Der verwunschene Gott - Laura Labas - E-Book

Der verwunschene Gott E-Book

Laura Labas

3,0

Beschreibung

Morgan Vespasian verdient sich ihren Unterhalt als Schmugglerin. Seit sie vom Alphawolf der Schmuggler entführt wurde, ist sie dazu verdammt, ihre Lebensschuld abzuarbeiten. Während eines Auftrags wird sie verraten und gerät zwischen die Fronten eines vergessenen Prinzen und eines verfluchten Gottes, die auf der Suche nach einem verwunschenen Schloss sind. Morgan muss sich schon bald für eine Seite entscheiden und bestimmt mit ihrer Wahl das Schicksal des gesamten Königreiches.

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Eine interessante Geschichte aus der mehr herausgeholt werden könnte. Leider zieht es sich an einigen Stellen und die Gefühle zwischen den Figuren können nicht so gut übermittelt werden.
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Der verwunschene Gott

Von Göttern und Hexen

Laura Labas

Copyright © 2017 by

Astrid Behrendt

Rheinstraße 60

51371 Leverkusen

http: www.drachenmond.de

E-Mail: [email protected]

Lektorat: Marlena Anders

Korrektorat: Michaela Retetzki

Layout: Michelle N. Weber

Karte: Anja Uhren

Umschlagdesign: Alexander Kopainski

Bildmaterial: Shutterstock

ISBN 978-3-95991-335-5

Alle Rechte vorbehalten

Für alle Träumer,

Märchenerzähler,

Geschichtensammler

und Fantasiearchitekten

Inhalt

Der Wolf

Prolog

Die Spindel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Der Zauber

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Der Schacht

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Die Zwerge

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Die Hexe

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Die Stiefmutter

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Danksagung

Über die Autorin

Bücher von Laura Labas

Der Wolf dachte für sich, 

das kleine Ding da werde bestimmt ein 

wohlschmeckender Bissen sein. 

Er müsse es nur geschickt anfangen,

dann könne er sie in seinen Schlund führen. 

Mit Haut und Haar.

Prolog

Morgan rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her, während ihre Mutter den Korb packte, den sie Großmama bringen sollte. Sie wirkte schwach auf den Beinen, hustete gelegentlich und presste sich immer wieder ihren Handrücken gegen die Stirn. Vor ein paar Tagen war es ihr noch gut gegangen, dann hatte sich aus einem Schnupfen eine dicke Erkältung und aus einer Erkältung schließlich eine Grippe entwickelt. Allmählich fühlte sie sich besser, doch für den Weg bis zu ihrer eigenen Mutter brachte sie noch immer nicht die nötige Kraft auf, weshalb sie ihre älteste Tochter schickte. 

»Ich vertraue dir, Morgan.« Sie schniefte und reichte ihr den geflochtenen Korb, der mit weichem Brot, dem auf dem gesamten Kontinent geschätzten Vinuthwein und tiefroten Äpfeln gefüllt war. »Verlasse nicht den Pfad und laufe zügig.« 

»Ja, Mutter«, versprach Morgan, die als Älteste von drei Kindern nicht gerne bevormundet wurde. Tagtäglich verrichtete sie Arbeiten der Erwachsenen, achtete auf ihre kleinen Geschwister und trug große Verantwortung. Sie kümmerte sich stets um deren Wohlergehen und eiferte ihrer Mutter in allem nach. Aber in Momenten wie diesem fühlte sie sich unzureichend. Wieso sah niemand, wie verantwortungsbewusst sie sein konnte, ohne dass man ihr die Regeln jeden Tag vortragen musste? 

Sie nahm den Korb an, während ihre Mutter den neuen beerenroten Umhang zurechtzupfte, den Großmama ihr zum Namenstag genäht hatte. 

Eilig entzog sie sich ihren fürsorglichen Händen und trat nach draußen in die warme Sonne der blühenden Jahreszeit. Im Türrahmen stehend winkte Mutter ihr zu, bis sich Morgan abwandte. Vom Waldrand rannten ihr schnatternd und mit gespreizten Flügeln drei fette Gänse entgegen, die ihr Vater am vorherigen Tag günstig erstanden hatte. Noch ließen sie sich mit einem lauten Geräusch verscheuchen, aber Morgan wusste, dass die Tiere mit der Zeit mutiger und lästiger werden würden. Hoffentlich schlachtete ihr Vater sie vorher, damit sie sich nicht erneut mit Blessuren herumschlagen musste. Erst letztes Jahr hatte ihr eine andere Gans fast den Daumen abgebissen.

Schließlich öffnete sie die einfache Gartentür, die aus dem ersten Versuch ihres Bruders, Artem, etwas zu zimmern, entstanden war. Ihr Vater war vor Stolz ganz rot angelaufen und hatte ihnen zur Feier des Tages erlaubt, Zucker für einen Brombeerkuchen zu benutzen. 

Als Morgan ein paar Wochen später einen Kranz aus bunten Blumen geflochten hatte, hatte er sie mit einem milden Lächeln angesehen und ihre Wange getätschelt. Manchmal hasste sie es, ein Mädchen zu sein. 

Entschlossen, ihre Aufgabe zu erfüllen, ließ sie die Tür ins Schloss fallen. Sie ging schwungvoll an den schlanken Birken vorbei und betrat schließlich den riesigen Nadelwald, der sie von der kleinen Holzhütte ihrer Großmama trennte. 

Großmama lebte, seit Morgan denken konnte, abseits ihres Heimatdorfes Scaonia. Ihre Mutter hatte immer wieder betont, sie wäre gerne allein und würde ihre Tage damit verbringen, ihren bunten Garten zu pflegen. Morgan konnte sie zu gut verstehen, denn auch sie liebte Pflanzen aller Art und verbrachte Stunden damit, mit ihnen zu reden und sie zu bestaunen. Es war ihr kleines Geheimnis, denn ihre Geschwister würden sie sicherlich auslachen, sollten sie Morgan jemals dabei ertappen. Doch Großmama bestärkte sie darin, denn auch sie erkannte, wie prächtig die Blumen gediehen, wenn Morgan sich um sie kümmerte. 

Einmal in der Woche besuchten sie Großmama, um ihr von dem neuesten Tratsch im Dorf zu berichten und selbst gebackenes Brot vorbeizubringen, das sie so sehr liebte. 

Vor sich hin summend betrat Morgan den Pfad, der sich durch den Wald schlängelte. Sie war diesen Weg schon unzählige Male entlanggeschritten und nicht ein einziges Mal war etwas Unheimliches passiert. Deshalb konnte sie die Vorsicht ihrer Mutter nicht verstehen. Vertraute sie Morgans Fähigkeiten nicht? Befürchtete sie, Morgan würde sich verlaufen? 

Die Sonnenstrahlen erreichten zu dieser Jahreszeit sogar den Boden und spendeten genügend Licht, um die Schatten zu vertreiben. 

Sie fühlte sich sicher, war glücklich und erwartete nicht, dass an diesem gewöhnlichen Tag etwas Besonderes passieren würde. 

Ihr Leben war bisher vollkommen berechenbar gewesen, so wie es auch für die anderen Bewohner Scaonias war. Hier ging jeder seinem Tagewerk nach, um genügend Essen auf den Tisch zu schaffen und seine Familie zu versorgen. Kinder wie Morgan lernten in der Dorfschule Schreiben und Rechnen, um dann in die Fußstapfen ihrer Eltern treten zu können. Morgan würde heiraten, wenn sie alt genug wäre, und dann läge es an ihr, eine Familie zu gründen, Kinder aufzuziehen, zu altern und schließlich zu sterben. Sie würde zu einer Erinnerung in den Herzen ihrer Enkel verblassen, die irgendwann ihren Platz einnehmen und Scaonia eine weitere Generation Vespasians schenken würden … 

Der Gedanke betrübte sie so sehr, dass sie ihn entschlossen von sich schob, um sich stattdessen wieder auf den Wald zu konzentrieren, dessen angenehmer Duft in ihre Nase drang. Sie nahm einen tiefen Atemzug und fühlte sich sogleich besser. 

Der Weg zu Großmama war lang, aber nicht beschwerlich. An der Seite ihrer Mutter langweilte sie sich nie, da sie stets mitreißende Geschichten zu erzählen wusste. 

Doch jetzt war sie allein und begnügte sich eine Zeit lang damit, einen Fuß direkt vor den anderen zu setzen, ohne auch nur die kleinste Lücke zu lassen. Nach einer Weile wurde ihr das Spiel jedoch zu langweilig und ihr Blick streifte den platt gestampften Pfad und dann den Waldrand zu beiden Seiten, bis sie eine Spur wunderschöner, bunter Blumen entdeckte. Sie begann unweit neben Morgan und führte zwischen dem Gestrüpp und den rauen Wurzeln tiefer in den Wald hinein. 

Unsicher biss sie sich auf die Unterlippe, musterte den Pfad vor sich und dann wieder die leuchtenden Blumen, bevor sie einen Entschluss fasste. Großmama würde sich über einen farbenfrohen Strauß freuen und das Pflücken würde ihr eine Pause vom eintönigen Geradeausgehen geben. Und entgegen Mutters Befürchtung würde sie sich nicht verlaufen.

Lächelnd rannte sie auf die erste Blume zu, hielt dann jedoch inne und entschied, immer nur die siebte zu pflücken, da dies Glück bringen sollte. Zumindest glaubte sie, sich an etwas Derartiges zu erinnern. 

