Die Bergpredigt - Arend Remmers - E-Book

Die Bergpredigt E-Book

Arend Remmers

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Beschreibung

Verschiedene Abschnitte der Bergpredigt gehören zu den wohl am häufigsten zitierten Versen des Neuen Testaments. Die Reden der Bergpredigt hat der Herr Jesus am Anfang seines Wirkens vor seinen Jüngern und einer großen Volksmenge auf einem Berg in Galiläa gehalten. Sie sind am ausführlichsten in den Kap. 5-7 des Ev. nach Matthäus wiedergegeben, dem Evangelium, das Ihn als Messias und König Israels vorstellt. Die Bergpredigt enthält weder das Evangelium noch ein politisches Programm, sondern das "Grundgesetz" seines Reiches. Es handelt sich dabei zum großen Teil um sehr praktische Unterweisungen, die bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben. Die vorliegende Vers-für-Vers-Auslegung erklärt die Aussagen dieser drei Kapitel und stellt sie zugleich in den Gesamtzusammenhang des Evangeliums. Die Worte dieser Predigt treffen auch in unserer Zeit immer noch ins Ziel. Mögen sie dem Leser nicht nur "unter die Haut", sondern tiefer gehen und vor allem ins Herz treffen. Sein praktischer Christenalltag könnte nach der Beschäftigung mit diesem Teil des Wortes Gottes anders aussehen.

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1. Auflage 1997, überarbeitet 2019© by Christliche Schriftenverbreitung, HückeswagenE-Book: Verbreitung christlichen Glaubens e.V.ISBN: 978-3-89287-578-9www.csv-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Das Reich Gottes

Das Evangelium nach Matthäus

Der Christ und die Bergpredigt

Einteilung der Bergpredigt

1. Die Einleitungsworte zur Bergpredigt (Matthäus 5,1.2)

2. Arm im Geist (Matthäus 5,3)

3. Glückselig die Trauernden (Matthäus 5,4)

4. Glückselig die Sanftmütigen (Matthäus 5,5)

5. Hungern und Dürsten nach Gerechtigkeit (Matthäus 5,6)

6. Glückselig die Barmherzigen (Matthäus 5,7)

Barmherzigkeit und Gnade

Gottes Barmherzigkeit bringt Leben

„Glückselig die Barmherzigen ...“

„... denn ihnen wird Barmherzigkeit zuteil werden“

7. Ein reines Herz (Matthäus 5,8)

8. Friedensstifter (Matthäus 5,9)

Frieden kommt von Gott

Unfrieden

Friedensstifter

Söhne Gottes

„Friedenspolitik“

9. Verfolgung (Matthäus 5,10)

Verwerfung

Gerechtigkeit

Verfolgung

Glückselig!

10. Leiden um Christi willen (Matthäus 5,11.12)

Bekenntnis zu Jesus

Freude

Beispiele

Zusammenfassung

11. Das Salz der Erde (Matthäus 5,13)

Salz

Nutzlos

Eine Mahnung

12. Das Licht der Welt (Matthäus 5,14-16)

Gott ist Licht

Ihr seid das Licht

Lasset euer Licht leuchten

Gute Werke

13. Christus und das Gesetz (Matthäus 5,17. 18)

Das Gesetz vom Sinai

Auflösen – Erfüllen

Jota und Strichlein

14. Das Gesetz und das Reich (Mt 5,19.20)

Gerechtigkeit

15. Bruderhass (Matthäus 5,21-26)

Das sechste Gebot: Du sollst nicht töten!

„Ich aber sage euch!“

Erstes Beispiel: Versöhne dich mit deinem Bruder!

Zweites Beispiel: Nutze die Zeit!

16. Ehebruch (Matthäus 5,27-30)

Du sollst nicht ehebrechen

Ich aber sage euch

Ehebruch im Herzen

Wenn aber dein rechtes Auge dich ärgert ...

Selbstgericht

17. Ehescheidung und Wiederheirat (Matthäus 5,31.32)

Der Scheidebrief

Die Ehe ist ein Lebensbund

Ehescheidung führt zu Ehebruch

Die einzige Ausnahme

18. Schwören – Ja oder Nein? (Matthäus 5,33-37)

Das Gesetz und das Schwören

Leichtfertiges Schwören

„Schwört überhaupt nicht“

Darf ein Christ schwören?

