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Die Bibel ist das Wort Gottes, durch das Gott sich den Menschen offenbart hat. Die Bibel wird daher auch mit Recht die Heilige Schrift genannt. Das Hauptthema der Bibel ist Jesus Christus, der Sohn Gottes und Erlöser. Das vorliegende Buch bietet zu jedem der 66 Bücher der Bibel eine knappe Einleitung mit wesentlichen Informationen über den Verfasser, die Entstehungszeit und den Zweck des jeweiligen Bibelbuches sowie eine gegliederte Inhaltsangabe. Außerdem erfährt der Leser manches über den Kanon der Heiligen Schrift, über die Entstehung und Überlieferung der Bibel, über die Einheit von Neuem und Altem Testament, über die Chronologie der biblischen Geschichte und vieles andere mehr. Hilfreich sind auch die zahlreichen Tabellen, Karten und Übersichten. Ein Stichwortverzeichnis erleichtert den Zugang bei besonderen Fragen. Dieses Buch ist ein wertvolles Nachschlagewerk für jeden, der sich mit der Botschaft der Bibel beschäftigt. Durchgängig farbig gestaltet.
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Seitenzahl: 14296
Arend Remmers
Die Bibel im Überblick
Christliche Schriftenverbreitung
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Bodmer Library, Genf: S. 360
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Museum für Bibelgeschichte e. V., Wuppertal: S. 38
Beröa-Verlag, Zürich: S. 102
Stefan Drüeke: S. 41,70,74,94,111,124,133,153,168,213,218,285,293,306,319,320,331,339,371,373,375,377,381,389,411,448,473,512
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Die Bibelstellen sind nach der im gleichen Verlag erschienenen
„Elberfelder Übersetzung“ (Edition CSV Hückeswagen) angeführt.
© 2011 by Christliche Schriftenverbreitung, Hückeswagen leicht bearbeitete Auflage 2016
Umschlaggestaltung: ideegrafik, Mittenaar
ISBN 978-3-89287-096-8
www.csv-verlag.de
Inhaltsverzeichnis
Abbildungs- und Kartenverzeichnis
Tabellen
Die Bibel
Die Begriffe „Bibel“ und „Testament“
Die Bücher der Bibel
1.Das Alte Testament
2.Das Neue Testament
3.Die Apokryphen und Pseudepigraphen
Der Text der Heiligen Schrift
1.Der Kanon der Bibel
Die Entstehung des Kanons
2.Die Inspiration der Bibel
3.Das Verstehen der Bibel
4.Die Überlieferung der Bibel
a.Altes Testament
b.Neues Testament
c.Alte Übersetzungen
d.„Textus Receptus“ und „Nestle-Aland“
e.Zusammenfassung
Die Bibel und die Schreibkunst
1.Bilder-und Keilschriften
2.Das Alphabet
3.Schreibkunst und Bibel
Vom Sinn und Wert des Alten Testaments
1.Das Alte Testament ist Heilige Schrift
2.Das Alte Testament als Geschichtsbuch
3.Das Alte Testament als „Bilderbuch“
4.Das Alte Testament als Zeugnis von Christus
a.Weissagungen
b.Vorbilder
Die Einheit von Altem und Neuem Testament
„Haushaltungen“ in der Bibel
Beispiel: das Gesetz vom Sinai
Unterscheidung der „Haushaltungen“
1.Das Zeitalter der Unschuld: Eden
2.Zeitalter des Gewissens nach der Vertreibung aus Eden
3.Das Zeitalter der Regierung: nach der Sintflut
4.Das Zeitalter der Verheißung: Abraham und seine Nachkommen
5.Das Zeitalter des Gesetzes: Israel seit dem Sinai
6.Das Zeitalter der Gnade: die christliche Epoche
7.Das Tausendjährige Reich: die Erfüllung der Prophetie des Alten Testaments
Der ewige Zustand: die Herrlichkeit
Zur Chronologie des Alten Testaments
Schwierigkeiten
Fundierte Grundlagen
Chronologie der 5 Bücher Mose
Die fünf Bücher Mose (Pentateuch) und die Bibelkritik
Das 1. Buch Mose (Genesis)
1.Verfasser und Entstehungszeit
2.Zweck der Niederschrift
3.Besonderheiten
a.Die Namen Gottes
b.„Toledot“
c.Sieben Biographien
4.Inhaltsübersicht
Das 2. Buch Mose (Exodus)
Das 3. Buch Mose (Leviticus)
Das 4. Buch Mose (Numeri)
Das 5. Buch Mose (Deuteronomium)
Das Buch Josua
Das Buch der Richter
Das Buch Ruth
Das 1. und 2. Buch Samuel
Das 1. und 2. Buch der Könige
Das 1. und 2. Buch der Chronika
Das Buch Esra
Das Buch Nehemia
Das Buch Esther
Das Buch Hiob
Das Buch der Psalmen (Der Psalter)
Das Buch der Sprüche
Der Prediger
Das Lied der Lieder (Das Hohelied)
Die prophetischen Bücher des Alten Testaments
Wann wirkten die Propheten des Alten Testaments?
Der Prophet Jesaja
Der Prophet Jeremia
Die Klagelieder
Der Prophet Hesekiel
Der Prophet Daniel
Der Prophet Hosea
Der Prophet Joel
Der Prophet Amos
Der Prophet Obadja
Der Prophet Jona
Der Prophet Micha
Der Prophet Nahum
Der Prophet Habakuk
Der Prophet Zephanja
Der Prophet Haggai
Der Prophet Sacharja
Der Prophet Maleachi
Die vier Evangelien in der Kritik
Das Evangelium nach Matthäus
Das Evangelium nach Markus
Das Evangelium nach Lukas
Das Evangelium nach Johannes
Vergleich der 4 Evangelien
Die Apostelgeschichte
Die Briefe des Apostels Paulus
Der Brief an die Römer
Der 1. Brief an die Korinther
Der 2. Brief an die Korinther
Der Brief an die Galater
Der Brief an die Epheser
Der Brief an die Philipper
Der Brief an die Kolosser
Der 1. Brief an die Thessalonicher
Der 2. Brief an die Thessalonicher
Die „Pastoral-“Briefe
Die zwei Briefe an Timotheus
Der 1. Brief an Timotheus
Der 2. Brief an Timotheus
Der Brief an Titus
Der Brief an Philemon
Der Brief an die Hebräer
Die „katholischen“ Briefe
Der Brief des Jakobus
Der 1. Brief des Petrus
Der 2. Brief des Petrus
Der 1. Brief des Johannes
Der 2. und 3. Brief des Johannes
Der 2. Brief des Johannes
Der 3. Brief des Johannes
Der Brief des Judas
Die Offenbarung
Alttestamentliche Zitate im Neuen Testament
1.Anordnung nach Büchern des Alten Testaments
2.Anordnung nach Büchern des Neuen Testaments
Stichwortverzeichnis
Abkürzungen der Namen der Bibelbücher
Abbildungs- und Kartenverzeichnis
Entwicklung des Alphabets
Karte: Vorderer Orient zur Zeit der Erzväter
Abb. Tora-Rolle
Karte: Vierzigjährige Wüstenwanderung Israels
Das Zelt der Zusammenkunft (die Stiftshütte)
Die Ordnung des Lagers Israels in der Wüste
Karte: Wohnsitze der Israeliten in Kanaan
Abb. Mesa-Stele (Moabiterstein)
Karte: Das geteilte Reich (Israel und Juda)
Abb. Jesaja-Rolle vom Toten Meer (Qumran)
Abb. Habakuk-Kommentar
Abb. Lektionar
Karte: Palästina zur Zeit des Neuen Testaments
Karte: Jerusalem
Abb. Papyrus P52 (ältestes Zeugnis des NT)
Abb. Papyrus P66
Karte: 1. Missionsreise des Paulus
Karte: 2. Missionsreise des Paulus
Karte: 3. Missionsreise des Paulus
Karte: Reise nach Rom
Abb. Gallio-Inschrift von Delphi
Karte: Kleinasien zur Zeit des NT
Abb. Papyrus P47
Tabellen
Chronologie der fünf Bücher Mose
Regierungszeiten der Könige Israels und Judas
Wann wirkten die Propheten des AT?
Vergleich der vier Evangelien („Synopse“)
Zeittafel zum Leben des Apostels Paulus
Namen und Titel des Herrn Jesus im Kolosserbrief
Vergleich von Jakobusbrief und Matthäusevangelium
Vergleich von 2. Petrus 2 und Judasbrief
Namen und Titel des Herrn Jesus in der Offenbarung
Die Bibel
Die Begriffe „Bibel“ und „Testament“
Das Wort Bibel stammt aus dem Griechischen und ist über das Lateinische zu uns gekommen. Ursprünglich bezeichnete das griechische Substantiv biblos eine Papyrusrolle, weil diese Rollen in der phönizischen Stadt Byblos (biblisch: Gebal) gehandelt wurden. Später nahm das Wort die Bedeutung „Buch“ an. Davon bildeten die Griechen die Verkleinerungsform biblion mit der Pluralform biblia, das wiederum als Bezeichnung für die Bücher der Bibel benutzt wurde, die zunächst ja nicht wie heute als ein Band, sondern als eine Sammlung von Schriften bestand. Die Römer übernahmen das Wort biblia für die Bibel, und so gelangte es in viele Sprachen.