»Eine für Grainne, raue Spindel und weißes Haar, sie die Erste von ihnen war«, begann sie einen Kinderreim, der von den drei Schicksalsgöttinnen – den Moiren – handelte. »Die Zweite für Matha, in der rechten Hand die Welt und mit der linken sie die Fäden hält.« Immer tiefer ging sie in den Wald hinein, ohne zu bemerken, dass die Dunkelheit stetig zunahm und sie den Weg hinter sich schon bald aus den Augen verlieren würde. »Die Dritte für Clidna, jung und in voller Blüte, ist sie die Moire, die die Namen hüte. Das Schicksal verwoben in Fäden und Stoffen, damit uns am Ende bleibt allen das Hoffen.« Sie lachte auf, als sie eine besonders schöne violette Blüte zupfte und ihrem anwachsenden Strauß hinzufügte.

Ein erschütterndes Krachen ließ sie zusammenzucken und sie erwachte aus dem Traum, den die Blüten und der Reim um sie gewoben hatten. 

Sie hatte ihr Versprechen gebrochen! 

Verzweifelt blickte sie sich um, doch sie fand nichts, was ihr als Anhaltspunkt dienen könnte. Sie konnte nicht bestimmen, aus welcher Richtung sie gekommen war. Baumstämme schraubten sich dunkel und gefährlich in die Höhe, Blätter rauschten in einem Wind, den sie nicht spüren konnte, und eine fremdartige Kälte kitzelte ihren Nacken. Tränen brannten in ihren Augen, während sie sich hilflos umsah. Ein leises Lachen erklang.

»Wer ist da?«, flüsterte sie, da sie ihrer Stimme nicht vertraute. Angst schnürte ihr die Kehle zu. Sie sollte loslaufen. Egal, wohin. Einfach nur fort. Fort. Fort.

Das Lachen wurde lauter, bevor es vom Donner wie von einem großen Erdgeist verschluckt wurde. 

Sie ließ den Strauß fallen. 

Ein fremder Mann schälte sich aus den Schatten des nahenden Unwetters. Er trug ein raubtierhaftes Lächeln zur Schau und offenbarte dadurch zwei Reihen gepflegter weißer Zähne, wie sie Morgan im Dorf noch nie bei jemandem seines Alters gesehen hatte. Also war er bestimmt nicht aus Scaonia. Er wirkte auch nicht wie einer der Händler, die ihr kleines Dorf hin und wieder besuchten.

»Wer bist du?«, wisperte sie und presste den geflochtenen Korb eng an ihre Brust. 

Der Wind brachte seine sorgfältig zurückgekämmten Haare nicht durcheinander, der gestutzte graue Bart wirkte genauso gepflegt, aber in seinen meerblauen Augen erkannte sie eine Unberechenbarkeit, die sie bisher nur in dem Gesicht eines wild gewordenen Nachbarhundes gesehen hatte. 

»Willst du das wirklich wissen, kleines Ding?« Seine Stimme war nicht so dunkel, wie sie erwartet hatte. Während er sprach, vertieften sich die Falten auf seiner Stirn. 

Seine Kleidung bestand aus dunklem, fast schon schwarzem Leder und sie konnte mehrere Dolche und ein paar gut gefüllte, handtellergroße Beutel an seinem Gürtel erkennen. Wenn sie nicht derart verängstigt gewesen wäre, hätten sie ihre Neugier entfacht.

Sie nickte. Was sollte sie sonst tun? Mutter hatte ihr immer gesagt, sie sollte sich vor Wölfen in Acht nehmen und nicht vor Durchreisenden. Er war kein Wolf. Also würde alles gut werden. 

»Du hättest wirklich nicht den Weg verlassen sollen, kleines Ding«, raunte er und trat näher. Sie blieb wie angewurzelt stehen. 

»Wer bist du?«, wiederholte sie. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust.

»Ich bin der große, böse Wolf.« 

Ein Blitz durchzuckte den Himmel und Donner folgte ihm auf dem Fuße. Das grelle Licht ließ das Gesicht des Mannes noch gespenstischer und furchteinflößender erscheinen. Es füllte die Tiefen seiner Falten aus und zeichnete die Gesichtsknochen so scharf nach, dass sie glaubte, den Schädel ohne die gespannte Haut zu sehen.

Sie nahm an, dass er sich einen Scherz mit ihr erlaubte und war erleichtert, als das Lächeln in sein Gesicht zurückkehrte. Wahrscheinlich kannte er die Warnungen von sich sorgenden Müttern und spielte lediglich mit ihrer Angst.

»Warum gehst du nicht weiter?« Er deutete mit einer Handbewegung nach rechts, wo vermutlich der verlassene Pfad lag. »Du besuchst deine Großmutter, nicht wahr?« 

Sie nickte unsicher. Woher wusste er davon? »Ähm, ja, vielen Dank, Sir.« Sie machte Anstalten, sich wegzudrehen.

»Warte, kleines Ding, wie ist dein Name?« 

Sie zögerte einen Moment. Er würde sie gehen lassen. Es gab nichts zu befürchten. »Morgan.«

Seine Mundwinkel zuckten, als er sich tatsächlich vor ihr verbeugte. »Ein wunderschöner Name für ein wunderschönes Mädchen in einem leuchtend roten Umhang. Sei vorsichtig, Morgan.«

Er verschwand zwischen den moosbewachsenen Bäumen, noch ehe sie sich nach rechts gewandt hatte. 

Eilig trat sie den Weg zurück an und erkannte voller Erleichterung, dass er ihr die richtige Richtung gewiesen hatte. Der Pfad kam in Sicht, als die ersten Regentropfen ihren Umhang befeuchteten. 

Sie zog die Kapuze hoch und schritt eilig vorwärts, da sie bereits genügend Zeit vertrödelt hatte. Hoffentlich würde Großmama Morgans Verspätung für sich behalten.

Großmamas Hütte war zwischen zwei riesigen Tannen errichtet worden und bestand aus dunklem Holz, das Morgan vor fast einem Jahr an einer Seite mit bunten Figuren hatte bemalen dürfen. Artem hatte ihr dabei geholfen und zusammen hatten sie ein ganzes Dorf voll bunter Menschen erschaffen, die während des vielen Regens in der sterbenden und kalten Jahreszeit nun wieder verschwunden waren. Nur noch ein paar wenige Farbreste waren geblieben und schimmerten feucht. Sie hoffte, dass Großmama auch während dieser heißen Jahreszeit neue Farbe für sie zubereitete. Am meisten Spaß, viel mehr noch als das Malen, bereitete ihr das Auswählen der Farbe. Danach begaben sie sich auf die Suche nach den Zutaten. Oftmals handelte es sich dabei um Blumen, Blüten oder Blätter und in ihren Augen gab es nichts Schöneres, als Zeit in der Natur zu verbringen. Das tiefste Grün des Mooses und das strahlende Gelb der Sonnenblumen verfehlten nie die Wirkung, ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern.

»Großmama«, rief sie durch den immer stärker werdenden Regen, obwohl diese ihre Enkelin wahrscheinlich nicht hören konnte. Sie war bereits auf einem Ohr taub. »Ich bin da!«

Nachdem sie den kleinen Pfad hinaufgeschritten und direkt vor der robusten Tür zum Stehen kam, erkannte sie, dass diese lediglich angelehnt war. Das Lächeln, das an ihren Mundwinkeln gezupft hatte, verschwand. Großmama war nicht fahrlässig. Die Jahre der Einsamkeit hatten sie zwar Mut gelehrt, sie aber auch vom Leichtsinn kuriert. Zumindest hatte sie Morgan dies stets eingeprägt. 

Vorsichtig legte sie die flache Hand an das glatt geschmirgelte Holz, bevor sie die Tür aufstieß. Das gewohnte Knarzen versuchte sie zu beruhigen, doch es gelang ihm nicht. Etwas Dunkles wurde über ihren Kopf gestülpt. Der Korb fiel zu Boden und jemand umfasste ihre Handgelenke, sodass ihre Gegenwehr im Keim erstickt wurde.

»Es wird Zeit für dich, zu einer Wölfin zu werden, kleine Morgan.«

Die Spindel, Spindel drehte sich.

Das Schiffchen, Schiffchen tanzte fein.

Als der Faden sich zerteilte

und die Nadel aus ihren Fingern sprang.

Kapitel 1

In dieser Nacht fand die Übergabe, wie so viele Nächte zuvor, auf der Greyston Brücke statt. Morgan kannte mittlerweile jeden Winkel, wusste, wie sich die Schatten zu jeder Tag- und Nachtzeit veränderten, und war den kürzesten Weg, um von hier zu verschwinden, schon unzählige Male abgegangen. 

Die Steinkonstruktion verband die Altstadt von Yastia mit dem neueren Teil, der schon an vielen Stellen bereits genauso heruntergekommen war. Trotzdem verfestigten sich die Namen und die Brücke entwickelte sich zur symbolischen Trennung zwischen dem alteingesessenen Adel und den Neureichen. Heutzutage war diese Unterscheidung längst nicht mehr so streng, obwohl dem Handwerkerviertel in der Neustadt niemals einen Platz hinter der Brücke gestattet werden würde. Die Heizöfen verpesteten in ihrem näheren Umkreis die Luft und dagegen würde die Aristokratie in ihren weißen Villen protestieren. 

