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Der ZeitBogen: Aufsätze, Gedanken, Betrachtungen und Einschätzungen. Ich bediene mich hier bewusst einer kurzweiligen Sprache. Auch komplexe Zusammenhänge kann man mit einfachen Worten beschreiben, vielleicht werden sie dadurch auch verständlicher und zugleich entzaubert. Wollten Sie nicht manchmal auch Augenzeuge bei Ereignissen in der Vergangenheit gewesen sein? Wünschen Sie sich möglicherweise sogar, mit dieser oder jener Person selbst gesprochen zu haben? Also eine Frage, die Sie sich vielleicht schon einmal gestellt haben, wenn Sie ein historisches Gebäude sahen oder einen Artikel über eine vergangene Epoche lasen. Möglicherweise ergingen Sie sich dabei in dem Gedanken, ob es nicht interessant sei, selbst in einer anderen Zeit gelebt zu haben. Jeder Mensch sieht die Vergangenheit und jedes Ereignis von seinem eigenen Standpunkt aus. Ich erzähle Ihnen, wie ich es sehe. Blicken wir zurück, zurück in die Vergangenheit, die Zeit unserer Vorfahren. Menschen, ohne die wir nicht wären. Sie nicht, aber auch ich nicht.
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Seitenzahl: 308
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Wer nicht zurückblickt
vergisst woher er kommt.
Seine Zukunft führt ins Nichts.
Er existiert allein im Augenblick;
sein Leben ist nur eine Existenz.
Wolf von Fichtenberg
Wolf von Fichtenberg
Der ZeitBogen
Eine Reise durch die Vergangenheit
Aufsätze und Betrachtungen
© 2019 Wolf von Fichtenberg
Erste Auflage
Umschlaggestaltung, Illustration: Wolf von Fichtenberg
Verlag: tredition GmbH
978-3-7497-8524-7 (Paperback)
978-3-7497-8525-4 (Hardcover)
978-3-7497-8526-1 (e-Book)
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Ein Vorwort,welches gar kein Vorwort ist.
Wie beginnt man es?
„Es“?
Was soll das sein, dieses „Es“?
Nun, ich meine die Schrift, die Sie gerade jetzt in den Händen halten. Ich nenne die Schrift „Der ZeitBogen“, denn „Aufsätze und Betrachtungen zu geschichtlichen Ereignissen und gedankliche Konstrukte - in Handlungsformen – um die jeweilige Zeit besser zu beschreiben“ klingt sehr sperrig und möglicherweise würde Sie dieser Titel auch abschrecken.
Dennoch, es ist eine Sammlung von Aufsätzen, Gedanken, Betrachtungen und Einschätzungen, wobei ich mich hier einer kurzweiligen Sprache bediene. Auch komplexe Zusammenhänge kann man mit einfachen Worten beschreiben, vielleicht werden sie dadurch auch verständlicher und zugleich entzaubert.
Also, wie beginnt man?
Vielleicht mit einer Frage?
Eine Frage, die Sie sich vielleicht schon einmal gestellt haben, wenn Sie ein historisches Gebäude sahen oder einen Artikel über eine vergangene Epoche lasen.
Möglicherweise ergingen Sie sich dabei in dem Gedanken, ob es nicht interessant sei, selbst in einer anderen Zeit gelebt zu haben, Teil einer Historie zu sein, die wir – der „Jetztmensch“ - nur aus der zeitlichen Entfernung „sehen“ können.
Unsere Informationslage ist spärlich, wir müssen uns auf das Überlieferte verlassen und so schafft sich jeder Mensch seine eigene Sicht durch die vorhandenen Informationen, aber auch seine eigene Bewertung dessen, was vergangen ist.
Möchten Sie nicht manchmal auch ein Augenzeuge gewesen sein?
Wünschen Sie sich möglicherweise auch, mit dieser oder jener Person selbst gesprochen zu haben?
Was regt uns dazu an?
Zumeist sind es Ereignisse, Begebenheiten, verknüpft mit Namen oder Jahreszahlen.
Und dann kommt vielleicht dieser Gedanke auf: „Oh, ich hätte gerne in dieser Zeit gelebt“.
Kann ich es für mich selbst beantworten?
Können Sie es für sich selbst beantworten?
Jeder Mensch sieht die Historie, die Vergangenheit und jedes Ereignis von seinem eigenen Standpunkt aus, ja quasi durch seine subjektive Brille.
Diese rückwärtige Sicht auf die vergangenen Zeiten und Geschehnis ist auch eingefärbt durch die persönlichen Erlebnisse, aber auch durch die Literatur, die gelesen wurde oder andere prägende Ereignisse.
Einigen Dingen im historischen Ablauf wird man zustimmen, andere Sachverhalte jedoch ablehnen.
In der heutigen Zeit prägt aber besonders die Medienwelt die Sicht auf das Jetzt, das Vergangene und das Kommende.
Aus historischen Ereignissen wird allzu oft ein Spektakel hergestellt, Verfilmungen, die allein dem Gewinngedanken unterworfen sind, reißerische Bilder, welche die Geschichtssicht prägen.
Derartige Machwerke – ich verwende dieses Wort bewusst – sind für mich, (nur ein Beispiel) oftmals die Verfilmungen aus der Illias, zumeist unter dem Titel „Troja“ bekannt. Diese haben mit den Werken Homers nur sehr, sehr wenig zu tun, bedienen sich nur des verfassten Kerninhalts. Ach, ich schweife schon ein wenig ab. Gewähren Sie mir bitte etwas Nachsicht.
Diese Schrift besteht – wie bereits erwähnt - aus Aufsätzen. Texte, die sich mit historischen Begebenheiten befassen und Ihnen zugleich auch verschiedene Menschen vorstellen. Diese Menschen haben gelebt und die Ereignisse fanden statt. Ich erzähle Ihnen wie ich es sehe.
Lassen Sie uns nun das imaginäre Glas in dem Fenster zur Vergangenheit hin anhauchen und das bunte Eis ein wenig verreiben, so dass es klarer wird.
