Abtrünniger von Great Falls, Macht der Fünf Buch 6 - Alex Lidell - E-Book

Abtrünniger von Great Falls, Macht der Fünf Buch 6 E-Book

Alex Lidell

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Beschreibung

Die Kämpfe toben. Kann die Wahrheit in den Seelen meiner Gefährten den Schleier aus Lügen durchbrechen? Ich bewege mich auf Messers Schneide. Bei Nacht bringe ich die dunklen Kreaturen zur Strecke, die in die Welt der Sterblichen eindringen. Bei Tag werde ich wieder zur Schülerin, versage im Unterricht und weiche den Blicken der Männer aus, die sich nicht mehr daran erinnern, dass ich deren Gefährtin bin. Die Auseinandersetzungen mit River und Cole gleichen einem Kampf an zwei Fronten. Doch nun nähert sich Ostara, die Nacht, in der die Magie am stärksten ist, und Anspannung erfüllt die Luft. Zwischen meinen Gefährten und mir. Zwischen dieser Welt und der, an die sie sich nicht erinnern können. In dieser Nacht wird etwas passieren. Die Schutzwälle geben nach. Wenn sie fallen, wird eine Dunkelheit, die wir nicht besiegen können, die Menschenwelt erfassen. Und uns mit ihr.

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ABTRÜNNIGER VON GREAT FALLS

MACHT DER FÜNF BUCH 6

ALEX LIDELL

Übersetzt vonSOPHIE HARTMANN

Copyright © 2022 by Alex Lidell

Alle Rechte vorbehalten. Abgesehen von den im U. S. Copyright Act von 1976 vorgesehenen Ausnahmen darf diese Publikation weder als Ganzes noch in Auszügen in irgendeiner Form oder auf irgendeine Weise ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Herausgebers vervielfältig, verbreitet, übertragen oder in einer Datenbank oder einem System zur Informationsrückgewinnung (Retrieval-System) gespeichert werden.

Alex Lidell, Massachusetts, United States of America, www.alexlidell.com, [email protected]

Bearbeitet von Mollie TraverÜbersetzung: Sophie HartmannÜbersetzungslektorat: Jenny CravensUmschlaggestaltung: Diablerie GraphicArts

Dieses Buch ist ein fiktives Werk. Namen, Personen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten entstammen der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen lebenden oder verstorbenen Personen oder tatsächlichen Ereignissen ist rein zufällig.

Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers in irgendeiner Form oder auf irgendeine Weise vervielfältigt oder in einem System zur Informationsrückgewinnung (Retrieval-System) gespeichert werden, sei es elektronisch, mechanisch, durch Fotokopie, Aufzeichnung oder auf andere Weise.

Bitte kaufen Sie nur autorisierte elektronische Exemplare und beteiligen Sie sich nicht an oder fördern Sie nicht die elektronische Piraterie urheberrechtlich geschützter Materialien.

INHALT

1. Lera

2. Lera

3. River

4. Lera

5. Lera

6. Lera

7. Lera

8. Lera

9. Lera

10. Shade

11. Lera

12. Lera

13. Lera

14. Owalin

15. Coal

16. Lera

17. Lera

18. Lera

19. Tye

20. Lera

21. Lera

22. Coal

23. River

24. Lera

25. Coal

26. Coal

27. Lera

28. Lera

29. Lera

30. River

31. Lera

32. Lera

33. Lera

34. Lera

35. Lera

36. Lera

37. Lera

38. Lera

39. Shade

40. Shade

41. Lera

42. Lera

43. Lera

44. Lera

45. Coal

46. Lera

47. Lera

48. Lera

49. Owalin

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About the author

LERA

Mein Schwert schneidet singend durch die kalte Nachtluft und trifft einen geifernden Sclice. Ich springe zurück und keuche, als die Bestie mit einem letzten Schlag nach mir ausholt, bevor das Leben endgültig aus ihr weicht. Mit erhobenem Schwert schaue ich mich im Wald um, während mein Herz in einem starken, gleichmäßigen Takt gegen meine Brust trommelt. Ohne mein Amulett fühlt sich alles in mir leichter an. Lebendiger. Ich nehme Geräusche, Berührungen und Gerüche besser wahr.

Ich kann den Gestank des toten Sclice besser wahrnehmen.

Dann rümpfe ich die Nase. Die Bestie von heute Nacht ist die dritte, die ich in dieser Woche erlegt habe – die zehnte, seit ich vor einem Monat mit diesen nächtlichen Ausflügen ohne Amulett begonnen habe. Mit dem Herannahen der Frühlings-Tagundnachtgleiche – Ostara – nimmt die Zahl von Mors’ Nagetieren und anderen magischen Bestien zu, eine Veränderung, die nicht angenehmer ist, nur weil ich sie bereits erwartet habe. Wie die anderen Sclices, die ich in den sterblichen Landen gesehen habe, ist auch diese Bestie entstellt. Ihre gesprenkelte Haut zeigt ein Muster aus Warzen, darunter eines in dieser seltsamen Schneeflockenform, von der Gavriel meint, sie diene als eine Art grobe Rune, die das Ding für Menschen und Schleieramulett tragende Fae unsichtbar macht.

Die Energie vibriert immer noch in meinen Körper, und ich spüre, wie der Wald um mich herum wieder in den Fokus rückt – das leise Knacken nachtaktiver Tiere, der Duft von feuchtem Kiefernholz. Mit einem tiefen Atemzug zwinge ich mich, mich dem eigentlichen Ziel des heutigen Ausflugs wieder zuzuwenden: eine weitere Probe von einem Yocklol-Baum zu beschaffen, um Gavriel und Arisha bei der Entwicklung eines Mittels zur Neutralisierung dieser verdammten Dinger zu helfen. Ich weiß, dass wir nur den Schaden eindämmen, dass immer mehr Schrecken kommen werden, bis ich den Riss in dem Schutzwall, das die sterblichen Lande von der Magie abschirmt, finden und flicken kann. Aber das macht die Yocklols nicht weniger problematisch.

Obwohl sie einen Stamm und weinstockähnliche Äste zu haben scheinen, sind Yocklols keine echten Bäume, sondern eher eine Mischung aus Bestie und Pflanze – der neueste Schrecken, der aus den dunklen Welten durchsickert. Außerdem sind Yocklols in der Lage sich zu vermehren. Und sich zu bewegen. Ich habe fünf markiert, seit dieser junge Gardist letzten Monat seinen Arm an einem verloren hat.

Das Gute daran ist, dass sie durch die größere Anzahl leichter zu finden sind. Ich lasse den toten Sclice hinter mir und folge dem Pfad bergauf zu der Stelle, an der ich zuletzt eine Spur des gelben Schleims gesehen habe, und finde das Ding zwischen einer Gruppe von Espen. Als ich mit meinem Fae-Blick die Dunkelheit der Nacht durchdringe, kann ich den gelben Schleim sehen, der die Glieder des Yocklols bedeckt. Er schimmert leicht, aber sonst fällt er kaum auf. Unglücklicherweise für alles, was gerne am Leben bleibt: Eine Berührung des Schleims mit dem Körper und die daraus resultierende eitrige Verderbnis ist nicht mehr aufzuhalten.

