Die Apfelgöttin Idun - Harry Eilenstein - E-Book

Die Apfelgöttin Idun E-Book

Harry Eilenstein

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Beschreibung

Die Reihe Die achtzigbändige Reihe "Die Götter der Germanen" stellt die Gottheiten und jeden Aspekt der Religion der Germanen anhand der schriftlichen Überlieferung und der archäologischen Funde detailliert dar. Dabei werden zu jeder Gottheit und zu jedem Thema außer den germanischen Quellen auch die Zusammenhänge zu den anderen indogermanischen Religionen dargestellt und, wenn möglich, deren Wurzeln in der Jungsteinzeit und Altsteinzeit. Daneben werden auch jeweils Möglichkeiten gezeigt, was eine solche alte Religion für die heutige Zeit bedeuten kann - schließlich ist eine Religion zu einem großen Teil stets der Versuch, die Welt und die Möglichkeiten der Menschen in ihr zu beschreiben. Das Buch Die Apfelgöttin ist bei den West-Indogermanen (Kelten, Römer, Germanen, Slawen, Balten) und bei den Griechen eine Form der Jenseitsgöttin gewesen, die statt durch ihre Milch oder durch den Göttermet durch ihre Äpfel die Wiedergeburt bzw. die ewige Jugend im Jenseits gibt. Sie hat einst mit ihren goldenen "Sonnen-Äpfeln" insbesondere den jeweiligen Sonnengott-Göttervater (Tyr, Zeus, Jupiter usw.) am Morgen bzw. im Frühjahr wieder zum Leben erweckt. Wie sehr viele Dinge, die ursprünglich den Toten im Jenseits helfen sollten, sind auch die Äpfel zu einer Ursache des Tods umgedeutet worden - zu den "Hel-Äpfeln". Die "Äpfel des Lebens" finden sich später im Märchen in Frau Holles Garten wieder, während die "Äpfel des Todes" von der bösen Königin Schneewittchen gereicht werden.

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Seitenzahl: 207

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Die Entwicklung der germanischen ReligionLexikon der germanischen ReligionDer ursprüngliche Göttervater TyrTyr in der Unterwelt: der Schmied WielandTyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 1Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 2Tyr in der Unterwelt: der ZwergenkönigDer Himmelswächter HeimdallDer Sommergott BaldurDer Meeresgott: Ägir, Hler und NjördDer Eibengott UllrDie Zwillingsgötter AlcisDer neue Göttervater Odin Teil 1Der neue Göttervater Odin Teil 2Der Fruchtbarkeitsgott FreyrDer Chaos-Gott LokiDer Donnergott ThorDer Priestergott HönirDie GöttersöhneDie unbekannteren GötterDie Göttermutter FriggDie Liebesgöttin: Freya und MenglödDie ErdgöttinnenDie Korngöttin SifDie Apfel-Göttin IdunDie Hügelgrab-Jenseitsgöttin HelDie Meeres-Jenseitsgöttin RanDie unbekannteren JenseitsgöttinnenDie unbekannteren GöttinnenDie NornenDie WalkürenDie ZwergeDer Urriese YmirDie RiesenDie RiesinnenMythologische WesenMythologische Priester und PriesterinnenSigurd/SiegfriedHelden und GöttersöhneDie Symbolik der Vögel und InsektenDie Symbolik der Schlangen, Drachen und UngeheuerDie Symbolik der HerdentiereDie Symbolik der RaubtiereDie Symbolik der Wassertiere und sonstigen TiereDie Symbolik der PflanzenDie Symbolik der FarbenDie Symbolik der ZahlenDie Symbolik von Sonne, Mond und SternenDas JenseitsSeelenvogel, Utiseta und EinweihungWiederzeugung und WiedergeburtElemente der KosmologieDer WeltenbaumDie Symbolik der Himmelsrichtungen und der JahreszeitenMythologische MotiveDer TempelDie Einrichtung des TempelsPriesterin – Seherin – Zauberin – HexePriester – Seher – ZaubererRituelle Kleidung und SchmuckSkalden und SkaldinnenKriegerinnen und Ekstase-KriegerDie Symbolik der KörperteileMagie und RitualGestaltwandlungenMagische WaffenMagische Werkzeuge und GegenständeZaubersprücheGöttermetZaubertränkeTräume, Omen und OrakelRunenSozial-religiöse RitualeWeisheiten und SprichworteKenningarRätselDie vollständige Edda des Snorri SturlusonFrühe SkaldenliederMythologische SagasHymnen an die germanischen Götter