19. Auge um Auge (Matthäus 5,38-42)

Gerechte Vergeltung

Gnade und Barmherzigkeit

Vier Beispiele

20. Liebt eure Feinde (Matthäus 5,43-48)

Verdrehung des Wortes Gottes

Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde

Ihr nun sollt vollkommen sein

21. Wohltätigkeit (Matthäus 6,1-4)

Praktische Gerechtigkeit

Drei Beispiele

Wohltätigkeit: Barmherzigkeit an Hilfsbedürftigen

Gott sieht das Herz an

22. Vom Beten (Matthäus 6,5-15)

Heuchlerische Gebete

Wortreiche Gebete

Das „Vaterunser“

Der Geist der Vergebung

23. Fasten (Matthäus 6,16-18)

Kein Gebot zum Fasten

Fasten im Alten Testament

Fasten im Neuen Testament

Wenn ihr aber fastet

Heute noch fasten?

24. Zweierlei Schätze (Matthäus 6,19-21)

Irdische Schätze

Scheinbare Sicherheit

Bleibende Schätze

Der größte Schatz

25. Das einfältige und das böse Auge (Matthäus 6,22.23)

Das Auge als Bild es menschlichen Herzens

Das einfältige Herz

Das böse Herz

26. Niemand kann zwei Herren dienen (Matthäus 6,24)

Der Jünger als Knecht Gottes

Unsere Herzenseinstellung

Gott oder der Mammon

27. Seid nicht besorgt (Matthäus 6,25-34)

Vorsorge oder Sorge?

Zwei Beispiele

„Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes ...“

„Zuerst ...“

28. Der Richtgeist (Matthäus 7,1-5)

Notwendiges Richten

Falscher Richtgeist

Mit welchem Maß messen wir?

Splitter und Balken im Auge

29. Perlen vor die Schweine werfen (Matthäus 7,6)

Göttliche Segnungen

Was bedeuten die Ausdrücke: „Hunde“ und „Schweine“?

Wer ist gemeint?

Gilt das Evangelium nicht für alle?

Eine Anwendung auf die Christenheit

30. Noch einmal das Gebet (Matthäus 7,7-12)

Inbrünstiges Gebet

Ein Vergleich

Eine „goldene Regel“

31. Der breite und der schmale Weg (Matthäus 7,13.14)

Nur zwei Möglichkeiten

Der Weg der Jüngerschaft Jesu

Der breite Weg

32. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen (Matthäus 7,15-20)

Falsche Propheten

Was ist mit den Früchten gemeint?

Gottes Gericht

33. Ein wertloses Bekenntnis (Matthäus 7,21-23)

Falsches und echtes Bekenntnis

Kann der Teufel Wunder tun?

34. Hören und Tun (Matthäus 7,24-27)

Das Haus auf dem Felsen

Das Haus auf dem Sand

35. Der Schluss der Bergpredigt (Matthäus 7,28.29)

Einleitung

Das Reich Gottes

Das Reich Gottes nimmt in den Evangelien – wie auch im ganzen Neuen Testament – neben der Versammlung (Kirche, Gemeinde) einen wichtigen Platz ein. Es ist die von Gott verordnete Herrschaft seines Sohnes als König der Könige über sein irdisches Volk Israel, aber darüber hinaus über das gesamte Weltall.

Das Reich begann, als der Herr als König auf der Erde erschien (vgl. Mt 12,28). Durch seine Ablehnung und Verwerfung wurde das Reich nicht beendet, sondern es wird auch in der jetzigen Zeit seiner Abwesenheit weitergeführt, nur unter anderen Vorzeichen. Seine wahren Jünger sind jetzt die Glieder seines Leibes, der Versammlung, die bei seinem bevorstehenden Kommen entrückt werden. Die Zielsetzung des Reiches wird jedoch auch danach fortgeführt, wenn in der Drangsalszeit das Evangelium des Reiches verkündet werden wird (Mt 24,14). Seine Vollendung wird das Reich Gottes mit der Erscheinung Christi in Herrlichkeit zur Errichtung des Tausendjährigen Reiches finden. So wird Gottes Plan mit der Erde und der ganzen Schöpfung in Erfüllung gehen. Der Herr Jesus wird als verherrlichter Mensch herrschen, und alle seine Feinde werden Ihm als Fußschemel dienen.

