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Vier Säulen voller Energie. Drei Herausforderungen. Zwei erschütternde Geheimnisse. Für Lera war das Training noch nie so hart wie jetzt. Mit der Macht der Männer in ihren Adern und Rivers kalter Forderung, dass sie die Magie vor der dritten Herausforderung beherrschen soll, muss sie alles geben. Schlimmer noch, River verheimlicht etwas vor ihr. Etwas über seine Vergangenheit und die Zukunft von Lunos. Für River und Coal muss die Vergangenheit im Verborgenen bleiben. Obwohl der Albtraum des einen Mannes auf dem Thron sitzt und der des anderen in seiner Seele verborgen ist, sind sie gleichermaßen unvorbereitet auf Leras verblüffende Entschlossenheit, die Wahrheit zu enthüllen. Doch als Mors' Imperator Jawrar nach Lunos greift, können weder Leras junge Magie noch die alten Wunden der Männer unangetastet bleiben—nicht, wenn ihre Welt überleben soll. ERPROBUNG DER DREI ist ein Fantasy-Liebesroman in voller Länge und der dritte Teil der Amazon-Bestseller- und KU-All-Star MACHT DER FÜNF-Reihe.
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Copyright © 2022 by Alex Lidell
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Alex Lidell, Massachusetts, United States of America, www.alexlidell.com, [email protected]
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1. Lera
2. River
3. Lera
4. Lera
5. Lera
6. River
7. Lera
8. Lera
9. Coal
10. Lera
11. Lera
12. Lera
13. Lera
14. Lera
15. Lera
16. Tye
17. Tye
18. River
19. Lera
20. Lera
21. Lera
22. Lera
23. Lera
24. Lera
25. Lera
26. Lera
27. Lera
28. Lera
29. Lera
30. Lera
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About the author
Die Luft explodiert, die Magie, die aus meinen Fingern fließt, entzündet sich zu einer leuchtenden Flamme. Der Sand der Übungsarena schießt in den blendenden Himmel, während sich rote und orangefarbene Zungen vereinen, um Rauch und Funken zu erzeugen.
Ich stolpere rückwärts, mein Körper schlägt gegen eine Wand aus Muskeln. Der Duft von Kiefern und Zitrusfrüchten umhüllt mich und verdrängt den bitteren Geschmack von Asche, der die heiße Luft erfüllt. Tyes Arme legen sich um meinen Körper und umhüllen mich mit Kraft und Sicherheit. Für einen Sekundenbruchteil wird alles still und ruhig.
Und dann trifft die Magie, die ich eingesetzt habe, den Schutzwall über der Arena, und das dumpfe Geräusch des Aufpralls hallt durch meinen Körper. Ein Herzschlag scheint sich für eine Ewigkeit zu erstrecken … bevor all die Überreste, von dem, was ich so glorreich in die Luft geschleudert habe, wieder auf mich herabregnen. Der Sand, die Felsen, die Flammen.
Ich schreie und hebe die Arme, um mein Gesicht zu schützen, als ob das etwas nützen würde. Ich mag in der Lage sein, Tyes Magie widerzuspiegeln, als wäre mein Körper ein übernatürlicher Spiegel, aber ich kann ganz sicher nichts von seiner Kontrolle über die verfluchte Kraft reflektieren.
Tyes Arme legen sich fest um mich, selbstbewusst und unnachgiebig. Kleine Impulse durchziehen die unsichtbaren Ranken meiner Magie, als Tye sie beiseiteschiebt und seine eigene Kraft sich mit träger Anmut ausbreitet und die Kontrolle übernimmt. Einen Augenblick später prallen die herabfallenden Stücke auf Tyes schimmernden Schild, die Steine, der Sand und das Feuer gleiten gehorsam nach unten und prasseln auf den Boden.
Mein Herz setzt kurz aus, mein Atem kommt in harten Stößen, meine Schultern drücken sich schamlos an Tye. Mein Körper, der immer noch bis zum Rand mit dem Echo seiner Magie gefüllt ist, ist irgendwie bis in jede Faser aktiv und trotzdem fühle ich mich, als hätte man mich zu Brei geschlagen. Mir war nicht klar, wie mächtig der große, unbekümmerte Mann wirklich ist, nicht bis jetzt. Das Echo von Tyes Magie ist wie das Anleinen eines wilden Tigers; man hat kaum Kontrolle darüber, wer wen an der Leine hält. Und wenn diese Leine reißt … Ich schaudere und sehe auf den anderthalb Meter großen Krater in der Mitte der Übungsarena, wo einst eine Kerze stand.
„Ich …“ Meine Stimme bricht, mein Mund ist trocken. Ich kann es nicht ertragen, den Kopf in Richtung der anderen Mitglieder unseres Quints, River, Coal und Shade, zu drehen, die Zeugen meines jüngsten Desasters sind. Die uralte Magie, die mich zu einer Weberin gemacht hat, die die Magie anderer widerhallen und zusammenweben kann, hat es leider versäumt, mir eine Anleitung zukommen zulassen. In der Woche, seit die zweite Prüfung der ganzen Zitadelle meine Fähigkeit offenbarte, hatte Autumn mit Hilfe von Klarissa selbst, um das zusammengeschustert, was über meine Macht bekannt ist, die kaum über ihr theoretisches Potenzial hinausgeht. Im Moment scheitere ich glorreich daran, auch nur einen Strang Magie kontrollieren zu können – einen, den Tye so leicht beherrscht, wie er atmet – geschweige denn vier.