Inhaltsverzeichnis

Die Göttin Idun in der germanischen Überlieferung

I 1. Der Name der Göttin Idun

I 2. Idun in der Prosa-Edda

I 2. a) Skaldskaparmal

I 2. b) Skaldskaparmal

I 2. c) Skaldskaparmal

I 3. Idun-Kenningar

I 4. Idun in der Lieder-Edda

I 4. a) Ögisdrecka

I 4. b) Odins Rabenzauber

I 5. Idun in den frühen Skaldenliedern

I 5. a) Haustlöng

I 6. Der Raub der Idun

I 7. Idun und Loki

I 8. Idun im Süden

I 9. Die Sippe der Idun

I 10. Iduns Verhältnis zu Freya, Frigg und Hel

I 11. Die Symbolik der Äpfel

I 11. a) Skirnir-Lied

I 11. b) Neunkräuter-Zauberspruch

I 11. c) Völsungen-Saga

I 11. d) Thidrek-Saga

I 11. e) Die Saga über Thorstein Haus-Macht

I 11. f) Die Saga über Yngvar den Fern-Fahrenden

I 11. g) Heidarviga-Saga

I 11. h) Jomsvikinga-Saga

I 12. Die Symbolik der Haselnüsse

I 12. a) Die Saga über Bosi und Herraud

I 12. b) Das Lied des Skalden Hallvadr

I 12. c) Egil-Saga

I 12. d) Die Sagen der Gebrüder Grimm: Die Nußkerne

I 12. e) Brauchtum

I 13. Zusammenfassung

Idun in der indogermanischen Überlieferung

II 1. Die Äpfel in der indogermanischen Überlieferung

II 1. a) Die Äpfel bei den Kelten

Gedicht des Apfelbaumgartens

Vita Merlini

Die Geburt des Sonnengottes Lugh

II 1. b) Die Äpfel bei den Slawen

II 1. c) Die Äpfel bei den Persern

II 1. d) Die Äpfel bei den Griechen

II 1. e) Zusammenfassung

II 2. Die Haselnüsse in der indogermanischen Überlieferung

II 2. a) Der Hasel bei den Kelten

Die Geschichte des Königs Cormac mac Art

Callirus

II 2. b) Der Hasel bei den Römern

II 2. c) Der Hasel bei den Balten

II 3. Die Apfelgöttin bei den Indogermanen

II 3. a) Die Apfelgöttin bei den Kelten

II 3. b) Die Apfelgöttin bei den Römern

II 3. c) Die Apfelgöttin bei den Germanen

II 3. d) Die Haselnußgöttin bei den Balten

II 3. e) Die Apfelgöttin bei den Slawen

II 3. f) Die Apfelgöttin bei den Griechen

II 3. g) Zusammenfassung

Idun in der Jungsteinzeit

III 1. Die Äpfel in der Jungsteinzeit

III 1. a) Die Äpfel bei den Sumerern

III 1. b) Die Äpfel bei den Semiten

III 1. c) Die Herkunft des Apfels

III 2. Der Hasel in der Jungsteinzeit

III 3. Die Apfelgöttin in der Jungsteinzeit

Idun in der Altsteinzeit

IV 1. Der Hasel in der Altsteinzeit

Die Biographie der Idun

Das Aussehen der Idun

Zugang zu Idun

Traumreise zu Idun

Hymnen an Idun

Gebet an Idun

Idun und Bragi

Anrufung der Idun

Idun heute

Themenverzeichnis

I Die Göttin Idun in der germanischen Überlieferung

I 1. Der Name der Göttin Idun

Der Name der germanischen Göttin, der in den Originaltexten „Iðunn“ geschrieben wird, findet sich in den Umschreibungen mit lateinischen Buchstaben als „Idun“, „Idunn“ oder „Ithun“. Manchmal wird an diesen Namen auch noch das Feminin-Suffix „-a“ angehängt, sodaß der Name dann „Iduna“ oder „Idunna“ lautet.