Das Evangelium nach Matthäus

Zum richtigen Verständnis der Bergpredigt ist es notwendig, den speziellen Charakter des Evangeliums nach Matthäus zu kennen. In ihm wird der Herr Jesus als der bereits im Alten Testament von Gott verheißene König Israels beschrieben. Matthäus führt deshalb auch wesentlich mehr Zitate aus dem Alten Testament an als die anderen drei Evangelisten. Dadurch wird besonders unterstrichen, dass Jesus wirklich der Messias ist. Matthäus beginnt sein Evangelium deshalb auch mit dem Geschlechtsregister Jesu Christi, „des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams“, und mit der Beschreibung seiner Geburt in Bethlehem, dem Geburtsort Davids. Insgesamt achtmal wird der Herr Jesus „Sohn Davids“ genannt, und sehr häufig kommt der Ausdruck Reich Gottes bzw. Reich der Himmel vor (eig. müsste es heißen: Königreich).

Die Bergpredigt ist nun die erste von fünf großen Reden des Herrn Jesus im Matthäusevangelium. Alle diese Reden enden mit dem gleichartigen Schluss-Satz: „Und es geschah, als Jesus ... vollendet hatte ...“, und alle stehen mit dem Reich der Himmel in Verbindung.

Seine erste Rede ist die Bergpredigt, so genannt, weil der Herr dazu auf den Berg stieg. Hier verkündigte Er die Grundsätze, die nach Gottes Willen in seinem Reich herrschen sollen (Mt 5,1 – 7,29).

Die zweite Rede hielt der Herr, als Er seine Jünger aussandte und ihnen den Auftrag gab, dem Volk der Juden das Reich anzukündigen (Mt 10,1 – 11,1).

Die Gleichnisse vom Reich der Himmel bilden den Inhalt der dritten Rede des Herrn (Mt 13,1–53).

In der vierten Rede stellt der Herr Jesus verschiedene Grundsätze für das persönliche und gemeinschaftliche Verhalten der Jünger bzw. der Gläubigen auf (Mt 18,1 – 19,1).

In seiner letzten großen Rede auf dem Ölberg spricht der Herr Jesus über die Endzeit. Er erklärt seinen Jüngern die Zukunft Israels (Mt 24,1–44), der Christenheit (Mt 24,45 – 25,30) und der Nationen (Mt 25,31–46) bis zu seinem Erscheinen in Herrlichkeit.

Der Christ und die Bergpredigt

In der Bergpredigt kündigt Christus, der König, im Wissen um seine baldige Verwerfung die Grundsätze und Richtlinien an, nach denen diejenigen, die Ihn als ihren König anerkennen, in dieser Welt leben sollen. Deshalb ist die Bergpredigt auch das „Grundgesetz des Reiches Gottes“ genannt worden.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dies zu verstehen. Die Bergpredigt enthält nämlich nicht das Evangelium für verlorene Sünder, sondern richtet sich an Menschen, die den Herrn Jesus bereits im Glauben angenommen haben. Noch weniger kann man die Lehren der Bergpredigt als „Programm“ für die Verbesserung der Welt betrachten und benutzen. Ihre Vorschriften können letzten Endes nur von wiedergeborenen Menschen verwirklicht werden.

Andererseits spricht der Herr Jesus in der Bergpredigt nicht von den Segnungen und Vorrechten der Christen, d. h. derjenigen, die in der jetzigen Gnadenzeit an Ihn glauben. Für sie ist Er ja viel mehr als ein König: Er ist ihr Erlöser, ihr guter Hirte, ihr Hoherpriester bei Gott, ihr Sachwalter oder Fürsprecher bei dem Vater und das Haupt seines Leibes, der Versammlung. In ihm sind sie auch gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern.