Kommen Sie näher heran und schauen Sie hindurch.
Blicken wir zurück, zurück in die Vergangenheit…
…in jene Zeit in der wir selbst nicht lebten, jedoch unsere Vorfahren. Menschen ohne die wir nicht wären.
Sie, werter Leser nicht und auch ich nicht…
Die erste Geschichte wird vielleicht etwas sperrig daher kommen( sagt man es so?), aber ich beginne bewusst damit, denn sie soll nur zeigen, dass das, was man so kennt, nicht unbedingt die absolute Wahrheit ist. Eine Wahrheit die man als unumstößlich ansieht, weil man eben andere Sichtweisen oder archäologisch gefundene Belege (noch) nicht kennt.
Sie können dieses Kapitel zu Hammurapi natürlich auch überblättern, um mit dem eigentlichen Buch zu beginnen, aber vielleicht berauben Sie sich ja dadurch des…
Na, Sie überblättern, also erfahren Sie es nicht….
Hammurapi
Oder: Wer schrieb ab?
Der König von Babylon, Hammurapi (zum Teil auch mit „b“ geschrieben, „Hammurabi“) lebte etwa bis 1750 vor der Zeitwende und von ihm kennen wir eine der ältesten Fassungen einer Rechtsordnung aus dem sich die Gesetze entwickelten. Diese Gesetze sind auf einer Stele zu finden. Bekannt als „Kodex Hammurapi“.
Wer sich mit der Geschichte befasst, der wandert auch zugleich durch die Zeiten und stolpert über Ähnlichkeiten. Dann setzt das Nachforschen ein und heraus kommt manchmal Interessantes. So auch hier.
Der „Codex Hammurapi“ ist einer der Texte, welcher zu den Urgesetzen gezählt werden kann; Urgesetze, welche die gültigen Rechtssysteme begründeten.
Oft wird die Bibel als Grundlage genannt, besonders Moses wird als Gesetzgeber bezeichnet. Doch ist es so?
Moses wird in die Zeit um 1400/1300 (vor der Zeitwende) verortet. Durch die Verbindung von Kanaan zu Babylon ist davon auszugehen, dass es auch einen Wissensaustausch zwischen diesen Gebieten gab, denn das Neubabylonische Reich (Übergänge zu Sumer und Akkad sind fließend) dehnte sich vom persischen Golf bis zum Mittelmeer aus und auch Teile der heutigen Südtürkei gehörten dazu. Beim Vergleichen der textlichen Inhalte kommt man zu einem Schluss:
Die dem Moses zugeschriebenen Texte sind abgeschrieben worden oder man hat die Gesetzesvorschriften der Babylonier übernommen. Zumindest ist das Gedankengerüst erstaunlich ähnlich. Aussagen sind inhaltlich deckungsgleich.
Alles nur ein Plagiat, welches als Eingebung geheiligt und dargeboten wurde?
Entscheiden Sie selbst.
Hier die direkten Vergleiche:
☐ Stele des Hammurabi, Zeile 195
Gesetzt, ein Kind hat seinen Vater geschlagen, so wird man ihm die Hände abschneiden.
o 2. Mos. 21,15
Wer Vater oder Mutter schlägt, der soll des Todes sterben.
☐ Stele des Hammurabi, Zeile 14
Gesetzt, ein Mann hat einen minderjährigen Freigeborenen gestohlen, so wird er getötet.
o 2. Mos. 21,16
Wer einen Menschen raubt, sei es, dass er ihn verkauft, sei es, dass man ihn bei ihm findet, der soll des Todes sterben.
☐ Stele des Hammurabi, Zeile 206
Gesetzt, ein Mann hat bei einer Schlägerei einen anderen geschlagen und ihm eine Verwundung beigebracht, so wird selbiger Mann schwören: "Ich habe ihn nicht mit Absicht geschlagen" und wird den Arzt bezahlen.
o 2. Mos. 21,18-19
Wenn Männer miteinander streiten und einer schlägt den anderen mit einem Stein oder mit der Faust, dass er nicht stirbt, sondern zu Bett liegen muss und wieder aufkommt und ausgehen kann an seinem Stock, so soll der, der ihn schlug, nicht bestraft werden, er soll ihm aber bezahlen, was er versäumt hat, und das Arztgeld geben.
☐ Stele des Hammurabi, Zeile 209-210
Gesetzt, ein Mann hat eine Freigeborene geschlagen und hat bei ihr eine Fehlgeburt veranlasst, so wird er zehn Sequel Silber für den Fötus zahlen. Gesetzt, selbige Frau ist gestorben, so wird man seine Tochter töten.
o 2. Mos. 21,22-25
Wenn Männer miteinander streiten und stoßen dabei eine schwangere Frau, so dass ihr die Frucht abgeht, ihr aber sonst kein Schaden widerfährt, so soll man ihn um Geld strafen, wieviel ihr Ehemann ihm auferlegt, und er soll es geben durch die Hand der Richter. Entsteht ein dauernder Schaden, so sollst du geben Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß, Brandmal um Brandmal, Beule um Beule, Wunde um Wunde.
☐ Stele des Hammurabi, Zeile 196-197, 200
Gesetzt, ein Mann hat das Auge eines Freigeborenen zerstört, so wird man sein Auge zerstören. Gesetzt, er hat einem anderen einen Knochen zerbrochen, so wird man seinen Knochen zerbrechen. Gesetzt, ein Mann hat einem anderen ihm gleichstellenden Manne einen Zahn ausgeschlagen, so wird man ihm einen Zahn ausschlagen.
o 2. Mos. 21,24
Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß.