Morgan verlagerte ihr Gewicht und betrachtete den aufkommenden Nebel, als wäre er ihr Feind. Auch hinter ihr zur Altstadt hin sammelte er sich und hüllte die Gaslaternen in eine erzwungene Umarmung.

Die Altstadt befand sich im Westen Yastias und schmiegte sich halbkreisförmig an den riesigen Herrscherpalast, der sich in einem gigantischen Ausmaß in den Himmel erhob, als würde er mit seinen Turmspitzen die Sterne aufspießen wollen. In der Neustadt wurden die Bauten bis auf das Viertel der Neureichen immer kleiner, gedrungener und dürftiger. Hier hausten größtenteils einfache Handwerker, Händler und Taugenichtse, die in der Altstadt nur in dem Elendsviertel nahe dem Hafen geduldet wurden. Gesindel, dem auch Morgan Vespasian angehörte, hatte hinter der Brücke nichts zu suchen. 

Ihre Leute und sie hatten es allerdings besser getroffen. Ihr Meister, der Alphawolf, besaß genug Einfluss, um ihnen ein Zuhause in der Altstadt zu bieten, wo es sauberer war und man weniger Gefahr lief, sich mit allerlei Krankheiten anzustecken.

Unter der Brücke trieb der Fluss, die Thoan, in sanften Wellen entlang. Er maß den niedrigsten Stand seit hundert Jahren, da sich die Hitze entschlossen an der Stadt festgebissen hatte.

»Da kommt jemand«, riss Thomas Morgan aus ihren Gedanken. Er stand in lässiger Pose neben ihr und kaute auf einem Zahnstocher herum. Seine dunkelgrüne Tunika war bereits an mehreren Stellen geflickt worden, da er zu geizig war, das gute Geld für etwas Belangloses wie Kleidung auszugeben. Er nutzte die tägliche Krone lieber für Straßenmädchen und Alkohol, in dem er sich nur zu gerne ertränkte. 

Morgan verabscheute Thomas und sie hasste es, dass sie diesen Auftrag mit ihm zu Ende bringen musste. Angefangen bei seinem wirren roten Haar über seine kalten blauen Augen bis zu seiner sommersprossigen Haut verachtete sie ihn. Morgan besaß zwar so viel Einsicht in ihre eigenen Gefühle, um zu wissen, dass ein Teil ihrer Abneigung ihrem Aufenthalt auf der Insel Adrela verschuldet war. Dort besaß ein Großteil des Volkes wie Thomas rote Haare und sie hatte keine guten Erinnerungen an sie. Trotzdem hinderte es sie nicht daran, Thomas weiter zu hassen.

»Das muss Robbart sein«, murmelte sie, als sich mehrere Gestalten aus den Schatten der lauwarmen Nacht schälten. Sie traten direkt aus der Hauptstraße der Neustadt heraus. Anders als im Zentrum gab es dort keine hochwertigen Geschäfte, die die Reichen wie Motten anzogen. Halb zerfallene Backsteingebäude beherbergten Bäckereien und Lebensmittelhändler für das niedrige Volk. Einzig und allein das Juwelierviertel, das direkt an die Thoan grenzte, lockte den Adel.

Robbarts Quartier lag jedoch in der Nähe der Viehhändler, wie Morgan wenige Tage zuvor herausgefunden hatte, nachdem sie ihm gefolgt war. Jede Einzelheit ihrer Transaktionen war von Bedeutung. Auch wenn bei einem erfolgreichen Abschluss nicht jedes Wissen verwendet wurde, so fühlte sich Morgan doch beruhigt, da sie nichts überraschen könnte. Zumindest hatte sie das geglaubt.

»Es war nicht abgemacht, dass er mehr als eine Begleitung mitnimmt«, klärte sie Thomas auf, den sie zuvor äußerst widerwillig in die Planung eingeweiht hatte. Es war das erste Mal seit sehr langer Zeit, dass sich ein Kunde traute, gegen eine klare Abmachung zu verstoßen.

Normalerweise konnte sie solch kleine Aufträge wie heute, in denen sie das gestohlene Gemälde gegen den vorher abgemachten Preis eintauschen musste, allein durchführen. Thomas hatte jedoch bei Larkin darauf bestanden, mitzukommen, und da er älter und erfahrener war, durfte er die Führung übernehmen. 

Allein bei dem Gedanken an seine Unverschämtheit knirschte sie mit den Zähnen.

Er hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er es für eine Verschwendung von Kraft und Zeit hielt, ein Mädchen in ihren Reihen aufzuziehen, trotzdem hatte er bisher stets Respekt für ihre Arbeit gezeigt. Er hatte sich noch nie in einen ihrer Aufträge eingemischt. Bis zu diesem Tag.

Und nun hielt sich ihr Kunde noch nicht einmal an ihre einfache Anweisung.

Sie verteilte ihr Gewicht neu und ließ ihre Fingerspitzen federleicht über das lederne Heft ihres Dolches wandern. Angespannt beäugte sie die Dächer, auf denen sie jedoch nur ihre eigenen Leute ausmachen konnte, die sich hin und wieder aus den Schatten bewegten, um die Umgebung im Auge zu behalten. Sie hatte sie an diversen Stellen positioniert, damit sie notfalls einen Warnpfeil in Richtung Robbart abfeuern konnten, falls er sich nicht benahm. 

»Mach dir nicht gleich in die Hosen, kleines Ding«, grunzte Thomas vergnügt, als würden sie sich lediglich auf dem Markt befinden, um sich zu amüsieren, und als ginge es nicht um sechshundert Kronen. 

Thomas war einer der wenigen, der sie mit dem Spitznamen ansprach, den Larkin ihr gegeben hatte. Ein weiterer Grund, ihn zu hassen.

Konzentrier dich auf den Handel, Morgan!, wies sie sich innerlich zurecht und schloss die Musterung ihrer Umgebung ab. 

Anscheinend hatte Robbart nur einen zusätzlichen Begleiter mitgenommen, was ein kleiner Trost war. Trotzdem widersprach dies ihrer Vereinbarung. Sie nahm an, dass Robbart vor seinem ersten Geschäft mit den Wölfen von Angst übermannt worden war. 

»Guten Abend«, wünschte ihnen der dunkelhäutige Mann mit den leuchtend grünen Augen, als er rund vier Meter vor ihnen zum Stehen kam. 

Ihre Hintergrundinformationen über ihn waren trotz ihrer Recherche mangelhaft. Alles, was sie erfahren hatte, war, dass er aus Idrela stammte und seit einem Jahr in Yastia lebte. Er war Kunstsammler und verdiente sein Geld damit, dass er gestohlene Ware weiterverkaufte. 

Morgan und die Wölfe waren dazu da, diese Ware zu stehlen, obwohl sie sonst zumeist die Aufgabe des Verkaufens übernahmen. Die Wölfe waren jedoch vielseitig und so wurden sie von Larkin auch in anderen Bereichen eingesetzt. Die Hauptsache war, sie spülten Geld in die Kassen.

»Robbart.« Thomas nahm endlich seinen widerlichen Zahnstocher aus dem Mund, kratzte sich am Hinterkopf und trat dann einen Schritt näher, als würde er den Idrelen damit einschüchtern wollen. Die schwarze Farbe um seine Augen und auf seinem Nasenrücken wirkte blass in dem Mondlicht, als hätte er vergessen, sie vor dem Treffen neu aufzutragen. Fordernd streckte er eine Hand aus. »Das Geld?« 

»Sechshundert Kronen, wie abgemacht.« Er nickte seinem linken atheiranischen Begleitschutz zu, der einen halben Kopf kleiner war. Der Mann mit dem auffälligen Ziegenbart und den buschigen Augenbrauen holte zwei klimpernde Beutel unter seiner Tunika hervor. 

»Tuxons Gemälde?« 

Morgan wollte Gambin, der hinter ihnen im Schatten eines Dachvorsprungs wartete, gerade das Zeichen geben, das Gemälde zu ihnen zu bringen, als Thomas’ Hand nach vorn schnellte und kurzzeitig ihren Unterarm umfasste. Schockiert riss sie die Augen auf. Was hatte er vor? 

»Weißt du, Robbart, ich habe es mir anders überlegt.« Er ließ den Zahnstocher fallen und kreuzte die Arme vor seinem Oberkörper. 

Morgans Finger zuckten nervös, bevor sie den Griff des Messers fester umschlossen. Die Stimmung war umgeschlagen und sie erkannte an den angespannten Mienen der drei Männer, dass auch sie die Veränderung wahrgenommen hatten. 

Sie verengte die Augen und achtete auf jede noch so kleine Bewegung, die ihr Leben gefährden könnte.

»Ach ja?« Robbart nickte kurz, was der Mann mit dem Ziegenbart als Anlass nahm, das Geld wieder einzustecken. 

Sie unterdrückte ein frustriertes Aufstöhnen. Wie konnte ihr Thomas so etwas antun? Sie brauchte jede Krone, um ihre Lebensschuld bei Larkin zu begleichen. 

»Sechshundert Kronen sind eindeutig zu wenig. Wieso legst du nicht noch hundert drauf, hm?« Thomas schien nicht zu begreifen, dass er gefährlich nah am Abgrund balancierte. Oder es war ihm egal.

»Wir hatten eine Abmachung«, presste der Idrele zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor und wirkte ganz und gar unglücklich. 

»Thomas«, zischte Morgan, doch er ignorierte sie.