Der Name der Göttin Idun leitet sich von dem germanischen Adverb „idura“ für „wieder, nochmal“ ab und bedeutet wörtlich die „Wiederkehrende“ und im übertragenden Sinne die „Sich-verjüngende“, die „Verjüngende“ oder die „Ewig-Junge“.

Das germanische Wort „idura“ ist z.B. mit dem lateinischen „iterum“ mit derselben Bedeutung verwandt. Die Herkunft des lateinischen „iterum“ zeigt sich in seiner engen Verwandtschaft mit dem Verb/Substantiv „iter“ für „gehen, Weg“. „Iterum“ ist sozusagen das, was auf dem Weg, auf dem es fortgegangen ist, auch wieder zurückkehrt.

Diese Etymologie von „idura/iterum/iter“ findet sich in sehr vielen indogermanischen Sprachen. Diese Worte gehen über das indogermanische Substantiv „heitr“ für „Weg, Straße“ auf das indogermanische Verb „hei“ für „gehen“ zurück.

Es findet sich im Germanischen zwar noch das von indogermanisch „hei“ abstammende „eii“ für „gehen“, aber es ist aufgrund seiner sich deutlich von „Idun“ unterscheidenden Form sehr unwahrscheinlich, daß „eii“ und „Idun“ noch als verwandt erkannt worden sind. Daher wird „Idun“ sicherlich nicht „die zu dem Weg Gehörende“ oder „die Wanderin“ bedeuten.

Der Name „Idun“ erscheint in dem isländischen „Landnamabok“ zweimal als Frauenname aus der Zeit zwischen 900n.Chr. und 1000 n.Chr.

„Idun“ hat sich im Altenglischen zu „Idonae“ weiterentwickelt.

Im Altsächsischen ist „Idis“ eine Göttin und im Althochdeutschen wird eine vornehme Frau manchmal als als „Itisand“ bezeichnet. In den Merseburger Zaubersprüchen sind die „Idisi“ ebenfalls als Göttinnen erkennbar. Im Beowulf-Epos wird die Mutter des Riesen Grendel (Tyr), also die Jenseitsgöttin, „Ides“ genannt. In der Schlacht zwischen Arminius und Germanicus um 16 n.Chr. wird ein Ort mit dem Namen Idisiaviso („Ebene der Idisi“) erwähnt.

Diese „Idis“ bzw. diese „Idisi“ sind vermutlich eine Variante der „Disen“, die die Femininform zu „Diar“ („Tyr-Priester“) und „Tyr“ sind – alle drei Namen gehen letztlich auf den indogermanischen Namen „Dhyaus“ für den Sonnengott-Göttervater zurück, der dann später unter den Namen „Deus“, „Tyr“, „Zeus“ usw. erscheint.

Der Name „Idun“ hat zwar ein wenig Ähnlichkeit mit „Idis“, aber es gibt keine plausible Herleitung des Namens „Idun“ aus „Dis“: Der Wandel von „Dis“ über „Idis“ zu „Idun“ ist kaum erklärbar, auch wenn die germanische Femininin-Singular-Genitiv-Endung „-os, -is, -as“ lautet und die Femininin-Plural-Genitiv-Endung „-än, -äno, -un“ lautet. Da das „is“ in „Dis“ zur Stammsilbe gehört und keine Endung ist, kann es auch nicht im Plural zu „-un“ werden.

