Schleier der Erinnerung, Macht der Fünf Buch 5 - Alex Lidell - E-Book

Schleier der Erinnerung, Macht der Fünf Buch 5 E-Book

Alex Lidell

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Beschreibung

Um die Menschenwelt zu retten, müssen wir ein Teil von ihr werden Mächtige Magie dringt in die Welt der Menschen ein und bedroht ihre und unsere Welt. Um diese Bedrohung aufzuhalten, müssen meine Gefährten und ich uns zur mutmaßlichen Quelle begeben … Der Great Falls-Militärakademie. Allerdings geht unser Plan, uns als Menschen zu tarnen, schief. River, Tye, Coal und Shade sind durch die Magie, zu dem geworden, in was sie sich verwandelt haben, und haben vergessen wer – und was – wir sind. Allein mit meinem Wissen muss ich meine Gefährten an die Wahrheit erinnern, bevor die gesamte Welt der Menschen den Preis dafür zahlt. Die Kraft unserer Verbindung hält uns zusammen … Aber unsere neuen Rollen machen uns zu Feinden. Lehrer und Schüler. Unruhestifter und Schulleiter. Ich breche ihre Regeln. Ich ignoriere ihre Befehle. Wieder und wieder. Ihre neuen Persönlichkeiten sind entschlossen, mich an meine Stellung zu erinnern. Ich bin entschlossen, sie an ihre zu erinnern. Bald wird dieser Kampf zum absoluten Krieg mit den Männern, an die ich ewig gebunden bin.

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SCHLEIER DER ERINNERUNG

MACHT DER FÜNF

BUCH FÜNF

ALEX LIDELL

Übersetzt vonSOPHIE HARTMANN

Copyright © 2022 by Alex Lidell

Alle Rechte vorbehalten. Abgesehen von den im U. S. Copyright Act von 1976 vorgesehenen Ausnahmen darf diese Publikation weder als Ganzes noch in Auszügen in irgendeiner Form oder auf irgendeine Weise ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Herausgebers vervielfältig, verbreitet, übertragen oder in einer Datenbank oder einem System zur Informationsrückgewinnung (Retrieval-System) gespeichert werden.

Alex Lidell, Massachusetts, United States of America, www.alexlidell.com, [email protected]

Bearbeitet von Mollie TraverÜbersetzung: Sophie HartmannÜbersetzungslektorat: Jenny CravensUmschlaggestaltung: Diablerie GraphicArts

Dieses Buch ist ein fiktives Werk. Namen, Personen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten entstammen der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen lebenden oder verstorbenen Personen oder tatsächlichen Ereignissen ist rein zufällig.

Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers in irgendeiner Form oder auf irgendeine Weise vervielfältigt oder in einem System zur Informationsrückgewinnung (Retrieval-System) gespeichert werden, sei es elektronisch, mechanisch, durch Fotokopie, Aufzeichnung oder auf andere Weise.

Bitte kaufen Sie nur autorisierte elektronische Exemplare und beteiligen Sie sich nicht an oder fördern Sie nicht die elektronische Piraterie urheberrechtlich geschützter Materialien.