„Bringen wir es hinter uns“, murmle ich und starre den Yocklol an, dessen eines Auge im Moment geschlossen ist und dessen Äste tödlich zittern. Ich ziehe eine Glasphiole aus meiner Tasche und schiebe die breite Öffnung langsam auf eine tentakelartige Spitze. Langsam hebe ich meine Klinge und überprüfe noch einmal kurz meine Ausrüstung. Lederhandschuhe. Weich gepolsterter Lederanzug. Die Stiefel sind gut geschnürt und bereit zum Laufen. Gut. Ich atme tief ein, schlage mit dem Schwert zu und schabe das kleinste Stück gelber Rinde in meine Phiole.

Das Auge des Yocklol öffnet sich und die tentakelartigen Äste bewegen sich wie Schlangen.

Gegen den Drang zu flüchten, der ein zu großes Stolperrisiko birgt, weiche ich einen Schritt nach dem anderen zurück. Mein Puls beschleunigt sich, das Blut rast durch meine Gliedmaßen. Es ist seltsam, dass etwas, das einen töten will, einem auch das Gefühl gibt, lebendig zu sein. Um mich herum sind die nächtlichen Geräusche des Waldes eine vertraute Kulisse, die sich bewegenden Äste und die eindringlich schreiende Eule scheinen mich aufzumuntern. Ein weiterer Schritt, mein Fuß prüft den Boden, bevor ich das Gewicht auf ihn verlagere, mein Blick ist auf die schwankenden, tentakelartigen Äste gerichtet. Yocklol-Bäume sind nicht schnell, aber bei dem Schaden, den eine einzige Berührung anrichtet, ist das auch nicht nötig.

Als ich eine Wurzel unter meinem Fuß spüre, richte ich mein Gleichgewicht aus. Drei Tentakel schlängeln sich jetzt über den Boden und lassen mir keinen Platz, um sicher zu fallen. Mein Atem stockt. Ein Schritt nach dem anderen. In mir windet sich Tyes Feuerrufmagie gegen ihre Fesseln. Bevor ich eine Fae wurde, brauchte ich die Nähe zu meinen Männern, um ihre Magie anzuzapfen. Ich spiegelte ihre Macht wider, hatte aber keine eigene. Jetzt, obwohl die Nähe zu den Männern unsere Kraft um ein Vielfaches verstärkt, sind die magischen Stränge, die sich in mir zusammenrollen, meine eigenen. Die Schatten von Tyes Feuer, Rivers Erde, Shades Heilkraft und Coals seltsamer, nach innen gerichteter Magie beben in meinem Blut.

Jeden Tag denke ich, dass ein Bruchteil meiner Kraft ausbrechen könnte. Aber nicht heute. Nicht jetzt.

Ein gelber Tentakel peitscht plötzlich, schnell wie eine Schlange, direkt in meine Richtung.

Mein Arm bewegt sich reflexartig und die Klinge des Schwertes durchtrennt die Ranke in der Luft. Sie fällt fast lautlos zu Boden, während die Spitze weiterzappelt.

Ich fluche. Abgetrennt vom Stamm wird der abgetrennte Tentakel weiter herumfuchteln und alles töten, was ihn berühren könnte. Bis in alle Ewigkeit. Ich muss umkehren und das Ding irgendwie loswerden, bevor es Geschwüre und Verletzungen bei Tieren verursacht und die Menschen merken, was hier alles schiefläuft.

Ich gehe langsam weiter rückwärts. Ich mache den letzten Schritt, um der Reichweite des Yocklols zu entkommen. Das Ding streckt sich weiter auf mich zu, aber der Rumpf bewegt sich viel langsamer als die Tentakel. Mit anderen Worten, heißt das, dass ich endlich in der Lage bin, zu rennen, als sei eine Schar Dämonen hinter mir her.

Ich verkorke die Phiole, verstaue sie sicher in meiner Tasche und laufe durch den mir nun vertrauten Wald, wobei meine unsterblichen Augen den Pfad und die sich leicht bewegenden Kiefernzweige unter dem Sternenhimmel deutlich erkennen. Als ich die hohe Steinmauer vor mir sehe, entdecke ich den Ausgang des Fluchttunnels, der zurück in die Akademie führt. Tintenschwarze Dunkelheit empfängt mich. Während ich mit den Füßen über der Schwärze baumle, atme ich tief durch, stoße mich ab und lasse mich fallen.

* * *

„Du siehst ein wenig wild aus“, begrüßt mich Arishas Stimme, als ich aus dem Gang inmitten einer dichten Ansammlung von Bäumen und Hecken klettere, die das Innere der Akademiemauern säumen. Der frische Duft von immergrünen Bäumen und knospenden Eichen füllt meine Sinne und vertreibt den Schimmel und den Gestank des Tunnels.

„Soll das ein Kompliment sein?“ Ich stütze meine Hände auf die Oberschenkel und sehe das strahlende Mädchen an, dessen krauses braunes Haar und dessen Unfähigkeit, es zu flechten, zweifellos eine Vogelscheuche neidisch machen würde. Hinter ihr werfen die Fackeln auf den Spitzen der hohen Mauern der Akademie seltsame Schatten auf den Stein, eine strenge Erinnerung daran, wo wir jetzt sein sollten.

„Das ist eine Tatsache.“ Sie fasst sich an die Ohren, dann niest sie in ihren Ärmel.

„Oh, richtig.“ Ich unterdrücke ein Stöhnen und lege mein Schleieramulett schnell um meinen Hals. Sofort legt sich ein Spannungsgefühl auf mich. Der Druck der Magie des Schleieramuletts kämpft gegen das Verlangen meines Körpers nach Freiheit. Jedes Mal scheint es etwas schwieriger zu werden, den Übergang zu schaffen, die Magie des Schleiers kämpft härter um die Kontrolle und gegen die Rebellion meines Körpers an. Der Anhänger erwärmt sich auf meiner Haut und beharrt darauf, dass ich ein Mensch bin, ein Akademiekadett, nichts weiter.

„Sterne“, murmelt Arisha. „Ich weiß, dass du dich nicht bewegt hast, aber ich schwöre, ich habe eine Fae gehen und eine menschliche Lera kommen sehen. Das ist jedes verdammte Mal beunruhigend. Hast du mein neues Spielzeug?“

„Und du nennst mich wild?“ Ich reiche ihr die Phiole, hole einen Mantel aus dem Gebüsch und werfe ihn über meine Lederkleidung. Wenn ich jetzt erwischt werde, bin ich nur eine Auszubildende, die die Ausgangssperre mit einem Spaziergang durch den Wald bricht, und keine Abtrünnige, die sich Rivers Zorn zuziehen will. „Ich habe übrigens noch einen Sclice erlegt.“

„Das ist kein ‚übrigens‘, Lera.“ Arisha versperrt mir den Weg. Sie hat die Hände in die Hüften gestemmt und schaut mich streng an – ihre geschwollenen roten Augen und Nase tragen nicht sonderlich zu ihrer ernsten Miene bei. Sie trägt ein ähnliches schwarzes Outfit wie ich – denn ‚Schwarz ist die Farbe der Spionage‘ –, sodass ihr blasses Gesicht im Mondlicht zu schweben scheint. „Das läuft aus dem Ruder – und erzähl mir nicht, du wärst rein zufällig auf das Ding gestoßen, denn du lügst so gut, wie ich Handstände mache. Was wäre geschehen, wenn es mehr davon in der Umgebung waren? Du kannst dich doch nicht allein auf die Jagd nach diesen Viechern machen …“

„Gavriel denkt, ich kann“, sage ich schnell.