Das Wort „Testament“ ist die Übersetzung des griechischen Substantivs diathēkē, das auch „Bund“ bedeutet. Der alte oder erste Bund bezeichnet das Verhältnis Gottes zu Seinem irdischen Volk Israel aufgrund der Gesetzgebung am Sinai. Der Ausdruck „neuer Bund“ wird vom Herrn Jesus bei der Einsetzung Seines Gedächtnismahles zum ersten Mal im NT verwendet (Mt 26,28; vgl. Jer 31,31). Die Grundlage dieses neuen Bundes, der auch wieder mit Israel geschlossen wird, ist der Kreuzestod Christi.
Der Apostel Paulus benutzt in 2. Korinther 3,14 den Ausdruck „alter Bund“ für die Schriften des AT. Später wurde die Bezeichnung „neuer Bund“ bzw. „Neues Testament“ für den zweiten Teil der Bibel eingeführt.
Die Bücher der Bibel
1. Das Alte Testament
Die Sprache, in der das AT geschrieben wurde, ist das Hebräische, das wie das Arabische zur semitischen Sprachfamilie gehört. Kleinere Abschnitte des AT sind aramäisch geschrieben (Esra 4,8–6,18; 7,12–26; Dan 2,4–7.28). Aramäisch ist dem Hebräischen eng verwandt und ursprünglich in Syrien beheimatet. Es breitete sich jedoch über den ganzen Vorderen Orient aus und wurde bereits in assyrischer Zeit zu einer internationalen Sprache. Als „Reichsaramäisch“ wurde es zur offiziellen Sprache des westlichen Perserreiches. Nach der Babylonischen Gefangenschaft war es die Umgangssprache der Juden.
Das hebräische AT, die heilige Schrift der Israeliten, beinhaltet die gleichen Bücher wie unser heutiges AT. Die Reihenfolge der einzelnen Bücher ist allerdings eine andere. Das hebräische AT wird in drei Teile eingeteilt (vgl. Lk 24,44b).
a) Das Gesetz (hebr.Tora)
Das Gesetz umfasst die 5 Bücher Mose, die seit der griechischen Übersetzung der Septuaginta (3./2. Jh.v. Chr.) vielfach die folgenden griechisch-lateinischen Bezeichnungen tragen:
Genesis
(Entstehung, Werden)
Exodus
(Auszug)
Leviticus
(Leviten-Buch)
Numeri
(Zahlen, Zählung)
Deuteronomium
(zweites Gesetz)
Die hebräischen Bezeichnungen für die 5 Bücher Mose sind jeweils von den ersten Worten der einzelnen Bücher abgeleitet:
Bereschit
(Im Anfang)
Schemot
(Namen)
Wajikra
(Und er rief)
BaMidbar
(In der Wüste)
Devarim
(Worte)
b) Die Propheten (hebr.Neviim)
Diese umfassen in der hebräischen Bibel auch einen Teil der historischen Bücher, also wesentlich mehr als die uns bekannten Prophetenbücher, und sind in zwei Gruppen gegliedert:
die früheren Propheten (hebr.Neviim rischonim):
Josua
Richter
1. und 2. Samuel
1. und 2. Könige
die späteren Propheten (hebr.Neviim acharonim):
1.Jesaja
2.Jeremia
3.Hesekiel
4.Hosea
5.Joel
6.Amos
7.Obadja
8.Jona
9.Micha
10.Nahum
11.Habakuk
12.Zephanja
13.Haggai
14.Sacharja
15.Maleachi
c) Die Schriften (hebr.Ketuvim)
Psalmen
Hiob
Sprüche
Die 5 Bücher Ruth, Lied der Lieder, Prediger, Klagelieder, Esther werden unter dem hebräischen Namen Megillot („Rollen“) zusammengefasst. Sie werden an den jüdischen Festen Pfingsten, Passah, Laubhüttenfest, Tempelzerstörung und Purim vorgelesen.
Daniel
Esra
Nehemia
1. und 2. Chronika
d) Die christliche Bibel
In den heutigen vollständigen (christlichen) Bibelausgaben gilt die folgende Einteilung des AT:
1)17 Geschichtsbücher: Die fünf Bücher Mose, Josua, Richter, Ruth, 1. und 2. Samuel, 1. und 2. Könige, 1. und 2. Chronika, Esra, Nehemia, Esther
2)5 Lehrbücher oder poetische Bücher: Hiob, Psalmen, Sprüche, Prediger, Hoheslied
3)17 prophetische Bücher: Jesaja, Jeremia, Klagelieder, Hesekiel, Daniel, Hosea, Joel, Amos, Obadja, Jona, Micha, Nahum, Habakuk, Zephanja, Haggai, Sacharja, Maleachi
2. Das Neue Testament
Das NT ist ursprünglich zweifellos in allen seinen Teilen griechisch geschrieben worden. Dabei handelt es sich um eine besondere Ausprägung der griechischen Sprache, die so genannte Koine („die Allgemeine“), die zur Zeit der Abfassung der neutestamentlichen Schriften in der zweiten Hälfte des 1. Jh.n. Chr. Handels-und Umgangssprache in weiten Gebieten des Mittelmeerraumes war. Sie war daher viel besser als das Aramäische, die Sprache der Juden und des Herrn Jesus, zur Verbreitung des Evangeliums geeignet (vgl. Mt 28,19; Mk 16,15; Apg 22,21). Die Reihenfolge der Bibelbücher ist nicht als inspiriert zu betrachten. Es hat daher im Lauf der fast zweitausendjährigen Geschichte des NT verschiedene Anordnungen der Bücher gegeben. Heute hat sich allgemein die nachstehende Reihenfolge international durchgesetzt:
Die Evangelien:
Matthäus, Markus, Lukas, Johannes
Apostelgeschichte
Die Paulusbriefe:
Römer, 1. und 2. Korinther, Galater, Epheser, Philipper, Kolosser, 1. und 2. Thessalonicher, 1. und 2. Timotheus, Titus, Philemon, Hebräer (?)
Die katholischen („allgemeinen“) Briefe:
Jakobus, 1. und 2. Petrus, 1. bis 3. Johannes, Judas
Das prophetische Buch:
Offenbarung
Die bekannteste Ausnahme von dieser Reihenfolge stellt im deutschen Sprachraum die Lutherbibel dar, in der seit jeher die Briefe des Petrus und Johannes zwischen dem Brief an Philemon und dem Hebräerbrief eingeschaltet sind.
Das NT besteht aus 27 Büchern oder Schriften. Sie werden gewöhnlich in drei Gruppen eingeteilt.
Die geschichtlichen Bücher: In den Evangelien werden Leben, Tod und Auferstehung des Herrn Jesus beschrieben, in der Apostelgeschichte die Ausbreitung des Evangeliums in den ersten Jahrzehnten.
Die Briefe: Die Paulusbriefe: Römer, 1. und 2. Korinther, Galater, Epheser, Philipper, Kolosser, 1. und 2. Thessalonicher, 1. und 2. Timotheus, Titus, Philemon und wahrscheinlich Hebräer sowie die katholischen (d. h. allgemeinen) Briefe: Jakobus, 1. und 2. Petrus, 1.–3. Johannes und Judas.
In den Briefen wird der Glaube an den Herrn Jesus in Lehre und Praxis dargestellt.
Die Offenbarung ist ein Buch der Weissagung und beschreibt die zukünftigen Ereignisse in Verbindung mit Christus.
Das Hauptthema des NT – wie der ganzen Bibel – ist der Herr Jesus, der Sohn Gottes und Erlöser. Christus wird im AT angekündigt und im NT offenbart. Das AT zeugt von Ihm in Vorbildern und durch Weissagung (vgl. Joh 5,39). Das NT beschreibt Christi Leben und Werk (in den vier Evangelien), Seine Herrlichkeit und die Stellung aller, die an Ihn glauben (in den Briefen), und schließlich Seine Zukunft und die damit verbundenen Ereignisse (in der Offenbarung). AT und NT bilden also eine Einheit, die sich auch in den vielen alttestamentlichen Zitaten im NT zeigt (s. die Übersicht „Alttestamentliche Zitate im Neuen Testament“ S. 548).
Gott hat das NT zum Segen und Nutzen der Menschen niederschreiben lassen. Der Apostel Johannes wendet sich am Ende seines Evangeliums mit den folgenden Worten an alle Menschen: „Diese [Zeichen] aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr glaubend Leben habt in seinem Namen“ (Joh 20,31). Und am Ende seines ersten Briefes schreibt er denen, die den Herrn Jesus im Glauben angenommen haben: „Dies habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr ewiges Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes“ (1. Joh 5,13).