Vielleicht braucht man Jahrhunderte, um solche Magie zu beherrschen. Ich habe noch eine Woche Zeit – so lange, wie River es geschafft hat, die Wiederholung der ersten Erprobung zu verschieben. Sterne, ich hasse die verdammten Regeln der Zitadelle. Ihre tödlichen Spiele. Vielleicht war eine Weberin nie dazu bestimmt, eine Sterbliche zu sein.
Tyes samtene Lippen streifen mein Ohr und gewinnen meine Aufmerksamkeit zurück. Mein Körper reagiert unwillkürlich auf die sinnliche Berührung, und das Blut fließt zu der plötzlich empfindlichen Stelle zwischen meinem Hals und meinem Ohr.
„Du magst große Dinge, nicht wahr, Kleine?“, flüstert Tye.
Ich zucke zusammen, als Tyes spitze Zähne in den Rand meines Ohrläppchens kneifen. Ein winziger Stich durchfährt mich, die Empörung verdrängt die Angst. Mein Mund wird trocken, das Gefühl kribbelt auf meiner Haut. „Bastard“, zische ich.
Tye lacht nur und lässt seine Hände tiefer auf meine Taille gleiten, so dass seine großen Handflächen bequem auf meinen Hüften ruhen. „Das ist meine Kleine.“
„Streng genommen, habe ich die Kerze angezündet“, murmle ich. Nach meiner einzigen Trainingseinheit mit River, bei der ich nichts von seiner Magie gespürt habe, hatte ich erwartet, dass das Hauptproblem in Zukunft unter die der Kategorie „Unzureichende Leistung“ fallen würde. Stattdessen kann ich von Glück reden, wenn ich mit Tyes Feuermagie nicht den ganzen Berggipfel in die Luft jage. Das Bild eines Tigers kehrt in meine Gedanken zurück. Bezaubernd, wenn er schläft, tödlich, wenn er geweckt wird.
„Versuchen wir es noch einmal, Leralynn“, sagt River und schreitet auf Tye und mich zu. Die grauen Augen des Kommandanten sind ruhig, aber die Hand, mit der er sich durch sein kurzes braunes Haar fährt, verrät seine Frustration über den absoluten Mangel an Fortschritt. Er ist schön, verhärtet und der verschlossenste Mann, den ich je getroffen habe – unsterblich oder nicht –, der Prinz von Slait ist Elitekrieger gewohnt, keine zwanzigjährigen magischen Streuner. River wirft mir eine weitere Kerze aus seinem unerschöpflichen Vorrat zu. Der Wachsklumpen fällt etwa einen halben Meter von mir entfernt zu Boden. „Diesmal versuche, den Docht anzuzünden, und nicht gleich die ganze Zitadelle in Flammen aufgehen zu lassen.“
Ich starre die Kerze an, eine Schwester der zehn anderen, die ich heute Nachmittag vernichtet habe. Es ist nicht nur, dass ich es nicht schaffe, mystisch mächtige magische Knoten zu weben, sondern ich glaube, dass ich von Mal zu Mal schlechter werde. Wenn ich so weitermache, wird bei der Prüfung nächste Woche wahrscheinlich die ganze Zitadelle geröstet, sodass sie Mors mit einer Beilage von Kartoffeln serviert werden kann.
„Bereit, Fliedermädchen?“, fragt Tye leise.
Ich reibe mir mit den Handballen die Augen und genieße die Berührung von Tyes muskulösem Körper, der meinen Rücken wärmt. „Hat das magische Anzünden einer Kerze jemals jemandem das Leben gerettet?“, frage ich, wobei ich meine Stimme so leise halte, dass nur Tye sie hören kann. Ich verschaffe mir noch ein paar Sekunden, um meine Entschlossenheit zu festigen. „Ich denke, ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich deine Feuermagie für etwas Spektakuläreres einsetzen würde, als um eine romantische Stimmung zu schaffen.“
„Ist das Führen von Kriegen die einzige Verwendung, die dir für dieses neue Spielzeug einfällt?“ Tye schnalzt mit der Zunge, seine Hände stützen sich auf meine Hüften. „Ich dachte, Sterbliche hätten eine bessere Vorstellungskraft.“
„Ich …“ Mein Mund schließt sich mitten im Satz, als plötzlich ein winziges, warmes Kribbeln meinen Unterleib entlangtanzt und meinen Nabel umkreist. Ein anhaltendes Kribbeln und Piksen. Die schnellen, heißen Berührungen verstreuen sich über meine Haut, jedes Kribbeln erweckt meine Nerven. Sie kitzeln meinen Körper. Mein Atem stockt, die Welt um mich herum blinkt einen Herzschlag lang, dann konzentriert sie sich mit unangemessener Intensität tief in meinem Becken. „Was machst du da?“
„Mmm“, murmelt Tye träge, auch wenn sein eiserner Griff mich festhält. „Ich … trainiere.“
Die Funken umkreisen noch einmal meinen Nabel, bevor sie frech nach unten hüpfen.
Meine Schenkel pressen sich zusammen, und meine Haut errötet so sehr, dass sie mit dem Inferno von vorhin mithalten kann. Auf jeden Fall genug für Tye, um es zu bemerken. Der Mann neigt den Kopf, erst seine Nase und dann seine samtenen Lippen streifen die Innenseite meines Ohrs. „Ich genieße es, dir beim Lernen zuzusehen, Kleines.“
Ich zappele, was mich nur noch fester an Tyes Brust drückt. Aber das ist nicht das einzig Harte an ihm. Sterne.