Diese großen und wunderbaren Segnungen ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass auch die Christen in der Welt dazu berufen sind, die Grundsätze des Reiches Gottes zu kennen und danach zu leben. Es wäre ein Widerspruch, wenn sie zwar die Segnungen für sich in Anspruch nehmen, aber die Verantwortung als Jünger Christi in der Welt nicht auf sich nehmen wollten. So haben die Worte der Bergpredigt nicht nur den damaligen Jüngern des Herrn Jesus und dem zukünftigen Überrest in der Zeit nach der Entrückung etwas zu sagen, sondern auch uns, die wir in der Zwischenzeit an Ihn glauben, Ihm dienen und Ihn erwarten.

Einteilung der Bergpredigt

Einleitung Kap. 5,1–2

Seligpreisungen: Kap. 5,3–12

Die Stellung der Jünger in der Welt: Kap. 5,13–16a. Das Salz der Erde: Kap. 5,13b. Das Licht der Welt: Kap. 5,14–16

Das Gesetz und das Reich: Kap. 5,17–48a. Christus und das Gesetz: Kap. 5,17–20b. Sechs Beispiele: Kap. 5,21–48

Die Gerechtigkeit der Jünger: Kap. 6,1–18a. Wohltätigkeit Kap. 6,1–4b. Gebet Kap. 6,5–15c. Fasten Kap. 6,16–18

Der Jünger Jesu in der Welt: Kap. 6,19–34a. Warnung vor Raffgier: Kap. 6,19–23b. Gott oder der Mammon: Kap. 6,24c. Warnung vor Sorgen: Kap. 6,25–34

Der Jünger und sein Nächster: Kap. 7,1–6

Der Jünger und das Gebet: Kap. 7,7–12

Die Energie des Jüngers Kap. 7,13–23a. Die enge Pforte Kap. 7,13–14b. Früchte Kap. 7,15–20c. Leeres Bekenntnis Kap. 7,21–23

Der Gehorsam des Jüngers Kap. 7,24–27

Schluss Kap. 7,28–29

1. Die Einleitungsworte zur Bergpredigt (Matthäus 5,1.2)

Am Ende des vierten Kapitels des Matthäusevangeliums heißt es, dass große Volksmengen aus Galiläa, Dekapolis, Jerusalem und vom jenseitigen Ufer des Jordan dem Herrn Jesus nachfolgten. Das war die Auswirkung seiner Predigt in den Synagogen und der Heilung vieler Kranker, die Er von ihren Leiden befreite. Viele von denen, die Ihm nachfolgten, waren wie elf seiner Apostel wiedergeborene Menschen, aber ein großer Teil folgte Ihm nur aus Neugier oder Sensationslust. Einige waren sogar bereits von innerer Abwehr und Ablehnung erfüllt, wie der ganze Tenor der nun folgenden Reden des Herrn zeigt.

Wie einst Mose, der Mittler des ersten Bundes, auf dem Berg Horeb die Gebote Gottes empfing, so begibt der Herr Jesus, der König Israels, sich angesichts der großen Menschenmenge auf einen Berg, um dort zunächst seinem eigenen Volk das Grundgesetz des Reiches der Himmel zu verkünden. Seine Jünger, die hier zu Ihm hintreten, sind die ersten und nächsten, aber doch nicht die einzigen, denen seine nun folgenden Worte gelten. Auch ganz Israel, das hier durch die Volksmenge repräsentiert wird, soll seine Lehre hören.

2. Arm im Geist (Matthäus 5,3)

Am Anfang des ersten Teils der Bergpredigt des Herrn Jesus in Matthäus 5–7 stehen die so genannten Seligpreisungen. Sie enthalten sehr praktische und wichtige Lektionen für alle, die sich im Reich der Himmel befinden.

Diese Seligpreisungen haben drei Anwendungsbereiche:

erstens die Jünger in der damaligen Zeit der Verwerfung des Herrn Jesus;

zweitens die Gläubigen in der heutigen Zeit der Abwesenheit des Herrn;

drittens den zukünftigen gläubigen Überrest der Juden in der Drangsalszeit vor der Erscheinung des Herrn Jesus als König.

Die Eigenschaften, die der Herr in diesen Seligpreisungen nennt, sind nicht diejenigen des natürlichen Menschen: die neue Geburt ist dazu nötig. Der Herr Jesus sagt zu Nikodemus: „Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen“ (Joh 3,3). Nur der Mensch, der durch den Glauben an Ihn das neue, ewige Leben empfangen hat und sich von Ihm ständig belehren und prägen lässt, kann diese Eigenschaften Christi in seinem Leben offenbaren.

