Die Braut der Drachen - Alex Lidell - E-Book

Die Braut der Drachen E-Book

Alex Lidell

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Beschreibung

Eine Abmachung wurde getroffen. Ein Pakt geschlossen. Nun müssen die Drachenprinzen mich zu einer akzeptablen Braut machen. Allerdings werden die Bräute der Drachen von Kindesbeinen an geformt, während Tavias’ Rudel nur wenige Wochen Zeit hat, aus mir eine annehmbare Frau zu machen. Um mich das Kämpfen zu lehren. Mich zu benehmen. Mich zu paaren. Während unser Schiff über das Meer in Richtung der Äquinoktium-Prüfungen segelt, ist die Gefahr nicht nur auf die Kreaturen in den Tiefen des Ozeans beschränkt. Hier, an Bord des Schiffes, finde ich mehr, als ich jemals erwartet hätte. Freundschaft. Furcht. Lektionen in Intimität, die Sehnsüchte wecken, von denen ich nicht einmal geahnt hätte, dass ich zu solchen fähig bin. Ich bin nur aus einem einzigen Grund hier. Um meine Freiheit zu gewinnen. Ich darf nicht zulassen, dass ich dabei mein Herz verliere. Wird das überhaupt möglich sein? Die Serie „Ihr königliches Drachenrudel“ spielt in Lunos, der Welt von Alex Lidells Bestseller-Romanen „Macht der Fünf“. Hier erwarten Sie knisternde Szenen, Schicksalsbande, mächtige Drachenwandler und eine Scheinbeziehung, die sich als allzu real erweist. Sind Sie bereit, sich mit Kit auf eine abenteuerliche Reise zu begeben?

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DIE BRAUT DER DRACHEN

IHR KÖNIGLICHES DRACHENRUDEL

ALEX LIDELL

Übersetzt vonSOPHIE HARTMANN

INHALT

1. Kit

2. Kit

3. Kit

4. Kit

5. Quinton

6. Kit

7. Quinton

8. Quinton

9. Kit

10. Kit

11. Kit

12. Kit

13. Hauck

14. Kit

15. Tavias

16. Kit

17. Kit

18. Cyril

19. Cyril

20. Kit

21. Kit

22. Tavias

23. Kit

24. Kit

25. Tavias

26. Kit

27. Kit

28. Quinton

29. Kit

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Über den Autor

Ohne Titel

Ohne Titel

1. KIT

Nachdem ich tagelang in einem Tempo durch die Wälder geritten bin, das selbst die Drachenprinzen als brutal bezeichnen, ist mir die malerische Landschaft mittlerweile mehr als egal. Das Meer belehrt mich eines Besseren. Als sich die Bäume und Berge teilen und den Blick auf den weiten blauen Horizont freigeben, spüre ich, wie mir der Atem stockt. Das Wasser erstreckt sich unendlich weit in die Ferne und vereint sich mit dem Himmel, während die Wellen so rhythmisch gegen das Ufer schlagen wie mein Herzschlag. In der Luft hängt ein salziger Geruch, der mich von allen Seiten umfängt und mich an Cyril erinnert. Vor allem aber verheißt der Ozean eine neue Welt, von der ich zwar schon gehört habe, die ich aber erst jetzt zum ersten Mal sehe. Eine Welt, in der nichts unmöglich scheint.

Mein Pferd tänzelt unter mir, und ich merke, dass ich stehen geblieben bin, obwohl die Prinzen bereits weitergeritten sind. Hauck ist als Erster wieder an meiner Seite. Ich reite zwar mittlerweile allein, aber seit dem Vorfall mit seinem Drachen ist er nie weit von mir entfernt. Selbst wenn wir anhalten, um zu rasten, und ich versuche, den Kriegern ihre Privatsphäre zu lassen, ist er immer da, um mich zurück zur Gruppe zu drängen. Um mich daran zu erinnern, dass ich jetzt Teil des Rudels bin.

„Ist es das erste Mal, dass du diesen kleinen Teich siehst?“, fragt Hauck.

„Kleiner Teich? Wie wäre es, wenn wir eine Naturgewalt nicht beleidigen, die uns aus einer Laune heraus verschlingen kann?“

„Ich könnte dich nach Lust und Laune verschlingen“, meint Hauck. „Und es macht dir nichts aus, mich zu beleidigen.“

„Kannst du nicht. Dazu müsstest du kauen.“

Er wackelt mit den Augenbrauen. „Ich habe von einem anderen Teil von dir gesprochen.“

Vor einer Woche wäre ich bei diesem Satz noch knallrot geworden. Jetzt spüre ich nur eine leichte Hitze in meinen Wangen, aber eher aus Verärgerung als aus Verlegenheit. „Ich bin voll reingetappt, oder?“

„Rein getaucht. Mit dem Kopf zuerst.“ Hauck greift nach meinen Zügeln, die ich – zum Glück ohne dass Quinton es bemerkt hat – losgelassen habe. Quinton sieht so etwas überhaupt nicht gern, was nicht ganz fair ist. Ich denke, dass es schon eine beeindruckende Leistung ist, nicht vom Pferd zu fallen. Vor allem, wenn das verdammte Biest trabt.

„Lass dein Pferd selbst den Weg den Hang hinunter suchen“, sagt Hauck.

Ich verstehe, was er meint, denn der Abstieg ist so steil, dass ich bete, dass mein Wallach keine Selbstmordgedanken hat. Als wir unten an der Anlegestelle ankommen und ich wieder atmen kann, bin ich dankbar, dass ein paar Bedienstete herbeieilen, um unsere Pferde zu nehmen. Zwei weitere bringen uns feuchte Handtücher, mit denen wir uns den Straßenstaub abwischen können.

Hauck wartet nicht, bis ich versuche, selbst vom Pferd zu steigen. Er hebt mich aus dem Sattel und hält mich an sich gedrückt, bis meine erschöpften Beine mich wieder tragen. Hinter mir spricht jemand mit Tavias. Ich kann nur einen Teil der Worte verstehen, aber es scheint sich um die Zusicherung zu handeln, dass alles geliefert wurde und dass die Phoenix – was wohl irgendeine geschätzte Dame zu sein scheint – für uns bereit ist.

„Wer ist die Phoenix?“, frage ich.