„Die anderen sehen zu“, stoße ich durch zusammengebissene Zähne hervor, mein Körper reagiert auf die Provokation, obwohl mein Verstand schreit, dass es falsch ist. Wissen die anderen Männer, was hier passiert? Können sie die Nässe riechen, die sich schnell auf den Innenseiten meiner Oberschenkel ausbreitet? Das beharrliche Pochen, das ein Stillstehen unmöglich macht? Mein Gesicht glüht. Den Sternen sei Dank, haben die schwarze Hose und die lange, weinrote Tunika der Uniform eine Chance, den sichtbaren Beweis meiner Erregung zu verbergen, wenn auch nicht ihren Geruch. Mein dichtes kastanienbraunes Haar, das ursprünglich einen ordentlichen Kranz um meinen Hinterkopf bildete, kräuselt sich jetzt an meinen feuchten Schläfen und klebt an meiner Stirn. Ich bin überrascht, dass kein Dampf von meiner Haut aufsteigt, wo die kühle Luft meine Stirn trifft.
Eis. Ich zwinge mich, an Eis zu denken. Und an schleimige Sclices. Und an …
Ich verkneife mir einen Schrei, als Tyes Funken wieder nach unten wandern. Als sie in mein Geschlecht eindringen, bleibt mein Herz ganz stehen. Dort sind Haare. Haare, die Feuer fangen können.
Ein leises, sinnliches Glucksen. „Ich glaube, du bist ein bisschen zu feucht um zu brennen, Mädchen“, murmelt Tye, als ob er meine Gedanken hören könnte.
„Tye, bitte“, keuche ich. Ich bin atemlos, weil ich mich auf einen Punkt konzentriere, der mit jedem Schlag meines Herzens pulsiert. Mit jeder Berührung von Tyes prickelnder Magie. Ich versuche, mich unauffällig aus seinem Griff zu befreien und schaffe es nur, auf der Stelle zu tanzen. Ich verlagere mein Gewicht unter mich und unterdrücke ein Wimmern. „Du hast dich klar ausgedrückt.“
„Oh, wenn es dir um meinen Standpunkt geht, dann wackel noch ein bisschen mit dem Hintern und …“
„Bastard“, keuche ich, mein Geschlecht ist jetzt feucht und beginnt so stark zu pochen, dass die Welt an den Rändern flimmert. Meine Zehen krümmen sich in meinen Stiefeln, während glühende Hitze meine Haut, mein Gesicht erfasst.
Ein Glucksen ertönt in Tyes Brust, die zusätzlichen Vibrationen helfen mir wenig. „Ich zeige dir nur die Vielseitigkeit der Magie“, sagt er. „Da du es angesprochen hast.“
Plötzlich erbebt der Boden unter uns und wirft Tye und mich kurzerhand zu Boden. Die Funken, die zwischen meinen Beinen ihr Unwesen treiben, verschwinden in der glitschigen Feuchtigkeit und hinterlassen einen Schmerz, der so intensiv ist, dass ich vor verweigertem Verlangen zische. Als ich mich auf meine Hände und Knie stemme, sehe ich River auf uns zuschreiten.
„Ich bitte um Verzeihung“, sagt der Prinz von Slait und streckt seine Hand mit verflucht würdevoller Höflichkeit aus. „Meine Magie scheint für einen Moment von der Leine gelassen worden zu sein.“
Tye erhebt sich und schüttelt grinsend den Kopf, um sein rotes Haar vom Sand zu befreien. „Das passiert den Besten von uns.“ Seine smaragdgrünen Augen und sein kleiner silberner Ohrring funkeln in der Sonne.
Mit brennendem Gesicht rapple ich mich auf, mein Puls und mein Atem rasen gleichermaßen. Meine Augen fixieren die letzte von Rivers Kerzen, mein einziger Ausweg aus diesem Schlamassel, bevor einer der Männer etwas sagt, das mich wirklich vor Verlegenheit im Boden versinken lässt. Kerze. Üben. Magie. Zünde die Kerze an.
Ich konzentriere mich auf die Kraft, die noch immer noch von Tye ausströmt – verrucht, stark und herrlich amüsiert. Die Magie hallt in mir nach, wie schon den ganzen Morgen, ihr schelmischer Geschmack prickelt auf meiner Zunge wie eine unreife Frucht. Ich strecke meine Hände nach der Kerze aus, und das Bild einer kleinen weißen Flamme erfüllt meine Welt. Ich lasse die Kraft von mir fließen, eine unsichtbare Ranke folgt der Richtung meiner Hände.
Die Luft knistert vor Blitzen. Ich verfehle die Kerze komplett, und die flammende Kugel, die ich nicht habe entstehen sehen, stürzt sich auf River wie ein wildes Tier, das Beute wittert. „Pass auf!“, schreie ich.
Der Kommandant hebt eine Hand, und das Feuer, das ich gerade abgefeuert habe, prallt von seiner Verteidigung ab und kommt direkt auf mich zurück.
„Schutzschild!“, schreit Tye.
Ich lasse mich auf den Boden fallen und überlege noch, wie ich die Kraft zu einer Barriere verweben kann, als die Luft vor mir hart wird wie Glas. Der erdige Geruch von River steigt mir in die Nase, als meine verirrten Flammen am zweiten Schild des Mannes abprallen und auf dem Sand brutzeln.