☐ Stele des Hammurabi, Zeile 250-251
Gesetzt, ein Rind hat, als es auf der Straße ging, einen Mann gestoßen und getötet, so entstehen aus diesem Rechtsstreit keine Ansprüche. Gesetzt, das Rind eines Mannes ist stößig und hat demgemäß, dass es stößig ist, ihm seinen Fehler gezeigt, er aber hat seine Hörner nicht gestutzt, sein Rind nicht angebunden, selbiges Rind hat einen Freigeborenen gestoßen und getötet, so wird er eine halbe Mine Silber geben.
o 2. Mos. 21,28-32
Wenn ein Rind einen Mann oder eine Frau stößt, dass sie sterben, so soll man das Rind steinigen und sein Fleisch nicht essen; aber der Besitzer des Rindes soll nicht bestraft werden. Ist aber das Rind zuvor stößig gewesen und seinem Besitzer war's bekannt und er hat das Rind nicht verwahrt und es tötet nun einen Mann oder eine Frau, so soll man das Rind steinigen, und sein Besitzer soll sterben. Will man ihm aber ein Lösegeld auferlegen, so soll er geben, was man ihm auferlegt, um sein Leben auszulösen. Ebenso soll man mit ihm verfahren, wenn das Rind einen Sohn oder eine Tochter stößt. Stößt es aber einen Sklaven oder eine Sklavin, so soll der Besitzer ihrem Herrn dreißig Lot Silber geben, und das Rind soll man steinigen.
Doch es geht noch weiter:
☐ Stele des Hammurabi, Zeile 8, 22
Gesetzt, ein Mann hat entweder ein Rind oder ein Schaf oder einen Esel oder ein Schiff gestohlen, gesetzt, es ist das Eigentum Gottes oder des Palastes, so wird er es dreißigfach geben. Gesetzt, es ist das Eigentum eines Muskenu (Abhängigen), so wird er es zehnfach ersetzen. Gesetzt, der Dieb hat nichts zu geben, so wird er getötet. Gesetzt, ein Mann hat geraubt und ist dabei gefasst worden, so wird selbiger Mann getötet.
o 2. Mos. 21,37-22,3
Wenn jemand ein Rind oder ein Schaf stiehlt und schlachtet's oder verkauft's, so soll er fünf Rinder für ein Rind wiedergeben und vier Schafe für ein Schaf. Wenn ein Dieb ergriffen wird beim Einbruch und wird dabei geschlagen, dass er stirbt, so liegt keine Blutschuld vor. War aber schon die Sonne aufgegangen, so liegt Blutschuld vor. Es soll aber ein Dieb wiedererstatten; hat er nichts, so verkaufe man ihn um den Wert des Gestohlenen. Findet man bei ihm das Gestohlene lebendig, sei es Rind, Esel oder Schaf, so soll er's zweifach erstatten.
☐ Stele des Hammurabi, Zeile 53
Wenn ein Ochse einen anderen Ochsen durchbohrt hat, so dass er stirbt, sollen die Besitzer der Ochsen den Wert des lebenden Ochsen und den Körper des toten Ochsen zwischen sich teilen.
o 2. Mos. 21,35
Wenn jemandes Rind eines anderen Rind stößt, dass es stirbt, so sollen sie das lebendige Rind verkaufen und das Geld teilen und das tote Tier auch teilen.
Soweit ein kurzer Vergleich.
Nun?
Was sagen Sie?
Vielleicht möchten Sie ein wenig darüber nachdenken. Ich lasse sie dann einmal allein.
Ansonsten?
Na, dann folgen Sie mir bitte zu den Texten des eigentlichen Buches. Denn es beginnt erst jetzt.
Genauer gesagt: Auf der nächsten Seite. …→
Atmen Sie durch, denn es beginnt blutig…
Spartacus
Chancenlos gegen das Imperium
Ein historisches Ereignis (dessen man sich gerne annimmt und es verfilmt) ist der Aufstand des Spartacus. Gerade dieses manifestierte Bild möchte ich ein wenig anders darstellen. Eben dieser Spartacus ist es, der uns in die Gedankenwelt dieses Buches richtig eintauchen lässt. Das zuvor Gelesene war nur ein kleines „Vorgeplänkel“.
Man sollte Respekt vor diesem Menschen haben und Verachtung für die ausbeutenden Sklavenhalter, außer eben, man hält sie sich selbst…die Sklaven… Aber dann habe ich keinen Respekt vor Ihnen. Stört es Sie? Gewiss nicht. Arroganz ist unempfindlich für das Empfinden all jener Menschen, über die man sich erhöht stehend fühlt. Natürlich ist das Nachfolgende auch durch eigene Ansichten gefärbt, wie es das stets ist, wenn man sich positioniert.
Persönliche Ansichten, wie viele Dinge, die auf den folgenden Seiten zu lesen sind.
Nur subjektiv, nie objektiv?
Dieses entscheiden Sie, der Leser für sich, denn vielleicht stehe ich mit diesen Ansichten nicht allein….
Spartacus, - aber auch Spartakus mit „k“ geschrieben - wird in den Briefen von Karl Marx an Friedrich Engels quasi in das Gedankenkonstrukt hinein „adoptiert“:
Marx schrieb:
„Spartakus erscheint als der famoseste Kerl, den die ganze antike Geschichte aufzuweisen hat. Grosser General…, nobler Charakter, real representative des antiken Proletariats.“
(Am 27. Februar 1861, „representativ“ damals noch in dieser Schreibweise). Mit diesem sperrigen Ausdruck belegt Marx den Gladiator, der für ihn das Sinnbild des aufbegehrenden Arbeiters war und schuf so einen Mythos der bis heute anhält. War er das? War er der aufbegehrende Klassenkämpfer?
Rom war ein Staat, der sich nach und nach zum größten Sklavenhalter der Antike entwickelt hatte.
Mit der wachsenden Ausdehnung des Landes wuchs zugleich auch die Zahl der benötigten Arbeitskräfte, um die Infrastruktur und Versorgung des Landes zu sichern. Zeitüblich – und somit billig und praktisch - bediente man sich hierfür der Arbeitssklaven. Letztendlich ging die Entwicklung soweit, dass das Land ohne sie, die Sklaven, nicht mehr lebensfähig gewesen wäre. Im Grunde war Rom eine Sklavenrepublik, nur dieses war den Sklaven selbst nicht bewusst.
Was wir heute über die Lebensumstände der Sklaven Roms wissen, ist erschütternd.