„Guter Versuch, aber Onkel Gavriel glaubt, dass die Sonne ihre Richtung ändert, wenn ein Buch das sagt.“ Arisha rückt ihre Brille zurecht, ihre Stimme ist so übellaunig wie immer, seit die Blumen zu blühen begonnen haben. „Ich sage nicht, dass du aufhören sollst zu kämpfen. Ich sage nur, dass du aufhören sollst, es allein zu tun. Den toten Sclice dorthin zu bringen, wo Rivers Patrouillen ihn wahrscheinlich finden werden, ist eine einfache Sache und wird die anderen Fae dazu bringen, sich zu beteiligen.“

„Nein.“

„River würde nicht wissen, dass du es warst, die die Bestie zur Strecke gebracht hat, aber er wird sicher mit Coal und Shade losziehen, um ein bisschen aufzuräumen“, fährt Arisha fort, als hätte ich nichts gesagt, und ähnelt ihrem Onkel mehr, als sie zugeben möchte. „Das würde den Druck etwas mindern. Und vielleicht kannst du sie sogar begleiten, ohne etwas sagen zu müssen, was ihre Schleiermagie auslösen würde.“

„Nein“, wiederhole ich. „Erstens haben die Sclices Warzenmuster, die sie für Menschen fast unsichtbar machen – ich kann mein Amulett abnehmen und die Viecher sehen, aber die Männer können das nicht. Sie sollten nicht gegen etwas kämpfen, das sie nicht sehen können. Und zweitens …“ Ich richte meinen Umhang und nehme mir einen Augenblick Zeit, um mich zu sammeln. „Zweitens hattest du Recht, als du sagtest, ich solle sie als diejenigen akzeptieren, die sie jetzt sind – und die, die sie jetzt sind, kennen mich nicht als die, die ich wirklich bin. Sie würden mich wahrscheinlich verabscheuen, wenn sie es täten. Wenn ich die Akademie nachts verlasse, muss ich mein Amulett ablegen und ich selbst sein, und nicht so tun, als wäre ich eine edle Dame, die ich nicht bin.“

„Was ist mit Team, Quint und Gefährten geschehen?“

„Eine zerbrochene Runentafel.“ Nach einem Monat haben die Worte fast aufgehört zu schmerzen. Selbst nachdem ich die Vorzüge eines Zusammenschlusses gegen die Bedrohung durch die Magie so klar dargelegt habe, dass sogar Prinzessin Katita in die Knie ging, sehen mich die Männer immer noch als nichts weiter als eine Kadettin in ihrem ersten Jahr. River kümmert sich um wenig mehr, als dass ich mich an die Regeln und die Ausgangssperre halte. Coal tut alles, um körperlichen Kontakt mit mir zu vermeiden, selbst während des Trainings. Shade ist zu sehr mit all den Mädchen beschäftigt, die beim Krankenbesuch Schlange stehen, um meine Existenz überhaupt wahrzunehmen. Und Tye … Tye will reden. Er will die Intensität unserer ungewollten Verbindung mit seiner Verpflichtung dem Prowess-Training gegenüber in Einklang bringen. Dazu habe ich nichts zu sagen. Nachdem ich in Zakes Stall gedient habe, sollte man meinen, ich hätte gelernt, wie gefährlich es ist, sich auf Männer zu verlassen – aber anscheinend brauchte ich eine scharfe Erinnerung.

„Ich habe schon genug damit zu tun, die Magie in der Welt der Sterblichen einzudämmen, ohne auch noch Schwänzen hinterherzujagen, Arisha.“ Ich schenke ihr ein Lächeln. „Außerdem habe ich ja dich und Gavriel und, äh, Strubbel. Und ich habe dir doch diese schöne rotzgelbe Yocklol-Probe zum Spielen besorgt, oder?“

Arisha seufzt – nicht aus Einverständnis, sondern auf eine ‚Wir reden später darüber‘-Art. „Du bist fix und fertig. Ich habe mir erlaubt, deinen Aufsatz über Ckridels Rolle in der Kontinentalen Allianz zu verfassen.“

Meine Schultern spannen sich an. „Arisha …“

„Wenn mir vor einem Jahr jemand gesagt hätte, dass ich dazu beitragen würde, das Reich der Sterblichen vor dem Untergang zu bewahren, indem ich zusätzliche Hausaufgaben mache, hätte ich denjenigen in die Irrenanstalt geschickt. Aber es ist eine Tatsache, dass du nicht in der Lage bist, nachts das Böse zu bekämpfen, den Unterricht zu besuchen, drei Stunden lang Ställe zu misten und Hausaufgaben zu machen. Wenn dein Stalldienst morgen endlich zu Ende ist, kannst du deine Hausaufgaben wieder ganz allein machen“. Sie klopft mir auf die Schulter. „Aber für heute Abend – schreib alles ab. Ordentlich. Es nützt niemandem etwas, wenn meine brillanten Worte unter Flecken verschwinden, die den Eindruck erwecken, dass Rabbit sie geschrieben hat. Und wirklich, mach dir keine Sorgen. Da die Ostara-Feiertage vor der Tür stehen, werden wir alle bald genug Zeit haben, um uns auszuruhen und zu lernen. Eine Woche Freiheit wird sich bis dahin wie ein Geschenk der Sterne anfühlen.“

Ich zwinge mich zu einem Lächeln und danke den Sternen, dass Arisha das plötzliche Klopfen meines Herzens nicht hören kann. Meine Freundin glaubt immer noch, dass es nur der Zeitmangel ist, der mich daran hindert, gute Leistungen im Unterricht zu erzielen. Und ich kann es nicht ertragen, meiner genialen Freundin – die Lehrer für inkompetent hält – zu sagen, dass ich kaum in der Lage bin, richtig lesen zu können.

Ich schlüpfe ins Zimmer, entledige mich meiner Lederkleidung, verstaue sie unter dem Bett und lasse mich in mein Bett fallen. Die Pritsche ächzt, und lange Wolfskrallen drücken ihre Unzufriedenheit darüber aus, dass ihr Platz von einem Eindringling in Beschlag genommen wird. Kein Wunder, dass Arisha unbedingt aus dem Zimmer verschwinden wollte, um mich zu suchen. Ich stupse Shade an. Stoße ihn an. Stütze mich gegen seine gewaltige Masse und versuche ihn mit aller Kraft beiseitezuschieben. Der Wolf zuckt mit einem Ohr, seine Augen bleiben geschlossen. Er täuscht einen tiefen Schlaf vor, dieser Bastard. Nun gut. Ich suche mir einen Platz an Shades Seite, kuschle mich an ihn und versuche noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen.

LERA

„Leralynn von Osprey schlägt vor, dass Ckridels Rolle in der Kontinentalen Allianz durch Selbsterhaltung definiert wurde.“ Meister Daniels Stimme aus dem vorderen Teil des Raumes durchdringt den Dunst der Erschöpfung, der sich um mich gelegt hat.