Zitternd setze ich mich auf die Fersen und zwinge mich, in die grauen Augen des Prinzen zu blicken. „Danke.“
Bevor River antworten kann, ertönt ein lautes, langsames Klatschen von der Aussichtsplattform darüber. In der Übungsarena wird es still. River zieht mich auf die Beine und hinter seinen Rücken, während Klarissa die Leiter herunterklettert und auf uns zukommt.
„Wie wunderbar effektiv.“ Die melodische Altstimme der Frau schallt durch die Arena, als Coal und Shade, letzterer in seiner Wolfsgestalt, neben Tye, River und mir zu stehen kommen.
Mir stockt der Atem. Wie lange hat die Älteste dort oben gestanden? Um zu beobachten. Zu beurteilen. Zu planen.
„Nennt man das heutzutage Training, River?“ Klarissas üppiges lavendelfarbenes Gewand schwingt um ihre Knöchel, als sie sich dem Quint-Kommandanten zuwendet. Ihre schimmernden dunkelbraunen Wellen umrahmen einen tränenförmigen Diamanten, der wie ein drittes Auge auf ihrer Stirn hängt. Ihre olivfarbene Haut wirkt im Sonnenlicht glatt wie Porzellan. „Eine Auszubildende kann tun und lassen, was sie will? Keine Konsequenzen. Keine Notwendigkeit der Korrektur. Hätte ich gewusst, wie wirksam diese neue Pädagogik ist, hätte ich Limonade und Süßigkeiten mitgebracht.“
Es kostet mich wahnsinnig viel Kraft, mich davon abzuhalten, einen Schritt zurückzutreten und einfach nur zu Boden zu schauen. Nicht wegen Klarissas Worten selbst – ich weiß, dass ich von der Schlange nichts anderes als Gift erwarten kann –, sondern weil sie der Frustration, die ich in Rivers Augen gesehen habe, so nahekommen. Es funktioniert nicht, was wir tun. Ich weiß es. River weiß es. Und jetzt weiß es auch Klarissa.
River verschränkt die Hände hinter seinem Rücken. Langsam und kontrolliert. Sein großer, kräftiger Körper beherrscht jeden Winkel um ihn herum, er beherrscht die ganze Arena, ohne es nur zu versuchen. Die schützende Kraft, die von ihm ausgeht, umgibt mich genauso stark wie Tyes Arme vor wenigen Minuten. „Es ist mir eine Freude, Sie heute zu sehen, Älteste. Können wir Ihnen irgendwie behilflich sein?“
Klarissa zupft an einem unsichtbaren Fussel auf ihrem Ärmel. „Ich brauche eure Hilfe, um Lunos vor Mors' Imperator Jawrar zu schützen. Kann ich erwarten, dass dieser Quint in der Lage sein wird, seinen Teil beizutragen?“
Rivers Kiefer spannt sich an. „Wir sind … auf dem besten Weg, Älteste.“
Klarissa lächelt, ihre geschminkten Lippen öffnen sich und zeigen ihre langen weißen Eckzähne. „Ich bin froh, das zu hören. Sollen wir in der Zwischenzeit deine kleine Weberin im Tiergehege testen?“ Als die Frau mein verwirrtes Stirnrunzeln bemerkt, fängt sie meinen Blick ein. Ihre scharfen Augen lassen meinen Magen verkrampfen. „Der Teil der Übungsarena, der in der Zwischenwelt liegt, ist gut bestückt mit einer Vielzahl von Mors-Abfällen, die in unsere Fallen geraten sind. Piranhas, Sclices, Trakans. Es überrascht mich, dass deine Freunde dir nicht davon erzählt haben; die meisten Quints beginnen dort zu üben, sobald sie die Einzelprüfung bestanden haben. Ein kleiner Vorgeschmack auf die echte Welt.“
„Klarissa.“ Rivers Stimme ist kalt und hart wie Stahl.
Sie wendet sich ihm zu, ihre eigenen Worte sind nicht milder. „Ein Weber sollte deinen Quint stärker machen als jeder andere, den Lunos je gesehen hat. Man muss schon einiges tun, um einen Vorteil in einen Nachteil zu verwandeln, aber ich muss sagen, ihr schafft das mit hervorragender Effizienz.“ Die Frau schüttelt angewidert den Kopf und wendet uns den Rücken zu.
Ich schlucke, und mein Herz zieht sich zusammen. „Klarissa hat recht“, sage ich leise. „Wir müssen etwas mit mir machen.“
„Ja.“ River nickt. „Wir müssen dich von hier wegschaffen.“
Kaum war das Abendessen beendet, entschuldigte sich River und machte sich auf den Weg zu Klarissas Büro im Ältesten-Turm. Die Frau hatte nicht die Angewohnheit, zufällig beim Training eines Quints aufzutauchen. Ihr Erscheinen an diesem Nachmittag war nichts weniger als eine Aufforderung vor ihr zu erscheinen.