»Eine Abmachung, die du gebrochen hast, als du zwei Begleiter statt nur einem mitgenommen hast.« Seine freundliche Miene verzog sich zu einer hässlichen Grimasse und sein linkes Auge zuckte vor Anspannung. Morgan hatte sich am Anfang ihrer Bekanntschaft darüber lustig gemacht, aber in Situationen wie diesen wirkte seine Miene unheilvoll. 

Es schien für einen Augenblick so, als würde Robbart die Verhandlung erneut aufnehmen wollen, doch dann schoss der Arm des Mannes mit dem Ziegenbart hervor. Im letzten Moment packte Morgan sein Handgelenk, verdrehte es und stieß ihm ihren Dolch in den Magen. Sein eigenes Messer fiel klappernd zu Boden.

Robbart lief um Hilfe rufend davon, während sich seine zweite Begleitung unbeeindruckt um Thomas kümmerte. 

Wenn der Idrele weiter so herumbrüllte, würde jede Wache im Dienst auf sie aufmerksam werden, was vermutlich seine Absicht war.

»Thomas«, warnte Morgan. 

Er entledigte sich des gedrungenen Kämpfers mit einem gezielten Schlag in den Nacken und einen auf die Nase, der ihn in die Bewusstlosigkeit beförderte, bevor er sich neben den Mann mit dem Ziegenbart kniete. Er zerrte die zwei Geldbeutel aus der Innentasche und steckte sie selbst ein. Er war tatsächlich so dreist, sie dabei zufrieden anzugrinsen. 

»Los jetzt«, sagte er, als wäre sie diejenige, die sie aufgehalten hätte.

Sie rannten in die entgegengesetzte Richtung, die Robbart eingeschlagen hatte, direkt in die Altstadt hinein, wo sich schließlich ihre Wege trennten. Sie würden sich, wenn alles nach Plan verlief, im Hauptquartier wiedersehen und dann … dann würde sie ihm die Kehle durchtrennen!

Das Hauptquartier der Wölfe lag an einer vielbefahrenen Straße und zog sich mehrere Stockwerke in die Höhe. Es gab unter anderem einen Vorder- und einen Hintereingang, beide durften jedoch nur während ihrer knapp bemessenen freien Zeit benutzt werden, damit niemand sie von einem Auftrag zu ihrem Quartier zurückverfolgen konnte. Deshalb wählte Morgan den Zugang über die Kanalisation. 

Die Tunnel, die sich labyrinthartig unter ganz Yastia erstreckten, wurden nur hin und wieder von Patrouillen kontrolliert und das meistens tagsüber. Sie hielten sich von der finsteren Unterwelt fern, wenn ihnen ihr Leben lieb war. Aus diesem Grund brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, in eine der Stadtwachen hineinzulaufen, als sie sich mit halsbrecherischer Geschwindigkeit ihren Weg durch das Labyrinth suchte. Ihr Atem hallte hektisch von den abgerundeten Wänden wider und vermischte sich mit den Geräuschen, die ihre Schritte auf dem feuchten Boden verursachten.

Sie kannte sich hier unten in der Dunkelheit natürlich genauso gut wie jeder andere von Larkins Wölfen aus. Es gehörte zu den Aufgaben, die sie absolvieren mussten, bevor sie ihren ersten eigenen Auftrag zugeteilt bekamen. Sie wurden in der Kanalisation ausgesetzt und mussten ihren Weg zurückfinden. Aber erst, nachdem sie verschiedene Orte aufgesucht hatten, von denen sie die unterschiedlichsten Kostbarkeiten stehlen und an denen sie andere Objekte hinterlassen mussten. So hatte Morgan unter anderem in das Gebäude einer reichen Witwe im Villenviertel eindringen müssen, um ihr Diadem aus der Schmuckschatulle unter ihrem Bett zu entwenden und durch eine tote Ratte zu ersetzen.

Eigentlich waren sie eine Gruppe Diebe. Larkin bezeichnete sie aber am liebsten als Schmuggler. Sie brachten Kostbarkeiten, Geld und manchmal auch Menschen von einem Ort zum anderen. Legal war davon das Wenigste.

Kurz bevor sie den unteren Eingang erreichte, drosselte sie ihr Tempo, um zu Atem zu kommen. Sie brauchte ihre Stimme, wenn sie Larkin gegenübertrat, und sie durfte nicht zulassen, dass Thomas ihr für den in den Sand gesetzten Handel die Schuld zuschob. 

Erst jetzt wurde ihr bewusst, was für einen Anfängerfehler er begangen hatte. Eine ihrer unausgesprochenen Regeln war: Feilsche niemals, wenn sich bereits auf einen Preis geeinigt worden war. Das schadete bloß dem Ruf, den sich die Wölfe auf der Straße hart erarbeitet hatten. 

Sie atmete noch einmal tief durch, dann stieg sie die schmalen Eisensprossen hinauf, die sie zu einer geschlossenen Luke führten. Vorsichtig drückte sie diese mit einer Hand auf, bevor sie sich durch die Öffnung schob. Da sie kleiner und zierlicher war als die Männer, bot dieses Hindernis kaum ein Problem für sie. Die Kraft in ihren Armen und Beinen half ihr außerdem, sich schneller aus dem Loch zu ziehen. 

Der Keller war eher karg und ungemütlich gehalten, aber vor allem war er leer. Im Rest des Hauses gab es kaum einen Ort, an dem sich niemand aufhielt, schließlich hausten die meisten der Schmuggler unter diesem Dach. Larkins Privathaus befand sich auf der linken Seite und durfte nur auf ausdrückliche Einladung von ihm betreten werden. Rechts von ihnen schloss sich eine Hutmacherei an, mit deren Inhaber sie sich bereits vor einigen Jahren angefreundet hatte. 

Sobald sie sich den Staub von ihren braunen Leggings geklopft hatte, sprang sie die knarzende Holztreppe hoch und noch bevor sie die Tür geöffnet hatte, vernahm sie lautes Stimmengewirr, Stuhlbeine, die über den Boden schabten, und schallendes Gelächter. Anscheinend war Thomas bereits vor ihr heimgekehrt. 

Die Fäuste ballend bereitete sie sich auf einen unerbittlichen Kampf vor, dann stieß sie die angelehnte Tür mit der Fußspitze auf.

Wie erwartet, wurde sie sofort von dem Geruch nach Schweiß, Männern und Alkohol empfangen. Der kurze Flur eröffnete sich in den größten Raum des Hauses, in dem sich stets die meisten Schmuggler aufhielten. Es gab diverse willkürlich zusammengewürfelte Tische, Stühle und Regale. Essensreste lagen verteilt auf den schmutzigen Holzdielen und klebrige Pfützen zeugten von einer langen Nacht, die noch längst nicht zu Ende war. 

Sie knirschte mit den Zähnen, als sie sich einen Weg zu Thomas bahnte. Die Schmuggler, die sie passierte, verstummten plötzlich, misstrauische Blicke folgten ihr und die Atmosphäre in dem Raum mit dem tief hängenden, verstaubten Kronleuchter verdichtete sich. 

Thomas saß, wie um sie zu provozieren, auf der Fensterbank, bei der es sich, wie allseits bekannt, um ihren Lieblingsplatz handelte. Ein Bein hatte er lässig angewinkelt, das andere schwang er gut gelaunt hin und her. Wieder einmal kaute er auf einem Zahnstocher aus seinem scheinbar niemals endenden Vorrat herum, während neben ihm die zwei Beutel voll Gold lagen, die er Robbarts Begleitung gestohlen hatte.

Das Grinsen auf seinem sommersprossigen Gesicht mit dem schwarzen Farbstreifen, den auch sie sich aufgemalt hatte, entfachte den Zorn in ihr zu neuem Leben und sie schubste ihn so fest, dass er mit dem Hinterkopf gegen die Fensterscheibe knallte. Das süffisante Grinsen schwand augenblicklich von seinen aufgerissenen Lippen und ein Raunen ging durch die Menge.

»Was fällt dir eigentlich ein?«, schrie Morgan, darauf bedacht, nicht wie ein kleines Mädchen zu klingen. Sie hatte sich ihren Respekt hart erkämpfen müssen und würde ihn sich nicht durch Thomas nehmen lassen. 

»Was hast du denn, kleines Ding?« Er erhob sich von der Bank, rieb mit der einen Hand seinen Schädel und breitete den anderen, tätowierten Arm in fragender Geste aus, als würde er damit betonen wollen, dass niemand auf ihrer Seite stand. 

Sie wusste, dass sie von den Männern an den besseren Tagen nur geduldet wurde und diese jede Chance nutzten, um gegen ihre Anwesenheit zu rebellieren. Der Großteil würde seine Reaktion jetzt allerdings zurückhalten, bis sie sahen, wie Larkin zu diesem Streit stand. Wenn er sich nicht dazu äußerte, galt für jeden Einzelnen, dass er sich gefahrlos einmischen konnte. In solchen Situationen verließ Morgan oftmals das Quartier für ein paar Stunden, bis sich die aufgeheizte Stimmung beruhigt hatte. Doch nicht heute. Thomas hatte einen Fehler begangen und er musste dafür büßen. 

»Ist doch alles gut ausgegangen. Wir haben das Geld und das Gemälde«, fuhr er fort.