Einen Moment später trifft Arishas Fuß mein Schienbein. Hart. Dann niest sie.

Ich blinzle und zwinge meinen Verstand, sich einen schnellen Überblick über die Situation zu verschaffen. Die einzelnen hölzernen Schreibtische, jeder mit einem Tintenfass versehen, stehen in einem Halbkreis im Klassenzimmer. Der Duft von jemandem, der Rosenparfüm zu sehr liebt, erfüllt die schwere Luft und vermischt sich mit dem Staub, der in den schweren Vorhängen sitzt. Trotz des angenehm kühlen Wetters draußen ist der Raum stickig – hohe Buntglasfenster lassen Ströme von getöntem Licht herein, aber keine nennenswerte Luft. Auch die förmliche Hofkleidung, die wir zum akademischen Unterricht tragen müssen, trägt wenig dazu bei. Ich sitze im hinteren Teil des Klassenzimmers und genieße eigentlich den Schutz von drei Dutzend Köpfen, die mich vom Podium des Lehrers trennen – normalerweise genug, um mich vor zu viel Aufmerksamkeit zu schützen. Heute scheint dieses Glück jedoch aufgebraucht zu sein.

Im vorderen Teil des Raumes geht Meister Daniel vor einer großen Kreidetafel auf und ab. „Prinzessin Katita hingegen behauptet, dass Ckridels Rolle aus Wohlwollen geschah. Leralynn, könntest du deine Gedanken dazu für alle Anwesenden darlegen?“

Sämtliche Köpfe drehen sich zu mir herum, als ich mit glühenden Wangen aufstehe. Egal, was Arisha denkt, ich kann das meiste von dem, was sie für mich geschrieben hat, nicht einmal verstehen.

„Das dürfte unterhaltsam werden“, flüstert Katita dem Mädchen neben ihr zu, und mein unsterbliches Gehör nimmt das Kichern unweigerlich auf. Ihr seidiges, weißblondes Haar hat sie sich hinter die Ohren gestrichen, ein unschuldiger Blick, der im Widerspruch zu dem Scharfsinn in ihren türkisfarbenen Augen steht.

Ich räuspere mich und schaue zum Fenster, um den Stand der Sonne zu überprüfen. Es ist noch mindestens eine halbe Stunde bis Unterrichtsende.

„Wir warten alle gespannt auf deine Ausführungen, Lady Leralynn“, fordert Daniel auf.

Ein Glucksen geht durch den Raum. Selbst die beiden Mädchen, die damit beschäftigt waren, ihre Ideen für Outfits für den bevorstehenden Ostara-Ball zu planen, hören auf zu tuscheln, um die neue Unterhaltung zu genießen. Verdammte Ostara. Während sich die Akademie darauf vorbereitet, den Frühling und die Fruchtbarkeit zu feiern, kann ich nur an die Welle der Magie denken, die der Mond in dieser Nacht mit sich bringen wird.

„Könnten Sie die Frage bitte wiederholen, Sir?“, frage ich.

Meister Daniels Lippen sind zusammengepresst, die Sonnenstrahlen spiegeln sich auf seinem haarlosen Schädel. „Bitte sage uns, warum du meinst, dass Selbsterhaltung die treibende Kraft hinter Grendels Handeln bei der Gründung der Kontinentalallianz stand.“

Zu meiner Linken kann ich Arishas erwartungsvollen Blick spüren. „Weil Selbsterhaltung die Kraft hinter allen Entscheidungen ist“, sage ich. Nett und philosophisch und – was am wichtigsten ist – man kann mit gesundem Menschenverstand argumentieren und nicht mit hoher Bildung.

Daniel wippt auf seinen Fersen zurück. Ich glaube, er wartet darauf, dass ich fortfahre.

Aber stattdessen will ich mich wieder setzen.

„Was ist mit moralischer Überlegenheit, Wohlwollen, Liebe?“, fordert Meister Daniel mich auf, und sein Blick reicht aus, damit ich meinem Wunsch nicht nachgehe.

„Was ist mit ihnen, Sir?“

Grimassen und Lächeln huschen durch den Raum, und die Unterstützung des Publikums schwankt für einen Moment auf meine Seite.

Arisha bedeckt ihre Augen. Ich bin mir sicher, dass sie etwas akribisch Geniales zu diesem Thema geschrieben hat und erwartet, dass ich es mit allen teile, anstatt den Lehrer zu verärgern. Das würde ich auch gerne tun, wenn mir die Realität nicht in die Quere käme.

„Ich finde deine Wortspiele nicht amüsant, Lady Leralynn.“ Auf Meister Daniels Gesicht und Hals machen sich rote Flecken breit und kriechen an seiner kahlen Kopfhaut empor. Als er wieder spricht, wirken seine Worte gezwungen, als ob er um Selbstbeherrschung kämpft. „Bitte erkläre uns, wie diese Faktoren deiner Meinung nach Entscheidungen und Handlungen beeinflussen.“

Ich breite meine Handflächen aus. „Unvorhersehbar.“

Diesmal schwappt eine Welle offenen Lachens durch den Raum und lässt Meister Daniels Gesicht in einem ganz anderen Rotton erscheinen.

Hinter mir lässt ein leises, vertrautes Knarren der Dielen den Raum plötzlich verstummen, und die veränderte Atmosphäre lässt keinen Zweifel an der Identität des Neuankömmlings.

Und tatsächlich, einen Augenblick später sehe ich River am Rand entlang schreiten, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Um die Auszubildenden zu beobachten. Oder um nach mir zu sehen. Seit ich mich letzten Monat gegen Katita gewehrt habe, spüre ich ständig Rivers Blick auf mir. Im Speisesaal, in der Bibliothek oder im Hof. Er kommt nie in meine Nähe – als ob impulsives, rücksichtsloses Verhalten ansteckend sein könnte –, aber er beobachtet mich. Er ist besorgt, dass ich ohne seine Erlaubnis, der Welt helfe.

Gekleidet in ein einfaches rotes Seidenhemd und eine fließende schwarze Hose, die seine muskulösen Oberschenkel umschmeichelt und sich zu einer straffen Taille verjüngt, kann man den Blick kaum von River abwenden.

Die Mädchen, die Kleider skizziert haben, verstecken schnell ihre Arbeit. Die männlichen Kadetten setzen sich aufrechter hin. Drei Schritte, und River hat einen Raum voller selbstgefälliger Adeliger in nervöse Kinder verwandelt. Sogar die Luft im Raum verändert sich und bekommt einen würzigen Hauch von Unruhe.

Sterne. Kein Wunder, dass Meister Daniel so verdammt wütend über meine Antworten ist. Zu meiner Verteidigung: Es war nicht meine Idee, mich zu Wort kommen zu lassen, während der stellvertretende Schulleiter im Raum war.

Ich greife nach meinem Stuhl und versuche ein zweites Mal, mich zu setzen.

„Komm bitte hierher, Lady Leralynn“, schnauzt Meister Daniel, wobei Spucke durch die Gegend fliegt, während er auf ein Stelle vor sich zeigt.

River bleibt stehen, sein perfektes Gesicht ist vollkommen ausdruckslos.