Die einzige Möglichkeit wäre, daß bereits von den Germanen das Wort „Dis“ nicht mehr verstanden worden und das „is“ für eine Gentiv-Singular-Endung gehalten worden ist. Dann würde sich jedoch die Frage stellen, warum ein Plural zu dem Eigennamen einer Göttin geworden ist. Das wäre nur dann erklärbar, wenn auch die Pluralform schon so alt wäre, daß sie nicht mehr als solche erkannt worden ist, sondern für einen Eigennamen gehalten worden ist.

Es ist somit zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich, daß „Idun“ und „Idis, Dis“ ursprünglich miteinander identisch gewesen sind und einfach „Göttin“ bedeutet haben.

„Idun“ wäre dann die Feminin-Entsprechung zu „Tyr, Diar“. In derselben Weise entspricht z.B. im Lateinischen die Feminin-Form „dea“ der Maskulin-Form „deus“. Die Maskulin-Formen sind auf jeden die älteren Formen und gehen auf den Namen des indogermanischen Sonnengott-Göttervater Dhyaus zurück.

eine mögliche Herkunft des Namens „Idun“

Sprache

Gottheit

Göttervater

=> abgeleitete weibliche Form

indogermanisch

Dhyaus phater, Deiuos

Diuih

germanisch

Tyr, Diar

Dis, Idis (= Idun?)

lithauisch

Dievas, Tevs

lateinisch

Jupiter, Deus

Dea, Dia

griechisch

Zeus pater

Dia

illyrisch

Dei patrous

phrygisch

Ties

indisch

Dhyaus pita, Deva

Devi

I 2. Idun in der Prosa-Edda

Um ca. 1.200 n.Chr. wurden die germanischen Mythen in Island u.a. durch den Politiker, Forscher, Reisenden und Skalden (Dichter) Snorri Sturluson („Snorri, Sohn des Sturluson“) niedergeschrieben. Snorris Werk „Edda“ („Sammlung“) stellt ein Lehrbuch für Skalden mit mythologisch-historischem Hintergrund dar.

Zur Unterscheidung von der Sammlung von Götter- und Helden-Liedern wird Snorris Skalden-Lehrbuch auch „Prosa-Edda“ und die Liedersammlung „Lieder-Edda“ genannt.

I 2. a) Skaldskaparmal

In den Listen über die Kenningar (Umschreibungen), die Snorri in der Edda aufführt, wird Idun in einer Göttinnen-Liste aufgeführt:

Da kamen zunächst Odin und Njörd, Tyr, Bragi, Vidar, Loki; und ebenso die Asinnen: Frigg, Freya, Gefjun, Skadi, Idun, Sif. Thor war nicht dort, da er in die östlichen Länder gezogen war, um Trolle zu töten.

I 2. b) Skaldskaparmal

In der Skaldskaparmal in der Edda wird die Göttin Idun an zwei Stellen beschrieben. An der ersten dieser beiden Stellen wird die Asin nur allgemein dargestellt:

(Da sprach Har:) „Ein anderer Ase heißt Bragi. Er ist berühmt durch Beredsamkeit und Wortfertigkeit und sehr geschickt in der Skaldenkunst, die nach ihm Bragur genannt wird, so wie auch diejenigen nach seinem Namen Bragurleute heißen, die redefertiger sind als andere Männer und Frauen.

Seine Frau heißt Idun: Sie verwahrt in einem Gefäß die Äpfel, welche die Götter genießen sollen, wenn sie altern; denn sie werden alle jung davon, und das mag währen bis zur Götterdämmerung.“

Da sprach Gangleri: „Mich dünkt, die Götter haben der Treue und Sorgsamkeit Iduns große Dinge anvertraut.“

Da sprach Har und lächelte: „Beinahe wäre es einstmals schlimm damit ergangen: ich könnte Dir davon wohl erzählen; aber Du sollst erst die Namen der anderen Asen hören.“

Hier wird schon die wesentliche Funktion der Göttin Idun innerhalb der germanischen Mythologie dargestellt: Sie sorgt durch ihre Äpfel für die Unsterblichkeit der Götter.

Zusammen mit dieser Aufgabe erscheint es wahrscheinlich, daß der Name der Göttin, der wörtlich in etwa „die Wiederkehrende“ bedeutet, als „die, die die Götter verjüngt“ aufzufassen ist. Das, was „wiederkehrt“, ist die Jugend der Götter.