3. Die Apokryphen und Pseudepigraphen
Gegenwärtig wird häufig über die Apokryphen der Bibel gesprochen und geschrieben. Teilweise werden sie als wichtige Dokumente bezeichnet, die der Heiligen Schrift ebenbürtig sind. Vielen Bibellesern sind die Apokryphen jedoch nahezu unbekannt. Das Wort Apokryphen stammt aus der griechischen Sprache und bedeutet: „verborgen, geheim“. In den letzten vorchristlichen Jahrhunderten entstanden zusätzlich zu den inzwischen von den Juden als kanonisch anerkannten Büchern des AT eine Reihe weiterer religiöser Schriften: Judith, Weisheit Salomos, Tobias, Jesus Sirach, Baruch, 1. und 2. Makkabäer, Stücke zu Esther und zu Daniel. Diese Bücher waren aber nie Bestandteile der hebräischen Bibel. Sie tauchten erstmals in der Septuaginta (3./2. Jh.v. Chr.) auf. Von dort wurden sie in die lateinische Übersetzung der Bibel von Hieronymus, die Vulgata (um 400 n. Chr.) übernommen. Sie gehören seitdem zum festen Bestandteil der katholischen Bibel und wurden 1546 auf dem Konzil zu Trient endgültig als den übrigen Schriften gleichwertig anerkannt.
Abgesehen von manchen geschichtlichen Unrichtigkeiten ist das gesamte Niveau der Apokryphen mit dem der kanonischen Schriften nicht zu vergleichen. Mit Recht ist auch darauf hingewiesen worden, dass Aussprüche wie „So spricht der HERR“ oder ähnlich („Gott sprach“, „das Wort des HERRN“ usw.), die in den Schriften des AT ungefähr 2.000-mal vorkommen, in den Apokryphen kein einziges Mal gebraucht werden. Von den Rabbinern Palästinas wurden die Apokryphen, deren Herkunft im Dunkel liegt (evtl. Ägypten oder Syrien?), schon im Altertum nicht als Gottes Wort anerkannt. Obwohl oft behauptet wird, das NT enthalte Zitate aus den Apokryphen, gibt es kein einziges unzweifelhaftes Zeugnis dafür.
Im Anhang der lateinischen Vulgata erscheinen noch weitere Texte, die als pseudepigraphisch (d. h. unter falschem Namen geschrieben) bezeichnet werden: das Gebet Manasses, 3. und 4. Esra, Psalm 151 und der Laodizeerbrief.
Auch dem NT wurden schon früh eine Reihe von Apokryphen hinzugefügt. Sie stammen frühestens aus dem 2. Jh.n. Chr., d. h. aus der Zeit nach der Vollendung des biblischen Kanons. Es handelt sich dabei um eine Fülle teils märchenhafter Schriften über den Herrn Jesus und die Apostel sowie um gefälschte Briefe von Aposteln und anderen biblischen Personen, die deutlich offenbaren, dass es sich um menschliche Machwerke handelt. Von einigen Forschern werden auch die Schriften der so genannten „Apostolischen Väter“ dazugezählt. Die bekanntesten dieser nachapostolischen Schriften sind: der Klemensbrief, der Barnabasbrief, die Apostellehre (Didache) und der Hirte des Hermas.
Heute geht die protestantische historisch-kritische Theologie nicht mehr davon aus, dass die Bücher der Bibel von Gottes Geist inspiriert sind und hat daher zwangsläufig deren Unterscheidung von den nicht inspirierten Schriften aufgegeben. Deshalb erscheinen mehr und mehr Bibelausgaben mit Einschluss der Apokryphen oder „Spätschriften“, wie sie euphemistisch oder verbrämend genannt werden. Die Geschichte dieser Schriften macht jedoch klar, dass sie nicht zum Kanon der Heiligen Schrift gehören, den Gott uns gegeben hat. Schriften wie das Buch Henoch, das manchmal mit dem Judasbrief (V.14) in Verbindung gebracht wird, sind jedoch noch nicht einmal zu den Apokryphen zu rechnen, sondern gehören zur so genannten „apokalyptischen Literatur“ der Juden, die u. a. in reichem Maß in Qumran am Toten Meer gefunden wurde.
Der Satz des Reformators Martin Luther (1483–1546) über die Apokryphen behält bis heute seine Gültigkeit: „Das sind Bücher, die der Heiligen Schrift nicht gleich gehalten, und doch nützlich und gut zu lesen sind.“
Der Text der Heiligen Schrift
1. Der Kanon der Bibel
Das Wort Kanon bedeutete ursprünglich „Richtschnur“ und wurde seit dem 2. Jh. vom Inhalt der heiligen Schriften, die für die gläubigen Christen verbindlich waren, auf die Schriften selbst übertragen. Das Wort Kanon bezeichnet heute die Sammlung der von Gottes Geist inspirierten Schriften, die nach Abweisung der Apokryphen oder Pseudepigraphen allgemeine Anerkennung gefunden hat. Diese Sammlung der biblischen Bücher hat ihre eigene Geschichte, die auch dadurch bedingt ist, dass die Bibel über einen Zeitraum von ca. 1.600 Jahren entstanden ist.
Das AT enthält nach unserer Zählung 39 Bücher. Nach jüdischer Zählung sind es 22 Bücher, die zudem etwas anders angeordnet sind. Diese werden von den Juden in drei Teile eingeteilt: Gesetz, Propheten und Schriften (hebr.: Tora, Neviim und Ketuvim). Genau diese Einteilung benutzt der Herr Jesus in Lukas 24,44, wenn Er davon spricht, „was über mich geschrieben steht in dem Gesetz Moses und den Propheten und Psalmen“, wobei die Psalmen als erstes und größtes Buch des dritten Teils anstatt des sonst üblichen Namens „Schriften“ genannt werden. Daraus wird deutlich, dass die Sammlung der Schriften des AT zur Zeit des Herrn Jesus in der heutigen Form schon bestand. Der alttestamentliche Kanon lag im 2. Jh.v. Chr. bereits abgeschlossen vor und wurde in der uns bekannten Form von den Rabbinern Palästinas im 1. Jh.n. Chr. bestätigt. Unter den Schriftfunden in Qumran am Toten Meer befanden sich alle Bücher des AT mit Ausnahme des Buches Esther.
Von den 39 Büchern des AT werden mindestens 29 im NT zitiert. Paulus schreibt in Römer 3,2 über das irdische Volk Gottes: „Denn zuerst einmal sind ihnen die Aussprüche Gottes anvertraut worden.“ Das zeigt uns, dass nicht nur Gott, sondern auch Sein Volk Israel wusste, was Gottes Wort war und was nicht.
Das AT war Gottes Wort für das Volk Israel. Gott selbst sagte: „Und welche große Nation gibt es, die so gerechte Satzungen und Rechte hätte wie dieses ganze Gesetz, das ich euch heute vorlege?“ (5. Mo 4,8). Das Evangelium im NT dagegen gilt nicht nur einem einzigen Volk, sondern allen Menschen. Schon bald gab es Versammlungen in verschiedenen Ländern: Palästina, Syrien, Kleinasien, Griechenland und Italien. Da alle Schriften einzeln mit der Hand abgeschrieben werden mussten, waren sie nicht von Anfang an bei allen Christen in allen Ländern gleichermaßen verbreitet. Aber schon um die Mitte des 2. Jh. berichtet Justin der Märtyrer, dass die Evangelien und die Schriften der Apostel zusammen mit den alttestamentlichen Büchern der Propheten an jedem Sonntag in den Zusammenkünften der Christen gelesen wurden. Ein wichtiges Dokument ist der so genannte „Kanon Muratori“ (oder: Muratorischer Kanon), eine Mitte des 18. Jh. in Italien aufgefundene Liste neutestamentlicher Schriften aus dem 2. Jh. Leider ist diese nach ihrem Entdecker Muratori benannte Liste nur teilweise erhalten. Sie enthält die vier Evangelien, die dreizehn Briefe des Paulus, die Apostelgeschichte, die Briefe des Johannes, Judas und die Offenbarung, außerdem zwei nicht kanonische Schriften. Besonders durch das Auftreten des Gnostizismus mit seinen falschen Lehren waren die Christen genötigt, eindeutig festzuhalten, welche Schriften sie als Gottes Wort empfangen hatten. Erstmals bei dem Kirchenvater Athanasius (ca. 296–373) findet sich ein vollständiges Verzeichnis aller neutestamentlichen Schriften, die dann auf den Synoden von Hippo (393) und Karthago (397 und 419) von der Westkirche als Heilige Schrift anerkannt wurden.
Beim Lesen mancher modernen Darstellungen über den Kanon der Bibel bekommt man den Eindruck, als ob es anfänglich eine fast unüberschaubare Menge von „biblischen“ Schriften gegeben hätte, aus denen dann im 3. und 4. Jh. die Kirchenführer in recht autoritärer Weise eine Anzahl ausgewählt hätten, die dadurch und ab dann als kanonische Schriften erst ihre Autorität in der Christenheit bekommen hätten.