„Die da.“ Cyril, der neben Hauck und mir auftaucht, zeigt auf das Meer. Ich sehe dort keine Frau, nur ein großes Schiff, das im Wasser schaukelt. „Die beste Fregatte der königlichen Flotte. Schneller als alles, was du bisher gesehen hast, und dazu noch kampfbereit.“

„Moment mal. Phoenix ist ein Boot?“

„Natürlich nicht“, sagt Cyril. „Sie ist eine Fregatte.“

Das ist ja sehr aufschlussreich. „So wie alle darüber sprechen, habe ich etwas, nun ja, Lebendiges erwartet.“

Cyril zuckt mit den Schultern, als ob er nicht wüsste, warum ein Holzboot nicht lebendig sein sollte.

„Ich würde weniger schmeichelhafte Bemerkungen über das Schiff für mich behalten“, flüstert mir Hauck ins Ohr. „Sonst machst du dich noch zum Erzfeind der königlichen Marine von Massa.“

„Das soll wohl ein Scherz sein, oder?“ Ich drehe mich zu ihm um. Haucks Gesicht ist ernst, seine dichten Wimpern schimmern im Sonnenlicht.

„Ausnahmsweise nicht“, sagt er. „Du solltest lieber die Frau des Kapitäns beleidigen als sein Schiff.“

Ich schiebe das kleine bisschen Wahnsinn in den Hintergrund und folge den Prinzen zu einem Ruderboot. Es ist so klein, kaum groß genug für uns fünf und die beiden Matrosen an den Rudern, aber es ist der eigentliche Beginn der großen Täuschung, die wir gleich durchspielen werden. Für mich bedeutet das, dass ich anstelle der inzwischen toten Lady Cordelia bereitwillig an den Äquinoktium-Prüfungen teilnehme und dem Rudel helfe, das begehrte Fruchtbarkeitselixier zu gewinnen. Zeitgleich werde ich dafür sorgen, dass niemand die Wahrheit erfährt: dass die Prinzen und ich nicht die Absicht haben, jemals gemeinsam Junge zu bekommen. Sobald das Elixier gesichert ist, werden die Drachen eine ansehnliche, zur Prophezeiung passende blonde Menschenfrau mit Luftmagie finden und sich mit ihr paaren. Und ich, ich werde endlich meine Freiheit erlangen. Ich werde nie wieder eine Sklavin sein.

Alles, was ich tun muss, ist, vom Menschenreich nach Lunos reisen und nicht zu sterben.

Die Seeleute stoßen das Boot vom Ufer ab und nehmen die Ruder auf, die im klaren Wasser ein leises Platschen von sich geben. Obwohl unsere beiden Begleiter menschlich aussehen, erkenne ich allein an der Aura, die sie umgibt, dass es sich um unsterbliche Fae handelt. Als wir uns dem Schiff nähern, lassen sie den Glamour fallen, der ihre spitzen Ohren verborgen hatte, was meinen Verdacht bestätigt.

„Sind alle Fae dazu in der Lage, einen Glamour zu wirken?“, frage ich und stelle mir plötzlich die Frage, ob es Unsterbliche gibt, die jeden Tag in der Menschenwelt herumlaufen. Ich glaube nicht, denn die Grenze zwischen Lunos und dem Reich der Sterblichen liegt hier mitten im Ozean, es ist also eine lange Reise. Aber andererseits haben die Unsterblichen alle Zeit der Welt.

„Nein, der Glamour ist keine universelle Fähigkeit“, sagt Tavias. Die Matrosen an den Rudern zucken beim Klang der Stimme des Prinzen leicht zusammen. Es ist eine subtile Bewegung, aber genug für mich, um sie zu bemerken. Genauso wie ich bemerke, dass weder Tavias noch die anderen Prinzen ihr viel Aufmerksamkeit schenken. Als ob sie alle daran gewöhnt wären, dass Leute in ihrer Gegenwart zittern. Tavias deutet in Richtung des sich schnell entfernenden Landes. „Aber in Anbetracht unseres Ziels haben wir dafür gesorgt, dass Kapitän Dane mehrere Seeleute mitbringt, die diese Fähigkeit besitzen.“

Das Ruderboot nähert sich dem Rumpf der Phoenix, und die Seeleute sichern es geschickt mit einem Seil. Tavias klettert zuerst an der Seite hinauf, dann Hauck und ich, gefolgt von Cyril und Quinton. Das Wasser scheint sich für einen Moment nicht zu bewegen, als ich an der Reihe bin, und als ich zu Cyril blicke, bemerke ich ein kleines Leuchten um ihn herum.

Ich ziehe eine Augenbraue hoch.

Er zuckt mit den Schultern, als hätte er nicht gerade einen Ozean mit seinem Willen gebändigt.

Als Tavias das Deck betritt, wird es still auf dem Schiff. Zwei Reihen von Matrosen stehen stramm. Ein paar Männer, bei denen es sich vermutlich um Offiziere handelt, ziehen zur Begrüßung würdevoll den Hut. Jemand spielt zur Begrüßung sogar ein Tänzchen auf einer Pfeife.

Eine kühle Meeresbrise streicht über meine Wangen, die Luft ist hier frischer als an Land. Über uns krächzen Möwen aufdringlich, ohne sich um die Formalitäten an Deck zu kümmern.

Ein großer, breitschultriger Mann mit goldenen Schulterklappen und einem länglichen Hut schreitet auf Tavias zu. Er hat einen schwungvollen Gang und eine Aura der Beherrschung, die ihn noch größer erscheinen lässt, als er ist. „Willkommen an Bord der Phoenix, Eure Hoheiten. Es ist uns eine Ehre, Euch wieder bei uns zu haben.“ Er dreht sich zu mir um, in seinem Gesicht ist keine einzige Regung zu erkennen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn vielleicht bereits mit meiner bloßen Präsenz beleidigt habe. „Lady Cordelia. Seid willkommen. Ich bin Captain Dane von der Royal Phoenix.“

„Ähm … Sie haben ein wunderschönes Boot, Kapitän“, sage ich und versuche, mir ein paar Sekunden Bedenkzeit zu verschaffen, indem ich mich umsehe. Offensichtlich ist die Nachricht von unseren geänderten Plänen noch nicht bis hierher vorgedrungen, und ich bin mir nicht sicher, wie – und wer – die Nachricht überbringen soll.