Das in dem Text genannte „Gefäß“, in dem Idun ihre Äpfel aufbewahrt, heißt im Original „Eski“. Dieses Wort bezeichnet eine Kiste aus Eschenholz, wie sie oft von den Germanen für persönliche Gegenstände benutzt wurde.

Idun ist die Frau des Dichter-Gottes Bragi. Dieser Ase ist sehr wahrscheinlich die Vergöttlichung des Skalden Bragi Boddason ist, der zwischen 800 n.Chr. und 900 n.Chr. gelebt hat und die höfische Dichtung der Nordgermanen begründet hat. Daraus ergibt sich, daß das Paar Idun und Bragi nicht sehr alt sein kann und allerhöchstens bis um 1000 n.Chr. zurückreicht. Als Gott wird Bragi erst ab 1200 n.Chr. erwähnt, was aber nicht bedeutet, daß er nicht schon vorher als Gott angesehen wurde.

„Har“ bedeutet „der Hohe“ und ist eine Kenning für „Odin“. „Gangleri“ bedeutet „der vom Gehen müde“ und ist ein Tarnname des schwedischen Königs Gylfi, der in einer Vision diese Gespräche mit den Asen führt.

Zum einen war um 1200 n.Chr. in ganz Europa die Visionsliteratur sehr beliebt; zum anderen zeigen aber einige Randbemerkungen vor allem in den Isländersagas, daß die germanischen Seher und Seherinnen durchaus zu wirklichen Visionen in Traumreisen (innere Bilder) und evtl. auch in Astralreisen (Verlassen des eigenen Körpers) in der Lage waren.

Zu dieser Art von Bemerkungen zählt z.B. die Erwähnung eines tiefen Atemzuges eines Ritualleiters nach dem Ende der Beschwörung von drei Toten, die in der der Saga über Thrond von Gate berichtet wird. Solche tiefen Atemzüge sind zu Beginn und am am Ende von Visionen sehr typisch. Auch über Odin wird in der „Heimskringla“ sehr realistisch eine Astralreise berichtet. Dies zeigt, daß diese Visionsberichte nicht nur literarische Werke sind, sondern durchaus auch reale Visionen enthalten können.

I 2. c) Skaldskaparmal

Entgegen der Ankündigung des Asen Har kommt er nicht wieder auf Idun zu sprechen. Jedoch berichtet in dem nächsten Teil der Edda der Zauberer Ägir von einer Vision, in der ihm der Ase Bragi einiges über Idun erzählt. Der Zauberer Ägir wohnte auf der Insel Hlesey, die die nördlichste Insel zwischen Dänemark und Schweden im Kattegat ist.

Der Name „Hlesey“ bedeutet „Insel des Hler“. Da in der keltischen Religion der Meeresgott „Lir“ heißt und dieser Gott bei den Germanen den Namen „Ägir“ trägt, wird mit dem „Hler“, dem die Insel gehört, wohl der Zauberer Ägir gemeint sein. Ägir und seine Frau Ran waren auch Unterweltsgottheiten und wurden als Riesen angesehen. Auch die Jenseitsgöttin Hel war eine Riesin. Da die Riesen aus einer Umdeutung der Ahnen aus der frühesten Zeit entstanden sind, hat es den Anschein, als ob sich der Totengott Ägir in der Unterwelt mit dem Dichtergott Bragi unterhalten würde.

Ursprünglich sind Ägir, Hler und auch Gymir der ehemalige Sonnengott-Göttervater Tyr in der nächtlichen bzw. winterlichen Wasserunterwelt gewesen.

Solche Umdeutungen von Gottheiten in konkrete Menschen entsprach der um 1200 n.Chr. geläufigen Auffassung von den heidnischen Göttern als „großen Menschen“ der Vorzeit. Dem entspricht, daß auch die Visionen selber als „unecht“ und als magische Täuschung („Blendwerk“) durch die als zauberkundige Menschen aufgefaßten Götter angesehen wurden.