„Jetzt, Leralynn.“

Mit verkrampftem Magen zwinge ich mich, mit einer vorgetäuschten Zuversicht hervorzutreten, etwas das Daniels Gereiztheit nur noch weiter zu steigern scheint, während sie River nicht einen Herzschlag lang täuscht. Als ich an dem Mann vorbeigehe, kann ich nicht umhin, seinen angespannten Kiefer zu bemerken, und sein holziger Duft macht meinen Körper auf seine Anwesenheit aufmerksam.

„Hältst du dich für witzig?“, fragt Meister Daniel über die Stille der Klasse hinweg, als ich vor ihm stehen bleibe. Seine blassen Züge sind vor Wut angespannt.

„Nein, Sir.“ Ein Rinnsal Schweiß läuft mir den Nacken hinunter. Denk an etwas Beruhigendes. Zum Beispiel … Sclices töten.

„Das ist gut, denn ich finde dich auch nicht witzig“, sagt Daniel.

„Ich bin froh, dass sie das geklärt haben“, murmelt jemand, und ich schwöre, dass ich die Hitze spüren kann, die von Daniels Wut ausgeht.

„Streck deine Hände aus“, sagt Daniel zu mir, während er selbst nach einem Lineal greift.

Mein Blick schweift umher.

„Deine Hände, Lady Leralynn“, wiederholt Daniel mit einem dunklen Glitzern in seinen blassen Augen. „Wenn du unbedingt einen zehnjährigen Adligen imitieren musst, der sich nicht die Mühe macht, aufzupassen, dann werde ich dich auch so behandeln.“

Das Brennen in Rivers unleserlichen Augen ist ein neuer Grad der Demütigung. Der doppelte Schlag, vor der Klasse bestraft zu werden, und die geheime Wahrheit über meine Unwissenheit schnürt mir die Kehle zu. Nicht einmal in Lunos habe ich River das Ausmaß meines Analphabetentums erahnen lassen, da meine Grundkenntnisse im Lesen mich gut genug durch das Verstehen von Briefen und Berichten gebracht haben.

Ich widerstehe dem Drang, meine feuchten Handflächen an meinem Kleid abzuwischen, und strecke wie befohlen meine Hände vor. Und dann, weil es besser ist, für unverschämt als für dumm gehalten zu werden, recke ich mein Kinn und begegne Daniels wachsamen Augen. „Heißt das, dass ich danach entschuldigt bin, Meister Daniel?“

„Was sollte der Unsinn, wenn ich fragen darf?“ Rivers tiefe Stimme mischt sich zwischen mich und Arisha, als ich versuche, am Ende der Stunde nach draußen zu huschen.

Ich springe auf, wobei mir die Bücher fast aus den Händen rutschen. Wir haben es gerade bis zum Rand des zentralen Innenhofs geschafft, wo die Kadetten aus allen Ecken unter gewölbten Blumenspalieren und flatternden Wimpeln auf den Hof strömen – die Vorbereitungen für den jährlichen Ostara-Ball sind in vollem Gange. Meine Handflächen und mein Stolz sind verletzt, aber wenigstens hat Daniel beschlossen, den Schaden zu begrenzen und mich nach der Strafe nicht weiter zu behelligen. In meiner Welt bedeutet das heutzutage offenbar einen Sieg.

Neben mir stößt Arisha eine Mischung aus Quietschen und Niesen aus.

River bietet ihr ein weißes Taschentuch an, das Arisha gerade noch rechtzeitig ergreift, um ihren nächsten Nieser aufzufangen.

„Vielen Dan…“ Ihre Worte werden durch ein weiteres Niesen unterbrochen. Sie rückt ihre Brille zurecht, ihre Sommersprossen heben sich in Rivers Gegenwart noch deutlicher von ihrer blassen Haut ab. „Blumen. Ich hasse Blumen.“

„In der Tat“, sagt River. „Du solltest zu Meister Shade gehen. Vielleicht hat er etwas, das dir hilft.“

Die Spitzen von Arishas Ohren färben sich augenblicklich rot. Wie jede Frau, bei dem Vorschlag, die Krankenstation des beeindruckenden Heilers zu besuchen. Sie wirft mir einen schuldbewussten Blick zu, bevor sie mit Rivers Taschentuch in der Hand davoneilt.

Ich gönne ihr den Rückzug nicht, es ist mir unangenehm, zum ersten Mal seit einem Monat mit River allein zu sein.

Der Mann ist so groß, dass ich mir neben ihm wie ein kleines Spielzeug vorkomme. Seine durchdringenden grauen Augen sehen immer viel zu viel und verraten nichts von ihren Gedanken. An Rivers Duft haftet Macht und Verantwortung, seine breiten Schultern und sein dunkles Haar schirmen mich vom Wind und meine Sicht auf den Himmel ab. Meine Schenkel kribbeln, ich versuche sofort das Gefühl zu verdrängen.

Zwischen uns herrscht Schweigen, und meine schmerzenden Hände erinnern mich an die Vorführung, die er soeben miterlebt hat – und an die noch vernichtendere Wahrheit über meine Ausbildung, die ich zu verbergen wusste.

River streckt langsam die Hand aus und tippt mit einem Finger gegen meinen Handrücken. „Als ich ein Junge war, schlug mir mein Lehrer lieber auf die Knöchel“, sagt er mit einem leichten Lächeln. „Ich schwöre, das tat mehr weh als die Handflächen, obwohl einige meiner Freunde anderer Meinung waren.“

Ja, River hatte Lehrer. Königliche Lehrer. Ich hatte eine Mistgabel und Haufen von Dung. Als Jüngling, River, wusstest du mit zehn Jahren schon mehr als ich mit zwanzig.

„Warum hast du Meister Daniel vorhin geärgert?“, fährt er mit ruhiger Stimme fort. Ernsthaft. Als ob er wirklich die Wahrheit wissen will. „Gibt es einen Streit zwischen euch?“

Mein Blick wandert an Rivers Arm hinauf. Sauber geschnittene Nägel, vom Waffentraining schwielige Handflächen, muskulöse Unterarme, die seinem tiefroten Seidenhemd Form geben. Goldene Manschettenknöpfe mit dem Wappen der Akademie. Ich spüre die Wärme seines Körpers, die die Luft zwischen uns erwärmt, und sehe das feine Aufblähen seiner Nasenlöcher, als sein geschärfter Geruchssinn meinen Duft aufnimmt.

„Nein.“ Ich beiße mir auf die Lippe und frage mich, ob ich etwas anderes hätte behaupten sollen, um River von seiner Fährte abzubringen. Jetzt ist es zu spät. „Ich … ich fühlte mich in die Enge getrieben.“

River zieht die Augenbrauen hoch. „Indem man dich bittet, genau die Argumente zu wiederholen, die du in deiner eigenen Arbeit dargelegt hast?“

Indem man mich auffordert, zu zeigen, wie wenig ich von den Texten verstehe, auch von denen, die ich von Arisha kopiere. „Ich … ich weiß es nicht.“

Plötzlich wird mir Rivers Anwesenheit zu viel. Das schöne Gesicht des Mannes ist nur noch ein paar Handbreit von mir entfernt, sein frischer Duft umgibt mich, und mein Mund sehnt sich so sehr nach seinem Geschmack, dass ich nicht mehr klar denken kann. Aber selbst wenn dieser River mich sofort nehmen würde, würde der echte – ein geborener König – das vielleicht nicht tun. Vor allem, wenn er mich als den ungebildeten Bauern sieht, der ich bin.