Rezente Publikationen wie das „Judasevangelium“ tragen mit dazu bei, die Verunsicherung des Publikums bezüglich der Heiligen Schrift zu vergrößern. Das „Judasevangelium“ ist seit dem Altertum aus Berichten der Kirchenväter bekannt, wurde aber erst 1978 in Ägypten in einer koptischen Handschrift wiederentdeckt und 2006 veröffentlicht. Darin wird behauptet, dass der Verräter Judas Iskariot der einzige Jünger gewesen sei, der die Botschaft Christi richtig verstanden habe! Auch dies ist nach Auffassung moderner Fantasten ein Beweis für die Tatsache, in der offiziellen Kirche sei die wahre Lehre verschleiert und umgedeutet worden.
Die Entstehung des Kanons
Im vorigen Abschnitt haben wir gesehen, wie viele Bestrebungen es von Anfang an gegeben hat, den von Gott inspirierten Büchern der Heiligen Schrift menschliche Machwerke an die Seite zu stellen. Das Ziel war und ist immer, Verwirrung zu stiften und die Einzigartigkeit der Bibel anzugreifen. Deshalb ist es notwendig, über die Entstehung des Kanons der Bibel Klarheit zu gewinnen.
Erstens hat Gott selbst dafür gesorgt, dass Sein Wort, so wie Er es wollte, niedergeschrieben und aufbewahrt wurde. Zweitens hat Er Menschen als Werkzeuge dabei benutzt. An verschiedenen Stellen der Schrift können wir diese Art des Wirkens Gottes erkennen. Als Mose das Zelt der Zusammenkunft in der Wüste aufgerichtet hatte, nahm er das „Zeugnis“, d. h. die Zehn Gebote, und legte sie nach dem Geheiß Gottes in die Bundeslade (2. Mo 40,20; vgl. 5. Mo 31,24–26). Gott trug also Sorge dafür, dass die von Ihm inspirierten Schriften sicher aufbewahrt wurden.
Bei der Bildung des alttestamentlichen Kanons durch die Sammlung und Bewahrung der heiligen, inspirierten Schriften wird seit jeher dem Schriftgelehrten Esra eine wesentliche Rolle als Werkzeug Gottes zugeschrieben. Viele Forscher sind sich darin einig, dass er nicht nur das nach ihm benannte Buch, sondern auch die beiden Bücher der Chronika verfasst hat. Nach jüdischer Tradition ist Esra auch der Urheber der heute noch gebräuchlichen hebräischen Quadratschrift und der Targume, der aramäischen Übersetzungen vieler Bücher (vgl. Neh 8,8).
Auch der Kanon des NT hat sich im Lauf mehrerer Jahrzehnte gebildet. Von Anfang an wurden die Evangelien, die Apostelgeschichte, die Briefe und die Offenbarung als inspirierte heilige Schriften betrachtet. Wie bei den Schreibern wirkte der Heilige Geist auch bei den Empfängern und Lesern: Was die einen unter Seiner Leitung schrieben, anerkannten die anderen unter dem gleichen göttlichen Einfluss.
Wie entstand nun der Kanon der Heiligen Schrift? Auch darüber gibt uns das Wort Gottes eine grundsätzliche Auskunft. Wir finden zum Beispiel die Anerkennung des Gesetzes Moses im ganzen AT (Neh 8,1; Mal 3,22usw.) und die Anerkennung des gesamten AT im NT (Lk 24,44; Joh 5,39). Außerdem haben wir Stellen wie 1. Korinther 14,37, wo Paulus darauf besteht, dass das, was er schrieb, „ein Gebot des Herrn“ war. Darüber hinaus enthalten das AT und das NT einige Beispiele, die uns die Entstehung und Entwicklung des biblischen Kanons in überzeugender Weise verdeutlichen. Es handelt sich dabei um die Anerkennung der inspirierten Schriften durch andere, die selbst inspirierte Schriften verfasst haben:
1.In Jeremia 26,18 wird der Prophet Micha (Mich 3,12), der ca. 100 Jahre vor Jeremia geweissagt hatte, als Bote Gottes zitiert. Die prophetische Schrift Michas war den Ältesten Judas, die zur Zeit Jeremias lebten, also bekannt und wurde von ihnen als Gottes Wort anerkannt.
2.In Daniel 9,2 erwähnt Daniel, der ja selbst ein inspirierter Schreiber war, das von Jeremia vorausgesagte Ende der siebzigjährigen Gefangenschaft der Juden in Babel (Jer 25,12). Für ihn gehört das erst kurz vorher entstandene Buch des Propheten Jeremia also zu „den Schriften (hebr.Sefarim)“, d. h. zum inspirierten Wort Gottes, dem „Wort des HERRN“.
3.In 1. Timotheus 5,18 zitiert Paulus zur Stützung seiner Argumentation zwei Bibelstellen mit den einleitenden Worten: „Denn die Schrift sagt …“ Das hier verwendete griechische Substantiv (graphē) wird im NT immer für das geschriebene Wort Gottes benutzt. Im Plural bezeichnet es die Gesamtheit der alttestamentlichen Schriften (z. B.Mt 21,42; Joh 5,39), aber auch schon die bereits entstandenen Schriften des NT (z. B.Röm 16,26; 2. Pet 3,16). Im Singular wird graphē meistens für einzelne Schriftstellen gebraucht (z. B.Mk 12,10; Lk 4,21). Die erste der beiden hier zitierten Stellen der „Schrift“ stammt aus dem AT (5. Mo 25,4), die zweite jedoch aus dem Lukasevangelium (Kap.10,7), das einer der engsten Mitarbeiter von Paulus vor nicht allzu langer Zeit geschrieben hatte. Der Apostel Paulus betrachtet dieses Evangelium also als zur Heiligen Schrift (griech.graphē) gehörig. Diese Tatsache zeigt uns erneut, dass der Heilige Geist nicht nur die Verfasser inspirierte, sondern auch die ersten „kompetenten“ Leser dahin führte, das Geschriebene sogleich als Wort Gottes anzuerkennen.
4.In 2. Petrus 3,15.16 stellt der Apostel Petrus alle Briefe des Apostels Paulus auf die gleiche Stufe wie die „übrigen Schriften“ (griech.graphē). Damit sind, wie wir sahen, das AT und das im Entstehen begriffene NT gemeint.
Wir haben also wenigstens jeweils zwei Zeugen aus dem AT und dem NT über die unmittelbare Anerkennung der inspirierten Schriften durch gläubige Männer, die ebenso „heilige Menschen Gottes“ waren wie die Schreiber (2. Pet 1,21). Nun ist es ein Grundsatz der Heiligen Schrift, dass jede Sache von zwei oder drei Zeugen bestätigt werden muss (5. Mo 19,15; Mt 18,16). Wie diese Beispiele von Jeremia, Daniel, Paulus und Petrus sind auch alle übrigen vom Heiligen Geist inspirierten Schriften der Bibel sogleich nach ihrer Entstehung in ähnlicher Weise anerkannt worden. Die Beispiele zeigen, wie Gott in den Empfängern oder ersten Lesern, die selbst heilige Schreiber waren, durch den Geist ein Verständnis bezüglich der inspirierten Schriften bewirkt hat. So sind z. B. der in Kolosser 4,16 erwähnte Brief „aus Laodizea“ und der in 3. Johannes 9 erwähnte Brief „an die Versammlung“ nicht erhalten; auch werden sie nicht als „Heilige Schriften“ bezeichnet. Sie sind daher mit Recht als nicht inspiriert zu betrachten, obwohl sie offenbar beide von Aposteln geschrieben wurden.
Von Anfang an mussten die inspirierten Schriften allerdings gegen feindliche Angriffe von Kritikern und Schwärmern verteidigt werden. Die einen wollten bestimmte Schriften nicht anerkennen. So wurde anfänglich das Buch der Offenbarung im Osten des Römischen Reiches abgelehnt, und der Sektierer Marcion (2. Jh.) wies nicht nur das gesamte AT ab, sondern auch den Hebräerbrief. Andere dagegen wollten gern weitere, nicht inspirierte Schriften hinzufügen, wie wir am Beispiel der Apokryphen gesehen haben. Auf den Synoden von Hippo und Karthago wurde also nicht, wie Kritiker behaupten, von den damaligen Kirchenführern in autoritärer Weise der Kanon festgelegt. Nein, damals wurde bestätigt, was nach Gottes Absicht von Anfang an zu Seinem Wort gehörte und was alle rechtgläubigen Christen von jeher als inspirierte Schriften ansahen. Gleichzeitig wurde alles das abgewiesen, was nicht inspiriert war. Gott wachte also auch in dieser Hinsicht über Sein Wort, so dass wir es noch heute in den 66 Büchern der so genannten „kanonischen Schriften“ in Händen halten.