Ich spreche nicht von jenen „Vorzeigesklaven“, die als Hauslehrer oder Bedienstete „verwendet“ wurden, sondern von jenen Mitleid erregenden Geschöpfen, die als „menschliche Maschine“ zur Produktion der Güter ihren Dienst taten oder zur Belustigung der Massen als Gladiator verrecken mussten.
Bereits vor Spartacus gab es Aufstände jener Bedauernswerten; dieses ist oft kaum bekannt. Schon etwa im Jahr 200 vor der Zeitwende (v.d.Ztw.) kam es zu einzelnen Aufständen, die immer blutig niedergeschlagen wurden.
Im Jahr 137 v.d.Ztw. erhoben sich auf der Insel Sizilien die Sklaven, eine Massenbewegung, der sich fast zweihunderttausend Menschen anschlossen. Erfolgreich anschlossen!
Sie eroberten einige Städte auf der Insel und gründeten ihren eigenen Staat, ein Umstand, der nur in sehr wenigen Geschichtsbüchern zu finden ist.
Ist das Schicksal jener Menschen nicht berichtenswert? Es ist zu schamhaft für das mächtige Rom?
Zu belanglos für verschiedene Historiker, auch heute noch?
Dieser Staat der Sklaven konnte sich fast fünf Jahre lang gegen die Übermacht Roms halten und wurde erst durch eine, von Rom direkt entsandte, Armee vernichtet. Hierbei ist das „Vernichten“ sehr wörtlich zu nehmen, denn Rom ging mit seinen Feinden nicht zimperlich um.
Das Staatsgebilde war zerstört, aber der Gedanke an Freiheit nicht. Er hatte sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt.
Im Jahr 104 v.d.Ztw. kam es erneut auf der Insel Sizilien zu einem Aufstand.
Ein Aufstand, welcher die römische Armee vier Jahre lang beschäftigte, bevor er ebenfalls blutig niedergeschlagen wurde.
Etwa dreißig Jahre später, genauer gesagt im Jahr 73 v.d.Ztw., kam es zu dem Aufstand, der als „Spartacusaufstand“ in die Geschichte einging und auch Jenen namentlich bekannt sein dürfte, die in der historischen Entwicklung wenig bewandert sind.
Hierüber will ich berichten:
Spartacus war einer jener Männer, die in den Gladiatorenschulen auf das Töten und getötet werden vorbereitet wurden. Ihr Schicksal war besiegelt, denn letztendlich wartete der Tod auf sie. Es war für sie nur eine Frage der Zeit.
Die „glorreichen“ Gladiatoren, welche sich durch ihre Kämpfe das „hölzerne Schwert“ erringen konnten - ein symbolisches Zeichen, frei zu sein und nicht mehr kämpfen zu müssen (Es musste stets bei sich getragen werden) - gab es zu dieser Zeit noch nicht.
Es gab nur die Gewissheit auf Wunden, Blut, Erniedrigung und Tod. Filmregisseure, die das Schwertsymbol in die Szenerie einführen nehmen es mit der historischen Wahrheit nicht sehr genau.
Spartacus trainierte in Capua, in der Gladiatorenschule des Gnaeus Cornelius Lentulus Batiatus. Es war jene Gladiatorenschule, die den Ruf hatte, die „beste Schule des Landes“ zu sein. Die Nahrung der Gladiatoren bestand hauptsächlich aus Bohnen und Fleisch, Milch und Obst. Es wurde darauf geachtet, dass die Todgeweihten nicht krank wurden, denn sie waren eine Kapitalanlage. Jedermann konnte in sie – wie heutzutage in Aktien oder Rennpferde – investieren.
Man sah sie nicht als Menschen, sondern als Objekte, blutige Spielzeuge und letztendlich als lukrative Möglichkeit, eigenes Geld zu vermehren. Die Seelen sah man nicht, nur Männer mit gestählten Körpern, die in den Arenen als eine Art kämpfende Tiere bejubelt – oder verspottet - wurden.
Genau zweihundert Sklaven überwältigten, mit Spartacus zusammen, die Wachen der Gladiatorenschule und flüchteten.
Einhundertzweiundzwanzig von ihnen wurden rasch ergriffen, der Rest konnte entkommen, darunter Spartacus.
So nennen wir ihn heute, denn sein eigentlicher Name ist immer noch unbekannt.
Er war Thraker, ein vermutlich zu den Kelten zählendes Volk, aus einem Gebiet, welches heute im Süden Bulgariens, im Nordosten Griechenlands und dem europäischen Teil der Türkei liegt. Dort lebte ein Volk dessen Sprache (Dako-Trakish genannt) ausgestorben ist. Der im 1. Jhd. n.d. Ztw. lebende Arzt Dioskurides hat uns eine Liste mit Heilkräutern in dieser Sprache hinterlassen. Aus dem dritten Jahrhundert stammt eine weitere Liste mit Pflanzennamen. Beispiel: Mantua (Brombeere) oder Dyn (Nessel). Sich selbst nannten sie sich Δᾶοι, wie uns der griechische Geschichtsschreiber Strabon von Amaseia überlieferte, der um die Zeitwende lebte. Δᾶοι bedeutet in etwa „hey“ oder auch „hallo“, also beschreibt einen freundlicher Anruf.
Auch, wann Spartacus geboren wurde, ist unbekannt, ebenso, wie er nach Capua kam. Filmische Darstellungen sind reine Fiktionen. Es wurde eine Legende daraus und man erfand eine jeweils passsende Vorgeschichte.
Erfunden.
Historische Belege gibt es nicht.
Er war ein Sklave, nicht wert, ihm eine Zeile zu widmen. Rom hatte wichtigere Dinge zu tun, wie es den Römern selbst schien.
Erst mit dem Ausbruch aus Capua tritt Spartacus in das Bewusstsein der Menschen.
Irgendetwas Autoritäres und Respekt Gebietendes muss er gehabt haben, denn er wird von allen als Führer anerkannt. Einen Nebenbuhler gab es zu der Zeit noch nicht.
