verantwortlich ist. Um zu büßen, geht er durch eins der letzten Tore nach Malkuth.
Olivaro, das frühere Oberhaupt der Schwarzen Familie und selbst ein Januskopf, beschließt, seine auf der Erde gestrandeten Artgenossen zu jagen. Ein Diener des Januskopfes Pyko hext Dorian eine magische Pest an. Der Dämonenkiller droht bei lebendigem Leib zu verfaulen. Olivaro opfert sein zweites Gesicht und befreit Dorian von der magischen Pest. In die Erleichterung mischt sich Trauer: Der Tod des Trigemus weist darauf hin, dass Hermes Trismegistos auf Malkuth gestorben ist.
Die Vampirin Rebecca, eine Jugendfreundin Cocos, greift nach der Macht in der Schwarzen Familie und fordert den Erzdämon Luguri, den derzeitigen Fürsten der Finsternis, heraus. Im Vorhof des centro terrae stellt sich Luguri dem Gevatter Tod zum Kampf. Der Gevatter verschwindet im centro. Der Hausgeist Zicci rettet Dorian und seine Freunde, doch dabei wird Coco in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges versetzt. In der Gegenwart beeinflusst der dämonische Vater Arias die andorranischen Bergbauern, gegen das Castillo Basajaun vorzugehen.
VERRAT IM CASTILLO BASAJAUN
von Earl Warren
Gegenwart, Basajaun, Andorra
Man starrte Abi Flindt an.
»Deine Behauptung, dass ein Verräter in unserer Mitte sei, ist ungeheuerlich«, sagte Hojo schneidend. »Wer sollte das sein?«
Man hatte alle zusammengerufen. Nach Sonnenaufgang herrschte erst einmal Ruhe, was die dämonischen Attacken betraf. Umso aufgeregter war die Besatzung des Castillos wegen Flindts Behauptung.
»Wenn ich wüsste, wer der Verräter ist, wäre er schon nicht mehr am Leben«, antwortete Flindt.
Er stand breitbeinig da, die Hände in die Seiten gestützt, in seinem silbrig schimmernden Kampfanzug mit dem fluoreszierenden Pentagramm auf der Brust. Flindts Pistolenhalfter war geöffnet. Den Helm hatte er abgenommen.
Die Blicke seiner hellen Augen schweiften über die Gesichter der Anwesenden, als er versuchte, ihnen bis auf den Grund der Seele zu schauen.
Hojos Gesicht war wie eine Maske. Kramers linker Mundwinkel zuckte nervös. Burian Wagner schüttelte nur immer wieder fassungslos den Kopf. Jacqueline Bonnet sank aufschluchzend: »O mein Gott, wie entsetzlich!« auf die Eckbank. Ira Marginter riss die Augen weit auf. Mario Calvo zog an seinen Fingern, dass die Gelenke knackten. Schauper ballte die Fäuste und stierte umher.
»Wenn ich den erwische, der uns das eingebrockt hat, kann er sich gratulieren!«, stieß er hervor. »Den werde ich kielholen, dass ihm das Salzwasser nie mehr aus den Kiemen läuft!«
Er verfiel ungewollt in die Seemannssprache. Fenton wankte unter der betäubenden Anschuldigung. Sein sommersprossiges Gesicht war erbleicht.
Hojo sagte endlich: »Du kannst recht haben, Abi. Anders ist die dämonische Invasion wirklich kaum zu erklären. Einer von uns also. Hast du einen Verdacht?«
Flindts Rechte zuckte vor, er deutete auf Calvo.
»Komm her, Mario!«
Calvo erschrak fürchterlich.
»Ich? Ich bin Dorian Hunter treu ergeben«, stammelte er. »Auch Coco Zamis. Ich würde unsere Sache doch nie verraten. Ich will auf der Stelle tot umfallen, wenn ich lüge.«
»Das wirst du auch«, sagte Flindt kaltschnäuzig. Er zog mit einer unwahrscheinlich schnellen Bewegung die Pistole. Sein Stachelarmband schimmerte im Sonnenlicht, das durch die Buntglasfenster einfiel. Mit der Linken zückte Flindt ein Silberkreuz mit eingravierten Zeichen und einem Edelstein in der Mitte. »Wir führen jetzt einen Test durch. Keiner verlässt den Raum. Jeder wird herkommen, das Kreuz anfassen und dann beträufele ich ihn mit Weihwasser. Das wollen wir doch einmal sehen, ob ich den Verräter nicht entlarve. Dann gnade ihm Gott!«
Hojo wollte Einspruch erheben, Flindt sei wieder einmal zu hart und gnadenlos. Doch er unterließ es. Der Verrat eines Basajaun-Mitglieds war ungeheuerlich. Er erschütterte die Grundfesten der Gemeinschaft und gefährdete das gesamte Dämonenkiller-Team und die Feste Basajaun aufs Äußerste.