Die Lippen des Kapitäns verziehen sich leicht. „Fregatte, Lady Cordelia. Die Phoenix ist kein Schiff, sie ist eine Fregatte.“

„Und sie ist nicht Lady Cordelia, sondern Lady Kitterny“, sagt Hauck und tritt an meine Seite. Er legt einen Arm besitzergreifend um meine Taille. „Ich würde also sagen, ihr seid quitt.“

Ich warte darauf, dass einer der Prinzen auf die Veränderung eingeht, aber niemand tut es. Keiner von ihnen scheint sich auch nur im Geringsten unwohl zu fühlen angesichts dessen, dass ich plötzlich zur Adligen erhoben wurde. Aber ich fühle mich definitiv unwohl.

Dane neigt leicht den Kopf vor mir. „Natürlich. Verzeiht das Versehen, Lady Kitterny.“ Er wendet sich an die Prinzen. „Eure Quartiere sind vorbereitet, und wir haben die Ladung heute Morgen fertig verstaut. Ich hoffe, Ihr erweist uns die Ehre, heute Abend mit meinen Offizieren und mir zu Abend zu essen.“

Tavias nickt freundlich, was das Ende der Formalitäten zu bedeuten scheint, denn die Matrosen an Deck wenden sich wieder ihrer Arbeit zu. Ich nutze den Augenblick und schaue mir das Schiff an. Die hoch aufragenden Masten lassen mich winzig fühlen, der höchste von ihnen ragt so weit in den Himmel, dass ich seine Spitze kaum sehen kann. Die meisten Segel sind eingeholt, aber die goldene Drachenflagge der Massa'eve weht und faucht im Wind.

Kapitän Dane informiert Tavias über die Winde und Strömungen und schätzt, dass wir zwei bis drei Wochen unterwegs sein werden, bevor wir in Faewave Rift einlaufen, den Bereich des Ozeans, der die Menschenwelt von Lunos trennt. Auf dem nördlichen Kontinent verläuft die Barriere zwischen den beiden Welten an Land, wo der Mystwood die beiden Welten trennt. Nur wenige, die den Mystwood betreten, kommen lebend zurück. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Faewave Rift viel sicherer ist.

Laut Dane ist der Spalt in Nebel gehüllt und schimmert ständig in einem blass violetten Licht, als ob das Gewebe der Realität gedehnt und verformt würde. Das allein klingt schon erschreckend, aber dann warnt Dane auch noch davor, wie tückisch und unberechenbar die Gewässer selbst sind, mit starken Strömungen und plötzlich aus dem Nichts auftauchenden Stürmen.

Ich schätze, wenn der Spalt etwas anderes als schrecklich und tödlich wäre, würde er kein großes Hindernis darstellen. Kein menschliches Schiff, das die Durchquerung versucht hat, ist je zurückgekehrt, aber Danes Phoenix hat es offensichtlich geschafft, ebenso wie einige andere Fae-Schiffe im Laufe der Jahre. Vorausgesetzt, wir kommen bei der Überfahrt nicht ums Leben – eine Tatsache, die Dane und die Prinzen viel zuversichtlicher sehen als ich – werden wir in ein paar Wochen Massa'eve erreichen.

„Lady Kitterny“, eine unerwartete, musikalische Frauenstimme erregt meine Aufmerksamkeit, und ich drehe mich um, um eine Frau in weiten, bunten Hosen und passendem Oberteil zu entdecken, die sich vor mir verbeugt. Sie hat einen kurzen Pixie-Haarschnitt, nackte Füße und einen Körper, der aussieht, als wäre er wie geschaffen für Akrobatik. „Mein Name ist Nora. Ich bin Eure Zofe. Darf ich Euch zu Eurer Kabine geleiten? Ich habe frisches Wasser für Euch vorbereitet, damit Ihr Euch waschen könnt. Eure Kleider wurden bereits in Empfang genommen und verstaut.“

Meine Zofe? Meine Kleider? Ich hatte nicht bemerkt, dass die Prinzen die Näherin damit beauftragt haben, noch mehr Kleider für mich zu fertigen. Selbst ein einziges sauberes Kleid klingt im Moment herrlich, und das Wasser noch viel mehr. Ich bin mehr als froh, mir beides gönnen zu können, auch wenn ich sicher keine Zofe brauche, die mir dabei hilft. Nora führt mich zu einer Leiter, die zum Unterdeck führt, und redet die ganze Zeit mit ruhiger, lebhafter Stimme.

„Ihr habt die schönsten Kleider, die ich seit langem gesehen habe. Ich kann es kaum erwarten, zu sehen, wie sie an Euch aussehen. Die Vorstellungskraft eines Mädchens reicht nur bis zu einem gewissen Punkt.“ Noras Stimme hat einen gesanglichen Akzent, der sich von dem der Prinzen unterscheidet, und sie spricht viel schneller als diese, als hätte sie nur eine begrenzte Zeit, um ihre Worte auszusprechen. „Ich habe auch eine nach Rosen duftende Seife für Euch. Wenn Ihr mir erlaubt, Euer Haar zu waschen, würde ich Euch gerne ein paar Eurer schmuckvollen Spangen in den Zopf flechten. Ich habe schon immer festgestellt, dass sauberes Haar etwas Magisches an sich hat.“

Ich bringe es nicht übers Herz, ihr zu sagen, dass ich keine Haarspangen besitze, weder mit Juwelen noch sonst welche. Nicht, dass ich viel Gelegenheit hätte, etwas zu sagen, bis wir vor der Tür stehen, von der Nora sagt, dass sie ihn meine Kabine führt. Hier hebe ich schließlich meine Hände und halte Nora auf.

„Danke für alles, was du getan hast, Nora, aber du brauchst mir nicht beim Waschen und Umziehen zu helfen. Ich bin sicher, du hast Besseres zu tun.“

„Habe ich Euch verärgert, Mylady?“

„Nein. Natürlich nicht. Ich bin nur …“ Keine Dame. „Ich möchte nur keine Umstände bereiten.“

„Umstände? Warum in aller Welt sollten es Umstände sein, wenn ich mich um Euer Wohlergehen kümmere?“ Sie klingt aufrichtig überrascht.