Es ist demnach nicht so, dass irgendwann eine Gruppe von kirchlichen Würdenträgern entschieden hat: Diese 66 Bücher bilden ab jetzt die Bibel, sondern die inspirierten Schriften sind von Anfang an von gottesfürchtigen Menschen als Heilige Schrift erkannt und anerkannt worden. So entstand und wuchs im Lauf der Jahrhunderte der Kanon der Bibel, und zwar bei den Juden der des AT (der von den Christen ohne Abstriche übernommen wurde), bei den Christen der des NT.
Über den Ursprung des Kanons ist viel gerätselt worden. Man kann diese Frage jedoch nur im Rahmen der Inspiration verstehen. Derselbe Heilige Geist, der in den „heiligen Menschen Gottes“ die göttliche Inspiration der heiligen Schriften bewirkte, bewegte auch die ersten Leser dazu, diese – und keine anderen – Schriften als von Gott kommend anzuerkennen. Sobald diese Frage einmal geklärt war, war sie für immer geklärt. So wird es auch bleiben, mögen auch noch so viele Angriffe von Gegnern oder Kritikern dagegen stattfinden.
„In Ewigkeit, HERR, steht dein Wort fest in den Himmeln.“
Psalm 119,89
2. Die Inspiration der Bibel
Die insgesamt 66 Bücher der Bibel wurden von ungefähr 40 Personen geschrieben, die ihren Namen allerdings meistens nicht erwähnen. Die Schreiber entstammten den verschiedensten Zeiten, Kulturen, sozialen Schichten und Berufen. Nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift hat schon Mose, der erste inspirierte Schreiber, Worte von Gott empfangen: „Schreibe dies zum Gedächtnis in ein Buch“ (2. Mo 17,14; vgl. Kap.24,4usw.). Auch die Weissagungen der Propheten wurden nicht durch den Willen des Menschen hervorgebracht, sondern die prophetischen Schreiber des AT waren heilige Menschen oder Männer Gottes, getrieben vom Heiligen Geist (2. Pet 1,21). Sie standen vor Gott und empfingen von Ihm ihre Weissagungen. Dann redeten und schrieben sie Gottes Wort unter der Führung Seines Geistes.
Für die Eingebung der Heiligen Schrift hat sich das Wort Inspiration eingebürgert, das „Einhauchung“ bedeutet. Dieser Begriff ist jedoch nicht so zu verstehen, dass die glaubenden, heiligen Menschen, die das Wort Gottes niederschrieben, nur von einem übernatürlichen Drängen erfüllt gewesen wären. Dann wären zwar die Personen „inspiriert“ gewesen, aber für das Geschriebene wären sie doch allein verantwortlich. Eine göttliche Autorität könnte solchen Darstellungen nicht innewohnen.
Die Bibel sagt: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben“ (2. Tim 3,16). Anstatt „von Gott eingegeben“ könnte man auch übersetzen: „gottgehaucht“, oder: „von Gottes Geist eingegeben“. Alle Schrift, das heißt die Bibel als Ganzes, enthält also das, was Gott nach Seinem Willen und nach Seinen Gedanken für die Menschen niederschreiben lassen wollte. Der Geist Gottes erfüllte die Schreiber, aber Er gab ihnen auch ein, was sie schreiben sollten.
Oft wird eingewendet, dass hieraus nicht abgeleitet werden könne, die ganze Bibel sei Gottes vollkommenes und unfehlbares Wort. Die Unkenntnis der Schreiber, ihr falsches „Weltbild“ usw. seien in das Geschriebene eben mit eingeflossen. Sehr vieles sei heute wissenschaftlich unhaltbar, fehlerhaft und daher unglaubwürdig. Nur wenn man diese menschlichen Elemente beseitige, gelange man zu dem, was wahrhaft Gottes Wort sei und die Autorität der „Inspiration“ besitze. Bei dieser Argumentation macht man jedoch den menschlichen Verstand zum Beurteiler und Richter über das Wort Gottes. Demgegenüber steht die folgende Aussage der Bibel selbst: „Das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes, und ein Beurteiler der Gedanken und Überlegungen des Herzens; und kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben“ (Heb 4,12.13). Nicht der Mensch hat die Heilige Schrift zu beurteilen, sondern die Heilige Schrift beurteilt den Menschen.
Nach anderer Auffassung gibt es jedoch keinen Unterschied zwischen inspirierten und nicht inspirierten Teilen der Bibel. Demnach enthalte die Bibel Berichte früherer Offenbarungen Gottes an die Menschen in ihren damaligen Umständen. Wenn nun der moderne Mensch in einer ähnlichen Lage die Bibel liest, wird sie dadurch zum Wort Gottes, dass sie ihn in seiner Situation persönlich anspricht. So soll der Mensch beim Lesen der Bibel in seinem Glaubenserleben die Stimme Gottes erkennen. In diesem Fall macht der Mensch jedoch seinen Gemüts- oder Seelenzustand zum Richter darüber, was Gottes Wort ist oder nicht.
Die Bibel gibt auf diese menschlichen Einwände und Einschränkungen eine klare Antwort. Als der Apostel Paulus seinen ersten Brief an die Korinther schrieb, erinnerte er sie daran, dass er ihnen das Evangelium nicht nach „Vortrefflichkeit der Rede oder Weisheit“ verkündigt hatte. Seine Rede und seine Predigt war nicht in überredenden Worten der Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit ihr Glaube nicht auf Menschenweisheit beruhe, sondern auf Gottes Kraft (1. Kor 2,1–5). Paulus fährt dann fort, dass die Dinge, die er verkündete, bis dahin ein göttliches Geheimnis gewesen seien. Niemand hatte jemals gesehen, gehört oder erdacht, was Gott in Seiner Weisheit geplant und jetzt offenbart hatte. Nur der Heilige Geist, der selbst Gott ist, konnte diese ewigen, göttlichen Dinge offenbaren, aber Er allein konnte auch den Glaubenden Verständnis für diese Dinge schenken. Sodann macht Paulus eine äußerst wichtige Aussage: „[Die Dinge,] die wir auch verkündigen, nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern in Worten, gelehrt durch den Geist“ (1. Kor 2,13). Hier spricht Paulus ganz klar aus, dass der Heilige Geist den Dienern Gottes auch die Worte gab, die die Heilswahrheit des NT enthalten.
Fassen wir die drei wichtigsten Stellen des NT zu diesem Gegenstand abschließend noch einmal zusammen:
a)2. Petrus 1,21: „Denn die Weissagung wurde niemals durch den Willen des Menschen hervorgebracht, sondern heilige Menschen Gottes redeten, getrieben vom Heiligen Geist.“ Die prophetischen Schreiber des AT waren heilige Menschen oder Männer Gottes, die nicht von ihrem eigenen Willen, sondern vom Heiligen Geist getrieben wurden (2. Pet 1,21). Auch Petrus selbst war mit dem Heiligen Geist erfüllt, ebenso wie Paulus (Apg 4,8; 9,17; 13,9). Man geht gewiss nicht zu weit, wenn man aus dem angeführten Vers den Schluss zieht, dass alle Schreiber der Bibel heilige Menschen Gottes waren, die vom Heiligen Geist getrieben wurden. Für diesen Aspekt der Inspiration hat sich die Bezeichnung „Personalinspiration“ eingebürgert. Damit ist jedoch noch nicht der gesamte Inhalt des Begriffs „Inspiration“ abgedeckt.
b)„Alle Schrift ist von Gott eingegeben“ (2. Tim 3,16). Dieses Wort „Schrift“ (griech.graphē) kommt im NT mehr als 50-mal vor, und immer ist damit ausschließlich das geschriebene Wort Gottes, d. h. das AT, gemeint. Zweimal wird jedoch auch auf das bereits im Entstehen begriffene NT Bezug genommen. Einmal führt Paulus eine Stelle aus 5. Mose 25,4 und eine andere aus Lukas 10,7 mit den Worten an: „Die Schrift sagt“, und einmal erwähnt Petrus die Schriften des Apostels Paulus, wobei er das AT die „übrigen Schriften“ nennt (2. Pet 3,16). Die Worte: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben“, unterstreichen also den göttlichen Ursprung der ganzen Heiligen Schrift des AT und NT. Ein Beispiel dafür: In Hebräer 10,15 wird ein Zitat aus Jeremia 31 mit den Worten eingeleitet: „Das bezeugt uns aber auch der Heilige Geist.“ Unter der Leitung des Heiligen Geistes schrieben an sich fehlbare Menschen das Wort Gottes fehlerlos und unfehlbar nieder.
c)Nach 1. Korinther 2,13 sind auch die Worte der neutestamentlichen Botschaft vom Heiligen Geist inspiriert: „… die wir auch verkündigen, nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern in Worten, gelehrt durch den Geist, mitteilend geistliche Dinge durch geistliche Mittel.“ Deshalb sprechen wir von einer wörtlichen Inspiration (oder Verbalinspiration) des Wortes Gottes. Nicht nur die Schreiber waren vom Geist getrieben, sondern auch das, was sie schrieben, war vom Heiligen Geist eingegeben. Die Bibel legt an vielen Stellen Zeugnis davon ab, dass jedes Wort in ihr vom Geist Gottes eingegeben ist. – Zwei Beispiele: Der gewöhnliche, von der Sünde befleckte Begriff „Liebe“ (griech.eros) kommt im NT überhaupt nicht vor. Zur Bezeichnung der Liebe Gottes greift der Heilige Geist auf das Substantiv agapē zurück, das in der übrigen griechischen Literatur äußerst selten belegt ist. – Nur einmal finden wir im NT das griechische Wort bōmos „Altar“, und zwar für die Götzenaltäre in Athen (Apg 17,23). In allen Fällen, wo es sich um Gottes Altar handelt, steht griech.thysiastērion (eig. „Schlachtopferstätte“). Dieses Substantiv gibt schon in der Septuaginta das hebr.misbeach „Altar“ wieder.