Sich mit Klarissa auseinanderzusetzen, war nur eines der vielen Dinge, die wie ein hundert Tonnen schwerer Felsbrocken auf Rivers Schultern lasteten. Und doch, als er im goldenen Licht des frühen Abends über das frische Gras des Platzes lief, eine kühle Brise im Gesicht, konnte River nur an Leralynns gerötete Wangen denken, an den süßen Duft ihrer Erregung, der zu ihm herüber geweht war, während Tyes Magie mit ihr spielte. Es hatte River alles abverlangt, Tye nicht auf die andere Seite der Arena zu befördern. Dafür, dass er wertvolle Minuten verschwendet hatte, die Leralynn brauchte, um sich auf die Prüfung nächste Woche vorzubereiten, dafür, dass er ihr Überleben auf die leichte Schulter genommen hatte. Aber vor allem dafür, dass er River abgelenkt hatte. Es gab hundert Probleme, die er hätte lösen müssen, und jetzt konnte er nur noch daran denken, was er mit Leralynn tun würde, um ihr diesen süßen Fliederduft zu entlocken.
„Was willst du?“, fragte River, und seine Mundwinkel zuckten, als Klarissa aufschreckte. River stand in der Tür zu ihrem Büro, stützte sich mit der Hand auf den Türrahmen und wartete, bis die Frau sich wieder gefangen hatte. Nur wenige Wesen konnten sie unbemerkt überrumpeln, aber es war nicht Rivers erstes Mal, dass er das schaffte.
„River.“ Klarissa erhob sich hinter ihrem schweren Eichenschreibtisch, ihre Stimme schwang in der Luft mit, als sie ihn unter langen Wimpern anlächelte. „Ein unerwartetes Vergnügen.“
Nur mit Mühe konnte sich River ein Schnauben verkneifen. Vor ein paar Jahrhunderten hätte er vielleicht gesagt, dass Klarissas Spiele das Leben interessant machten. Jetzt, mit Leralynn in seinem Leben, wollte er die intrigante Frau einfach so weit wie möglich von seinem Quint fernhalten.
„Aber da du schon einmal hier bist“, fuhr Klarissa fort und hob einen kleinen Stapel Pergament von ihrem Schreibtisch, „könntest du mir vielleicht helfen. Ich wäre dankbar für einen zweiten Blick auf diese Berichte.“ Sie ging zu der Sitzgruppe in der Ecke ihres gut ausgestatteten Büros, wo die teuren Brokatstühle, die Lampe und der niedrige Glastisch den Eindruck von Intimität erweckten.
Mit den Händen auf dem Rücken schlenderte River nach vorne und nahm höflich die Papiere entgegen. Beim Lesen ließ er sich in einen der Stühle sinken und zog die Brauen zusammen. Eine saubere Handschrift, die er als die eines verlässlichen Spähers erkannte, bedeckte die Seiten und beschrieb einen Angriff auf Karnish, ein Grenzdorf von Blaze. Als Bergbaugemeinde verfügte Karnish nur über wenige andere Ressourcen, aber seine Lage – nahe an Slait und der Zitadelle – war an sich schon wertvoll. Außerdem lag Karnish, wenn River sich richtig an seine Geografiekenntnisse erinnerte, auf einem erhöhten, strategisch vorteilhaften Gelände.
Klarissa saß River gegenüber und schlug ihre Beine übereinander. „Wenn es dir nichts ausmacht“, sagte sie und winkte mit der Hand in Richtung einer Flasche Wein und zweier Gläser, die sie geholt hatte, während River las. Sie nickte in Richtung der Berichte. „Was hältst du von denen?“
„Das Gleiche wie du, nehme ich an.“ River entkorkte die Flasche, füllte die Gläser und reichte Klarissa eines davon, wobei sein Gesicht wie versteinert blieb, als sie ihre Finger an seinen entlangführte. Seine Stimme gleichmäßig zu halten, erforderte mehr seiner Kraft. „Es riecht nach dem Versuch der Jawrar, in Blaze Fuß zu fassen, ein noch eklatanterer Vorbote für einen Invasionsversuch, als wir ihn bisher gesehen haben.“ Die immer dünner werdenden Schutzmauern zwischen Lunos und Mors konnten keine Sclices aufhalten, geschweige denn Nachrichten und Münzen. Nicht mehr seit vor ein paar Jahrhunderten die Nachtwache – Jawrars Sympathisanten auf Lunos – eine ernstzunehmende feindliche Macht geworden war.
„Wenn Blaze fällt, wird Slait wohl als Nächstes dran sein. Dein Hof, River.“
„Der Hof meines Vaters.“ Früher hätten solche Worte River einen Schnitt ins Herz versetzt, aber jetzt gab es dort nichts mehr, das hätte bluten können.
Klarissa schwenkte ihren Wein und sah zu, wie die rote Flüssigkeit das Glas überzog und an den Seiten hinuntertropfte. „Wenn die Nachtwache in Blaze einfällt, würde das ganz Lunos destabilisieren. Es würde schwieriger werden, uns gegen Mors zu schützen – und Mors wird kommen, River. Früher oder später werden die Qoru keine Vertreter der Nachtwache mehr einsetzen und selbst in Lunos einmarschieren. Blaze kämpft sich gerade aus einer Dürre heraus; es kann sein Volk kaum ernähren, geschweige denn eine Armee aufstellen. Wenn Slait Truppen schicken und diesen Angriff am Pass abwehren könnte …“
River schnaubte, seine Lippen pressten sich zu einem dünnen, amüsierten Lächeln zusammen. „Wenn du dir vorstellst, dass ich jetzt mehr Einfluss auf König Griorgi habe als vorher, dann fürchte ich, dass ich dich enttäuschen muss.“ River hatte versucht, seinen Vater zu ersetzen. Einst. Vor Jahrhunderten, bevor die Quint-Magie ihn rief. So hatte River Klarissa kennengelernt, eine Ratsälteste, die den jungen Prinzen von Slait gerne mit Informationen versorgte, die ihm bei der Führung seines Königreichs helfen sollten. Sie öffnete ihm die Augen für die Wahrheit. Für ihre Wahrheit.