Die Insel, auf der Ägir wohnt, ist das Jenseits. Solche Inseln erscheinen mehrfach in der Edda: der Fenriswolf wird auf einer Insel gefangengehalten, Wieland der Schmied wird auf einer Insel gefangengehalten und möglicherweise ist der tote Baldur auf seinem Schiff zu solch einer Insel unterwegs. Die heutzutage bekannteste aller Jenseits-Inseln, die im Westen im Meer liegt, da dort die Sonne durch den Eingang in die Unterwelt das Jenseits betritt, ist sicherlich Atlantis.

Ein Mann heißt Ägir oder Hler; er bewohnte das Eiland, das nun Hlesey heißt, und war sehr zauberkundig. Er unternahm eine Reise nach Asgard; und als die Asen von seiner Fahrt erfuhren, wurde er wohl empfangen, jedoch mit allerlei Sinnestäuschungen.

Und am Abend, als das Trinken beginnen sollte, ließ Odin Schwerter in die Halle tragen, die waren so glänzend, daß ein Schein davon ausging und es keiner andern Beleuchtung bedurfte, während man aß und trank.

Das Strahlen von Schwertern wird auch an anderen Stellen in der Edda berichtet. So läuft z.B. an Sigurds/Siegfrieds Schwert Gram, nachdem es fertig geschmiedet worden war, Feuer die Schneiden entlang. Dieses Schwert wurde ursprünglich von Odin Sigurds Vater Sigmund gegeben. Andere Schwerter waren mit dem Drachen assoziiert wie z.B. das Schwert des Grendel (Tyr im Jenseits). Auch das Schwert des Surtur strahlt wie die Sonne.

Das Urbild für diese leuchtende Schwertern ist das Sonnenschwert des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr gewesen sein. Das während seinem abendlichen bzw. winterlichen Aufenthalt in der Unterwelt neugeschmiedete Schwert, das am Abend bzw. im Herbst zerbrochen war, leuchtete am Morgen/Frühling genauso wie Tyr selber, da nicht nur die Rückkehr des Gottes Tyr, sondern auch die seines neugeschmiedeten Schwertes dem Sonnenaufgang verglichen wurde.

Der Gott Odin, der während der Völkerwanderungszeit anstelle von Tyr zum Göttervater geworden war, hat dabei fast die gesamte Symbolik des Tyr übernommen, zu der auch das leuchtende Schwert des Schwertgott-Göttervaters Tyr gehörte – das er allerdings nur noch zur Beleuchtung seiner Halle benutzt …

Da kamen die Asen zu ihrem Gelage und zwölf der Asen, die da zu Richtern bestellt waren und setzten sich auf ihre Hochsitze. Dies sind ihre Namen: Thor, Niörd, Freyr, Tyr, Heimdall, Bragi, Widar, Wali, Ullr, Hönir, Forseti, Loki. Desgleichen heißen die Asinnen: Frigg, Freyja, Gefion, Idun, Gerd, Sigyn, Fulla, Nanna.

Diese Zwölfzahl entspricht wohl den zwölf Tierkreiszeichen. Sie findet sich auch bei den mehrfach vorkommenden Gruppen von zwölf Berserkern, den zwölf Flüssen, die aus der Quelle Hvergelmir zwischen den Wurzeln des Weltenbaumes Yggdrasil entspringen, den zwölfstrahligen Sonnen auf den frühen Runensteinen usw.

Diese Zwölfergruppe scheint ein altes Motiv zu sein, da es sich z.B. auch bei den Griechen finden, auf deren Olymp stets eine Zwölfergruppe von Göttern wohnte.

Ägir schien alles herrlich, was er sah. Alle Wände waren mit schönen Schilden bedeckt, da war auch kräftiger Met und des Trankes genug.

Mit diesen Schilden könnten die Prunkschilde gemeint sein, auf denen mythologische Szenen oder Heldentaten dargestellt wurden. Sie werden in einigen der frühen Skaldenlieder beschrieben. Man wird nicht allzu falsch liegen, wenn man sich auf diesen Schilden in der Halle der Asen Bilder aus den Mythen der dort versammelten Götter vorstellt.