Der Herr Jesus spricht sogar von den kleinsten Bestandteilen des Wortes, ja sogar von den kleinsten Buchstaben des griechischen und hebräischen Alphabets, wenn Er in Matthäus 5,17.18 sagt: „Denkt nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist.“
3. Das Verstehen der Bibel
In 1. Korinther 1,18 schreibt der Apostel Paulus: „Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die wir errettet werden, ist es Gottes Kraft.“ Noch deutlicher äußert er sich im zweiten Kapitel: „Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird“ (1. Kor 2,14). Trotz aller seiner Begabungen und Fähigkeiten ist der Mensch von Natur aus unfähig, Gottes Wort wirklich zu verstehen.
Solange der Mensch denkt, es gebe keinen Gott, lautet Gottes Urteil über ihn: Du Tor! – „Der Tor spricht in seinem Herzen: Es ist kein Gott!“ (Ps 14,1; 53,2). Deshalb ist der Mensch auch nicht fähig oder befugt, das Wort Gottes zu beurteilen. Es ist gerade umgekehrt: „Das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes, und ein Beurteiler der Gedanken und Überlegungen des Herzens; und kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles ist bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben“ (Heb 4,12.13). Nur wer unter dieser Voraussetzung an das heilige Wort Gottes herangeht, wird es verstehen und bei seiner Lektüre wahren Segen erfahren.
Dann wirkt die Heilige Schrift für den noch unbekehrten Menschen wie ein Spiegel, der ihm seinen sündigen Zustand offenbart (Röm 3,9–20; vgl. Jak 1,23–25). Aber das Wort Gottes zeigt auch den Weg, auf dem jeder die ewige Errettung finden kann. Es ist das Wasser, das den Menschen moralisch reinigt (Joh 3,5; 15,3), und das Samenkorn, das in ihm die neue Geburt aus Wasser und Geist bewirkt (Jak 1,18.21). Es ist das Evangelium, das den Blick des von Sünde überführten Sünders auf Gott richtet, „der uns errettet hat und berufen mit heiligem Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben, jetzt aber offenbart worden ist durch die Erscheinung unseres Heilandes Jesus Christus, der den Tod zunichte gemacht, aber Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht hat durch das Evangelium“ (2. Tim 1,9.10).
Wer an „das Wort der Wahrheit, das Evangelium [des] Heils“, geglaubt hat, darf aus dem Wort Gottes wissen, dass er „versiegelt worden [ist] mit dem Heiligen Geist der Verheißung, der das Unterpfand unseres Erbes ist, zur Erlösung des erworbenen Besitzes, zum Preise seiner Herrlichkeit“ (Eph 1,13.14). Vom Heiligen Geist sagte der Herr Jesus Seinen Jüngern: „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er wird nicht von sich selbst aus reden, sondern was er hören wird, wird er reden, und das Kommende wird er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen, denn von dem Meinen wird er empfangen und euch verkündigen“ (Joh 16,13.14).
Dadurch besitzt jeder, der durch den Glauben an den Herrn Jesus erlöst und mit dem Heiligen Geist versiegelt ist, die notwendigen Voraussetzungen zum Verstehen des Wortes Gottes. Johannes schreibt den Gläubigen: „Und ihr habt die Salbung von dem Heiligen und wisst alles“ (1. Joh 2,20). Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass jedes von neuem geborene Kind Gottes sofort automatisch die ganze Wahrheit versteht. Die regelmäßige und intensive Beschäftigung mit dem Wort Gottes ist notwendig, aber dabei wird der Heilige Geist die rechte Hilfe sein.
4. Die Überlieferung der Bibel
Bis zur Erfindung der Buchdruckerkunst im 15. Jh. war das Abschreiben die einzige Möglichkeit zur Vervielfältigung eines Textes. Bei den Ägyptern, den Sumerern und den Babyloniern war die Schreibkunst schon im 3. Jahrtausend v. Chr. bekannt. Von dieser Seite gibt es daher kein Argument gegen die frühe Abfassung der ältesten Teile der Bibel. Mit großer Sorgfalt wurden diese von Gottes Geist inspirierten Schriften immer wieder abgeschrieben und so von Generation zu Generation überliefert.
b. Neues Testament
Wenn wir die Überlieferung des AT mit der des NT vergleichen, sehen wir, dass Gott auf ganz verschiedene Weise dafür Sorge trug, dass Sein Wort durch die Jahrtausende hindurch erhalten blieb. Wir kennen zwar vom AT wesentlich weniger Handschriften als vom NT. Aber wie wir sahen, wurde der Text aufgrund der großen Genauigkeit beim Abschreiben trotzdem sicher überliefert.
Vom NT gibt es dagegen eine große Anzahl von Handschriften. Die älteste davon, der Papyrus 52 (ca. 125 n. Chr.), ist kaum 35 Jahre jünger als das von dem Apostel Johannes geschriebene Original. In den heute bekannten 5.555 griechischen Handschriften (Stand: 2010) und den vielen Übersetzungen wurde zwar eine große Zahl von textlichen Unterschieden festgestellt. Aber die Fülle des Fundmaterials ermöglicht eine systematische Erforschung und damit auch die Feststellung des ursprünglichen Bibeltextes (durch die so genannte „Textkritik“, nicht zu verwechseln mit Bibelkritik). Es gibt daher keinen Grund, an der Richtigkeit der Überlieferung des NT oder der ganzen Bibel zu zweifeln.
Die textlichen Unterschiede der alten Handschriften sind seit knapp 250 Jahren Gegenstand wissenschaftlicher Erforschung. Aus dem frühen Text der ältesten neutestamentlichen Handschriften entwickelten sich seit dem 4. Jh. im Osten des Römischen Reiches der so genannte Mehrheitstext, der im Prinzip den früheren Bezeichnungen byzantinischer oder Koine- bzw.Reichstext entspricht, und in Ägypten die alexandrinische Textform, beide mit allerlei Varianten. Früher sprach man auch noch von einem „westlichen Text“, der seinen Ursprung in Rom haben sollte. Aber diese Theorie konnte nicht bestätigt werden.
Der größte Teil der erhaltenen griechischen Handschriften des NT enthält den so genannten Mehrheitstext, der seit dem 4. Jh. im Osten entstanden ist und eindeutige redaktionelle Eingriffe aufweist. Ein Hauptkennzeichen dieser Handschriftengruppe ist der Wunsch nach Harmonisierung des Textes, besonders in den synoptischen Evangelien.
Die meisten der heute bekannten 5.555 griechischen Handschriften des NT sind in den letzten 200 Jahren entdeckt und ausgewertet worden, die ältesten von ihnen, insbesondere die Papyrushandschriften, erst seit Anfang des 20. Jh. Diese Handschriften enthalten an einigen Stellen einen vom Textus Receptus abweichenden Wortlaut. Die Ergebnisse der Textkritik sind die wissenschaftlichen Ausgaben des griechischen NT. Die weltweit bekannteste von ihnen ist diejenige von Nestle-Aland (Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart). Unterschiede gibt es jedoch nur bei einem kleinen Bruchteil des gesamten Textes. Viele davon sind Abweichungen in der Schreibweise oder Grammatik, die in einer Übersetzung oft gar nicht ausgedrückt werden können.
Papyrushandschriften
Es sind insgesamt ca. 116 alte Papyrushandschriften bekannt, die vom Anfang des 2. bis zum 8. Jh. entstanden sind. Die frühen Papyrushandschriften sind die ältesten Handschriften des NT, die es heute gibt. Sie wurden größtenteils erst in diesem Jahrhundert entdeckt. Die bekanntesten von ihnen sind die Chester-Beatty-Papyri mit den Bezeichnungen P45, P46 und P47, die aus dem 3. Jh. stammen, sowie die Bodmer-Papyri P66, P72, P74 und P75 aus dem 3. bis 7. Jh., die erst in den Jahren 1956–1961 veröffentlicht wurden. Keine dieser wertvollen alten Papyrushandschriften enthält das gesamte NT, sondern immer nur Teile davon. Dazu gehören vor allem die Evangelien, dann die Apostelgeschichte, die Briefe des Apostels Paulus, die so genannten katholischen Briefe und die Offenbarung.