Eine Zeit lang hatte River sogar Erfolg gehabt. Unter Klarissas Anleitung hatte er eine kleine Armee aufgestellt, die in Slaits Zwischenwelt patrouillieren sollte, und genug öffentliche Unterstützung für diese Idee gesammelt, um den König in Zugzwang zu bringen. Sein Vater war wütend darüber, dass er nun genötigt war, Ressourcen von Slaits Armeen, die Blaze für ihn hätten erobern können, in die Verteidigung gegen die imaginäre Bedrohung durch Mors umzuleiten.
Es war in jener Nacht, dass König Griorgi seine Kinder in Rivers Schlafzimmer versammelte und ihre Mutter kaltherzig umbrachte. Er wollte River eine Lektion erteilen – und seine Macht über seinen Sohn ein für alle Mal beweisen. Dann ließ der Bastard die blutige Leiche zurück, um Rivers Matratze zu tränken. Der Prinz von Slait starb an diesem Tag mit der Königin. Und als der Ruf des Quints in erreichte, blickte River nicht mehr zurück.
Klarissa setzte ihren Kelch ab und sah River direkt in die Augen, ihr scharfer Blick ließ River das Blut in den Adern gefrieren. „Ich glaube, Griorgi lässt sich nicht mehr umstimmen, River. Und dass es an der Zeit ist, dass sein Sohn den Thron von Slait besteigt. Damit du und ich uns gegen Jawrar verbünden.“
Der Wein, der in Rivers Kehle floss, suchte sich den falschen Weg, und er krümmte sich hustend.
„Du kannst nicht ewig davonlaufen“, sagte Klarissa leise. „Wirst du wenigstens nach Karnish gehen und dir selbst ansehen, was dort vor sich geht? Eine Entscheidung treffen, die auf aktuellen Fakten beruht und nicht auf denen der vergangenen Jahrhunderte?“
River tippte auf die Runen an seinem Hals, die ihn auf dem Gelände der Zitadelle festhielten – ironischerweise durch Klarissas eigene Intrigen dazu gezwungen.
Die Frau schnalzte mit der Zunge. „Es gibt eine Erlaubnis, um das Gelände für die dritte Erprobung zu verlassen. Wenn du die Prüfung jetzt verlangst, sorge ich dafür, dass du dich in Karnish wiederfindest. Wirklich, River, du bist manchmal zu selbstgerecht für den gesunden Menschenverstand.“
„Meine Antwort ist nein.“ River erhob sich, sein Herz klopfte so heftig, dass er fürchtete, allein die Erschütterung würde den Wein verschütten. „Politik ist nicht mein Schlachtfeld. Du willst einen König entthronen? Such dir einen anderen Idioten für diese Aufgabe. Und was dich und mich betrifft …“ Er trat näher an sie heran, als seine Worte waren eisig wurden. „Bevor ich das tue, werde ich mich Mors ausliefern.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte sich River der Tür zu.
„Du bist der Falsche für dieses Mädchen, Prinz“, rief Klarissa ihm nach, und ihre Stimme klang mitleidig. River hielt inne, ohne sich umzudrehen. „Und selbst wenn du dieser Torheit nachgehst, ist sie sterblich. Vielleicht hat die Magie sie deshalb auserwählt – die Macht der Weberin ist zu groß, um zu lange unter uns zu sein. Wenn Leralynn nicht im Kampf umkommt, wird sie trotz allem sterben. Du trägst Verantwortung. Gegenüber deinem Quint, gegenüber Lunos und gegenüber deinem Hof. Irgendwann musst du aufhören, vor allem wegzulaufen, und wenn diese Zeit anbricht, wirst du meine Hilfe brauchen.“
Ich blicke stirnrunzelnd in den nächtlichen Himmel, wo die Sterne vor den Fenstern unserer Suite glitzern. Trotz der späten Stunde ist River noch nicht zurückgekehrt, und das Nagen in meiner Magengrube wird von Minute zu Minute stärker – was meinem ohnehin schon grauenhaften Kartenspiel wenig zuträglich ist. Als ich sehe, dass Autumn in dieselbe Richtung blickt, lege ich die Karten ab und unterbreche das Spiel, das Tye, Coal, Autumn und ich auf dem Tisch im Gemeinschaftsraum begonnen haben. Shade bleibt neben mir auf der Couch liegen und schnauft leise im Schlaf. „Machst du dir auch Sorgen um ihn?“, frage ich.
„Um wen?“ Die Beine in einem weichen Sessel unter sich geschoben, dreht die zierliche Frau abwesend einen Ohrring zwischen Daumen und Zeigefinger. Der kleine Smaragd in silberner Fassung passt zu ihrem kurzen Hemd und der wallenden Hose, die tief auf dem straffen Bauch sitzt. Ihre seidigen blonden Zöpfe sind oben auf dem Kopf zu einem Knoten zusammengefasst.