„Ich persönlich kann mir viel unterhaltsamere Tätigkeiten vorstellen, als mir die Haare zu waschen.“

Nora lacht und öffnet die Tür zur Kabine. Ich gehe einen Schritt hinein und bleibe stehen. Sie ist größer, als ich es mir auf einem Schiff vorgestellt habe, und prächtig dekoriert mit goldenen Intarsien an den Wänden und Möbeln. Es gibt sogar einen geschnitzten Schrank mit einem Spiegel, der groß genug ist, dass ich meinen ganzen Körper sehen kann. All das und mehrere Kleidertruhen sowie eine provisorische Messingwanne. Sie ist sehr klein, aber es duftet nach frischem, warmem Wasser. Eine Kabine für eine Königin, nicht für eine Sklavin.

„Das kann unmöglich mein Quartier sein.“

„Es ist ein bisschen klein“, sagt Hauck hinter mir, der mit seinem Körper die Tür blockiert. Er ist immer noch so gekleidet, wie während der gesamten Reise, aber die braune Hose und das dunkle Hemd verraten seine kräftigen Muskeln und betonen seine überirdische Schönheit. Wahrlich, niemand sollte in der Lage sein, einem Mädchen weiche Knie zu bescheren, nur weil er sich gegen einen Türrahmen lehnt. Hauck deutet auf den Raum. „Macht nichts. Für den Tagesbedarf ist es ausreichend. Du wirst ja nicht hier schlafen.“

„Werde ich nicht?“ Ich mustere die Koje mit der dicken Matratze und der sauberen Bettwäsche.

„Nein, natürlich nicht. Du wirst dir jede Nacht mit einem von uns eine Koje teilen. Und mit Koje meine ich das Bett. Und mit teilen meine ich …“

„Ich verstehe, was du meinst.“ Hitze steigt mir ins Gesicht. Ich habe Angst, Nora anzuschauen. Ich weiß nicht, was sie sich dabei denkt, aber was auch immer sie sich vorstellt, sie liegt wahrscheinlich richtig. Und das macht alles nur noch schlimmer.

Hauck grinst, und in seinen grünen Augen zeigt sich ein schelmischer Zug. Entlang seiner Schläfe kräuseln sich goldene Schuppen mit einem Hauch von Türkis. „Nun, Rübe, du weißt, dass wir dich vorbereiten müssen auf …“

„Ich habe verstanden.“ Um der Sterne willen. „Bitte sei einfach still. Ich bin sicher, es gibt hier jemanden, der sich über deine Gesellschaft freut, aber nicht ich.“

Nora schnappt erschrocken nach Luft.

Hauck stützt sich mit der Schulter an der Tür ab und fährt sich mit der Zunge über die Eckzähne. Die spitzen Zähne glitzern einen Moment lang, was mir einen Schauer der Erregung durch den Körper jagt. Ich erinnere mich daran, was diese Zähne anrichten können, an das Gefühl, das sie auf meiner Haut auslösen können. Und auf andere Teile. Sterne. Bevor ich die Drachenprinzen traf, hätte ich über die Vorstellung gelacht, dass scharfe Eckzähne etwas anderes als furchterregend sein könnten. Jetzt presse ich meine Schenkel diskret zusammen und hoffe, dass Hauck mich nicht riechen kann.

„Ich habe ein Geschenk für dich“, schnurrt Hauck und holt eine Schachtel hinter seinem Rücken hervor. „Ich kann nicht gehen, ohne es dir zu geben.“

Oh nein. Nein, nein, nein. Bevor wir die letzte größere Stadt verließen, hatte Hauck erwähnt, dass er mir Trainingshilfen besorgen würde, damit sich mein Körper genug dehnen kann, um die Drachen in mir aufzunehmen. Unsere Anatomien waren zwar nicht unvereinbar, aber es bedurfte der Vorbereitung – etwas, das Cordelia getan hatte und ich nachholen musste. Hauck hatte seine Einkaufspläne seither nicht mehr erwähnt, aber die Drohung damit war in meinem Kopf lebendig, egal wie viele Meilen wir zu Pferd zurücklegten.

Ich wollte wirklich nicht sehen, was sich in der geschnitzten Schachtel in seinen Händen befand. Niemals. Und schon gar nicht, wenn Nora zusah.

„Verschwinde.“ Ich stoße gegen Haucks Brust, nur um auf eine Wand aus festen Muskeln zu treffen. „Raus.“

Er wiegt sich leicht zurück, um mich zu beschwichtigen, aber er bewegt seine Füße keinen Zentimeter. Sein Lächeln wird breiter. Der Bastard weiß genau, was in meinem Kopf vor sich geht. Er hält die Schachtel vor sich, aber so hoch, dass ich sie nicht erreichen kann, öffnet den vorderen Verschluss und öffnet den Deckel.

2. KIT

Ich quietsche und schließe die Augen, was zugegebenermaßen eine erbärmliche Verteidigungsmaßnahme ist. Das Geräusch des sich öffnenden Deckels fährt mir bis in die Knochen.

Nora schnappt nach Luft. Offenbar ist das, was Hauck in Auftrag gegeben hat, unerhört genug, um sogar eine Fae zu erschrecken.

„Die sind wunderschön. So etwas habe ich noch nie gesehen“, haucht Nora.

Ich reiße die Augen auf. Immer noch grinsend hält Hauck eine mit Samt ausgekleidete Schatulle in der Hand, in der eine Halskette, drei Armbänder und ein Paar Haarspangen funkelnd auf dem Samtfutter liegen. Die Sterne sollen mich holen. Das Set schön zu nennen ist, als würde man den Ozean feucht nennen. Auf den ersten Blick sieht es wie ein Blumenstrauß aus, mit großen Diamanten und Smaragden, die sorgfältig von goldenen Blättern umgeben sind. Aber wenn ich genauer hinsehe, erkenne ich, dass die verschlungenen Blätter eigentlich Drachenschuppen sind. Und als ich einen Schritt von der Schachtel zurücktrete, um das Set als Ganzes zu betrachten, kommt die Form eines goldenen Drachens mit grünen Augen zum Vorschein.

So etwas habe ich noch nie gesehen, nicht einmal bei dem besuchenden Adel auf Lord Agams Anwesen.