Der Senat in Rom registrierte die Flucht der achtundsiebzig Männer, aber dieser geringen Zahl wurde keinerlei Bedeutung beigemessen. Frauen gab es unter den Geflüchteten nicht.
Wer und was bedeutete das schon?
Dieses Ereignis sollte man ernst nehmen?
Achtundsiebzig Sklaven? Lächerlich. Es war doch nur eine zusammen gepferchte Schiffsladung voll Material. Jederzeit ersetzbar.
Nicht einmal einhundert Menschen gegen das aufstrebende Weltreich?
Man grinste und ging seinen Tagesgeschäften weiter nach oder belustigte sich in Arenen (oft nur ein Kreis aus hölzernen Palisaden) daran, wie eben jene Gladiatoren sich gegenseitig töteten oder es zumindest versuchten. Manchmal hetzte man auch ausgehungerte Tiere dazu und ergötzte sich an den Todesschreien.
Aber diese Geflohenen? Ach, nur eine Belanglosigkeit, denn die Probleme der Feldzüge in Spanien oder Kleinasien bereiteten dem römischen Senat wesentlich größere Sorgen.
Es war ein Denkfehler, wie sich alsbald herausstellen sollte.
Die Flüchtlinge um Spartacus bekamen weiteren Zulauf.
Es waren nicht nur Sklaven, die sich ihnen anschlossen, sondern auch Kleinbauern aus Kampanien, dem ländlichen Gebiet, welches außerhalb der Stadt Neapel lag. Jene Kleinbauern die durch Großgrundbesitzer um ihre Heimat gebracht worden waren, Spekulanten, welche die Felder nun durch billige Sklaven bewirtschaften ließen.
Auch Handwerker, die ihre Familien kaum mehr ernähren konnten, vergrößerten den Zug.
Die Menge um Spartacus wuchs und erst als es etwa Zehntausend waren, die quasi eine Armee bildeten, reagierte der Senat Roms.
Spartacus hatte die Menschen zum Berg Vesuv geführt und dort Befestigungen schaffen lassen.
Das Heer der Römer umzingelte diese Verteidigungsanlagen, ließ aber die Steilhänge unbewacht. Die Menschen um Spartacus flochten Seile aus Weinreben und ließen sich eben an diesen Steilhänge hinab.
Als es die Römer bemerkten, war es zu spät.
Vor ihnen lagen die Befestigungen am Abhang des Vesuvs, hinter ihnen stand das Heer des Spartacus, welches die Armee der Römer vernichtete.
Dieser Sieg ließ den Zulauf zu ihm weiter anwachsen.
Die geknechteten Menschen sahen Hoffnung und als er ein weiteres römisches Heer schlug, wuchs die Menge auf etwa einhundertzwanzigtausend Sklaven an, die hier ihre Freiheit erkämpfen wollten. Und wieder waren es nicht nur Sklaven. Erneut schlossen sich ihnen Kleinbauern und Handwerker an, aber auch übergelaufene Soldaten. Diese Menschen bildeten nun die Armee, wie antike Historiker berichten.
Es war eine gewaltige Streitmacht, doch es waren auch Frauen und Kinder dabei. Aber eine derartige große Menschenmenge muss auch ernährt werden und so ist auch die ständige Bewegung zu erklären: ein Herumziehen ohne direktes Ziel, allein bestimmt durch das Ausweichen vor den Römern oder aber den Angriffen auf befestigte Stellungen der Verfolger.
Spartacus selbst - so berichten es auch die historischen Quellen – hatte kein politisches Ziel. Es schien ihm nur um die Entrinnung aus der Sklaverei gegangen zu sein und man verfolgte allgemein das Ziel, in die Heimat zu gelangen, um in Frieden zu leben.
Ein Unding, wenn man die Entwicklung Roms betrachtet.
Doch man sah diese Entwicklung nicht und auch Spartacus sah sie nicht. Er führte die Menschen weiter nach Norden und wollte, im Schutz der Alpen, seine Heimat erreichen.
Genau dieses Vorhaben spaltete das Heer. Nicht jeder wollte nach Gallien oder auf den Balkan.
Viele Menschen kamen aus den Gebieten Italiens und das Vorhaben, sowie diese Länder waren ihnen fremd.
Verschiedene Gruppen wandten sich ab, aber wegen der geringen Zahl wurden sie von den römischen Heeren vernichtet. Niemand wurde am Leben gelassen, es sollte ein Fanal sein. Gefangene machte Rom nicht.
Der größte Teil der Menschenmenge blieb jedoch bei Spartacus, der im Jahr 72 v.d.Ztw. die Römer nach Belieben schlug. Das brutale Vorgehen der Römer brachte ihm erneuten Zulauf. Rom selbst sah es nicht - ja, ich glaube, sie verstanden es nicht einmal, dass es das eigene Verhalten war, welches die Menschen, die am Rand der Gesellschaft standen, zu Spartacus trieb.
Spartacus zog nach Gallia Cisalpina (Das Gebiet Norditaliens und Istriens, damals eine römische Verwaltungsprovinz), besiegte dort erneut eine römische Streitmacht…und änderte plötzlich den gefassten Plan, die Alpen zu überqueren.
Die historischen Quellen schweigen sich darüber aus.
Warum er es tat, wissen wir nicht.
Dachte er an die Gefahren der Berge, an die Strapazen, die er Alten, Frauen und Kindern zumutete?
Verweigerten ihm Jene die Gefolgschaft, deren Heimat an den Füßen des Apennins lag, Menschen die aus dem Süden des Landes gekommen waren?
Die Antwort bleibt ungewiss.
Vielleicht plante er auch, Rom direkt anzugreifen.
Auch das wissen wir nicht.
Spartacus wandte sich erneut nach Süden.
Die Römer sahen es als direkte Bedrohung der Stadt Rom an und als auch das Heer (acht Legionen, somit etwa vierzig-bis fünfundvierzigtausend Berufssoldaten, je nach Ausstattung) unter Marcus Licinius Crassus immer wieder Niederlagen hinnehmen musste, wurden die beiden beste Strategen der damaligen Zeit herbeigeordert - Gnaeus Pompeus aus Spanien und Lucius Licinius Lucullus aus Makedonien (heute in etwa das nördliches Griechenland).