INHALT

1. Lera

2. Lera

3. Lera

4. Lera

5. Lera

6. Lera

7. Coal

8. Lera

9. Lera

10. Lera

11. Lera

12. River

13. Lera

14. Lera

15. River

16. Lera

17. Lera

18. River

19. Lera

20. Lera

21. Lera

22. Coal

23. Lera

24. Arisha

25. Lera

26. Coal

27. Lera

28. Lera

29. Coal

30. Lera

31. Lera

32. Lera

33. Lera

34. Lera

35. River

36. Shade

37. Lera

38. Lera

39. Lera

40. Lera

41. Coal

42. Lera

43. Lera

44. Lera

45. Tye

46. Tye

47. Lera

48. Tye

49. Lera

50. Lera

51. Lera

52. Lera

53. Coal

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About the author

LERA

Während Shades Heilmagie immer noch auf meiner Haut kribbelt, betrete ich das ehemalige Empfangszimmer von Rivers Vater Griorgi, das jetzt halb Arbeitszimmer und halb Bibliothek ist. Hohe Fenster lassen helles Sonnenlicht in den Raum fallen und erhellen die farbenfrohen Fresken aus der Geschichte der Fae, die jede Wand bedecken. Griorgis geschnitzte Holzstühle mit den hohen Lehnen sind bequemeren Ledermöbeln gewichen, und der Geruch von süßem Wein und Bitterschokolade verrät, dass es sich Tye und Autumn, Rivers brillante Schwester, bereits gemütlich gemacht haben.

„Die Schutzwälle, die das Reich der Sterblichen vor Magie schützen, sind gefallen.“ Rivers Worte hallen in meinem Kopf nach. Ich drehe und wende sie auf der Suche nach einer plausiblen Erklärung. Vor einem Jahrtausend, nachdem sich die im dunklen Reich von Mors versklavten Fae und Menschen befreit hatten, kombinierten die mächtigsten Unsterblichen ihre Magie, um die Welt in drei Reiche zu teilen. Das dunkle Reich von Mors, in dem die furchterregenden grauhäutigen Qoru herrschen. Das unsterbliche Reich von Lunos für die Fae. Und das größte, das Reich der Sterblichen, in dem alle menschlichen Reiche ihren Platz gefunden haben.

Vergangenes Jahr versuchte Griorgi, ein Bündnis mit dem Imperator von Mors zu schließen und öffnete ein Portal zwischen Lunos und Mors. Durch diese Tat wurde Blaze, einer der drei Höfe von Lunos, beinahe zerstört. Ein Eindringen in das Reich der Sterblichen, deren Bewohner wenig bis gar nichts über die Fae wissen und sich nicht verteidigen können, wäre weitaus fataler.

„Lera!“ Autumn blickt aus einem Meer von Nachschlagewerken auf. Ihre Kleidung stellt wie immer meine schlichte schwarze Kampfbekleidung in den Schatten – ein Kleid aus grüner und türkisfarbener Seide, das eng um ihre schmale Taille geschnürt ist. Das funkelnde Silber an ihren Ohren, Handgelenken und am Hals lässt sie wie eine Prinzessin aussehen, obwohl es die kleine Lederkappe an ihrem linken Ohr ist, die sie am häufigsten anfasst – ein Geschenk ihrer Geliebten Kora. „River sagte, du seist verletzt.“

Ich werfe River einen finsteren Blick zu. „Ich dachte, River wollte über kaputte

Schutzwälle reden und sich nicht weiter über drei Kratzer aufregen.“

River hebt eine seiner Augenbrauen. „Ich kann mir gleichzeitig Sorgen machen und reden.“

„Vergiss, dass ich gefragt habe“, sagt Autumn schnell und wirft mir ein kurzes, verschwörerisches Lächeln zu, bevor sie sich wieder ihren Büchern zuwendet.

„Ist der Mystwood niedergebrannt?“, frage ich und steuere auf meinen Lieblingssessel zu. Ein Schauer durchfährt mich bei dem Gedanken an den tiefen, mystischen Wald, der Lunos von der Welt der Sterblichen trennt. Ein Wald, an dessen Rand ich früher gelebt habe. Er wurde geschaffen, um zu verhindern, dass Fae und andere, viel dunklere unsterbliche Kreaturen in die Welt der Sterblichen eindringen, eine Tatsache, die meine Männer nur mit Hilfe eines äußerst seltenen und mächtigen Schlüssels umgehen konnten, um zu mir zu gelangen.

„Der Mystwood ist unversehrt“, sagt River und tritt zur Seite, als Shades Wolf durch den Raum flitzt.

„Wage es ja nicht“, schreie ich der Bestie hinterher, die bereits zum Sprung angesetzt hat.