Majuskelhandschriften
Zu den bekanntesten Handschriften des NT überhaupt gehören die 278 so genannten Majuskeln oder Unzialen aus der Zeit zwischen dem 3. und 11. Jh., so genannt nach ihrer großen Buchstabenform. Sie sind gewöhnlich auf Pergament geschrieben. Darunter befinden sich die ältesten vollständigen Bibeln der Welt. Die berühmteste von ihnen ist wohl der Codex Sinaiticus, eine noch fast komplett erhaltene griechische Bibel (einschließlich des AT) aus dem 4. Jh., die in der Mitte des 19. Jh. von dem Gelehrten Konstantin von Tischendorf im Katharinenkloster auf der Sinai-Halbinsel entdeckt wurde. Sie befindet sich wie der Codex Alexandrinus, eine weitere wertvolle Handschrift der ganzen Bibel aus dem 5. Jh., im Britischen Museum in London. In der Bibliothek des Vatikan in Rom liegt der Codex Vaticanus, eine ebenfalls sehr bekannte griechische Bibel aus dem 4. Jh.
Minuskelhandschriften
Die größte Gruppe der neutestamentlichen Handschriften in griech. Sprache (insgesamt 2.765 Manuskripte) stellen die Minuskeln dar, die auch Kursive genannt werden, weil ihre Schrift kleiner ist und die Buchstaben miteinander verbunden sind. Die ältesten von ihnen stammen aus dem 9. Jh. Der Text der meisten dieser Handschriften ist der so genannte byzantinische Reichs-, Koine- oder Mehrheitstext.
Lektionare
Eine weitere Gruppe von griech. Handschriften sind die ca. 2.338 Lektionare. Das sind Bücher, die verschiedene neutestamentliche Texte (Perikopen) in der Reihenfolge enthalten, wie sie seit dem 4. Jh. auf Anordnung der Kirche in den Gottesdiensten im Laufe eines Jahres vorgelesen werden mussten. Hier haben wir es also nicht mit Bibelhandschriften im eigentlichen Sinn zu tun. Trotzdem sind diese Lektionare als Zeugen für viele griechische Textstellen des NT wertvoll. – Auch die Bibelzitate bei den Kirchenvätern sind eine Hilfe bei der Erforschung der Geschichte des neutestamentlichen Grundtextes.
c. Alte Übersetzungen
Darüber hinaus gab es schon früh Übersetzungen der ganzen Bibel in verschiedene Sprachen. Die älteste ist die bereits erwähnte Septuaginta. Von den übrigen sind als wichtigste die syrischen, die koptischen und lateinischen (insbesondere die Vulgata des Kirchenvaters Hieronymus; um 400 n. Chr.) zu nennen. Auch sie sind für die Erforschung des Textes der Heiligen Schrift von Bedeutung, wenn auch nicht von gleichem Gewicht wie der Grundtext. Die älteste Übersetzung in eine germanische Sprache ist die gotische Bibel des Bischofs Wulfila aus dem 4. Jh. Im 13. und 14. Jh. entstanden die ersten Übersetzungen in deutscher Sprache, die ab 1466 auch schon im Druck erschienen (es gab 18 verschiedene deutsche Bibeldrucke vor Luther!), aber erst durch Martin Luthers Übersetzung des NT (1522) und des AT (1534) wurde die Bibel in deutscher Sprache ein Buch für alle. Heute gibt es über 30 verschiedene Übersetzungen der Bibel bzw. des NT in deutscher Sprache.
d. „Textus Receptus“ und „Nestle-Aland“
Im Jahr 1516 wurde zum ersten Mal ein NT in der Sprache des griechischen Grundtextes gedruckt. Herausgeber war der holländische Humanist Erasmus von Rotterdam, der zu diesem Zweck sechs relativ junge Handschriften (aus der Universitätsbibliothek Basel) benutzte und das ganze Werk bei dem Drucker Froben in Basel herstellen ließ. Im Lauf der Zeit wurden bei Neuauflagen inzwischen entdeckte Handschriften berücksichtigt, wodurch der Text hier und da verbessert wurde. Im Jahr 1633 nannte der niederländische Drucker Elzevir diesen Text im Vorwort eines griechischen NT erstmals Textus Receptus (lat. für „angenommener“ oder „anerkannter Text“). Dieser seit den Tagen von Erasmus nur wenig geänderte oder verbesserte Text hat im Prinzip allen Übersetzern der Reformationszeit (Luther in Deutschland, King James in England, Olivetan in Frankreich, Statenvertaling in den Niederlanden) als Vorlage gedient. Wie sich herausgestellt hat, enthält die Mehrzahl aller heute bekannten griechischen Handschriften des NT mit kleineren Abweichungen den gleichen Text. Er wird nach seiner Herkunft auch „Byzantinischer Text“ oder wegen der Menge der Handschriften „Mehrheitstext“ genannt, früher auch „Koine“ oder „Reichstext“.
Es ist also genau genommen ein Unterschied zu machen zwischen dem Textus Receptus, d. h. den frühen Druckausgaben auf der Grundlage einiger weniger griechischer Originalhandschriften, und dem „Mehrheitstext“, d. h. der erst in neuerer Zeit entdeckten Tatsache, dass dieser Text in der Masse der griech. Handschriften enthalten ist. Im Textus Receptus steht z. B. in Offenbarung 22,19 der Ausdruck „Buch des Lebens“, der sich in keiner einzigen griechischen Handschrift des NT und damit auch nicht im „Mehrheitstext“ findet. Bei seiner Ausgabe des griechischen NT hatte Erasmus von Rotterdam nämlich eine vollständige Handschrift der Offenbarung gefehlt, und so hatte er einfach aus der lateinischen Vulgata, wo „Buch“ statt „Baum“ steht, ins Griechische zurückübersetzt!
Es handelt sich beim „Mehrheitstext“, wie man heute annimmt, um eine Textform, die seit dem 4. Jh. im Osten des Römischen Reiches (Konstantinopel) in fortschreitendem Maß durch Revisionen oder redaktionelle Eingriffe verändert worden ist. Diese Änderungen hatten jedoch kaum lehrmäßige Gründe, sondern sollten in erster Linie die Verständlichkeit verbessern. Das wurde durch Änderung der Wortwahl, des Stils und durch Angleichungen (Harmonisierung) von Parallelstellen (besonders in den Evangelien) zu erreichen versucht. Beispiele dafür sind Matthäus 6,1, wo der Textus Receptus „Almosen“ statt „Gerechtigkeit“ hat, d. h. im Zusammenhang ein leichter verständliches Wort, und der ganze Vers Markus 15,28, der im Textus Receptus aus erbaulichem Interesse hinzugefügt zu sein scheint.
Diese Tatsachen wurden erst durch die hauptsächlich in den letzten 150 Jahren gefundenen, z. T. sehr alten Handschriften und Fragmente entdeckt und großenteils erklärt. Die Majuskel-und Papyrushandschriften enthalten an manchen Stellen einen anderen Text, und die wissenschaftliche Textforschung bemüht sich, zu ermitteln, welches der ursprüngliche und damit der richtige ist. Das Ergebnis dieser Arbeit sind die wissenschaftlichen Textausgaben des griech.NT, von denen Nestle-Aland (Novum Testamentum Graece post Eberhard et Erwin Nestle, Hrsg. B. und K. Aland u. a., Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 27. Auflage 1993) heute die bekannteste ist und von ihren Herausgebern gern als der heutige „Standardtext“ bezeichnet wird. Vielen Wissenschaftlern fehlt jedoch ein wichtiges Rüstzeug, denn zu dieser Aufgabe sind nicht nur wissenschaftliche Ausbildung, Sprachkenntnisse und Intelligenz, sondern auch geistliches Verständnis über Gott und Seine Offenbarung erforderlich. Beides haben Männer wie J. N. Darby und W. Kelly in hohem Maß besessen, wovon wir heute noch Nutzen haben. So hat z. B. schon W. Kelly 1889 darauf hingewiesen, dass es in 1. Timotheus 3,16 statt „Gott“ (Textus Receptus) nach den besten Handschriften „Er“ heißen müsste, wie es heute von der Textforschung allgemein anerkannt wird.