Das Wort „glückselig“ kommt fünfzig Mal im Neuen Testament vor. Es bedeutet mehr als nur empfindungsmäßig glücklich sein, denn das kann man auch durch bestimmte Umstände werden. Aber glückselig sein geht darüber hinaus. Es ist der Zustand, den der Herr Jesus selbst hier denen zuspricht, die seine Gesinnung in ihrem Leben verwirklichen.

Armut im Geist ist das innere Gegenstück zur äußeren Armut. Aber damit ist nicht, wie manchmal fälschlich gedacht wird, ein Mangel an geistigen Fähigkeiten oder Intelligenz gemeint. Zwar spricht die Bibel an anderen Stellen in trostreicher Weise über Säuglinge und Kinder, aber hier handelt es sich doch um etwas ganz anderes.

Arm im Geist ist ein Gläubiger, der nicht hoch von sich denkt, der sich selbst im Licht Gottes sieht und dadurch demütig ist. Diese Geisteshaltung wird schon im Alten Testament mit den Worten „zerschlagener Geist“ und „zerbrochener Geist“ umschrieben (Ps 34,18; 51,17). In Jes 57,15 wird daran die folgende Verheißung geknüpft: „Ich wohne in der Höhe und im Heiligtum und bei dem, der zerschlagenen und gebeugten Geistes ist, um zu beleben den Geist der Gebeugten und zu beleben das Herz der Zerschlagenen.“

Wenn wir uns ehrlich vor uns selbst in der Gegenwart und im Licht Gottes betrachten, dann werden wir arm im Geist, denn vor seinem Blick kann menschliche Ehre und Größe nicht bestehen. Beispiele für eine solche Geisteshaltung sind Abraham (1. Mo 18,27), Hiob (Hiob 42,5.6), Jesaja (Jes 6,1–5), der Zöllner im Tempel (Lk 18,13) und Petrus (Lk 5,8). Solange wir uns an uns selbst oder an anderen Christen messen, werden wir immer irgendeinen Grund zur Selbstzufriedenheit finden. In der Welt – und leider auch unter uns Christen – zählt der äußere Erfolg, eine hohe Stellung und das Ansehen. Aber die Folge ist meistens Hochmut, Selbstüberschätzung und Dünkel. Nur in der Gegenwart Gottes werden und bleiben wir arm im Geist.

Der Herr Jesus war im vollen Sinn des Wortes arm im Geist. Er suchte nicht seinen eigenen Willen, nicht seine Ehre, sondern nur die Verherrlichung seines Vaters. Doch besteht ein großer Unterschied zwischen Ihm und uns. Es ist der Unterschied zwischen Demut und Demütigung. Der Herr Jesus war vollkommen und von Herzen demütig (Mt 11,29). Er kannte keinen Hochmut und brauchte sich deshalb nie zu demütigen, wie es bei uns so oft der Fall ist.

Unsere wahre Glückseligkeit besteht nicht nur darin, das Wesen unseres Herrn nachzuahmen, sondern darin, dass wir uns in seiner Nähe befinden und dort bleiben.

3. Glückselig die Trauernden (Matthäus 5,4)

Niemand ist gern traurig. Viele gehen traurigen Menschen am liebsten aus dem Weg. Es ist so schwierig, Worte des Trostes zu finden, wenn jemand über den Tod eines Familienangehörigen oder eines Freundes trauert.

Als der Herr Jesus in der zweiten Seligpreisung die Trauernden glückselig nannte, dachte Er nicht an die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen. Nein, als Er diese Worte aussprach: „Glückselig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden“, meinte Er etwas ganz anderes damit.

Es geht hier um das Reich Gottes, als dessen König Er gekommen war (vgl. 12,28). Aber wie wurde Er von seinem Volk empfangen! „Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht an“ (Joh 1,11). Bei seiner Geburt war kein Raum in der Herberge vorhanden, der König Herodes versuchte, Ihn umzubringen, und seine Familienangehörigen erklärten Ihn einmal für von Sinnen. Sogar seine Jünger, die Ihm in den drei Jahren seines Dienstes doch am nächsten standen, verstanden Ihn oft nicht; einer verleugnete Ihn, und einer verriet Ihn schließlich sogar an seine Feinde!