Spartacus erkannte die nun entstehende Gefahr und plante von Süditalien aus nach Sizilien überzusetzen.
Dass es dort dereinst einen Staat der Sklaven gegeben hatte, dürfte ihm durch Erzählungen bekannt gewesen sein. Allzu lange Zeit lag dieses nicht zurück.
Mit den Piraten, welche zu der damaligen Zeit die Küsten unsicher machten, hatte er vereinbart, dass sie die Schiffe zur Überfahrt bereitstellen sollten. Diese jedoch hintergingen ihn und verglichen sich mit den Römern.
Spartacus mit seinem Heer stand vergeblich wartend am Strand. Ausschauend, aber es kamen keine Schiffe.
In ihrer Verzweiflung begannen sie Flöße zu bauen, um nach Sizilien überzusetzen, als die vereinten Heere des Pompeuis und Lucullus eintrafen.
Spartacus blieben zwei Handlungsmöglichkeiten:
Nach Süden zu ziehen und bei der Meerenge (an der Straße nach Messina) eine Verteidigungsstellung aufzubauen oder nach Norden zu gehen und durch das römischen Heer durchzubrechen. Er entschied sich für Letzteres.
Ein ungewisser Versuch.
Zu beiden Seiten lag das Meer und vor ihnen standen die römischen Legionen, die zusätzlich einen breiten Graben ausgehoben hatten, der den Weg absperrte. Das Schlachten begann.
In ihrer Verzweiflung füllten die Menschen um Spartacus an einer etwas schwächer bewachten Stelle des Grabens eben diesen mit Pferdeleichen und den Körpern der Toten. Der Versuch gelang und große Teile seines Heeres brachen durch.
Auf der Strecke blieben Frauen, Kinder, Alte. Ein verzweifelter Kampf. Über diesen grausigen Weg schlugen sie sich durch das römische Heer und flohen zur Küste des Adriatischen Meeres. Erneut wollte man von dort über das Wasser setzen. Das Ziel schien Griechenland gewesen zu sein. Aber es kam erneut zu Streit um dieses Ziel und wieder lösten sich einzelne Gruppen von Spartacus.
Inzwischen war auch Crassus mit seinen Legionen eingetroffen und verfolgte die Hauptgruppe um Spartacus. Er wartete nicht auf Pompeius und griff das Heer des Spartacus in Apulien an (71.v.d.Ztw.). Der Kampf war erbittert, denn jeder wusste, dass es sein letzter Kampf sein würde.
Die Hoffnung schien aus den Herzen gewichen zu sein und auch Spartacus fiel in dieser Schlacht.
In Filmen stirbt Spartacus am Kreuz. Das tat er nicht. Er starb in der Schlacht, sein Leichnam ist verschwunden.
Und dennoch, bereits wenige Tage nach der Schlacht, säumte die Via Appia eine Allee von Gekreuzigten:
Sklaven.
Menschen die für ihre Freiheit kämpften.
Die Historiker nennen ihre Zahl: sechstausend Kreuze.
Sechstausend sterbende Menschen.
Ihnen gilt mein Respekt!
Warum scheiterte der Versuch in die Freiheit zu gelangen?
Es scheint, als lag es nicht an der Kraft des Aufstandes, sondern am Aufstand selbst.
Die Lebensumstände der Sklaven schienen ihnen keine Möglichkeit einer konkreten Zielsetzung zu geben. Zu subjektiv schienen die Ziele, oft auch egoistisch. Man wollte Freiheit und glaubte, dies irgendwo verwirklichen zu können, bedachte aber nicht die politische Dimension des Handelns. Innerhalb des römischen Staates lebten Sklaven isoliert und die so genannten freien Menschen verachteten sie.
Alle Sklavenaufstände der Antike zerbrachen letztendlich an einem:
Der fehlenden Perspektive, ja man kann fast sagen, am Fehlen einer Ideologie. Heldenmut ist zielgerichtet gut, -wenn es denn ein Ziel und eine Planung gibt.
Und dennoch:
Ich bewundere den Mut der Menschen, die alles gaben, um in Freiheit zu leben.
Abschließend zitiere ich, was der russische Historiker Sergei Leonid Uttschenko 1969 schrieb (Drevni Rim, S. 66/67), eben zu diesem Aufstand des Spartacus:
(…)Aber wir sehen hier „ den großen und edlen Versuch einer unterdrückten Klasse, gegen ihre Unterdrücker aufzustehen, gegen ein System anzukämpfen, das die Freiheit des Menschen unterdrückt, ihn in ein rechtloses Wesen, eine Sache, ein sprechendes Werkzeug verwandelte. In diesem spontanen Durchbruch der Freiheit liegt die ewige und unvergängliche Bedeutung des Aufstands des Spartakus, das Geheimnis des dankbaren Gedenkens der Nachgeborenen bis in unsere Tage.“(…)
Freiheit?
Ach, eine hehres Wort und für viele Menschen ein Traum, gerade in der damaligen Zeit.
Wir bleiben noch ein wenig in Rom.
Nicht in der Stadt, sondern in dem Weltreich; wir springen ein wenig in der Zeit und begeben uns in den Nahen Osten. Vor uns liegt ein Bergmassiv, ein Bollwerk in der damaligen Zeit. Es ist eine Bergfestung, etwa einhundert Meter hoch, gelegen am südlichen Ende des Toten Meeres, in einer Gegend die man Palästina nennt. Die Festung nennt sich Masada, abgeleitet vom jüdischen Wort Mezadá, welches „Festung“ bedeutet. Das klingt nicht spektakulär,es beschreibt nur den Ort, ein flaches Hochplateau, welches nur über drei Saumpfade erreichbar war.
Spektakulär ist das Ereignis, dem wir uns nun zuwendenden.