»Das. War. Aber. Nicht. Der. Plan.« Sie betonte jedes einzelne Wort durch ihre zusammengebissenen Zähne, während sie zu ihm aufsah. Thomas überragte sie wie alle atheiranischen Männer um mehr als einen Kopf. Sie erinnerte sich noch vage daran, dass in ihrem Heimatland Vinuth alle etwas kleiner, wenn auch breiter waren. »Wir haben zwei Menschen verletzt, einen vielleicht sogar getötet und Robbart wird unsere Köpfe dafür fordern! Larkin wird außer sich sein!«

»Außer sich sein, worüber genau?« 

Sie erstarrte, als sie die aalglatte Stimme ihres Alphas hörte. Die Menge hinter ihr teilte sich und ließ den hochgewachsenen Mann mit dem bedrohlichen Lächeln zu ihnen durch. 

Ein kalter Schauder rann ihren Rücken hinab. Jedes Mal, wenn er sich ihr näherte, wurde sie an jenen verhängnisvollen Tag erinnert, an dem sie den gewundenen Pfad verlassen hatte und dem Wolf direkt in die Falle getappt war.

»Wir müssen reden«, sagte Morgan und kreuzte die Arme. Sie hoffte, dass man ihr den inneren Aufruhr nicht ansehen konnte. 

Das Lächeln auf Thomas’ Gesicht gefror, was ihr ein gewisses Maß an Genugtuung bereitete. Dann wurde sie sich allerdings wieder Larkins drohender Gestalt bewusst und das befriedigte Grunzen blieb ihr im Hals stecken.

»In mein Arbeitszimmer. Sofort«, befahl er mit seiner ganzen Autorität, ohne die Stimme erheben zu müssen. In den letzten zehn Jahren war er zwar gealtert, aber auch innerlich gewachsen. Das charmante Grinsen, mit dem er sie als kleines Mädchen entwaffnet hatte, hatte sie immer seltener gesehen, bis es schließlich ganz verschwunden war. Larkin hatte die vierzig Jahre bereits überschritten, was man seinem lichten Haar schon ansah, und auch wenn kein Ende seiner Karriere als Alphawolf der Schmuggler und Diebe in Sicht war, wurde er immer grausamer und ehrgeiziger. 

Sie nahm an, dass Ehrgeiz und Grausamkeit gewissermaßen Hand in Hand gingen, aber das ließ sich schlecht distanziert betrachten, wenn man die Leidtragende war.

Kapitel 2

Sie war froh, dass er sie ins quartiereigene Arbeitszimmer und nicht in das seines Privathauses nebenan führte. Dadurch konnte sich Thomas keine an den Haaren herbeigezogene Lügengeschichte zurechtlegen, um seine eigene Haut zu retten, und sie musste nicht noch länger die brodelnde Wut in sich zurückhalten. Vorausgesetzt, er hatte sich nicht schon auf dem Weg ins Quartier etwas überlegt.

Sie stiegen die knarzende Treppe bis in den ersten Stock hinauf und betraten den Flur, in dem der Holzfußboden an mehreren Stellen durchlöchert war. Im Halbdunkel einer fast heruntergebrannten Kerze musste man genau aufpassen, wo man hintrat. Für Wölfe wie Thomas und sie war es ein Klacks. Sie kannten jede Ecke dieses verfluchten Hauses auswendig und wussten, wie sie die Umgebung zu ihrem Vorteil nutzen konnten, wenn es die Situation verlangte. 

Das angesteuerte Arbeitszimmer befand sich im rückwärtigen Teil des Quartiers und strahlte eine Heimeligkeit aus, nach der man im Rest des Hauses vergeblich suchte. 

Larkin öffnete eines der Fenster, um die kühle Nachtluft in das stickige Zimmer einzulassen, bevor er sich an den Schreibtisch begab und eine Petroleumleuchte aufdrehte. Sofort wurde der Raum mit den schmutzig roten Tapeten und den geknüpften idrelischen Teppichen in warmes Licht getaucht. 

Thomas und Morgan standen beide angespannt in der Mitte des Raumes hinter zwei Sitzgelegenheiten, die Larkin ihnen bewusst nicht anbot. Er selbst ließ sich mit einem leisen Seufzen auf seinen massiven Stuhl nieder, der mit Eisenbeschlägen an den Kanten der Lehne verziert war. 

»Ich konnte nicht umhin, im Vorbeigehen zu bemerken, dass sich das Gemälde noch immer in unserem Besitz befindet«, kam ihr Alphawolf sofort zur Sache. Tatsächlich schätzte sie diese Eigenschaft an ihm. Er legte seine riesigen Hände aneinander. Sie formten einen Moment später ein auf die anderen Wölfe gerichtetes Dreieck.

Wenn man mit so vielen Intrigen wie im Haus der Wölfe zu tun hatte, war es zur Abwechslung ganz erfrischend, die Wahrheit ins Gesicht gesagt zu bekommen. Unglücklicherweise genoss es Larkin viel zu sehr, seinen wahren Worten harte Strafen nachkommen zu lassen. Deshalb musste sie sich konzentrieren, um am Ende nicht Thomas’ Schuldzuweisung, die unweigerlich folgen würde, zu akzeptieren.

Da Thomas der ranghöhere Wolf war, war es für ihn Segen und Fluch zugleich, als Erster zu antworten. Sie durfte ihn nicht unterbrechen und das war die erste, fast schon unlösbare Aufgabe.

»Wir haben uns wie vereinbart mit Händler Robbart getroffen. Er kam jedoch mit zwei Begleitpersonen, statt nur einer«, begann Thomas und überraschte sie damit, dass er ihr nicht schon jetzt einen Seitenhieb versetzte. Schließlich hatte sie das Treffen mit Robbart vereinbart und war dafür verantwortlich gewesen, dass er sich an ihre Abmachung hielt. »Als es zum Austausch kommen sollte, dachte ich, dass es nur gerecht sei, den Preis zu erhöhen, da er einen entscheidenden Teil der Bedingungen unseres Handels gebrochen hatte.«

Ihr wäre beinahe die Kinnlade heruntergefallen. Ungläubig blinzelte sie von Larkin zu Thomas, der tatsächlich bei der Wahrheit blieb. Was hatte er vor? 

»Morgan hat seinen Begleiter getötet, als er mich angreifen wollte. Ich kümmerte mich um den zweiten. Robbart konnte fliehen.« Er holte die zwei Geldbeutel hervor und ließ sie mit einem Klirren auf den Schreibtisch plumpsen. »Wir haben das Geld und das Gemälde. So wie ich das sehe, gibt es keinen Verlust.« 

Zum Schluss konnte er sich dann doch nicht ein triumphierendes Grinsen in ihre Richtung verkneifen. Dachte er wirklich, Larkin würde ihn dafür belohnen? Sie konnte nicht glauben, dass er so naiv war.

Das Schweigen, das sich über sie senkte, war eine Waffe, die Larkin mit der Zeit perfektioniert hatte. Sie erinnerte sich daran, dass er sie dadurch gebrochen hatte. Nun, dadurch und durch eine Woche der grausamsten Folter, aber wer war schon so kleinlich?

»Morgan, hast du dem etwas hinzuzufügen?«, antwortete er mit tödlicher Ruhe und lehnte sich vor, bis er sich mit seinen Unterarmen auf die Tischplatte mit der dunklen Holzmaserung lehnte. 

Ein Stapel Papiere, sein Siegel, das eine Wolfsilhouette zeigte, und Schreibutensilien waren ordentlich darauf verteilt. Larkin schloss die Tür zu seinem Arbeitszimmer niemals ab, weil er es nicht als nötig ansah. Niemand würde es wagen, in seinen Bereich einzudringen und wenn es doch jemand tat – Larkin wusste ganz genau, wo sich jedes Utensil, jedes Staubkorn in seinem Zimmer befand, wenn er es verließ. 

Niemand würde die Möglichkeit erhalten, diesen Fehler zwei Mal zu begehen. 

»Ich …« Ihr Blick schoss zu Thomas und dann wieder zu Larkin. »Nein.« Am liebsten hätte sie geschrien, was für ein Narr Thomas gewesen war, aber das würde ihr eine Strafe einhandeln. Larkins Urteil würde durch nichts, was sie sagte, beeinflusst werden.

»Ich verstehe.« Er erhob sich von seinem Stuhl und ging gemächlich um den Schreibtisch herum, bis er vor ihr innehielt. Seine Finger umschlossen schmerzhaft ihr Kinn und hoben ihren Kopf an, sodass sie das Grau seiner Iriden sehen konnte. Sie hätte am liebsten den Blick abgewendet, doch das wäre ein Zeichen von Schwäche gewesen. Larkin würde dieses Verhalten nach ihrer vergangenen Ausbildung niemals akzeptieren. Vor so vielen Jahren hatte sie versucht, ihn auszutricksen, indem sie, statt in seine Augen zu sehen, seine Nase mit der hellen Narbe auf dem Rücken anvisierte. Diesen Trick hatte er natürlich jedes Mal durchschaut und sie seinen Missmut darüber spüren lassen.

Schließlich ließ er seine Hand fallen, trat an ihr vorbei und positionierte sich vor Thomas, der ihn um einen halben Kopf überragte. Es gab jedoch keinen Zweifel daran, wer die größere Autorität in diesem Raum besaß. 

»Das Problem ist, Thomas, dass du erfolgreich meinem Ruf geschadet hast. Du hättest Robbart lediglich mit einer Verwarnung davonkommen lassen sollen, schließlich ist er neu in der Stadt und muss erst mit unseren Gesetzen bekannt gemacht werden.« Morgan spürte beinahe, wie viel Kraft es den Schmuggler kostete, Larkin nicht zu unterbrechen. »Aus diesem Grund übergebe ich deinen nächsten Auftrag an Morgan.«

»Was? Larkin, das kannst du nicht tun!«, entschlüpfte es Thomas dann doch.