„Du siehst überrascht aus, Rübe“, sagt Hauck.

„Die sind … unglaublich.“ Ich strecke meine Hand aus und ziehe sie zurück, weil ich Angst habe, die Edelsteine zu berühren.

„Natürlich sind sie unglaublich. Ich habe sie ja schließlich selbst ausgesucht.“ Hauck blinzelt und zieht sie zurück. „Weißt du, deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hast du vielleicht erwartet, dass ich etwas anderes für dich habe?“

Verdammt.

Ich schlucke schwer und versuche, die Hitze zu bekämpfen, die mir wieder auf den Wangen brennt. „Ich weiß nie, was ich von dir erwarten soll, Hauck.“

Er leckt sich über die Eckzähne und beugt sich vor. „Hmm … Vielleicht bist du enttäuscht, dass ich dir etwas gebracht habe, dass du dir um den Hals und nicht zwischen die Beine legen kannst?“

Das Brennen schießt von meinen Wangen, durch meinen gesamten Körper. Ist es möglich, vor Demütigung zu sterben? Schlimmer noch, die Worte des Prinzen lassen meinen verräterischen Körper vor Verlangen erzittern. So stark, dass ich von einem Fuß auf den anderen treten muss, um die Gefühle in Schach zu halten. Ich denke, ich bin diskret, aber mein Geruch muss alles verraten, denn Hauck sieht aus, als würde er dieses Spiel mit jedem verdammten Moment mehr genießen.

Er beugt sich herunter und flüstert mir ins Ohr. „Keine Sorge, ich habe auch etwas für zwischen deine Beine. Aber das hier ist wohl eher für das Abendessen mit dem Kapitän geeignet.“

„Ich werde dich umbringen“, flüstere ich zurück, obwohl ich weiß, dass Nora unsere Worte sehr wohl hört. „Sobald ich weiß, wie.“

„Ich freue mich schon darauf“, sagt er.

Ich kratze zusammen, was von meiner Würde übrig geblieben ist, und lasse ihn das Kästchen in meine Hände legen. Es ist ein seltsames Gefühl, den Schmuck anzunehmen. Ich habe noch nie in meinem Leben etwas so Wertvolles in den Händen gehalten, nicht einmal im Haus von Lord Agam. Dieses ganze Kästchen ist um ein Vielfaches mehr wert als ich selbst.

„Worüber denkst du nach?“, fragt Hauck.

Ich schüttle den Kopf. „Nur, dass das … das ist zu viel, Hauck.“

„Ich bin ein Prinz von Massa'eve“, sagt Hauck. „Warum sollten meine Geschenke etwas anderes widerspiegeln?“

„Weil ich keine …“

„Aber du bist es“, sagt Hauck. „Was auch immer du behaupten wolltest, du bist es. Und noch mehr. Und jetzt zieh dich an, bevor ich die Geduld verliere und wir direkt zu der anderen Kiste übergehen, die ich mitgebracht habe.“

Das reißt mich aus meiner vorübergehenden Trance. Ich stoße Hauck auf den Korridor hinaus und schlage die Tür vor seiner Nase zu. „Notgeiler Prinz.“

Als ich mich wieder zu Nora umdrehe, ist ihr Gesicht blass und sie starrt mich mit geweiteten Augen an. „Ihr dürft nicht so mit ihm sprechen, Mylady. Nicht mit einem der Prinzen. Habt Ihr eine Vorstellung davon, wozu sie fähig sind?“

„Ich habe eine Ahnung. Aber ich sorge mich mehr um das, was Hauck tun könnte, als das was ich tue.“ Ich reibe mir das Gesicht. „Wenn du so tun könntest, als hättest du nicht gehört, dass er etwas erwähnt hat über … du weißt schon …“

„Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr sprecht“, sagt Nora schnell und ihr Gesicht wechselt wieder zu ihrem energischen Selbst. „Aber ich glaube, ich weiß, welches das perfekte Kleid ist, um diese Juwelen heute Abend zu tragen. Sollen wir Euch für das Abendessen frisch machen?“

Sie benutzt schon wieder dieses ‚Wir‘, als ob ich das nicht selbst machen könnte. Ich will protestieren, aber Nora unterbricht mich.

„Ich habe das Gefühl, dass Ihr mir sagen wollt, dass Eure Arme noch nicht abgefallen sind und Ihr sehr wohl in der Lage seid, die Seife ganz allein zu halten.“

„So in etwa.“

Sie denkt einen Moment nach, dann leuchten ihre Augen auf. „Wie wäre es dann hiermit? Ich mag meinen Job sehr. Und wenn Ihr anfangt, so zu tun, als könntet Ihr Euch selbst waschen, werde ich nicht mehr lange für die königliche Familie arbeiten können. Betrachtet dies also als ein Zeichen des Wohlwollens Ihrer Ladyschaft.“

Ich lache.

Sie packt mich an den Händen und zerrt mich zur Messingwanne hinüber.

Eine Stunde später hat Nora mich gebadet und in ein Kleid aus hauchdünnem Stoff gekleidet, der mit dunkelblauer Seide vermischt ist, die sich beim Gehen wie das Meer bewegt. Dann bürstet sie mein Haar aus, flechtet es und steckt es fest, wobei sie Haucks Spangen einarbeitet, die zu der Halskette und den Armbändern passen. Als ich mich im Spiegel betrachte, erkenne ich die sinnliche Frau nicht wieder, die mich anschaut.

„Ihr seht göttlich aus.“ Nora lehnt sich zurück, nickt zufrieden und bewundert dasselbe Spiegelbild, das mich verhöhnt. Sie bemerkt meinen Blick und runzelt die Stirn. „Stimmt etwas nicht, Mylady?“

Vieles stimmt nicht. Angefangen bei der Tatsache, dass ich keine Dame bin, sondern eine verkleidete Attrappe. Eine Bäuerin mit bemalten Lippen, die versucht, eine echte Dame zu imitieren. Ich bemerke, dass Nora mich immer noch beobachtet, und nicke ihr anerkennend zu.

„Das hast du sehr gut gemacht“, sage ich. Dann ziehe ich die Schultern zurück und mache mich bereit, die versprochene Lüge zu leben.

Nora führt mich in den Speisesaal des Kapitäns, wo mir ein paar uniformierte Wachen die Tür öffnen.