Es wird zwar in dem Text nicht berichtet, daß Bragi den Ägir während seiner Erzählungen auf diese Bilder auf den Schilden verweist, aber man kann wohl zumindestens davon ausgehen, daß die Erwähnung eines solchen Hinweises einen der damaligen Germanen nicht verwundert hätte, da es sogar Lieder über solche Schilde gegeben hat.

Als Ägirs Nachbar saß Bragi, und während sie tranken, tauschten sie Gespräche. Da sagte Bragi dem Ägir von manchen Geschichten, die sich vordem bei den Asen zugetragen hatten.

Er begann seine Erzählung damit, daß drei Asen auszogen: Odin, Loki und Hönir.

Auch in der Mythe/Sage „Die Niflungen und die Giukungen“ sind es Odin, Hönir und Loki, die ausziehen und allerlei erleben. Diese drei Götter stellen die drei Stände der Germanen dar, die mehrfach in den Mythen und Sagen auftreten.

die drei Brüder als die Vertreter der drei Stände

Stand

Rigr

Asen

Wielandsage

Siegfriedsage

Gesta Danorum

Märchen

Krieger Fürsten

Jarl

Woden

Odin

Egil

Fafnir

Odin als Krieger

Bogenschütze

Priester Heiler

We

Hönir

Slagfid

Oter

Odin als Schmied

Heiler

Bauern Handwerker

Karl

Wili

Loki

Völund

Regin

Odin als Heiler

Schmied

Sklaven

Thräl

„Sie fuhren über Berge und öde Marken, wo es um ihre Kost übel bestellt war. Als sie aber in ein Tal herabkamen, sahen sie eine Herde Ochsen; da nahmen sie ein Tier und wollten es kochen. Und als sie glaubten, daß es gesotten wäre, und den Sud aufdeckten, war es noch nicht gar. Und zum zweitenmal, als sie den Sud wieder aufdeckten, nachdem einige Zeit vergangen war, fanden sie ihn noch immer nicht gar.

Da sprachen sie unter sich, wovon das kommen möge. Da hörten sie oben in der Eiche über sich sprechen, daß der, welcher dort sitze, schuld sei, daß der Sud nicht zum Sieden komme. Als sie hinschauten, saß da ein Adler, der war nicht klein.

Da sprach der Adler: 'Wollt ihr gestatten, daß ich mich von dem Ochsen sättige, so soll der Sud sieden.'

Das sagten sie ihm zu. Da ließ er sich vom Baum nieder, setzte sich zum Sud und nahm sogleich die zwei Lenden des Ochsen vorweg mit beiden Vorderteilen.“

Diese Szene könnte aus einer Mythe stammen, die sich auf die Jenseitsreise bezieht. Für diesen Verdacht sprechen vier Dinge:

Die Fremde oder die Einöde sind oft Umschreibungen für das Jenseits, weil auch das Jenseits etwas Fremdes und Unbekanntes ist. Im Zusammenhang mit diesem Bild der Wildnis wird der in das Jenseits reisende Schamane, Priester, König o.ä. dann oft zu einem Jäger umgedeutet.

Der Adler und generell die Vögel sind in Mythen oft der Seelenvogel. Die Vorstellung, daß die Seele die Gestalt eines Vogels hat, liegt darin begründet, daß man bei z.B. einem Nahtod erleben kann, wie man den eigenen materiellen Körper verläßt und dann „wie ein Vogel“ über ihm schwebt („Astralreise“). Der Adler als der größte Vogel ist generell der Seelenvogel des Göttervaters, also bei den Germanen entweder des Tyr oder des Odin.

Wenn der Adler ein Seelenvogel ist, sollte der Baum, auf dem der Adler sitzt, der Weltenbaum sein, da dieser die Verbindung zwischen Diesseits und Jenseits ist. In der Edda wird berichtet, daß auf dem Weltenbaum der Adler Farseti sitzt, der mit dem hier erscheinenden Adler in symbolischer Hinsicht identisch sein wird.