Ich runzle die Stirn. „River. Es ist Stunden her, als er zu Klarissa gegangen ist.“
Autumn blinzelt, ihre sonst so funkelnden Augen brauchen einen Moment, bis sie wieder im Hier und Jetzt ankommt. „River? Oh, der kann tagelang grübeln, und es gibt nur wenige, die ihn besser aus der Fassung bringen als Klarissa. Erwartet ihn nicht vor dem Morgen zurück.“
Tye gluckst. „Ich wette, es ist nicht River, an den Sparkle gerade denkt, Fliedermädchen. Und auch nicht an ihre Karten.“
Autumn verengt ihren Blick auf den Mann und scheint sich ganz sicher zu sein, dass sie die Größere von beiden ist. „Ich würde ja fragen, wovon du sprichst, aber jeder Einblick in deine Gedanken würde mich wohl kurzerhand zum Würgen bringen“
„Meine Gedanken, ja?“ Tye grinst, und seine Eckzähne blitzen auf. „Ich sag dir was. Setz deinen Ohrring bei der nächsten Runde ein, und ich setze meinen gesamten Gewinn dagegen.“
Autumns Hand berührt ihr Ohr und ihr Gesicht färbt sich rot genug, um meine volle Aufmerksamkeit zu erregen. Jetzt, wo ich genau hinsehe, kommt mir der kleine Smaragdstecker bekannt vor und ruft die Erinnerung an ein anderes spitzes Ohr wach. Eines, das einer großen, attraktiven Kriegerin mit blauen Augen, kurzen dunklen Haaren und einem wunderbaren, ausdrucksstarken Lachen gehörte.
„Kora?“, sage ich, wobei sich meine Mundwinkel heben. Ich wusste, dass die Quint-Kommandantin Interesse an meiner Freundin hatte; ich hatte nur nicht bemerkt, dass Autumn diese Gefühle erwiderte. „Seit wann? Und ich dachte, du bevorzugst das dümmere der beiden Geschlechter.“
Tye schnaubt empört, während Autumn sich um Gelassenheit bemüht – und scheitert. „Ich mag beide. Und was Kora angeht, wir sind nur Freunde.“
„Natürlich. Und Tye bescheißt nicht beim Kartenspiel“, sagt Coal trocken, wobei seine Augen selbst im schimmernden Kerzenlicht eine kalte blaue Flamme sind.
„Du bist ein gnadenloser Verlierer. Das passt nicht zu dir, Coal.“ Tye rückt die Manschetten seines Seidenhemdes zurecht – orange, wie das Feuer, das er beherrscht. Ich mag es vielleicht genießen, abends keine Uniform tragen zu müssen, aber Tye hat fast so viel Spaß an Mode wie Autumn. Klar – der Mann macht keine halben Sachen. Er streckt und lehnt sich auf der Couch zurück, ein Arm legt sich um meine Schultern, um mich lässig an sich zu drücken.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Tye uns betrügen würde“, sage ich und spüre das stetige Schlagen seines Herzens durch seine muskulöse Brust.
Alle drei schnauben unisono.
„Natürlich würde er das tun“, sagt Coal, seine Stimme so dunkel wie seine schwarze Lederhose und die ärmellose Tunika.
„Ich würde jeden betrügen, Kleine“, sagt Tye mit einer Spur von Mitleid in der Stimme. „Aber ihr drei spielt so beschissen, dass es unter meiner Würde ist. Und das sagt eine Menge, glaubt mir. Wenigstens ist der Flohmarkt da drüben einen Betrug wert.“
Der Wolf neben mir hebt den Kopf und zeigt Tye seine Zähne, seine goldenen Augen blitzen.
Mir wird ganz warm ums Herz. Familie. Diese zänkischen, brillanten, frechen Wesen sind meine Familie geworden.
Tye leckt mir übers Ohr.
Shade stürzt sich auf ihn, ein Blitz aus Grau und Schwarz.
Ja, Familie. Mitsamt unseren eigenen Dorftrotteln. Ich packe den Wolf am Nacken, bevor er den Kartentisch umstoßen kann.
„Wie lange dauert es, bis er sich zurückverwandeln kann?“, frage ich Autumn und halte ihn so lange fest, bis er sich herablässt, eine Bauchmassage als Trostpreis dafür zu akzeptieren, dass er Tye nicht ausweiden durfte. Da Shade seine Magie bei dem vergeblichen Versuch, mich während der letzten Prüfung zu retten, beschädigt hat, ist seine Genesung in seiner Tierform sicherer. Obwohl ich den Wolf liebe, vermisse ich das Gefühl des Fae-Kriegers selbst, seine warme, goldene Haut und seine samtene Stimme, die mein Gehör streichelt. Seit jener Nacht in den Bädern vor über einer Woche konnten wir nicht mehr zusammen sein. Jetzt, wo ich auf den Geschmack gekommen bin, ist es frustrierender, als ich es mir je hätte vorstellen können.