„Lady Kitterny, Eure Hoheit“, verkündet einer der beiden. „Kapitän.“

Ich trete vor in die geräumige Kabine. Die Männer sitzen bereits auf hohen Stühlen um einen polierten Mahagonitisch, auf dem feines Porzellan in kleinen Rillen steht, damit die Teller nicht verrutschen. Hinter dem Stuhl von Kapitän Dane hängt die Flagge der Massa'eve stolz an der Wand. Eine eindrucksvolle Fahne, die einen wilden Drachen mit ausgebreiteten Flügeln zeigt, der zu der größeren Flagge am Mast der Phoenix passt.

Stühle schaben über den Boden, als sich die Männer erheben. Kapitän Dane steht als Erster auf und lässt seine polierte Uniform und seine erdverbundene Präsenz aufblitzen, dann folgt der Rest der Offiziere. Dann, endlich, die vier Prinzen. Ich weiß, dass die Verzögerung nicht auf die königliche Abstammung zurückzuführen ist, sondern darauf, dass die vier zum ersten Mal, seit ich sie kenne, mich wie erstarrt anglotzen.

Ihre unbeholfene Reaktion bestätigt, was ich bereits ahne – dass ich lächerlich aussehe. Eine Bäuerin mit bemalten Lippen. Ein Sklavenmädchen, das sich als eine Dame verkleidet hat, die es nicht ist, während alle die Farben ihres wahren Amtes tragen. Nie war der Unterschied deutlicher als jetzt, wo die Drachenprinzen sich in ihrem vollen Ornat präsentieren, den sie nicht angezogen hatten, als sie Cordelia abholten und mich entführten.

Aber jetzt, hier, haben sie es getan. Denn dies ist ihre Welt.

In seinem wogenden lilafarbenen Seidengewand, das in der Sonne ins Burgunderrot übergeht, und seiner dunklen Hose sieht Tavias aus wie eine lebendige Flamme, die zu dem Feuer der Macht passt, das in der Luft um ihn herum knistert. Cyril trägt passend zu seinen Schuppen ein blaues Jackett, das auf seine breiten Schultern und seine geschulterte Taille zugeschnitten ist und die Perfektion jeder Linie seines Körpers unterstreicht. Quintons Outfit wirkt einfach, aber das schwarze Hemd, die Hose und die silberne Schärpe lassen ihn noch tödlicher erscheinen. Ohne das Silber, das sich auch in seinen Manschetten, Knöpfen und einem gestickten Drachen über der linken Brust widerspiegelt, würde Quinton im Schatten verschwinden. Zu guter Letzt ist Hauck so auffällig wie Quinton dezent, sein goldenes Hemd passt zu seinen Ringen und einem breiten Kummerbund um seine Taille.

Sie sind alle unterschiedlich, und doch sind sie alle königlich, mächtig und fürstlich. Die Drachen von Massa'eve.

Cyril reißt sich als Erster aus seiner Trance. „Ihr seht exquisit aus, Lady Kitterny.“

Ich versuche zu knicksen und kippe fast um. Hauck zuckt zusammen.

Cyril kommt zu mir und bietet mir seinen Arm an. Er führt mich zu einem freien Stuhl zwischen Tavias und sich selbst. Kurz bevor Cyril ihn für mich herausziehen kann, tritt Hauck zurück und bietet mir seinen eigenen Platz an.

„Nimm meinen Platz, Rübe. Ich denke, du wirst dich hier wohler fühlen.“

Cyril verkrampft sich. „Wir tauschen nicht die Plätze.“

„Natürlich musstest du das sagen“, knurrt Hauck, „wo du und Tavias doch nur vorhaben, Kit ganz für Euch allein zu haben. Ich finde, sie sollte Alternativen haben. Nämlich mich.“

„Hör auf, eine Szene zu machen, Hauck“, mahnt Tavias.

„Du machst hier die Szene. Ich biete Lady Kitterny lediglich einen Stuhl an“, sagt Hauck. „Ich schlage vor, wir lassen die Dame selbst entscheiden. Wo möchtest du sitzen, Kit?“

Die ganze Aufmerksamkeit des Raumes richtet sich auf mich. Hauptmann Dane und seine Offiziere. Die Dienerschaft, die an den Wänden steht. Die Prinzen selbst. Alle warten darauf, dass Lady Kitterny ihren Platz einnimmt, dass sie weiß, was sie mit all den Gabeln auf dem Tisch anfangen soll, und dass sie ein Gespräch führt, wie es wohlerzogene Adlige tun.

Nur dass es Lady Kitterny in Wirklichkeit nicht gibt und nie gegeben hat. Und keine noch so gute Ausbildung, kein noch so üppiger Lippenstift und kein noch so schöner Schmuck können mich jemals in diese Welt einfügen. Mein Herz schlägt schneller und ich spüre, wie sich meine Kehle zuschnürt.

Ich trete einen Schritt zurück. Dann noch einen. „Es tut mir leid“, murmle ich. „Es tut mir leid. Ich fühle mich nicht wirklich gut.“

„Das Meer kann gewöhnungsbedürftig sein“, sagt Dane nicht ohne Mitgefühl, obwohl sich das Schiff kaum bewegt. Er steht immer noch geduldig da, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.

„Ja, das Meer“, murmle ich. „Verzeihung.“ Mit dem letzten Schritt rückwärts erreiche ich die Tür und stürme hinaus.

3. KIT

Ich eile aus dem Esszimmer des Kapitäns auf das Deck. Ich brauche Luft und Platz. Und ich weiß nicht, wohin ich sonst gehen soll. Ich danke den Sternen, dass Nora mich in flache Stiefel aus weichem Leder gekleidet hat, die es mir ermöglichen, auf dem Schiff zu rennen. Trotzdem bleiben Teile meines Kleides an den Holzplanken hängen und reißen unter meinen Füßen, als ich die Leiter hinauf und an der überraschten Mannschaft vorbei zur Reling eile.

Es wäre einfacher, wenn ich seekrank wäre, aber dieses Glück ist heute nicht auf meiner Seite, als ich mich über die Reling lehne.