Etwa um das Jahr 66 n.d.Ztw. kam es zum jüdischen Aufstand gegen die römischen Besatzungstruppen. Eine Gruppe Aufständischer, sich selbst Sikarier nennend (abgeleitet von der bevorzugten Waffe, dem Sica, einen Dolch) nahm die römische Garnison von Masada ein. Sie errichteten auf der Bergebene Häuser, eine Synagoge, Wohnhöhlen, ja einen kleinen Ort. Immer mehr Menschen strömten ihnen zu, besonders, nachdem Kaiser Titus im Jahr 70 den Tempel in Jerusalem zerstörte.
Dieses Widerstandsnestes wollten sich die Römer entledigen und so belagerten - im Jahr 73/74 n.d.Ztw. unter dem Feldherren Flavius Silva – etwa viertausend Römer den Berg. Sie zogen eine Mauer um den Berg, errichteten Kastelle und schütteten eine Rampe zur Belagerung auf.
Masada, kommandiert von Eleazar ben-Ya'ir, fiel…
Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen Masada…
Zögern Sie nicht, denn dort warte jemand auf Sie: Esther…
Esther
Der Fall von Masada
„Mutter… Brot… “.
Das Mädchen zog am Umhang der hageren Frau, die auf einem Stein saß und sah sie aus eingefallenen Augenhöhlen an.
Die Mutter starrte ins Nichts.
Brot will sie…Brot…? Woher nur? Die Mutter wischte sich fahrig mit der Hand über die Stirn. Es gab kein Brot mehr. Es gab nicht einmal mehr irgendeinen Grashalm, der auf der windigen Ebene wuchs.
Alles hatten sie schon gegessen. Um den ärgsten Hunger zu bekämpfen hatte man die Sandalen ausgekocht und kaute auf dem zähen Leder.
„Ich habe kein Brot, Esther“, presste die Mutter matt hervor, nein, es war eher ein Flüstern. Zitternd strich sie dem Kind über das staubige Haar und kaum mehr spürte sie den Zug der kleinen Hand an ihrem Kleid. Wieder wanderte ihr Blick über die Ebene.
Wie lange waren sie schon hier?
Sie wusste es nicht, aber sie wusste, dass es richtig war, hierher zu gehen. Ganz gleich, wie das Ende auch sein mochte.
Sie hörte den Lärm der Belagerungsmaschinen kaum noch. Nur ein dumpfes Grollen ertönte und ab und zu schlug ein Felsbrocken irgendwo ein.
Gestern waren die ersten römischen Speere über die Befestigungsanlage geflogen.
Nah waren sie, sehr nah und Hiram hatte ihr gesagt, dass die Römer im Tal Kreuze aufrichten würden. Ein Wald des Todes und wer die Blätter daran sein würden, war auch schon bestimmt. Sie, sie alle hier, die einen verzweifelten Kampf fochten!
Es würde keinen Sieg geben und doch! Jeder Lidschlag, den sie hier oben länger ausharrten, war ein Sieg. Sie, die sich auf den Festungsberg zurückgezogen hatten, den Herodes einst ausbauen ließ.
Nein, es gab auch für die Römer keinen Sieg.
Natürlich würden die Wälle brechen, aber ist es ein Sieg, wenn die Weltmacht Rom verzweifelt gegen einen Berg anrennen muss, der sich als Bollwerk zeigt?
Ihre eigene Bewaffnung war schlecht und unbewusst griff sie den Knüppel fester, den man ihr als Waffe gegeben hatte.
Ein Knüppel gegen Schwerter.
Schleudern gegen Bögen.
Speere gegen Belagerungsmaschinen.
Ein ungleicher Kampf.
Sie mussten verlieren, das war sicher, aber die Niederlage war auch ein Sieg. Ein Zeichen an die freien Völker und die Sklaven, das Rom zwar die Welt beherrschte, aber kein Herr war, sondern nur ein plündernder Tyrann. Sie achteten nichts, nicht einmal den Glauben anderer Menschen. Römer, mit ihrem Kaiser, der sich einem Gott gleich dünkte.
Sie zerstörten die heiligen Städte und die Hufe ihrer Pferde galoppierten durch die heiligen Hallen und machten sie zum Viehstall. Der Tempel in Jerusalem war nur noch eine Ruine.
Verächtlich spuckte sie aus.
Nein, sie versuchte es, denn der Gaumen war verdorrt und die Zunge war mit dem Gaumen eins geworden.
Mühsam erhob sie sich und noch immer hielt sich Esther an ihrem Rock fest.
Die Sonne war hoch gestiegen und die Hitze ließ das Licht über den Boden flirren.
Dort drüben stand Eleazar.
Ihm war sie gefolgt. Und es war gut, ihm zu folgen.
Er stand allein und hatte seine Hände vor das Gesicht geschlagen. Das Haupt gesenkt und den Rücken der Sonne zugewandt. Er hatte nicht mehr den aufrechten Stand, wie damals, als sie in die Festung geflüchtet waren.
Seine Schultern waren gebeugt und dennoch, die Kraft, die ihn beseelte, wenn man in seine Augen sah, ließen die Kraft auf Jeden überspringen, den sein Blick streifte.
Zögernd ging sie zu ihm und er ließ die Hände kraftlos sinken. Er war einer der wenigen Männer die ein Schwert besaßen und es lag vor ihm auf den Boden. Dolche besaßen sie, ja, aber kaum jemand hatte ein Schwert.
„Es ist heiß heute“…
Seine Stimme klang ruhig. Eine dunkle Stimme, tief, als käme sie aus dem Inneren der Erde und zugleich kraftvoll. Hier stand ein Mann, der würde sich vielleicht beugen, aber er würde niemals knien.
Sie nickte, denn die Trockenheit im Mund ließ sie nur noch summen.
Er lächelte leicht und sein Blick blieb auf dem Kind ruhen, wobei er sogleich den linken Arm zeigend hob:
„Geh mit ihr in die Grotte. Komm nicht heraus. Erzähle der Welt, was hier geschah. Ich kann es nicht mehr.“
Erschrocken sah sie auf und er deutete ihren Blick richtig.