Calvo trat zitternd vor, das verkörperte schlechte Gewissen. Flindt setzte ihm die Pistole auf die Brust. Das Silberkreuz berührte seine Stirn, und er zuckte zurück. Flindt spannte den Hammer der Pistole.
Calvo streckte den Kopf wieder vor. Unterwürfig stand er vor dem fast um einen Kopf größeren Flindt.
Das Kreuz rief keine Brandblase hervor. Flindt, der sich seiner Sache schon sicher gewesen war, staunte. Er drückte Calvo das Kreuz auf die Wange, wieder ohne Ergebnis. Jetzt ließ Flindt das Kreuz verschwinden und holte einen Weihwasserflakon hervor, entstöpselte ihn und träufelte Calvo Weihwasser ins Gesicht. Calvo zuckte nicht einmal mit der Wimper. Flindt schickte ihn auf die linke Seite, während alle anderen zu seiner Rechten standen.
»Ich hätte geschworen, dass er es ist«, sagte Flindt zu Hojo.
»Calvo ist lediglich übernervös«, antwortete der Japaner ruhig. »Er ist ein Typ, der sich immer schuldbewusst fühlt. Das liegt in seiner Natur. Ich werde mich als Nächster dem Test unterziehen.«
Auch bei Hojo gab es keine Schwierigkeiten. Ebenso wenig wie bei Burian Wagner. Dann war Ira Marginter an der Reihe. Flindt berührte sie mit dem Kreuz flüchtig am Hals, denn sie verdächtigte er nicht, und sprengte ihr Weihwasser auf den Kopf. Ira lächelte gezwungen.
»Damit bin ich wohl auch durch die Prozedur«, sagte sie.
»Natürlich.« Flindt spielte den Kavalier. »Entschuldige, dass ich dich ihr unterzogen habe. Doch es heißt, alle oder keiner.«
Die nächsten passierten Flindt, und schließlich stand er mit dummem Gesicht und mit Kreuz, Pistole und Weihwasser in seinem Kampfanzug herum. Der Test hatte kein Ergebnis erbracht. Da hörte Flindt ein Knacken hinter sich. Hojo und Schauper hatten den Revolverhahn gespannt und zielten auf ihn.
»Waffe weg, Abi!«, röhrte Schauper. »Alle oder keiner hast du gesagt. Jetzt bist du an der Reihe.«
»Was soll denn das heißen?« Flindt brüllte wieder herum. »Ich habe doch wohl die ganze Zeit das Kreuz in der Hand gehalten. Wenn ich ein Dämon wäre, müsste sie mir längst abgefallen oder verbrannt sein. Mit dem Weihwasser habe ich auch hantiert und den Test überhaupt vorgeschlagen. Ihr seid wohl verrückt geworden!«
»Gerade weil du den Test vorgeschlagen hast, werden wir dich jetzt auch überprüfen, Abi«, entgegnete Hojo. »Lass die Pistole fallen, oder du wirst es bereuen. Du sollst selbst einmal sehen, wie es ist, derartig bedroht und auf die Probe gestellt zu werden. Außerdem könntest du, wenn du auf der anderen Seite stündest, einen Trick angewandt haben, dass das Kreuz dich nicht beeinflusst. Ich habe ein anderes hier.«
Flindt explodierte fast, musste sich aber fügen. Das Kreuz, das sich Hojo von Kramer hatte geben lassen, zeigte bei ihm keine Wirkung. Man ließ Flindt einen Dämonenbanner anfassen und bespritzte ihn mit Weihwasser. Die Augen traten ihm vor, aber vor Zorn.
»Jetzt ist es aber genug!«, rief er.
»Ja«, entgegnete Hojo. »Du bist einwandfrei.«
Flindt hob seine Pistole auf und verließ fluchend den Rittersaal. Hojo teilte die Wache ein. Die Übrigen sollten sich ausruhen, bis es Alarm gab oder die Nacht kam. Calvo deutete aufs Fenster.
»Seht! Die Sonne ist plötzlich so rot!«
Es war nicht die Sonne. Die Bauern, die das Castillo belagerten, hatten die Garage mit dem Helikopter und dem Landrover mit Benzin übergossen und angezündet. Die Flammen loderten gen Himmel, und das brennende Benzin floss ins Innere der aus Stein gemauerten Garage. Ans Löschen war nicht zu denken. Nach einer Weile erfolgte eine krachende Explosion, und Feuer spritzte umher. Der Tank des Hubschraubers, glücklicherweise nicht mehr voll, und der des Landrovers waren explodiert. Der Treibstoff lagerte in einem unterirdischen Tank, an den das Feuer nicht herankonnte. Aber es war auch so schlimm genug.