„Ein paar Tage noch.“ Die zierliche Frau nimmt Tye das Glas Wein aus der Hand und nimmt einen Schluck. „Aber er sollte seine Magie für mindestens eine Woche nicht benutzen. Nicht, wenn er keine bleibenden Schäden riskieren will.“
Bleibende Schäden. Mein Herz krampft sich zusammen, meine Hand bleibt auf dem weichen Fell liegen. Wegen mir. Das ist alles nur meine Schuld. Meine Unfähigkeit zu kämpfen, die Magie zu nutzen, die ich eigentlich kontrollieren sollte. Klarissa hatte nicht unrecht, als sie die mangelnden Fortschritte während meines Trainings bemerkte, und was auch immer sie heute Abend zu River über mich gesagt hat … Müdigkeit überkommt mich und ich stehe auf. „Ihr könnt euch weiter gegenseitig beleidigen“, sage ich mit einer Leichtigkeit, die ich nicht mehr spüre. „Ich werde nach Sprite sehen und dann ins Bett gehen.“ Ich streiche meinen gelben Seidenrock und meinen weitgeschnittenen Pullover, der immer wieder von einer Schulter rutscht, glatt, winke den anderen zu und gehe zur Tür der Suite.
„Willst du Gesellschaft, Kleine?“, ruft Tye und sein Grinsen wird noch breiter, als der Wolf wieder knurrt, den Schwanz hebt und demonstrativ durch die Tür trabt, die ich gerade geöffnet habe.
„Gute Nacht, Tye.“ Ich eile Shade hinterher, und meine Hoffnung, den Wolf einzuholen, schwindet mit jedem Schritt. Ich verstehe sehr gut, warum Shade die Pferde beunruhigt – was ich nicht verstehen kann, ist, warum es dem Wolf so viel Spaß macht. Nachdem ich gesehen habe, wie Czar, der schwarze Hengst von Coal, Shade fast die Rippen gebrochen hat, weil er versucht hat, ihn in den Schwanz zu beißen, bin ich mir nicht sicher, um welches der Tiere ich mir mehr Sorgen mache.
Meine letzte Hoffnung, dass alles in Ordnung ist, schwindet, als ich sehe, dass die Stalltür einen Spalt offen steht, so dass der Wolf gerade genug Platz hat, um sich hindurchzuzwängen und Chaos anzurichten.
Seufzend schiebe ich die Tür einen Spalt weit auf und atme den beruhigenden Geruch von Heu und Pferden ein. Der lange, höhlenartige Raum ist in sanftes Kerzenlicht getaucht, dank einer Reihe von Laternen, die weit oben an der Spitzdecke hängen. Ich habe sie noch nie unbeleuchtet gesehen, aber ich habe auch noch nie einen einzigen Stallknecht hinaufklettern sehen, um sie anzuzünden. Ich kann mir nur vorstellen, dass Magie im Spiel ist – vermutlich eine, die auch verhindert, dass die Laternen versehentlich herunterfallen und die Scheune in Brand setzen. Dicke hölzerne Sparren kreuzen sich über dem Kopf, umrankt von Strängen aus glänzendem grünen Efeu. Lange Nasen lugen neugierig aus den Stallfenstern, schnauben und wiehern zur Begrüßung, und ein kleiner Splitter der Anspannung löst sich in meiner Brust.
In der größten Box am anderen Ende des Stalls versucht ein Paar schwerer Hufe, die Scheunenwand niederzureißen, was beweist, dass Czar und Shade tatsächlich hier sind. Ich greife in meine Tasche, ziehe einen Apfel heraus, den ich für Sprite mitgenommen habe, und drehe mich in die andere Richtung. „Da bist du ja, Mädchen“, sage ich und streichle den weichen, grauen Kopf der Stute, während sie mir mit langen Wimpern zuzwinkert.
„Da bist du ja, Kleines.“
Ich zucke zusammen und lasse den Apfel fallen, als Shades samtene Stimme durch den Stall schallt. Mein Herz rast noch immer und ich drehe mich um, um Shade zu erblicken, der lässig an einem der Stallpfosten lehnt. Er trägt eine weite, graue Hose – und sonst nichts. Die Haut an seinem harten Bauch hat eine goldene Farbe, die zu seinen Augen passt. Schwarzes Haar hängt ihm in glänzenden Wellen bis zu den Schultern, und die Konturen seines glatten Gesichts verschieben sich im Licht der Laterne. Mein Mund wird trocken, mein Atem beschleunigt sich. Sterne, wie sehr habe ich dieses Gesicht in den sieben Tagen vermisst, seit … Ich schlucke. Seit Shade sich wegen mir so verletzt hat, dass selbst sein Wolf keinen Trost annehmen wollte.
Shades leise Schritte legen den Abstand zwischen uns zurück, jedes Aufsetzen seines Fußes auf den Holzboden bringt einen neuen Schub an Spannung in die Luft. Ich sehne mich so sehr nach ihm, dass mein Körper sich weigert, sich zu bewegen, aus Angst, er könnte verschwinden.
„Du wirfst Äpfel durch die Gegend?“, sagt Shade, hebt die Frucht auf und hält sie mir hin.
Als ich danach greife, zieht er den Apfel hoch und aus meiner Reichweite, wobei sich ein Mundwinkel hebt. „Viel besser“, murmelt er. „Ich hatte ganz vergessen, wie klein du wirklich bist …“
Meine Zehen schieben mich von selbst nach oben, mein Kopf kippt nach hinten und trifft auf Shades sich senkenden Mund. Weiche, warme Lippen bedecken meine, während muskulöse Arme meine Schultern streifen, meine Arme, meine …
Ich quietsche, als Shade den Apfel in den Stall von Sprite wirft und meine Hüften packt. Er hebt mich leicht an, bringt mein Gesicht mit seinem auf eine Linie und vertieft den Kuss. Da ich keinen Boden unter den Füßen habe, schlinge ich meine Beine um Shades Taille und spüre sein leises Knurren bis in mein Innerstes.