Ja, unser Herr hatte viel Grund zur Traurigkeit. Er weinte über Jerusalem und sprach über diese Stadt die Worte: „Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt, die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt! Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen; denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht: Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ (Mt 23,37–39). Wenn Er nach seiner Erscheinung in Herrlichkeit zur Aufrichtung des tausendjährigen Friedensreiches von seinem Volk freudig begrüßt werden wird, dann wird Er wahrhaft „getröstet“ werden!

Auch der gläubige Überrest der Juden wird in der Drangsalszeit kurz vor dieser Erscheinung Christi durch tiefe Trauer gehen: Trauer über den verhärteten Herzenszustand des übrigen Volkes, das dem Antichristen anhängen wird, und Trauer über die Schuld des jüdischen Volkes und ihre Mitschuld am Tod des Messias. Aber auch sie werden durch den Herrn selbst getröstet werden: „Der Herr wird Zion noch trösten und Jerusalem noch erwählen“ (Sach 1,17). – „Wie einen, den seine Mutter tröstet, so werde ich euch trösten; und in Jerusalem sollt ihr getröstet werden“ (Jes 66,13; vgl. Kap. 40,1; 49,13; 51,3.12; 61,2).

Gibt es nicht auch in der heutigen Zeit Grund zu ähnlicher Trauer im Volk Gottes? Sehen wir, wie der Herr Jesus in der Christenheit verunehrt wird, wie das Wort Gottes auch von wahren Christen nicht mehr ernst genommen wird, wie Herzenshärte statt Liebe, Eigenwille statt Gehorsam, leerer Formalismus statt echter Abhängigkeit vom Herrn und Weltförmigkeit statt Absonderung vom Bösen sich ausbreiten? Gehen wir achtlos und gleichgültig daran vorbei, oder stellen wir uns in richtender, selbstgerechter Art und Weise darüber? Oder tun wir das, was vor unserem Herrn richtig und wohlgefällig ist: Trauern wir wirklich über solche Verunehrungen unseres geliebten Herrn?

Eine solche Trauer finden wir im Alten Testament bei Nehemia, der zu dem König Artasasta sagte: „Warum sollte mein Angesicht nicht traurig sein, da die Stadt, die Begräbnisstätte meiner Väter, wüst liegt und ihre Tore vom Feuer verzehrt sind?“ (Neh 2,3). Auch von Daniel und Esra lesen wir, dass sie über die Untreue des Volkes Gottes und deren Folgen trauerten (siehe Daniel 9 und Esra 9–10). Von diesen Gottesmännern können wir lernen. Dem Alter nach konnte keiner von ihnen persönlich als mitschuldig betrachtet werden. Aber sie stellten sich nicht selbstgerecht über ihr Volk. Sie bekannten dessen Sünden und schlossen sich selbst mit in die Schuld ein. Sie sahen ein, dass sie nicht besser waren und dass auch sie ein Teil dieses Volkes waren. Deshalb antwortete Gott ihnen auch und bekannte sich zu ihnen. Das gab ihnen Trost.

Wenn wir in unserer Zeit eine solche Haltung einnehmen, dann gilt auch für uns die Seligpreisung unseres Herrn: „Glückselig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.“ Vollkommen wird dies sicherlich erst beim Kommen des Herrn geschehen, aber auch jetzt gibt es im Ausblick darauf bereits den Trost, dass Gott selbst einmal jede Träne auch von unseren Augen abwischen wird, dann, wenn es keine Trauer mehr geben wird (vgl. Off 21,4).

4. Glückselig die Sanftmütigen (Matthäus 5,5)

Die dritte Seligpreisung des Herrn lautet: „Glückselig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben.“ Während die Verheißung bei der ersten Seligpreisung lautet: „Denn ihrer ist das Reich der Himmel“, so heißt es hier genauer: „Sie werden das Land (oder: die Erde) erben.“ Das war für die Zuhörer, deren Land sich unter der Herrschaft der Römer befand, ein deutlicher Hinweis auf die noch zukünftige Zeit des Tausendjährigen Reiches (vgl. Ps 37,11).