Ich trete zurück und bewege mich so schnell, dass – erschöpft wie ich bin – mein Gleichgewicht schwangt. Der Boden kommt in spöttischer Zeitlupe auf mich zu.

Starke Hände schließen sich um meine Ellbogen, Rivers ruhige Arme fangen mich auf, als würde ich nichts wiegen. Während er mich hält, mustert er mein Gesicht mit einer Intensität, die ein unwillkommenes Verlangen durch mein Inneres schickt. Es ist verdammt ungerecht, dass der Krieger klug, schön und so verdammt selbstsicher ist, dass ich mich im Vergleich dazu wie eine ertrunkene Ratte fühle.

Rivers dunkle Brauen ziehen sich zusammen. „Was ist hier passiert?“, fragt er und berührt mit einem Finger meine Schläfe.

Hitze macht sich auf meiner Haut breit, begleitet von einem leichten Stechen und einem harten, schnellen Hämmern meines Herzens. Ich weiß eigentlich nicht, was passiert ist – der Schnitt ist einer von vielen, die ich mir bei meinen nächtlichen Ausflügen zugezogen habe. Die nächtlichen Ausflüge, für die River mich wahrscheinlich auspeitschen würde, sollte er von ihnen Wind bekommen. Denn ich bin nur eine Kadettin. Nichts weiter. Nicht für ihn.

„Ich habe einen von Lieutenant Coals Angriffen nicht richtig geblockt. Es wird nicht wieder vorkommen.“ Ich atme tief ein und lasse den kühlen Wind den Aufruhr in mir kühlen. „Darf ich gehen, Sir?“

„Natürlich.“ River tritt schnell zurück, und der Verlust seiner Anwesenheit an meiner Seite fühlt sich sowohl wie eine Erleichterung als auch eine Enttäuschung an. Ich drücke meine Bücher fest an meine Brust und eile davon, während es mir im Nacken kribbelt, weil ich spüre, dass Rivers Augen jeden meiner Schritte beobachten.

RIVER

River spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und legte dann seine Hände auf die Fensterbank. Von seinem Arbeitszimmer im Turm des Bergfrieds aus konnte er das Gelände der Akademie überblicken, das jetzt mit Bändern und Blumen für den Ostara-Ball geschmückt war, der alle in vorfreudige Erwartung stürzte.

Selbst die Große Halle war in der vergangenen Woche geschlossen worden, da das Akademiepersonal sie in eine mit Laternen beleuchtete, mit Seidenbändern geschmückte Extravaganz verwandelt hatte, um den Frühling und die Fruchtbarkeit zu begrüßen. River zuckte zusammen und machte sich eine gedankliche Notiz, um mit Shade über Tonika zu sprechen – in einer ummauerten Festung, die mit jungen Adligen aus zehn Königreichen gefüllt war, konnte der Fruchtbarkeitsteil zu einer Katastrophe führen.

River holte tief Luft und versuchte, die persönliche Melancholie, die das Datum mit sich brachte, zu verdrängen. Ostara stand für Licht, Leben und Tanz. Jede Näherin von Great Falls bis Grayson war damit beschäftigt, aufwändige Ostara-Kleider in den Farben des strahlenden Frühlingshimmels zu nähen, in leuchtendem Gelb, tiefem Gold und blassem Blau.

River ließ seinen Blick noch einmal über den Hof schweifen und bemerkte das aufgeregte Geschnatter, die Art, wie alle über die bunten Seiden zu lächeln schienen.

Und so sehr er sich auch bemühte, es zu vermeiden, bemerkte River auch die nun leere Stelle am Rande des Hofes, wo er vor einer Viertelstunde beinahe einer Schülerin zu nahe gekommen wäre. Leralynns zarter Fliederduft machte ihm immer noch zu schaffen, und der Hauch von Erregung, den River gerochen hatte, als er ihre Wangen berührte – Sterne. Einen Moment lang ließ der Gedanke, Leras Schenkel zu spreizen und sich an der Nässe zwischen ihnen zu laben, Rivers Schwanz zucken.

Er nahm den Wasserkrug und leerte dessen Inhalt über seinem Kopf.

Leralynn war großmäulig und unverschämt und auf eine Art und Weise starrköpfig, wie es einem Kadetten nicht erlaubt werden konnte. Aber sie war auch mutig, selbstlos und verletzte auf eine Weise, die River nur schwer verstehen konnte, obwohl sie jeden Beschützerinstinkt in ihm weckte. Die Schläge, die Meister Daniel ihr verpasst hatte, waren eher demütigend als wirklich schmerzhaft gewesen, und dennoch hatte River dem Geschichtslehrer dafür fast eine Ohrfeige verpasst. Rivers Selbstbeherrschung war so schwach gewesen, dass er nicht einmal mehr das beabsichtigte Gespräch mit dem Lehrer führen konnte.

Oder vielleicht hatte River sogar sich selbst belogen. Vielleicht war er gar nicht so sehr vor Meister Daniel geflohen, sondern war eher hinter Leralynn her gewesen. River hatte ihr in die Augen sehen müssen, um sicherzugehen, dass in ihnen kein Terror lauerte, wie an jenem Tag in seinem Arbeitszimmer.

River starrte auf seinen nun leeren Krug, und die Wassertropfen, die seine Tunika durchnässten, vermochten es nicht, die Erregung zwischen seinen Schenkeln einzudämmen. Er machte sich lächerlich. Es war die Jahreszeit – der bevorstehende Jahrestag von Dianas Tod am Vorabend von Ostara –, die seine Sinne durcheinanderbrachte. Es ließ ihn unbedacht handeln. River warf den Krug zur Seite. Es gab eine bessere Art, mit Dummheit umzugehen, als mit einer Kadettin zu liebäugeln.

Rivers Muskeln spannten sich an, als er die Wucht von Coal Schwert abfing. Der Schweiß rann ihm den Rücken hinunter und durchnässte sein Hemd. Das Licht der untergehenden Sonne hinter der grasbewachsenen Anhöhe reflektierte den scharfen Stahl, als River sein Schwert hervordrehte und zu einem neuen Angriff ansetzte.

Hoher Angriff links. Nach der Parade zuschlagen. Eine Drehung im vollen Kreis, um Schwung zu holen und hart genug zuzuschlagen, um einem Mann den Kopf abzuschlagen. Rivers Angriff fehlte es an Finesse, aber er strotzte nur so vor Kraft, dass er es nicht gewagt hätte, sie gegen jemand anderen als Coal einzusetzen.

Coals strahlend blaue Augen und sein vertrautes Gesicht, das in tödlicher Konzentration angespannt war, waren ebenso erdend wie die Bewegung selbst.

Das klingende Metall rief eine tödliche Kadenz, die Schärfe der Klingen vervielfachte die Einsätze. Sie verlangten jedes Quäntchen Aufmerksamkeit. Jedes bisschen Konzentration.

Die Schwerter verhakten sich neben Rivers Kopf, Coals drückte nach unten, Rivers nach oben. Rivers Oberschenkel brannten, seine Arme zitterten unter der Anstrengung.