Neuerdings gibt es jedoch eine aus den USA kommende Meinung unter Christen, der heutige wissenschaftlich ermittelte Text des griech.NT sei das Werk ungläubiger Forscher, die den über Jahrhunderte von Gott erhaltenen und bestätigten Textus Receptus einfach abtäten. Dieser Richtung folgt auch die neue Bearbeitung der Schlachter-Bibel vom Haus der Bibel, Genf/Zürich. Nun muss man beachten, dass es sich bei den Unterschieden zwischen Textus Receptus und Nestle-Aland nur um einen kleinen Bruchteil des gesamten Textes des NT handelt. Von den ungefähr 140.000 Wörtern des griech.NT unterscheiden Textus Receptus und Nestle-Aland sich an etwa 7.000 Stellen, d. h., bei 95% des Textes gibt es überhaupt keine Differenzen. Viele der Unterschiede in den infrage kommenden 5% des Textes sind Abweichungen in Rechtschreibung oder Grammatik, die in einer Übersetzung gar nicht ausgedrückt werden könnten. Die Heilswahrheit ist davon an keiner Stelle betroffen, obwohl dies manchmal in polemischer Weise behauptet wird.
Die Angriffe der Anhänger des Textus Receptus stützen sich fast ausschließlich auf diejenigen Stellen, in denen der Textus Receptus zur Verdeutlichung den Namen des Herrn Jesus oder Gottes eingefügt hat. Jede Übersetzung, die sich nicht völlig auf den Textus Receptus gründet, wird von ihnen abgelehnt.
Weder der wissenschaftliche Text von Nestle-Aland noch der Textus Receptus (bzw. der „Mehrheitstext“) sind an sich vollkommen, sondern nur der nicht mehr vorhandene Urtext des NT, der jedoch an den „kritischen“ Stellen in der einen oder anderen Textform enthalten ist. Übersetzer bzw. Überarbeiter tun gut daran, sich diese Tatsache vor Augen zu halten und sich weder von der einen noch von der anderen Seite „vereinnahmen“ zu lassen.
e. Zusammenfassung
Der Wunsch vieler Christen, möglichst viele Bücher des NT zu besitzen, und die schnelle Verbreitung des christlichen Glaubens in Vorderasien und Europa hatte zur Folge, dass eine Vielzahl von Abschriften und Übersetzungen entstand. Dadurch wurde auch der Text des NT sicher überliefert. Die heute 5.555 bekannten neutestamentlichen Handschriften sind zwar nicht alle von gleich guter textlicher Qualität. Aber die durch die Menge der Handschriften gegebenen Vergleichsmöglichkeiten haben durch intensive Erforschung die Korrektheit des überlieferten Textes bestätigt. Keine Textvariante stellt die Wahrheit der Botschaft Gottes im NT in Zweifel.
Wenn man bedenkt, dass bei den Christenverfolgungen der römischen Kaiser (in deren Herrschaftsgebiet sich das Christentum ja zunächst ausbreitete) auch immer wieder Bibeln vernichtet wurden, versteht man, welch ein Wunder es ist, dass die Bibel alle diese Angriffe unbeschadet überstanden hat. Sie ist das bei weitem am besten erhaltene Buch des Altertums. Von dem ca. 50 v. Chr. geschriebenen bekannten Werk „Der gallische Krieg“ des römischen Feldherrn und Diktators Gajus Julius Cäsar existieren heute etwa zehn Handschriften aus dem 9.–10. Jh.n. Chr. Davon sind nur zwei oder drei von guter Qualität. Trotzdem würde kaum jemand die Echtheit dieses Buches anzweifeln, wie es im Blick auf die Bibel doch so oft geschieht.
Die Bibel ist eines der ältesten Bücher der Welt. Ihre Entstehungszeit umfasst einen Zeitraum von ca. 1500 v. Chr. bis ca. 100 n. Chr. Sie ist das am meisten bekämpfte, am häufigsten vernichtete und doch am besten erhaltene Buch des Altertums. Sie ist das am schärfsten kritisierte und doch am weitesten verbreitete Buch der Welt.
Entstehung und Entwicklung des Alphabets
Die Bibel und die Schreibkunst
1. Bilder- und Keilschriften
Bei Ausgrabungen im Zweistromland, dem heutigen Irak und Syrien, wurden seit dem 19. Jh. die ältesten erhaltenen Inschriften der Welt gefunden. Dort benutzten die Sumerer bereits seit ungefähr 3500–3000 v. Chr. eine Bilderschrift (später Keilschrift), die als die älteste Schrift der Welt bezeichnet werden kann.
Das gebräuchlichste Schreibmaterial waren Tontafeln. Da sich diese weichen Tafeln schlecht mit Ritzzeichen versehen ließen, entwickelte man aus der Bilderschrift die Keilschrift, bei der die Zeichen wohl mit der Kante eines Stäbchens in den weichen Ton gedrückt wurden. Die Tafeln wurden einfach durch Trocknen gehärtet. Während bei der ursprünglichen Bilderschrift jedes Zeichen einen Begriff darstellte, war die Keilschrift bereits eine Silbenschrift: Jedes Zeichen stand für eine Silbe.
Die Keilschrift fand im 3.–2. Jahrtausend v. Chr. weite Verbreitung im Nahen Osten bei den Assyrern, den Babyloniern, den Hethitern (die jedoch auch eine eigene Bilderschrift besaßen) und den Elamitern. Auch die Perser schrieben in Keilschrift.
Um 3000 v. Chr. gab es in Ägypten bereits die Hieroglyphen („heilige Zeichen“), eine Bilderschrift, die sich besonders zum Eingraben in Stein eignete. Später entwickelten sich hieraus Schriften, die besser zum Beschreiben von Papyrus geeignet waren, die hieratische und die demotische Schrift.
Im Fernen Osten, in China, gab es seit der Shang-Dynastie (1700–1100 v. Chr.) ebenfalls eine Bilderschrift, die Vorläuferin der heutigen chinesischen Schrift. Neuere Funde scheinen darauf hinzudeuten, dass diese Schrift womöglich auch bereits vor 2500 v. Chr. entstanden ist.
Allen diesen Schriften war gemeinsam, dass sie aus Tausenden von Zeichen bestanden, die man kennen musste, um schreiben zu können.
2. Das Alphabet
Erst in einer späteren Phase der Entwicklung der Schreibkunst entstand das Alphabet. Aus der Bilder- bzw. Wortschrift (bei der ein bestimmtes Zeichen für ein bestimmten Begriff stand) war eine Silbenschrift (die Keilschrift) entstanden, bei der jedes Zeichen nur noch einen Lautwert besaß, der sich von der ursprünglichen Bedeutung mehr oder weniger gelöst hatte.
Der nächste Schritt war dann die geistreiche Erfindung des Alphabets. Diesen gewaltigen Schritt machten um 1500 v. Chr. die Phönizier, wahrscheinlich unter Benutzung ägyptischer Hieroglyphen. Beziehungen zu den kretischen Linear-Schriften und den sinaitischen Inschriften sowie möglicherweise noch weiteren Schriften sind dabei nicht auszuschließen, aber wie der gesamte Fragenkomplex der Alphabet-Entstehung noch nicht abschließend geklärt. Neben Ugarit/Ras Schamra spielt die Stadt Byblos (biblisch Gebal, ca. 30 km nördlich des heutigen Beirut) eine besondere Rolle: Ihr Name wurde von den Griechen, die das Alphabet von den Phöniziern übernahmen, als Bezeichnung für die Papyrusrolle benutzt, die damals ein verbreitetes Schreibmaterial war. Das griechische Wort biblos lebt bis heute in unserem Wort Bibel weiter.
Beim ursprünglichen phönizisch-semitischen Alphabet von 22 Buchstaben (bestehend aus Konsonanten und Halbkonsonanten, aber ohne Vokale) hatte das jeweilige Zeichen jetzt nur noch den Wert eines Lautes. Jetzt bedeutete z. B. das Zeichen für „Haus“ nicht mehr BETH, sondern schlicht B, und das Zeichen für „Hand“ nicht mehr JAD, sondern J. Das erste Alphabet fand durch die Handel treibenden Phönizier schnell Verbreitung im östlichen Mittelmeerraum und gelangte so nach Griechenland. Dort wurde es nach einigen Änderungen und Zusätzen (vor allem für Vokale) um 1000 v. Chr. heimisch und bildete die Grundlage auch für das spätere lateinische Alphabet, das wir heute noch benutzen (s. Abb.Entstehung und Entwicklung des Alphabets, S. 38).
3. Schreibkunst und Bibel
Zur Zeit der Abfassung der ersten Bibelbücher, d. h.um 1500 v. Chr., war also die Schreibkunst bereits hoch entwickelt. Mose, der nach Apostelgeschichte 7,22 unterwiesen war in aller Weisheit der Ägypter, beherrschte sicherlich die Kunst des Hieroglyphenschreibens und kannte möglicherweise bereits die alphabetische Schrift.
In 2. Mose 17,14 lesen wir zum ersten Mal, dass Gott Mose befiehlt, Seine Worte über das Volk Amalek niederzuschreiben. In 2. Mose 24,12 wird er dann von Gott aufgefordert, die von Ihm selbst beschriebenen Tafeln mit dem Gesetz in Empfang zu nehmen, und in Kapitel 34,27 erhält er den Auftrag, die Worte Gottes aufzuschreiben. In 4. Mose 33,2