»Ich kann und ich werde.« Die Spannung löste sich auf, als sich Larkin von den Wölfen abwandte. »Ihr seid entschuldigt.«

Bevor es sich der Alphawolf anders überlegen konnte, schlüpfte sie hinter Thomas aus dem Zimmer und schloss die Tür sachte hinter sich. Das Lächeln konnte sie nicht mehr länger zurückhalten und erntete dafür einen düsteren Blick von Thomas 

»Freu dich nicht zu früh, kleines Ding.« Er schubste sie grob gegen die Wand, bevor er an ihr vorbei den Korridor entlangstampfte. 

Sie grinste von einem Ohr zum anderen. Durch seine höhere Stellung bekam Thomas Aufträge zugeteilt, die zwar schwieriger, aber durchaus profitabler waren. Dadurch würde sich ihr Anteil vergrößern und sie war ihrer Flucht von diesem verpesteten Ort ein Stück weit nähergekommen. Sie wusste zwar nicht, was sein nächster Auftrag sein würde, aber sie würde ihm gewachsen sein. Larkin hätte sich niemals auf diese Art von Bestrafung eingelassen, wenn er dadurch einen Auftrag gefährdete.

Das Grinsen verschwand augenblicklich, als sie den Salon wieder betrat, in dem ihr nun mit noch größerer Feindseligkeit begegnet wurde. Sie hätte es nicht für möglich gehalten, aber offenbar hatte Thomas seine Silberzunge dafür benutzt, sie weiter auszugrenzen. Dass einer der ihren bestraft wurde und sie daraus einen Vorteil zog, gab ihnen Grund genug. 

»Hure«, zischte Ted, ein schlaksiger Mann mit sandfarbenem Haar, das dauernd in sein schmales Gesicht fiel. Auch jetzt schob er die fettigen Strähnen hinter seine Ohren, obwohl sie sich im nächsten Moment wieder lösten. 

Diese Art von Beschimpfungen war sie gewohnt, schließlich war sie in den Augen der anderen keinen Silberling wert und sollte eher ihren Körper verkaufen, als sich Wölfin zu nennen. 

»Willst du mein Bett wärmen, kleines Ding?«, fragte jemand anderes mit einem anzüglichen Grinsen. 

Seine Freunde brachen in schallendes Gelächter aus und machten ein paar obszöne Gesten, die ihr nicht mehr als erhobene Augenbrauen entlockten. Innerlich sah es jedoch anders aus, aber ihnen würde sie niemals einen Blick hinein gewähren. 

»Hier, ich hab dir was zu essen mitgenommen.« 

Als sie Rhion auf sich zuschreiten sah, der als Beta ohne Probleme die Menge teilte, wäre sie vor Erleichterung beinahe in die Knie gegangen. Trotz ihrer Freude über Thomas’ Bestrafung war sie nicht aus Eisen gefertigt und die Beschimpfungen setzten ihr mehr zu, als sie je zugeben würde. Wie oft musste sie sich noch beweisen, bevor sie als eine der ihren akzeptiert wurde?

Niemals. Als Frau hatte man in Atheira keinen festen Stand und erst recht nicht in den Kreisen, in denen sie sich bewegte.

»Danke«, murmelte sie, bevor Rhion ihr eine Tonschüssel reichte und dann in Richtung Treppe nickte. 

»Lass uns nach oben gehen.« Er zog seine dunkelgraue Ballonmütze vom Kopf und steckte sie in die Innentasche seiner Tunika. Selbst in der heißen Jahreszeit verließ er das Haus nie ohne sie, obwohl er darunter doch schwitzen musste. Sie wusste nicht genau, warum sie ihm so wichtig war, schließlich war sein dunkelblondes Haar im Gegensatz zu Larkins zwar kurz, aber voll.

Sie folgte ihm in ihr eigenes Zimmer, in dem die Fenster mit Brettern vernagelt worden waren, weil sich Larkin nach einem besonders brutalen Kampf geweigert hatte, das Glas zu ersetzen. Er hatte einen Wolf, der ihn bestohlen hatte, durch das Fenster nach draußen befördert, wo er mit gebrochenen Beinen liegen geblieben war, bis jemand sein Stöhnen leid geworden war und ihm ein Ende bereitet hatte.

In der kalten Jahreszeit wurde die Luft zwar eisig, aber dafür hatte sie ihre Ruhe. 

Sie ließen sich auf dem Boden in der Ecke nieder, in der sie Decken in mehreren Lagen übereinandergestapelt hatte. Morgan spürte, wie sich die Ruhe über sie legte, nachdem sie nun nicht mehr die hasserfüllten Blicke der anderen ertragen musste. Endlich konnte sie sich in der Gewissheit baden, die beste Wölfin von allen zu sein. Sie hatte keinen Fehler begangen. Sie war Larkins beste Waffe.

Während sie den Eintopf in sich reinschaufelte, entzündete Rhion zwei Kerzen. Er warf ihr dabei immer wieder musternde Blicke zu, als würde er ihren Bericht kaum noch erwarten können. Als Beta hätte er natürlich das Recht gehabt, dem Gespräch zwischen Larkin, Thomas und ihr beizuwohnen, doch das war nicht Rhions Art. Er hielt sich lieber im Hintergrund, beobachtete und arbeitete an geheimen Plänen. Einer der Gründe, weshalb er Larkins rechte Hand war. 

Bis heute verstand sie nicht, wieso Rhion sich ihrer angenommen hatte und sie stets beschützte, wenn die anderen Wölfe mal wieder zu rau mit ihr umsprangen.

»Ich nehme an, du bist zufrieden?«, fragte er schließlich, nachdem er sich ihr gegenüber auf ein Kissen, gefüllt mit Gänsefedern, niedergelassen hatte. Es war ein Geburtstagsgeschenk von ihrer einzigen Freundin gewesen und sie musste sich dazu zwingen, nicht das Gesicht zu verziehen. Ein kleiner Trost war, dass er dem mit Blumenerde gefüllten Topf keinerlei Beachtung schenkte. Erst vor einer Woche hatte sie in ihm eine Zwiebel vergraben, in der Hoffnung, dass etwas Schönes an diesem unheilvollen Ort heranwuchs und sie dadurch einen Teil des botanischen Gartens von Yastia in ihrer Nähe hatte. Die ersten grünen Blätter sprossen bereits aus der Erde und entlockten ihr ein Lächeln. 

Seit ihrer Entführung war ihr nichts mehr so wichtig gewesen wie diese Pflanze, die nur lebte, weil sich Morgan um sie kümmerte. Ohne Morgan würde sie nicht existieren. 

»Also hat Thomas innerhalb einer Minute alles ausgeplaudert?«, entgegnete sie mit deutlichem Missmut in der Stimme. Der warme Ball von Zufriedenheit ließ sich dadurch allerdings nicht aus ihrem Inneren vertreiben. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie sich so stark und unberechenbar, als könnte sie die Hand ausstrecken und die Sterne vom Firmament pflücken.

»Überrascht es dich?« 

»Natürlich nicht.« Sie stieß ein tiefes Seufzen aus, dann stellte sie die nunmehr leere Schüssel ab. »Weißt du etwas über seinen nächsten Auftrag?«

»Larkin hat sich darüber sehr bedeckt gehalten, aber ich glaube, Thomas sollte etwas vom König stehlen.« Er warf ihr einen vorsichtigen Blick zu, als würde er nicht genau einschätzen können, wie sie darauf reagierte.

»Vom neuen König?«, rief sie aus, bevor sie ihre Stimme dämpfte, um von niemandem gehört zu werden, der möglicherweise in der Dunkelheit des Flurs die Ohren gespitzt hielt. »Ist er wahnsinnig?« 

»Ich frage mich, wann die Menschen endlich damit aufhören, ihn den neuen König zu nennen.« Er klang müde und wirkte wieder wie jedes der fünfzig Jahre, die er bereits durchlebt hatte. »König Joram Zaheda ist seit neun Jahren tot. Solange ich lebe, wird es keinen anderen König mehr geben als seine Majestät Deron Cerva.«

»Du bist gar nicht so viel älter als er«, entgegnete sie nachdenklich. »Glaubst du nicht, er stirbt früher, um dann einem seiner Söhne den Thron zu überlassen?« 

»Bei allen Fäden, seine Macht wird er so schnell nicht wieder loslassen.«

»Er ist ein Mensch, Rhion. Menschen können den Tod nicht bekämpfen, wenn er ihnen auflauert.« 

»Nein, vermutlich nicht.«

Sie verdrehte die Augen, bevor sich Schweigen über sie senkte. Dann erinnerte sie sich daran, dass sie Rhions Frage nicht beantwortet hatte. »Ich habe lange auf eine Chance gewartet, mich zu beweisen. Das weißt du.«

»Aber durch einen Auftrag, der für Thomas bestimmt war?« Er rieb nachdenklich seinen gestutzten grauen Bart. 

»Thomas ist nicht besser als ich«, erwiderte sie verteidigend, zog die Beine an und schenkte ihrem Gegenüber einen herausfordernden Blick.