„Sanftmütig“ bedeutet auch „freundlich, milde“. Sanftmut wird in der Welt oft mit Schwäche gleichgesetzt und entsprechend gering eingeschätzt. Das Draufgängertum und die Rücksichtslosigkeit der Erfolgreichen dieser Welt rufen schon eher Bewunderung hervor.

Die hier erwähnte Sanftmut ist jedoch keine Schwäche oder knechtische Unterwürfigkeit. Ein sanftmütiges Kind Gottes kann Bosheit und Härte ohne Rachegedanken ertragen, weil es sich von einem Stärkeren getragen weiß; Er gibt die Kraft zu diesem Wesenszug wahrer Jüngerschaft Jesu.

Das vollkommene Vorbild der Sanftmut ist der Herr Jesus selbst. Er sagt in Matthäus 11,29: „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen.“ Soeben hatte Er erfahren müssen, dass die Führer Israels Ihn einen Fresser und Weinsäufer nannten, und gerade hatte Er die Städte schelten müssen, in denen seine meisten Wunderwerke geschehen waren (Mt 11,19–24). Aber in dieser Situation konnte Er seinen Blick emporlenken und sagen: „Ich preise dich, Vater....“

Der Herr Jesus war sanftmütig. Wir können die Sanftmut nur in seiner Nachfolge lernen. Wenn wir in eine Lage geraten, wo wir von unserer Umgebung gereizt werden, dann dürfen wir zu Ihm rufen: „Herr, lass mich jetzt deine Gesinnung offenbaren!“

Mose, der große Mann Gottes im Alten Testament, lernte die Sanftmut bei Gott in den vierzig Jahren als Schafhirte in Midian. In seiner Jugend hatte er in plötzlich aufwallendem gerechten Zorn einen Ägypter erschlagen, der einen Israeliten misshandelte (2. Mo 2,1–12; Apg 7,23.24). Aber über vierzig Jahre später, als seine Schwester Mirjam und sein Bruder Aaron sich gegen ihn stellten, kann der Heilige Geist ihm das Zeugnis ausstellen: „Der Mann Mose aber war sehr sanftmütig, mehr als alle Menschen, die auf dem Erdboden waren“ (4. Mo 12,3). Diese Sanftmut Moses war das Ergebnis der Erziehung in der Schule Gottes. Aber obwohl Mose der sanftmütigste Mensch war, durfte er doch nicht in das Land Kanaan kommen, im Gegensatz zu den Sanftmütigen in unserem Vers, die das Land (oder: die Erde) erben werden.

Beachten wir, dass es nicht heißt: Sie werden das Land erwerben, sondern: erben. Gewisse Auslegungen der Bergpredigt beziehen alles darin auf den Menschen von Natur und auf die jetzige Zeit und Welt: Die Menschen, die sich so verhalten, wie es die Bergpredigt sagt, werden den Sieg davontragen und die Erde in Frieden besitzen. Aber das ist unmöglich. Der Herr Jesus spricht hier von wahren Jüngern, die Ihn im Glauben angenommen haben und Ihm folgen. Er hat das Erlösungswerk vollbracht, aufgrund dessen sein Erbteil auch ihnen zuteil wird (vgl. Ps 2,7.8; Heb 1,2; Eph 1,10.11).

Das Erbteil des treuen Überrestes der Juden, der in der zukünftigen Drangsalszeit ausharrt und von Gott bewahrt wird, wird das Land Israel im Tausendjährigen Reich sein. Jeder von ihnen wird „unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum“ sitzen (Mi 4,4). Aber das Erbteil der Jünger des Herrn damals und der Gläubigen der jetzigen Gnadenzeit wird mehr sein, nämlich die Erde, ja die ganze Schöpfung (Heb 2,7.8), denn das Wort Land kann auch Erde bedeuten. Die Versammlung wird dieses Erbteil in Christus empfangen und besitzen.