„Ja, heute ist es soweit. Heute. Nicht mehr lange. Geh!“
Sie schlug die Augen nieder und langsamen Schrittes wandte sie sich der Grotte zu, die etwas unterhalb eines Felsens lag.
Kühl war es hier. Sie zog Esther an sich und drückte dem Kind die Ohren zu, damit sie die Schreie nicht hören konnte.
Jetzt…
Jetzt war es soweit.
Die Mauer brach und es würde nicht mehr lange dauern, dann würden die römischen Schnitter ihre blutige Ernte einbringen wollen.
Doch sie wusste, dass diese Schreie nicht von den Römern ausgelöst worden waren.
Sie wusste es, doch das Kind wusste es nicht.
Sie wusste, was draußen geschah und ihr Körper verkrampfte sich, tränenlos zu Stein….
Anmerkung:
Im Jahr 73 n.d.Ztw. fiel Masada. Tausende römischer Soldaten hatten die Festung belagert.
973 Sikarier hatten sie gehalten, so lange es ihnen möglich war. Als die Römer die Festung betraten, sahen sie dies:
Statt sich zu ergeben, hatten sich die Sikarier selbst getötet, um der Sklaverei zu entgehen und ein Fanal der Freiheit zu sein. Der Überlieferung nach haben nur einige Frauen und Kinder das Ende Masadas überlebt. Eines der Kinder hieß vielleicht Esther.
Denkt an sie…
Das Schreien verstummte und der Staub senkte sich auf die Felsen.
Wie durch Nebel tastete sich Esther an den rauen Steinen entlang ins Freie und sah in das blendende Licht der Sonne.
Eine Hand packte sie und sie schaute auf das metallene Schimmern eines Brustpanzers.
„Hier ist noch ein Balg!“ rief der Legionär und ein Zweiter kam zu ihm.
„Seid ihr doch noch nicht alle verreckt?“ fragte er mit einem feststellenden Grinsen und spuckte vor dem Kind in den Staub.
„Sind noch mehr hier?“
Der Soldat schüttelte das Mädchen und Esther begann zu weinen.
Sie verstand es nicht. Sie sah nur Menschen auf dem Boden liegen, verkrümmt und blutend.
Soldaten untersuchten sie, wobei ab und zu etwas eingesteckt wurde.
„Rede!“
Eine Ohrfeige traf sie.
Sie wollte reden, aber sie konnte es nicht. Das Grauen schnürte ihre Kehle zu und die geschwollene Zunge drückte gegen den Gaumen. Undeutliche Laute entfuhren ihr.
Erneut traf sie die Hand im Gesicht.
„Lass das Balg“, sagte der dazugekommene Soldat und ging, sich duckend, in die kleine Grotte, in der Esther sich verborgen hatte.
„Hier sind noch einige von denen“, hallte es nach kurzer Zeit aus dem Hohlraum und verängstigte Frauen und Kinder wurden mit dem Schwert aus dem Versteck getrieben.
„Bring sie zum Zenturio“, wies ihn der Mann an, der Esther nun losließ und ihr einen Tritt gab. Das Mädchen taumelte und fiel in den Staub. Eine der Frauen, die man heraus getrieben hatte, half ihr auf und reichte ihr dabei stützend die Hand.
Esther sah auf und erkannt Rahel, die alte Weberin, die einst in der gleichen Gasse wie sie gewohnt hatten.
„Komm Kind“, sagte die Frau und verstärkte den Druck der Hand, um das Kind folgen zu lassen.
„Die hier haben wir noch gefunden“, sagte der Legionär, als sie den Zenturio erreichten und deutete auf die kleine Gruppe, derweil sich der Offizier eine Schale Wasser über sein Gesicht goss.
Wasser!
Wie gerne hätte sie einen Schluck davon bekommen und wie von selbst hob sich ihre bittende Hand. Der Zenturio schlug darauf.
„Dann wollen wir doch einmal sehen, was wir da haben.“
Er trat zu Rahel und riss ihr das Tuch herunter.
„Zu hässlich. Die alte Vettel bringt auf dem Markt nichts mehr. Vielleicht sollten wir sie gleich hier von ihrem Berg werfen. Die frisst nur unser Brot.“
Er beugte sich zu Esther und eine grobe Hand strich ihr sanft durch das Gesicht, während sie zum Staub nieder schaute.
„Schau mich doch einmal an“, sagte eine freundlich klingende Stimme und die Hand wanderte vom Gesicht über die Schulter, während der Zenturio mit der anderen Hand das Kinn anhob.
„Möchtest du mit mir kommen?“ lächelte er und der Zeigfinger malte in ihrem Gesicht die Konturen nach.
Esther erstarrte.
Was wollte dieser Mann?
„Wasser für die Kleine“, befahl der Zenturio und zog Esther ein wenig abseits, wobei er dann auf die Knie glitt.
„Du wirst es gut bei mir haben, du musst nur lieb zu mir sein“, flüsterte er, als sein Gesicht sich dem ihren näherte und er zugleich den kleinen Krug nahm, den ein Diener ihm eilends reichte.
„Trink. Aber trinke langsam.“
Zögernd griff Esther nach dem Wasser und benetzte die Lippen, während sie zugleich den Atem des Mannes roch, der immer noch vor ihr kniete.
Das Wasser kühlte die rissigen Lippen und die Kühle des Nasses umspülte die geschwollene Zunge.
Der Mann sah sie währenddessen an und immer wieder strich seine Hand durch das schmutzige, sandstaubige Haar.
Der Zenturio richtete sich auf.
„Mein Pferd!“ schrie er und von der Sanftheit der vorherigen Sekunden lag nichts mehr in seiner Stimme.
Ein Trossknecht brachte es ihm. Er ergriff Esther und sogleich sprangen sie in den Sattel, wobei er sie vor sich drückte.
Das Pferd bewegte sich langsam, ging Schritt und erneut fragte er:
„Wie heißt du?“
„Esther“, presste das Kind nun undeutlich hervor und sah schräg unter das Kinn des Mannes.