»Nicht besser, nein«, stimmte ihr der Wolf zu. »Aber anders. Du bist noch so jung, Morgan, manchmal vielleicht zu jung.«

»Was soll das bedeuten? Ich habe bereits über die Hälfte meiner Lebensschuld abbezahlt. So schnell wie niemand sonst von den anderen Wölfen!«, rief sie empört aus, bevor sie aufsprang. Von jedem anderen war sie Zweifel gewohnt, doch nicht von Rhion. Er war derjenige, der ihr Mut zusprach, wenn sie sich klein und bedeutungslos fühlte. Er nahm sie an die Hand, wenn sie wieder einmal von der nahenden Dunkelheit verschluckt zu werden drohte. Sie ertrug seine Zweifel nicht.

»Beruhige dich, Mor. Ich wollte damit bloß sagen, dass du auf der Hut sein sollst. Nichts weiter.« Er erhob sich schwerfällig von ihrem Gänsefederkissen. »Schönes Kissen. Von Cardea?« 

»Woher …?« 

Seine meerblauen Augen strahlten Güte und Zuneigung aus, als er sanft ihre Wange berührte. Sie spürte die harten Schwielen an seinen Fingerkuppen. »Sei vorsichtig.« 

Kurz bevor er aus der Tür verschwand, hielt sie ihn noch einmal zurück. Ein Gedanke hatte sich wie ein Parasit in ihrem Verstand festgesetzt.

»Rhion? Es gibt eine Sache, die mich … stört.«

»Und die wäre?« Er sah sie nicht an, sodass sie nur sein Profil im schwachen Licht der Kerzen erkennen konnte. 

»Dieser Fehler … Thomas unterlaufen normalerweise keine Fehler dieser Art. Ihm unterlaufen nie Fehler und ganz besonders nicht, wenn er dadurch Larkins Ruf gefährden kann.«

»Vielleicht nicht«, gestand Rhion ein und neigte leicht den Kopf. »Und doch hat er ihn begangen.« Damit trat er in den Korridor hinaus und zog die Tür fest hinter sich ins Schloss.

Kapitel 3

Sie wurde durch das Läuten der Palastglocken zur Mittagsstunde geweckt und drehte sich gähnend zur Seite. Am liebsten würde sie noch eine Weile liegen bleiben, doch sie spürte schon jetzt die sich aufstauende Hitze. Schon bald würde ihr Körper schweißgebadet sein. Außerdem wartete Cardea auf sie. Wenn sie so darüber nachdachte, konnte sie es kaum abwarten, ihre Freundin zu besuchen, um ihr von den Ereignissen der vergangenen Nacht zu erzählen. 

Schon lange hatte Morgan auf eine Chance wie diese gewartet und ihre Freundin würde sich bestimmt mit ihr zusammen darüber freuen. Vor allem konnten sie sich darüber lustig machen, wie lächerlich sich Thomas mit seinem Verhalten gemacht hatte.

Mit einem selbstzufriedenen Grinsen auf den Lippen wusch sie die schwarze Farbe von ihrer oberen Gesichtshälfte ab, wechselte ihre Baumwollleggings und die Tunika gegen neue aus, die sie gestern gewaschen hatte. Die Tunika war in einem blassen Blau gehalten, das einst sicherlich gestrahlt hatte, doch das Kleidungsstück war wie viele andere in ihrem Besitz bereits durch mehrere Hände gegangen. 

Wenn sie einen Auftrag für Larkin erledigte, bevorzugte sie meist schwarzes oder braunes Leder, da sie dadurch besser mit den Schatten verschmolz, doch es war nicht ratsam, den dunklen Stoff unter der heißen Sonne zu tragen. Besonders in den engen, gepflasterten Gassen von Yastia staute sich die Hitze und wurde zu einem nebligen Flimmern. Wenn man nicht achtgab, plagten einen Übelkeit oder Atembeschwerden.

Nachdem sie die Kräuter, die sie ein paar Tage zuvor auf dem Schwarzmarkt für Cardea besorgt hatte, in eine leichte Umhängetasche verstaut hatte, machte sie sich auf den Weg. 

Im unteren Teil des Hauses begegneten ihr nur wenige Schmuggler und niemand von ihnen schenkte ihr mehr als einen finsteren Blick. Zu dieser Stunde schliefen die meisten in einem der Zimmer ihren Rausch aus oder besuchten ihre Familien, die sie mit den Verdiensten als Wölfe unterstützten. 

Nicht alle Schmuggler mussten bei Larkin eine Lebensschuld abbezahlen. Manche schlossen sich ihm erst in späteren Jahren an, sodass er für ihre Ausbildung keinerlei Geld ausgeben musste. Sie wurden zwar nicht für die heiklen Geschäfte ausgewählt, aber für alles andere reichten ihre meist auf der Straße angeeigneten Fähigkeiten.

Morgans Fall lag da etwas anders.

Eilig schlüpfte sie durch die Vordertür, ließ sie hinter sich ins Schloss fallen und reihte sich in den geschäftigen Mittag ein. Ein Großteil der Wege führte direkt zum Henkersplatz, der aus offensichtlichen Gründen so genannt wurde. Erst gestern waren drei Reisende aus Drarath gehängt worden, weil sie dem König die Magie in ihrem Land nicht zu seiner Zufriedenheit erklären konnten. Dass sie angeblich selbst keine Magier gewesen waren, war für den Regenten keine Entschuldigung gewesen.

Neben den Wegen zum Henkersplatz gab es noch einige verwinkelte Seitenstraßen und gewundene Gassen, die in Gegenden führten, die Fremde in der Stadt niemals finden würden. Heute würde sie allerdings keinen Gebrauch von diesen machen. Cardea wohnte schließlich zwischen dem Villenviertel und dem Stadtteil der Wanderer, wo sie erfolgreich eine Näherei betrieb.

Während Morgan unwillkürlich der patrouillierenden Stadtwache in den dunkelblauen Uniformen auswich, malte sie sich aus, wie viel Geld sie mit dem nächsten Auftrag verdienen würde. 

Es wäre Wahnsinn, wenn sie es vor ihrem übernächsten, ihrem einundzwanzigsten Geburtstag schaffen würde, ihre Schuld vollständig abzubezahlen. Sie war in dem Moment entstanden, als sie von Larkin entführt worden war. Mit dem Tag hatte ihre Ausbildung zur Wölfin begonnen und um zu einer der Besten zu werden, hatte Larkin viel Geld in sie und ihre Ausbildung investiert. Diese Schuld musste von ihr beglichen werden, bevor sie etwas für sich selbst verdienen oder das Pack verlassen konnte. Und das wollte sie. Sie war nicht zur Diebin geboren. 

Und ob du das bist. Du willst es nur nicht wahrhaben, ertönte die Stimme, die während eines Auftrags meist die Kontrolle behielt und sie zu Taten antrieb, die sie sich normalerweise nicht trauen würde. Sie hatte ihr schon das eine oder andere Mal das Leben gerettet. 

Vielleicht hatte sie recht. 

Morgan war unheimlich gut in dem, was sie tat, und fand auch in noch so prekären Situationen eine Lösung. Das war einer der Gründe, weshalb sie so von Larkin geschätzt wurde, auch wenn er ihr bis heute nicht gesagt hatte, warum er gerade sie mit sich genommen hatte. Vor oder nach ihr hatte er sich nie wieder persönlich um einen Schüler oder eine Schülerin gekümmert, was ihr nicht selten von den anderen Wölfen geneidet wurde. Dabei hätte sie alles darum gegeben, nicht ständig im Fokus zu stehen.

Sie wollte Larkins Aufmerksamkeit nicht. Sein grausames Lächeln hatte sich im letzten Jahrzehnt so sehr in ihren Verstand gebrannt, dass sie allein bei dem Gedanken daran Schweißausbrüche bekam. Er verlangte Fähigkeiten von ihr ab, die ihn bei niemand anderem interessierten. Es hatte ihm nicht ausgereicht, dass sie in allen schulischen Fächern ausgezeichnet gebildet war und neben der Gemeinschaftssprache auch fließend Idrelisch und Drarathisch, das sowohl in Drarath als auch in Leistia gesprochen wurde, sprach; nein, sie musste mit jeder Waffe kämpfen und siegen können. Wenn sie nicht siegte, erwartete sie ein noch viel schlimmeres Schicksal. Diesen Satz hatte sie sich einprägen müssen, denn die Zeichen der Wahrheit trug sie als Narben überall an ihrem Körper.

Die meisten Neulinge wurden von der Straße hereingekehrt und für die Anfangszeit unter Rhions Fittiche genommen, bis er einen dauerhaften Mentor für sie fand und sie dann an diese abschieben konnte. 

Als sie den Marktplatz erreichte, wurde sie wie ein Floß ins offene Meer der Menschen getrieben. 

Die erste Ernte war eingeholt worden und wer am schnellsten war, konnte die besten Preise verlangen. Genauso hatte man als Kunde die größte Auswahl an Lebensmitteln, je früher man hier auftauchte.

Sie ließ sich eine Weile treiben, stahl einen Apfel, als der Standverkäufer einer Adligen mit milchweißer Haut und zwei Wachen im Anhang besonders schöne Augen machte. Das Gesicht verziehend wandte Morgan sich ab, biss in den saftigen grünen Apfel und blickte zum glitzernden Palast von Atheira hinauf. Es war ein beeindruckendes Konstrukt aus grauem Stein, durchsichtigem Glas und gemeißelten Statuen. Der Palast war so gigantisch, dass er vermutlich die Hälfte der Bewohner der Altstadt von Yastia beherbergen könnte. Die hellgraue Fassade schimmerte im strahlenden Sonnenlicht, als wären Diamanten aus der Mine in Pelia in sie hineingearbeitet worden. Dagegen verschluckte der dunkle Stein der zwei massiven dunklen Türme, die zu beiden Seiten des Palastes in den Himmel sprossen, regelrecht das gleißende Licht. 