Mit einem spöttischen Schnauben versetzte Coal River einen Tritt gegen die Brust.

River stöhnte, und die Wucht des Tritts ließ ihn zurücktaumeln.

„Da musst du dich schon mehr anstrengen“, knurrte Coal leise und klang kaum noch erschöpft.

Rivers Atemzüge waren schnell und abgehackt, seine Lungen brannten, selbst als er seine Schwertspitze zurückschwang, um sich zu schützen. Er beobachtete Coals geschmeidigen Körper, der wie ein Raubtier seine Kreise zog, die schwarze Hose und sein nackter Oberkörper schimmerten im schwindenden Sonnenlicht. Wurde der Bastard denn nie müde? River passte seinen Griff an, seine verschwitzte Handfläche begann von dem Schwertgriff abzurutschen.

Dieser eine Moment des Zögerns, in dem er die Konzentration verlor, katapultierte River zurück zu den Gedanken, denen er entkommen wollte.

Das Bild von Leralynn kam unaufgefordert zurück, und Rivers Körper sehnte sich danach, zu wissen, wie sie in der untergehenden Sonne aussehen würde. Er sehnte sich danach, sich in der glühenden Haut ihrer nackten Schultern zu sonnen, in den tiefen schokoladenfarbenen Augen, in denen so viel Intelligenz und Mitgefühl lag, als er heute Morgen in sie geblickt hatte. Und Misstrauen. Kluges Mädchen. Mit einem so ansehnlichen Körper wie dem ihren sollte sich Leralynn vor Männern in Acht nehmen. River bezweifelte, dass es einen einzigen in der Akademie gab, der nicht mindestens einmal von ihr geträumt hatte, seitdem sie hier angekommen war. Allein dieser Gedanke brachte ihn dazu, seinen Duft über ihren gesamten Körper verteilen zu wollen. Um sie als sein Eigentum zu markieren.

Was sie nicht war. Leralynn sah aus wie Diana, aber sie war nicht Rivers geliebte Frau. Sein Verstand wusste das, auch wenn sein Körper sich weigerte, dem zuzustimmen.

„Erde an River. Soll ich vielleicht erstmal ein Nickerchen machen, ehe wir weitermachen?“ fragte Coal.

River blinzelte, dann ließ er das Schwert mit einem genervten Kopfschütteln sinken. Jeder andere als Coal hätte ihn in den letzten Sekunden verletzt, und River wusste das. „Hatte Leralynn Schwierigkeiten beim Morgentraining?“, fragte er.

Coals Kiefer spannte sich an. „Ich habe keinen Sex mit ihr, falls du das meinst. Ich habe noch nicht einmal mit ihr trainiert, seit wir miteinander gesprochen haben.“

„Es war genauso gemeint, wie ich gefragt habe“, schnauzte River, obwohl er wusste, dass der plötzliche Stich der Wut in ihm mehr für ihn selbst als für Coal bestimmt war. Dann wurde ihm der Rest von Coals Aussage bewusst. „Warte. Du hast gar nicht mit ihr trainiert?“

„Nein.“ Die Muskeln an Coals nacktem Oberkörper spannten sich an, und River glaubte genau zu wissen, wie der Mann sich fühlte, wenn ihm Leralynns Gesellschaft verweigert wurde. Obwohl Coal, im Gegensatz zu River, zumindest einmal Leras Körper unter sich gespürt hatte. River wusste nicht, ob das die Sache einfacher oder schwerer machte – so oder so, es war für keinen von ihnen angemessener.

„Woher dann die Verletzung?“, fragte River und rief sich Leras Worte wieder ins Gedächtnis. „Wer hat sie ihr dann verpasst?“

Coal schnaubte und hob sein Schwert in der Hand wie ein Raubtier, das zu lange nicht mehr auf der Jagd gewesen ist. „Das ist nicht unter meiner Aufsicht passiert. Also, kämpfen oder tratschen wir?“

Rivers Kiefer spannte sich an. Bei jedem anderen als Coal hätte er die Worte als verständliches Versehen abgetan, aber dem Krieger vor ihm entging nichts. Vor allem, wenn es um Lera ging. „Sie hat mich angelogen“, sagte River und merkte erst, dass er es laut ausgesprochen hatte, als Coal antwortete.

„Ja, das tut sie.“

Rivers verstärkte seinen Griff um das Schwert, der unerwartete Schmerz stach in seiner Brust. Das sollte ihn nicht beunruhigen. Er war für die Disziplin der Schüler zuständig, um Himmels willen. Natürlich würde eine Kadettin lügen, bevor sie etwas zugab, das sie in Schwierigkeiten bringen könnte. Und River war zu erfahren, um solche Dinge persönlich zu nehmen. Oder zumindest sollte er es sein.

„Kämpf“, knurrte Coal, der Klang ein Beweis seines Urbedürfnisses. Ungezähmt. Als ob Rivers Gerede über Leralynn etwas Verzweifeltes in dem Mann geweckt hatte. Bevor River sich auf den Angriff vorbereiten konnte, stürmte Coal auf ihn zu und schwang sein Schwert Richtung Rivers Kehle.

Das Metall sang wieder und übertönte die Welt. River wartete, bis Coal auf halbem Weg war, und stürzte sich auf ihn, wobei er sein Schwert in einer so schnellen und kraftvollen Hoch-Tief-Kombination schwang, dass Coal bei seinen Paraden einen Schritt zurückwich. Die Schwerter prallten mit einem ohrenbetäubenden, tödlichen Klang aufeinander, der jedem unglücklichen Glied, das in den Weg kam, Verletzungen versprach. Als die Spitze von Rivers Waffe eine Wunde in Coals Bizeps riss, blinzelte der Krieger nicht einmal. Er wich auch nicht zurück.

Coal ließ zu, dass die Klinge ihn tiefer verletzte, und nutzte die Gelegenheit, um den Abstand zu River zu verringern, auch wenn das bedeutete, dass sein eigener Körper an der scharfen Klinge entlang rutschte. Rivers Augen hatten nur einen Moment Zeit, sich zu weiten, bevor er die scharfe Spitze eines Dolches, den Coal von weiß Gott woher gezogen hatte, an seiner Kehle spürte.

„Ergib dich.“ Coals Stimme war eisig, sein Blut tropfte immer noch auf Rivers Klinge.

LERA

Der Anblick von Shade, der am Zaun unseres Trainingsgeländes lehnt, die Hände lässig in die Hosentaschen gesteckt, während er mit Coal spricht, versetzt mich in Aufruhr. In mancher Hinsicht könnten die beiden Männer nicht unterschiedlicher sein: Shades langes schwarzes Haar, seine freundlichen Augen und seine entspannte Haltung stehen in krassem Gegensatz zu Coals brennendem Blick mit den gekreuzten Armen. Doch die Größe und Kraft der beiden – ganz zu schweigen von ihren markanten, schönen Gesichtern – heben sie vom Rest der Gruppe ab. Genauso wie das instinktive Vibrieren meines Körpers, wenn ich sie zusammen sehe.

Wie es scheint, bin ich nicht die Einzige, die so auf die Männer reagiert. Als Arisha und ich uns unter dem Zaun des Trainingsgeländes hindurchquetschen – Arisha muss niesen und stößt sich dabei fast den Kopf –, ist die weibliche Hälfte der Klasse schon näher an das plaudernde Paar Männer herangerückt. Die Jungen stolzieren am Rande des Platzes herum, mit Übungsschwertern in der Hand und herausgestreckter Brust.