Für das Castillo bestand keine Gefahr. Die Garage stand zu weit weg. Von ihr würden nur brandgeschwärzte Reste bleiben. Flindt beobachtete das Feuer vom Fenster seines Zimmers aus. Er hatte die Zähne zusammengebissen. Sein rechter Arm schmerzte. Er hörte ein Stöhnen von nebenan und klopfte gegen die Wand.
»Hast du Probleme, Ira?«
»Nein, Abi«, antwortete Ira Marginter. »Mich stört nur die schlimme Lage, in der wir uns befinden. Wenigstens hast du dich getäuscht, und es gibt doch keinen Verräter in Basajaun.«
»Zum Glück nicht«, sagte Flindt. »Kann ich dir irgendwie behilflich sein?«
»Nein, danke, Abi. Mir geht's den Umständen entsprechend gut. Ich habe ein Beruhigungsmittel genommen und will mich hinlegen. Ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten.«
»Ich wünsche dir angenehme Ruhe.«
»Danke gleichfalls, Abi.«
Ira Marginter hatte die Tür ihres Zimmers abgeschlossen und die Läden vorgelegt. Wenn Flindt sie gesehen hätte, wäre er weniger zuvorkommend gewesen. Sie sah grausig aus. An der linken Halsseite, wo Flindt Ira mit dem Kreuz berührt hatte, klaffte eine schreckliche Wunde, und rundherum war das Fleisch schwarz verfärbt. Auch die Weihwassertropfen hatten ihre Wirkung gezeigt. Ira war die Hälfte der Haare ausgefallen. Die bleiche Schädeldecke schimmerte durch, wo die Haut weggefressen war. Die Dämonisierte biss in ein Stück Holz, um nicht noch einmal zu stöhnen. Im Rittersaal hatte sie sich unter Aufbietung aller Energie zusammengenommen und sich nichts anmerken lassen. Es war sehr schwer gewesen. Iras linke Gesichtshälfte zuckte. Ihr linkes Auge war zu einem großen Glotzauge geworden, das in der fleischlosen Augenhöhle rollte. Die Dämonisierte nahm alle Kräfte zusammen. Eins hatte sie jedenfalls erreicht: Niemand verdächtigte sie.
Vergangenheit, 1629, Coco Zamis
Mein zweiter Tag im Jahr 1629 verlief für mich zunächst recht informativ und abwechslungsreich.
Ich schlenderte durch das Lager. Den Czersky hatte ich hypnotisiert und war seiner sicher. Als die Favoritin des Hauptmanns konnte ich mich frei bewegen und war eine angesehene und beneidete Persönlichkeit. Das war, fand ich, gar nicht so schlecht für ein Mädchen, das gestern noch nackt und bloß im Wald gelegen hatte und zwei Landsknechten in die Hände gefallen war.
Einmal sah ich bei meinem Spaziergang durchs Lager von Weitem den rotbärtigen Söldner Rübenhans. Als er mich erblickte, verdrückte er sich sofort zwischen die Zelte und ließ sich nicht mehr blicken. Er und sein Freund Mirko wagten sich mir nicht unter die Augen, vor lauter Angst, ich würde mich an ihnen rächen wollen. Das hätte ich auch gekonnt, aber ich legte keinen Wert darauf. Die Mentalität dieser Landsknechte würde sich auch durch eine drastische Bestrafung nicht ändern. Außerdem wusste ich, wie bildschön, sexy und reizvoll ich war, und konnte verstehen, dass den zwei Landsknechten bei meinem Anblick die Sicherungen durchgebrannt waren, um einen Vergleich aus meiner Zeit zu gebrauchen.
Ich studierte das Lagerleben. Es war rau und derb, bunt und vielfältig. Da saßen würfelnde und zechende Soldaten beim Marketenderwagen, wo eine dralle Mutter Courage ihres Amtes waltete. Hübsche Schankdirnen bedienten und schäkerten mit den Soldaten. Man tauschte handgreifliche Zärtlichkeiten aus. Für die Landsknechte gehörte es schon fast zum guten Ton, der Schankdirne auf den Hintern zu klatschen oder ihr ans Mieder zu fassen.