Den linken Turm bewohnten die Heilerinnen, die das Gebäude nur in Begleitung eines Priesters verlassen durften. 

Sowohl Heilerinnen als auch Priester waren Bluthexen und -hexer, doch nur männliche Hexer lebten in Freiheit. Sie wurden auf einer weit entfernten Insel im Westen, deren Name ihr entfallen war, ausgebildet, schrieben in ihr eigenes Zauberbuch und entwickelten neue Zaubersprüche, während weibliche Bluthexen lediglich in der Kunst des Heilens ausgebildet wurden. Diese Art der Blutmagie war zwar sehr gefragt, doch auf sie wurde auch mit einem nachsichtigen Lächeln herabgesehen. Sie war bei Weitem nicht so machtvoll wie die Kampf- oder Schutzmagie. 

Deshalb wurde vom Hohen Priester, dem Dux Aliquis, ständig geprüft, dass den Frauen ausschließlich das Heilen beigebracht wurde. Ihre Leben gehörten dem Königreich und sie durften ihre Magie einzig und allein dafür einsetzen, Krankheiten zu heilen. So sagte man sich jedenfalls.

Morgan verabscheute diese Überwachung, auch wenn sie selbst nicht davon betroffen war. Doch sie lebte seit beinahe einer Dekade in Atheira und hatte genau ein Jahr lang die Herrschaft des alten Königs miterlebt. Unter ihm war zwar jedwede Art von Magie verboten gewesen, aber Frauen waren respektvoll behandelt worden. Der neue König nutzte seine Macht, um diesen Respekt in allen Männern zu zerstören. Frauen waren Objekte, die Männern zu gehorchen hatten. Häusliche Gewalt wurde nicht länger geahndet und Wachen sahen darüber hinweg, wenn Frauen auf offener Straße schlecht behandelt wurden. Dem Vater musste gehorcht werden, die Zahl der Zwangsheiraten nahm stetig zu und wenn sich die Frau den Männern in ihrer Familie widersetzte, so musste sie sogar mit einem Aufenthalt in den Kerkern rechnen.

Kurz bevor Morgan vor das Tor geschoben wurde, hinter dem der ansteigende Weg zum Palast erkennbar war, kämpfte sie energischer gegen die Menge an und wurde als Dank ein paar Gassen weiter wie eine ungeliebte Gräte in einem Fischeintopf ausgespuckt. 

Das Kerngehäuse des Apfels warf sie auf einen stinkenden Haufen Hausmüll, dann wischte sie sich die klebrigen Hände an ihrer Tunika ab. 

Bevor sie Cardeas kleine Näherei betrat, stellte sie sicher, dass ihr niemand folgte. Im gemäßigten Schritt lief sie mehrmals das Viertel ab, besah sich ein Gebäude näher, dann ruhte sie sich mal im Schatten einer Eiche aus. Dabei hatte sie immer die Menschen um sich herum im Blick, aber niemand von ihnen folgte ihr oder benahm sich in irgendeiner Weise verdächtig. Meistens verrieten sich Verfolger dadurch, dass sie zu lange an einer Stelle ausharrten, ohne dass es dafür einen Grund gab. Oder sie blickten zu auffällig in jede Richtung, nur nicht in die ihres Opfers, wenn es ihren Blick suchte. 

Es war unabdinglich, dass keiner ihrer Feinde von ihrer Freundschaft mit Cardea erfuhr. Es würde sie sonst in Gefahr bringen. Schließlich gab sie sich mit ihrer Musterung zufrieden und eilte zu Cardea. 

Draußen an der Fassade hing ein kleines, rechteckiges Schild, auf dem eine Nadel und ein Faden abgebildet waren. Im Schaufenster lagen verschiedene Kleidungsstücke aus, die Cardea allesamt, allein um sie auszustellen, geflickt hatte. Sie gehörte nicht zu den großen Künstlerinnen, die die schönsten Roben kreierten. Ihre Arbeit bestand darin, für die kleinen Leute ihre wenigen, kostbaren Kleider zu flicken. Aber all dies war größtenteils eine Fassade, damit sie tun konnte, was sie am liebsten tat: als Heilerin arbeiten.

»Cardea?«, rief Morgan, nachdem das Glöckchen über der Tür euphorisch ihr Eintreten verkündet hatte. 

»Hier hinten!«, rief die junge Frau, die vier Jahre älter als Morgan und so viel weiser, mutiger und schöner war. Außerdem leitete sie ein eigenes Geschäft und das trotz aller Widerstände, denen man sich als Frau in Yastia gegenübersah. Nicht selten wurden Geschäftsfrauen scheinbar willkürlich die Lizenz vom Bürgermeister entzogen. Morgan war sich jedoch sicher, dass dies nur dann geschah, wenn sie einem Mann im gleichen Geschäftsbereich Konkurrenz machten und dieser sich bei der Stadt beschwerte.

Morgan schob den Riegel vor die Tür, damit sie von niemandem gestört wurden, und begab sich dann auf die Suche nach ihrer Freundin, die sich irgendwo in dem vollgepackten Laden befinden musste. Eine Angestellte besaß sie nicht, weshalb Morgan nicht darauf achtgeben musste, nichts Falsches zu sagen, und eine Kundin befand sich hoffentlich auch nicht im Laden.  

Das Geschäft bestand aus einem Arbeitsraum, in dem sich die Aufträge stapelten und in dem Cardea die meisten Näharbeiten erledigte, sowie aus einem schmalen Hinterzimmer, in dem sie übernachtete. In der kleinen Küche mischte Cardea die Tinkturen zusammen, die sie als Heilerin brauchte. Natürlich wusste nur Morgan darüber Bescheid, da Cardea jeden Auftrag maskiert aufsuchte und meistens mit Morgan als Begleitung. Da sie jedoch nicht immer sofort zur Verfügung stand, hatte Morgan sie ein paar nötige Handgriffe zur Selbstverteidigung gelehrt, falls sie angegriffen werden würde und jemand versuchte, ihre wahre Identität zu enthüllen.

Wenn jemand allerdings Hilfe brauchte, hinterließ dieser eine Nachricht hinter einem losen Stein des Sockels, auf dem die Statue der drei Schicksalsgöttinnen thronte. Im Schatten zweier Ahornbäume, halb zerfallen und mit Efeu bewachsen, geriet sie mehr und mehr in Vergessenheit. Selbst König Deron war sie und der Glaube Alt-Atheiras nicht wichtig genug, um sie abreißen zu lassen.

Ein Jahr nach der Eroberung Atheiras hatte er lediglich überall in der Stadt Statuen und Bildnisse zu Ehren der drei Schutzgötter des ehemaligen Eflains errichtet und aufgehängt. Nur der Tempel, in dem die alte Königsfamilie den Schicksalsgöttinnen gehuldigt hatte, war umdekoriert worden, auch wenn Morgan weder davor noch danach je dort gewesen war. Aber man hörte Geschichten …

Morgan fand Cardea schließlich tief über eine braune Stoffhose gebeugt. Sie durchtrennte gerade einen Faden mit ihren Vorderzähnen, bevor sie zu ihrer Freundin aufsah. Die silbernen Augen in ihrem herzförmigen Gesicht lächelten, aber auch an ihren stets nach oben gerichteten Mundwinkeln zupfte ein Lächeln.

Wenn Morgan mit ihrem mahagonifarbenen Haar und dem dunklen Teint die Schatten verkörperte, in denen sie lebte, so spiegelte Cardea Sonne und Wärme wider. 

»Ich bin sofort fertig. Magst du uns schon mal einen Tee aufsetzen?«, fragte sie und deutete mit einem Kopfnicken zum Hinterzimmer. Strähnen ihres aus Gold gesponnenen Haars hatten sich aus ihrem im Nacken zusammengebundenen Knoten gelöst und ringelten sich um ihr Gesicht.

»Gern.« Auf dem Weg dorthin musste die Wölfin in Schlangenlinien diversen Möbelstücken ausweichen, die unter den Haufen an Kleidungsstücken meist erst kurz vorher zu erkennen waren. »Ich habe die Tür schon abgeschlossen. Was willst du für einen Tee?«

»Hibiskus bitte«, rief sie zurück. 

Das Hinterzimmer war länglich und bot links und rechts Platz für riesige Regale, die von oben bis unten mit allerlei Kräutern bestückt waren, die auch in Büscheln von den Holzstreben unter der Decke hingen. Diese Kräuter waren allesamt legal und würden Cardea nicht in Schwierigkeiten bringen. 

Anders sah es da schon bei einem versteckten Fach hinter einem Blumentopf aus, der ihren Vorrat an verwelkten Blättern einer Myrte beherbergte. Niemand durfte erfahren, dass sie fernab der Augen der Priester Blutmagie wirkte. Sie würden sie einsperren und wenn nicht töten, dann doch knechten. Sie sagten, Bluthexen würden den Übeln der Welt zu schnell nachgeben, wenn sie keinen Priester hatten, der sie anleitete und somit davon abhielt, zu sündigen. 

Vollkommener Humbug.