„Rübe.“

Ich zucke zusammen, als ich Haucks Stimme höre. Dann ist der Prinz neben mir, sein vertrauter Geruch nach Erde und Wald vermischt sich mit der salzigen Luft. Er stützt sich mit den Unterarmen auf das Geländer. „Was ist passiert?“, fragt er.

„Ich konnte es nicht tun.“ Ich starre hinaus auf den Ozean.

„Einen Stuhl auswählen?“

„So tun, als sei ich eine … eine Adlige, die diese Kleider und diesen Schmuck und alles tragen soll. Ich weiß ganz genau, wie man Nachttöpfe säubert. Aber nicht, wie ich am Tisch des Kapitäns sitzen und so tun soll, als wäre es anders, es ist … es ist eine Scharade, die jeder durchschauen wird.“

Hauck dreht sich so, dass er mit dem Rücken zum Meer steht und seine Ellbogen auf der Reling ruhen. Ausnahmsweise hat er keine klugen Sprüche auf Lager. Wahrscheinlich, weil er weiß, dass ich die Wahrheit sage.

„Ich passe nicht in die Welt, in der Prinzen mir einen Stuhl zurechtrücken und der Kapitän eines Schiffes aufsteht, wenn ich den Raum betrete. Das ist wie … wie ein Stück gewöhnliches Glas, das vorgibt, ein Diamant zu sein“, spreche ich in Richtung Meer und fülle damit die Leere des Schweigens, die sich zwischen Hauck und mir ausbreitet. Es ist eine Erleichterung, die Wahrheit auszusprechen, und die Worte sprudeln immer schneller hervor, als ich fortfahre. „Ich kann nur so lange schimmern, bis jeder merkt, dass das Leuchten nichts weiter als ein Trick des Lichts ist. Dass ich kein kostbares Juwel bin. Es tut mir leid, Hauck. Es tut mir so unendlich leid.“

„Wofür genau entschuldigst du dich?“

„Dafür, dass ich eine Abmachung getroffen habe, die ich unmöglich einhalten kann“, flüstere ich. „Cordelia war eine gebürtige Adlige und musste sich trotzdem ihr ganzes Leben lang darauf vorbereiten, Eure Braut zu werden. Die Arroganz, mit der ich glaubte, in diese Rolle schlüpfen zu können, ist … war ein spontaner Anflug von Dummheit. Ein paar Wochen Vorbereitung machen aus einem Stück Glas noch lange keinen Edelstein. Und in dem Moment, in dem alle es sehen …“

„Das erwähnst du immer wieder“, sagt Hauck. „Der Teil darüber, was alle um uns herum sehen, oder sehen werden, oder sehen sollten. Ist das wichtig?“

Ich wende mich ihm zu. „Natürlich ist es wichtig. Darum geht es ja bei diesem ganzen Spiel.“

„Hmm.“ Er gibt einen Laut von sich, dann zieht er mich an sich, bis mein Rücken gegen seine Brust gedrückt wird.

Ich schnappe nach Luft. „Was machst du da?“

Hauck krault mein Ohr. „Siehst du all die Matrosen, die da herumwuseln? Sie sehen zwar aus, als würden sie ihren Pflichten nachgehen, aber sie beobachten uns. Weißt du, was sie sehen?“

„Eine menschliche Zuchtstute, die die Drachenprinzen mitgenommen haben. Aber selbst das täusche ich vor.“

„Sie sehen die schönste Frau, ob Fae oder Mensch, die sie je gesehen haben, in den Armen eines Prinzen“, sagt Hauck. „Und weißt du, was sie denken? Dass ich der glücklichste Mann in Massa'eve bin, weil ich meinen Duft auf dir hinterlassen darf. Dass ich das hier tun darf.“ Er reibt seine Wange an meinem Hals, direkt über meinem Puls, dann macht er dasselbe an den Innenseiten meiner Handgelenke. Als er an seinem Werk schnuppert, gibt Hauck ein zufriedenes Schnurren von sich, das seine Brust vibrieren lässt.

„Aber …“

„Pssst.“ Hauck knabbert an meinem Ohr, das plötzliche Stechen lässt mich zusammenzucken, bevor es sich in eine erotische Wärme verwandelt. „Jetzt bin ich dran mit Reden. Können wir uns darauf einigen, dass ich ein Prinz bin?“

Ich schnaube. „Ja. Ich bin mir deiner Geburt sehr wohl bewusst.“

„Und das gilt auch für diese Mannschaft. Bist du damit einverstanden?“

„Was hat das für einen Sinn?“

„Antworte mir einfach.“

„Ja“, seufze ich. „Sie, die ganze Besatzung, wissen, dass du ein Prinz bist.“

„Und als Prinz von Massa'eve kann ich doch jede Frau haben, die ich will, oder nicht?“

„Ich … denke schon.“

„Gut gedacht“, sagt Hauck. „Ich kann jede Frau haben, die ich will. Vielleicht nicht, um sie zu behalten, aber um sie eine Zeit lang zu haben.“ In seiner Stimme liegt ein Hauch von Schmerz, den er schnell überspielt. „Und du wurdest, wie du sagtest, gekauft und bezahlt. Richtig?“

Ich nicke.

„Gut. Das bedeutet, dass jeder hier weiß, dass es für mich keinen Grund gibt, dies zu tun, außer einem – weil ich es unbedingt will.“ Mit diesen Worten dreht Hauck mich zu sich herum. Mit einer Hand auf meinem Rücken und der anderen auf meinem Kopf senkt er seine Lippen und legt sie auf meine.

Der Kuss beginnt sanft, aber je mehr sich mein Körper Hauck hingibt, desto tiefer und genussvoller werden die Berührungen seiner Zunge. Seine Hände wandern über meinen Körper. Eine Hand verheddert sich in meinem Haar, nicht so fest, dass es weh tut, aber fest genug, dass ich seine Kontrolle spüren kann. Seine andere Hand streicht über meinen Rücken. Sein Schnurren vibriert in mir, die Intensität und Leidenschaft des Kusses ist so spürbar, dass es mich auf die Zehenspitzen treibt.

Mein Körper spannt sich vor Empfindungen an, die stärker sind als alles, was ich bisher in diesem Rudel gespürt habe. Hauck ist Erde und Leben, er ist Magie und Unfug und die Art von Intensität, die mein Herz so schnell rasen lässt, dass ich nicht mehr weiß, wo ich bin. Meine Hände krallen sich in seine Arme und halten mich fest, während ich jede Welle des Verlangens reite, die durch mich pulsiert.