Als ich mich aufrichte, spüre ich Coals Blick auf mir, seine blauen Augen sind dunkel und wild. Die plötzliche Intensität selbst einer solchen zufälligen Verbindung schickt eine Welle der Energie durch mich hindurch. Unerwünschte Energie. Seit wir uns in der Höhle vereint haben, hat sich der Mann sorgsam von mir ferngehalten. Es hat Wochen gedauert, bis ich die emotionale Grenze aufgebaut hatte, um nichts mehr für ihn zu empfinden, und ich möchte die hart erkämpften Schutzschilde nicht wegen eines einzigen Blicks aufgeben.

„Lernen wir heute Feldmedizin, Meister Shade?“ Katita tritt dicht an Shade und Coal heran und überwindet die zwei Schritte Distanz, die alle anderen um sie herum lassen. Mit ihren langen Beinen und dem glänzenden blonden Haar, das sich sanft im Wind bewegt, hat sie die Anmut und das Aussehen, die zu ihrem Selbstbewusstsein passen. Als Shade auf sie herabblickt und lächelt, wobei seine goldenen Augen in der Sonne aufblitzen, spannt sich mein Kiefer so sehr an, dass meine Zähne schmerzen.

„Nicht heute, aber der Gedanke gefällt mir“, sagt Shade und klopft Katita auf die Schulter. „Ich werde mit Coal darüber sprechen, ob wir es einbeziehen können, falls allgemeines Interesse besteht.“ Er formuliert den letzten Teil als Frage, und seine Stimme erhebt sich, damit alle ihn hören können.

Fast alle nicken, die Mädchen hüpfen fast auf den Zehenspitzen.

Ich verschränke die Arme vor der Brust. Der Tag hat kaum begonnen, und ich wünsche schon jetzt, dass er vorbei ist – ich will mit meinem Schwert in die Nacht hinausgehen und etwas tun, von dem ich weiß, dass es etwas bewirken wird. Wenigstens sehen die Sclices und Yocklol-Bäume mein wahres Ich und finden mich würdig genug, um mich töten zu wollen.

„Was führt Euch heute dann zu uns, Meister Shade?“, fragt eine von Katitas Freundinnen, eine zarte, olivfarbene Schönheit, die irgendwie noch kleiner ist als ich.

„Weil ihr euch heute gegenseitig bewusstlos machen werdet.“ Coal erhebt kaum seine Stimme, aber der ganze Trainingsplatz verstummt. Nervosität macht sich breit, Gesichter werden blass.

Gekleidet in seiner üblichen schwarzen Hose, trägt Coal heute einen ärmellosen Lederwams über einem schwarzen Hemd, das seine Arme bis zum Bizeps bedeckt. Irgendein entfernter Teil meines Gehirns registriert, dass dies für ihn ungewöhnlich ist.

„Es gibt zwei Hauptarten von Würgegriffen“, sagt Coal und macht eine Bewegung mit dem Finger, damit alle näher herantreten. „Wind und Blut. Ihr alle werdet heute beides spüren. Osprey, komm her.“

Ich zucke zusammen. Ich? Warum? Coal wählt nie Lera, die Kadettin. Für gar nichts. Als er mich unwirsch zu sich winkt, die Augen immer noch auf den Rest der Auszubildenden gerichtet, spüre ich dasselbe beunruhigende Kribbeln auf meiner Wirbelsäule, das ich hatte, als sich unsere Blicke vorhin trafen.

Ich bleibe vor ihm stehen, aber der Mann umkreist mich, und Shades plötzliche Wachsamkeit lässt mich nervös werden. Als er aus meinem Blickfeld verschwindet, spüre ich, wie Dutzende von Augen mein Gesicht beobachten und auf das Unvermeidliche warten – einige nervös, andere mit der Spannung von Zuschauern bei einer Hinrichtung. Ich verlagere mein Gewicht und versuche, das Geräusch seiner leisen Schritte zu hören, winzige Veränderungen in seinem metallischen Geruch aufzuspüren, aber ich bekomme nichts mit.

„Windwürger …“ Coals raue Stimme ist so unerwartet nah an meinem Ohr, dass ich zusammenzucke. Vereinzeltes Kichern ist zu hören. Er räuspert sich, und wieder kehrt Stille ein. „Windwürger“, sagt er wieder, „drücken die Kehle zusammen und schneiden dem Gegner die Luft ab. Blutwürger drücken die Gefäße an den Seiten des Halses eines Gegners zusammen. Genau hier.“ Coals schwieliger Finger fährt die verwundbare Stelle an meinem Hals entlang, findet meinen rasenden Puls, mit der Präzision jahrhundertelanger Erfahrung im Töten. Ein Schauer durchfährt mich. Eine Sekunde lang will ich nur noch weglaufen. Dann verschwindet seine Hand, seine imaginäre Berührung bleibt auf meiner Haut zurück.

Ich atme zitternd ein. Coal, erinnere ich mich, während ich wieder und wieder Luft in meine Lungen zwinge. Du kennst Coal. Du vertraust Coal.

Die Worte, die mich vor einem Monat noch beruhigt hätten, lassen meinen Mund jetzt nur noch trocken werden. Ja, ich kenne und vertraue dem Krieger, der Coal in Lunos war. Nicht, weil Coal niemanden verletzt hat – er hat es getan –, sondern weil ich etwas Besonderes war. Jetzt bin ich nicht mehr als ein Gesicht in der Menge. Eines, um das er sich wenig kümmert.

Ich will plötzlich überall sein, nur nicht hier im Ring.

„Das ist ein Windwürger.“ Er tritt wieder hinter mich, sein Körper ist jetzt ganz nah an meinem. Harte Muskeln spannen sich gegen meinen Rücken. Coals Hitze dringt durch den dünnen Stoff meiner grauen Trainingsuniform und breitet sich auf meiner Haut aus. Nach einem Monat ohne Nähe ist die Intensität von Coals Berührung fast zu viel, um sie zu ertragen. Mein Herzschlag beschleunigt sich, ein unwillkommenes Verlangen rast durch mein Inneres und mein Geschlecht. Einen Herzschlag später legt sich Coals Unterarm wie ein Messer an meine Kehle, und die Empfindungen ändern sich völlig.

Trotz des leichten Drucks spüre ich jeden zerbrechlichen Knorpelring in meiner Kehle, höre, wie sie unter dem fester werdenden Griff knirschen. Die Panik trifft mich so heftig, dass mir die Ohren dröhnen. Ich greife hektisch nach seinem Unterarm, und mein Körper windet sich wie ein Fisch auf trockenem Boden.

Er lässt mich los, seine Fingerspitzen ruhen sanft auf meiner Schulter, während ich mir den Hals reibe. Meine Brust hebt sich durch flache Atemzüge.

„Ein Windwürger ist von Anfang an schmerzhaft“, erklärt er der Klasse, als sei nichts Ungewöhnliches passiert. Als hätte er meine Reaktion erwartet. Und demonstriert trotzdem an mir.

---ENDE DER LESEPROBE---