Der erlegte Ochse könnte mehr als nur Speise in der Wildnis sein, denn die Germanen opferten bei den Bestattungen ihren Toten ein männliches Herdentier. Dieses Herdentier hatte innerhalb der Jenseitsvorstellungen eine wichtige Funktion. Das grundlegende und schon aus vor-indogermanischer Zeit stammende Bild über das, was mit den Toten im Jenseits geschieht, ist die Wiedergeburt durch die Muttergöttin. Dieses Bild wurde schon früh durch eine Wiederzeugung ergänzt. Um die Fruchtbarkeit der Muttergöttin und die Zeugungskraft des Toten zu sichern, nahmen beide bei der Wiederzeugung und bei der Wiedergeburt die Gestalt eines Stieres und einer Kuh, eines Hirsches und einer Hindin, eines Hengstes und einer Stute, eines Keilers und einer Bache o.ä. an. Diese Verwandlung wurde im Bestattungsritual dadurch magisch bewirkt, daß man für die Toten ein Herdentier opferte und sie dann in das Fell dieses Tieres wickelte.

Der seltsame Umstand, daß das Fleisch dieses Tiers nicht gar wurde, bevor der Adler, der ein Seelenvogel sein könnte, einen Teil zugesprochen bekam, spricht dafür, daß der Stier in dem Kessel einen direkten Bezug zu dem Adler haben muß.

Symbolisch gesehen, findet die Opferung des Tiers (eines Hirsches, Stieres, Hengstes, Keilers oder Ziegenbocks) bei einer Bestattung oder einer anderen Jenseitsreise wie z.B. bei einer Krönung dort statt, wo der Eingang zum Jenseits ist, also unter dem Weltenbaum.

Die hier beschriebene Szene wird daher auf ein Opfer an den Adler-Seelenvogel des ehemaligen Göttervaters Tyr zurückgehen. Der Adler kann nicht der Seelenvogel des Odin sein, da dieser einer der Opfernden ist.

„Da wurde Loki zornig, ergriff eine große Stange und stieß sie mit aller Macht dem Adler in den Leib. Der Adler wurde scheu von dem Stoße und flog empor: Da haftete die Stange in des Adlers Rumpf; aber Lokis Hände an dem andern Ende.“

In der Geirröd-Mythe klebt Loki als Falken-Seelenvogel an dem Leim in der Halle des Tyr-Riesen Geirröd fest. Dies ist eine der vielen Varianten, in denen der endlose, zyklische Kampf zwischen dem Sommergott Tyr und dem Wintergott Loki erzählt wurde.

Das Festkleben des Loki an der Stange des Tyr-Adlers ist eine Umdeutung der Leimrute, mit der einst Tyr-Geirröd den Falken-Seelenvogel des Loki gefangen hat.

„Der Adler flog so nah am Boden, daß Loki mit den Füßen Gestein, Wurzeln und Bäume streifte; die Arme aber, meinte er, würden ihm aus den Achseln reißen. Er schrie und bat den Adler flehentlich um Frieden; der aber sagte, Loki solle nimmer loskommen, er schwöre ihm denn, Idun mit ihren Äpfeln aus Asgard zu bringen. Das bewilligte Loki: Da ward er los und kam zurück zu seinen Gefährten; und diesmal wurde von dieser Reise mehr nicht erzählt bis sie heimkamen.“

Idun und ihre Äpfel sind nicht nur in dieser Szene, sondern generell eng mit den Seelenvögeln verbunden: Die „Äpfel der ewigen Jugend“ beziehen sich auf die Seelen im Jenseits und diese haben die Gestalt von Vögeln.

„Zur verabredeten Zeit aber lockte Loki Idun aus Asgard in einen gewissen Wald, indem er vorgab, er habe da Äpfel gefunden, die sie Kleinode dünken würden; auch riet er ihr, ihre eigenen Äpfel mitzunehmen, um sie mit jenen vergleichen zu können.