Ich bin mir vage bewusst, dass sich das Schiff unter mir bewegt und Haucks Griff immer fester wird. Irgendwo an Deck entsteht eine kleine Unruhe, dann ertönen gemächlichere Schritte auf dem Holz. Die Möwen rufen. Jemand kündigt die Anwesenheit von Kapitän Dane an. Füße wuseln umher. Irgendetwas passiert mit dem Schiff, aber das alles verblasst im Vergleich zu Haucks Kuss.

„Kit“, murmelt Hauck gegen meinen Mund, als er sich zurückzieht, um Luft zu holen, und die Schuppen an seinen Schläfen kräuseln sich, als würden sie auf den aufkommenden Wind reagieren. „Du hast keine Ahnung, was du mit mir machst. Wie sehr ich dich will. Wie verzweifelt ich mich danach gesehnt habe, dich in meinen Farben und meinem Duft zu sehen. Ich wünschte, ich würde genauso wie Tavias Gedankenmagie besitzen, um dich die Tiefe meiner Gefühle erkennen zu lassen, aber da dem nicht so ist, werde ich auf die ursprünglicheren Wege zurückgreifen, um es dir zu zeigen.“

Haucks Zunge streicht wieder durch meinen Mund und fegt mit ihrer Beharrlichkeit alle Zweifel aus dem Weg. Die Schläge von Haucks Herz hämmern so stark gegen seine Brust, dass ich sie auf meiner eigenen Haut spüre. Wärme erfüllt mein Inneres und meine Seele, eine langsam wachsende Flamme, die mich auf eine Weise begehrt, wie ich es noch nie erlebt habe.

Hauck hebt mein Kinn an und leckt mit seiner Zungenspitze über meine Kehle.

„Die Mannschaft hat viel zu tun“, sagt Cyril hinter uns. „Wenn das hier noch länger so weitergeht, wird Dane noch jemanden wegen Pflichtverletzung auspeitschen lassen.“

Hauck knurrt unzufrieden, hält aber inne. Sein schneller Atem passt zu dem meinen, während er mich anschaut.

„Verdammt“, murmelt Cyril. „Gut, dass es hier keinen Mangel an kaltem Wasser gibt.“

Ich drehe mich in Haucks Armen um, obwohl der Mann mich noch immer besitzergreifend an sich drückt.

„Warum bist du nicht beim Abendessen?“, frage ich Cyril.

„Der Wind hat gedreht, und Dane wollte in See stechen. Das ist ein sehenswerter Anblick.“ Cyril tritt näher an Hauck und mich heran, bis er mir eine Hand auf die Schulter legen kann. Er deutet auf die Matrosen, die jetzt in der Takelage herumklettern. Danes Befehle schallen über das Schiff, werden von vielen Stimmen wiedergegeben.

„Hände an die Ankerwinde, Anker lichten. Toppmänner, nach oben! Schotleute, vorbereiten zum Setzen der Kurse und Focks!“

Jeder Befehl ist scharf und wird sofort befolgt. Ein präziser Tanz, während das Schiff auf den Wellen schaukelt und die Matrosen hoch oben an den Masten die Schwerkraft herausfordern. Mir stockt der Atem, als sich ein großes Segeltuch ausbreitet und mich alles andere als das Jetzt vergessen lässt.

„Warte“, sagt Cyril leise, seine Hand legt sich auf meine Schulter, während Hauck mich enger an sich zieht. „Warte.“

„Worauf?“, frage ich.

„Darauf“, sagt Cyril.

Die Segel füllen sich mit einem plötzlichen ohrenbetäubenden Knall und das massive Schiff bewegt sich vorwärts. Die Veränderung ist deutlich spürbar. Es ist ein Erwachen. Wie ihr Namensvetter erwacht die Phoenix zu neuem Leben, beugt sich vor und durchschneidet die Wellen, um das weite und unberechenbare Meer zu bezwingen. Das Geräusch des Windes in den Segeln ist ein ständiges Summen, wie das Schlagen eines großen, unsichtbaren Herzens.

„Steuermann, drei Punkte West“, befiehlt Kapitän Dane.

Ein Mann dreht das Speichenrad unter seinem Kommando.

„Stetig voran“, sagt Dane.

Mit einer kurzen Neigung des Bugs gleitet die Phoenix voll in den Windstrom, der uns in eine andere Welt trägt. Meine Brust zieht sich angesichts der Kraft und Schönheit des Schiffes zusammen, und dann wieder, als das Land, in dem ich geboren wurde und in dem ich zu sterben erwartete, immer weiter verschwindet. Das Geräusch der Wellen erfüllt die Luft um uns herum.

„Du bist jetzt Lady Kitterny“, sagt Hauck im Hintergrund des Meeresrauschens. „Und du bist unsere Braut.“

4. KIT

„Steh auf.“

Ich öffne die Augen und höre eine harte Stimme – und spüre ein noch härteres Knie – das gegen meine Schulter stößt. Einen Moment lang scheint Quintons strenges Gesicht Teil eines surrealen Traums zu sein. Ich möchte am liebsten wieder einschlafen. Das Schiff schaukelt sanft, und die Wärme von Tavias’ Körper umfängt mich. Zugegeben, letzte Nacht habe ich Tavias’ Gesellschaft nicht als angenehm empfunden, als er darauf bestand, mich vor dem Schlafengehen zu dehnen.

Alle Teilnehmerinnen der Äquinoktium-Prüfungen müssen mit ihren jeweiligen Drachenrudeln kopulieren, und ein menschlicher Körper, würde das, ohne ausreichend Vorbereitung, nicht schaffen. Tavias hat die Führung bei der Vorbereitung meines Hinterns übernommen, und die Sitzung letzte Nacht hat mich gründlich in Verlegenheit gebracht und ebenso gründlich erregt. Und auch wund gemacht. Sowohl von dem, was er in mich hineingesteckt hat, als auch von den Schlägen, die er mir verpasst hat, um meine Kooperation sicherzustellen. Die Hitze davon hat mich danach mehr als einmal geweckt, meine Erregung war so stark, dass sogar ich sie riechen konnte.

---ENDE DER LESEPROBE---