Es ist für manche Christen vielleicht schwierig zu verstehen, dass sie auf der Seite des Siegers stehen und doch oft leiden müssen oder ungerecht behandelt werden. Aber bald werden wir mit Ihm seine Machtstellung teilen. Deshalb tröstet der Herr die Jünger, wie Er auch die Thessalonicher durch den Apostel Paulus trösten ließ, als dieser schrieb: „Wenn es denn bei Gott gerecht ist, denen, die euch bedrängen, mit Drangsal zu vergelten, und euch, die ihr bedrängt werdet, Ruhe mit uns zu geben bei der Offenbarung des Herrn Jesus vom Himmel, mit den Engeln seiner Macht ...“ (2. Thes 1,6.7).

Auch der Herr Jesus ist diesen Weg gegangen. In Jes 53,7 heißt es von Ihm: „Er wurde misshandelt, aber er beugte sich und tat seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Schaf, das stumm ist vor seinen Scherern; und er tat seinen Mund nicht auf.“ Aber in Vers 12 sehen wir die Folgen: „Darum werde ich ihm Anteil geben an den Vielen, und mit Gewaltigen wird er die Beute teilen.“ Die „Großen“ sind seine Gegner, und die „Gewaltigen“ seine Teilhaber im Tausendjährigen Reich.

5. Hungern und Dürsten nach Gerechtigkeit (Matthäus 5,6)

In Lukas 6, wo der Herr seine Jünger persönlich anspricht, sagt Er ganz allgemein: „Glückselig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden“ (V. 21). Die vierte der neun Seligpreisungen in Matthäus 5 spricht jedoch von einem besonderen Hungern und Dürsten: „Glückselig, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie werden gesättigt werden.“

Hunger und Durst bedeuten: intensives Verlangen nach dem, was zur Erhaltung des Lebens unerlässlich ist. Aber gleichzeitig kommt darin zum Ausdruck, dass man die Gegenstände dieses Verlangens entbehren muss oder nicht zur Verfügung hat.

Gab es denn damals keine Gerechtigkeit auf der Erde? – Als Gott Israel am Sinai das Gesetz gab, sagte Er: „In Gerechtigkeit sollst du deinen Nächsten richten“ (3. Mo 19,15). Aber was tat dieses Volk mit dem Herrn Jesus, dem einzigen Gerechten? Petrus musste den Juden sagen: „Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und gebeten, dass euch ein Mann, der ein Mörder war, geschenkt würde; den Urheber des Lebens aber habt ihr getötet“ (Apg 3,14.15). Die Römer, die Palästina damals besetzt hielten, waren stolz auf ihr uraltes Zwölftafelgesetz. Als Grundlage für die Gesetzbücher vieler europäischer Staaten hat das römische Recht seine Auswirkungen bis in die heutige Zeit. Aber als der Herr Jesus vor Pontius Pilatus, dem römischen Statthalter, stand, sagte dieser: „Ich bin schuldlos an dem Blut dieses Gerechten“ (Mt 27,24), um Ihn anschließend geißeln zu lassen und Ihn der aufgepeitschten Volksmenge zu überliefern, damit Er gekreuzigt würde! Deutlicher als bei der Behandlung des Sohnes Gottes, unseres Herrn und Erlösers, konnte die Ungerechtigkeit in der Welt überhaupt nicht zum Ausdruck kommen.

Gerechtigkeit wird heute allgemein als Grundsatz eines Verhaltens aufgefasst, das jedem Menschen gleichermaßen sein Recht gewährt. In der Bibel hat die Gerechtigkeit jedoch immer Gott selbst als Ausgangspunkt und Ziel. Er ist der vollkommen Gerechte und handelt immer gerecht, d.h. in Übereinstimmung mit sich selbst. Gott handelt als Erhalter aller Menschen zum Wohl und Segen seiner Geschöpfe, allerdings von einer Warte aus, die viele Menschen nicht begreifen und deshalb meinen, Gott sei manchmal ungerecht. Aber Gott ist nicht ungerecht (Röm 3,5; Heb 6,10). Gottes Gerechtigkeit beinhaltet nämlich auch, dass Er die Sünde, die sich ja in erster Linie gegen Ihn richtet, bestrafen muss. Vollkommen hat sich Gottes Gerechtigkeit am Kreuz von Golgatha erwiesen. Dort wurde ein Mensch, der Mensch Christus Jesus, stellvertretend für schuldige Menschen bestraft, damit Gott denen, die dieses Versöhnungswerk annehmen würden, seine Gerechtigkeit schenken konnte.