Mein pechschwarzes Haar trug ich lang über die Schultern fallend. So fiel ich mit meiner Haartracht nicht auf. Es gab übrigens viele verschiedene Nationen in dem doch relativ kleinen Lager, dass die Gefahr nicht so leicht bestand. Mein Dialekt und Sprechweise – im 17. Jahrhundert sprach man ein anderes Deutsch wie in der Gegenwart – klangen für die Landsknechte exotisch und reizvoll. Zuerst war die Sprache im Lager für mich sehr ungewohnt gewesen. Doch ich lernte rasch und konnte mich bald gut verständigen. Ich behauptete einfach, aus einer Gegend zu stammen, wo man so sprach wie ich, und gab darüber keine weiteren Erklärungen ab. Im Grunde war das nicht einmal gelogen.
Die Mode der Zeit interessierte mich. Es gab prächtige Frauenkleider aus Beutestücken, die die Lagerdirnen natürlich nicht jeden Tag trugen. Für den Alltag hatte ich mir einen Reitanzug mit Tressen und Schnüren besorgt, der praktisch war und mir hervorragend stand. Dazu trug ich bis über die Knie reichende, gewalkte Stiefel aus weichem Leder, einen breitkrempigen Federhut und auch einen Degen an der Seite. Mit dem Degen wusste ich umzugehen, brauchte das aber nicht unter Beweis zu stellen. Bewundernde Blicke hingen an mir, wo immer ich stand und ging. Das gefiel mir. Männer blieben in jeder Zeit Männer. Solange sie nicht anzüglich oder gar ordinär wurden, freute mich die Bewunderung meiner Schönheit. Ich sah Musketieren beim Exerzieren und Probeschießen zu. Die Musketiere der Kaiserlichen stützten ihre langen Musketen noch auf Gabeln, während die im schwedischen Heer bereits abgeschafft waren. Eine Bleikugel wog etwa vierzig Gramm, flog maximal 1,2 Kilometer weit, durchschlug einen Harnisch allerdings nur bis reichlich hundert Meter. Ich fragte viel, denn ich wollte lernen. Was den Dreißigjährigen Krieg betraf, wusste ich, dass er von 1618 bis 1648 gedauert hatte und mit dem Westfälischen Frieden endete. Religionsstreitigkeiten waren der Auslöser gewesen. Die bedeutendsten Heerführer in jener düsteren, schrecklichen Zeit waren Wallenstein, Tilly und der Schwedenkönig Gustav Adolf. Keiner von ihnen hatte den Krieg überlebt, er hatte sie alle gefressen.
Welche Rolle die Schwarze Familie in jener Zeit spielte, was Asmodi I., damaliger Fürst der Finsternis und ihr Herrscher, und der Januskopf Olivaro für eine Rolle spielten, auch andere Dämonen, die damals schon lebten, wusste ich nicht genau. Mich hatten als Junghexe und später im Verein mit Dorian Hunter andere Dinge interessiert. Deshalb fehlten mir detaillierte Kenntnisse, wie zum Beispiel Skarabäus Thoth, der Schiedsrichter der Schwarzen Familie, sie gehabt hatte. Grässlich war die Zeit gewesen, ein Eldorado für Dämonen.
Ich hörte den Exerziermeister brüllen. Gewaltiges Mündungsfeuer stob aus den Rohren, und die Musketiere waren schon nach ein paar Schüssen vom Pulverdampf im Gesicht geschwärzt. Sie trugen Pickelhaube und Harnisch mit Lendenschutz und waren für den Nahkampf mit dem Bajonett ausgerüstet. Ich sah auch die Pikeniere, die mit ihren langen Spießen als die Elendesten in dem Heerhaufen galten. Ihnen oblag auch die Aufgabe des Schanzens.
Ein hübscher Trossbube, Kanaillen-Ricco geheißen, stolzierte neben mir her, gab mir bereitwillig Auskünfte und heiterte mich mit seinen Sprüchen auf.
»Es ist kein Mensch und auch kein Tier«, sagte er. »Es ist ja nur ein Pikenier. Diese Schiebochsen sind wirklich die Letzten unter den Soldaten. Wer von ihnen mehr als eine Unze Hirn in seinem Kopf hat, wird automatisch in eine andere Waffengattung versetzt.«
Und: »Wer einem Pikenier in den Spieß läuft, ist selbst daran schuld. Ich habe ja nun schon allerhand gesehen in vielen Schlachten, aber selten, dass ein Pikenier einen umbrachte.«
»Wie viel Kampferfahrung hast du denn schon?«, fragte ich den höchstens Vierzehnjährigen heiter.
»Ich hab schon so viele Leute sterben sehen, die konnte ich gar nicht zählen.«