Zu spät. Mit einem selbstzufriedenen Schnauben landet Shade locker auf meinem Stuhl und dreht sich einige Male um die eigene Achse, bevor er sich zu einem großen grauen Ball zusammenrollt. Eine Pfote, den Schwanz und die Zunge strategisch so ausgestreckt, dass sie den gesamten Sitz einnehmen.

Ein gelbes Auge blinzelt mich unschuldig an.

Ich blicke böse zurück. „Runter, oder ich setze mich auf dich.“

„So wirst du ihn bestimmt nicht da runterbekommen, Fliedermädchen“, sagt Tye und zieht mich auf seinen Schoß, während er sich auf der Couch niederlässt. Die kräftigen Oberschenkelmuskeln des Mannes bewegen sich, um meinen Hintern zu stützen, seine Arme und sein Duft nach Kiefern und Zitrusfrüchten umhüllen mich. Als ich mich winde, um mich zu befreien, kneifen mich winzige, sehr gefährlich platzierte Funken der Feuermagie unter meiner engen Lederhose.

Ich keuche, und Tye schnalzt mit seiner Zunge direkt neben meinem Ohr. „Du solltest wirklich an Ort und Stelle bleiben, Kleine. Der Sicherheit zuliebe und so.“

„Genug“, sagt River aus der Mitte des Raumes, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Er deutet mit dem Kinn auf den niedrigen Tisch, auf dem bereits eine Karte und ein Stapel Papiere ausgebreitet sind. Späherberichte, so wie es aussieht. Sehr viele Berichte. „Während wir mit den Sclices gespielt haben, hat der Ältestenrat beunruhigende Nachrichten überbracht. Der Mystwood ist zwar intakt, aber es gibt eine Schwachstelle in dem Gewebe, das die sterblichen Lande des Lichts und der Zwischenwelt trennt. Kreaturen wie die Sclices sind in der Menschenwelt gesichtet worden, und unsere Fae-Späher haben sogar Spuren ihrer eigenen Magie gespürt, obwohl das Reich der Sterblichen ihre Macht vollständig hätte abschirmen müssen. Wenn diese eine Schwachstelle nicht behoben wird, wird sie sich wie ein Riss in einem Glas ausbreiten.“

„Ich verstehe nicht, wie das möglich ist, wenn Mystwood unversehrt ist“, sage ich.

„Mystwood ist eine Mauer“, sagt Autumn, steht auf und schiebt River leicht zur Seite, um sich vor uns zu stellen. Sie hält eine Hand senkrecht zur anderen Handfläche. „Diese Mauer stoppt die Magie und unterbindet den Kontakt zwischen Lunos und der menschlichen Welt, aber sie erstreckt sich nicht unendlich weit. Wenn man tief genug in die Zwischenwelt eindringt, kann man unter der Mauer durchkommen – aber da man die Zwischenwelt auf der Seite der Sterblichen nicht verlassen kann, hat das nie eine Rolle gespielt.“

„Bis jetzt“, beende ich ihre Ausführung.

„Genau“, sagt Autumn. „Da Mystwood unverändert ist, aber Spuren von Magie und Mors-Ungeziefer in der Menschenwelt aufgetaucht sind, glauben wir, dass es irgendwo einen Riss im Gefüge gibt. Glücklicherweise konzentrieren sich alle Anomalien auf einen einzigen Ort. Zumindest im Moment. Wie River sagte, wird sich der Riss unkontrolliert ausbreiten, und die Auswirkungen werden katastrophal sein.“

„Das Gebiet mit den Anomalien gehört zur Great Falls-Akademie in der Welt der Sterblichen.“ River, der für seine Schwester das Wort ergreift, tritt an den Tisch heran und deutet auf ein Gebiet auf der Karte, das wie eine kleine Stadt aussieht, umgeben von einem großen Stück bewaldeter Wildnis. „Hast du schon einmal davon gehört, Leralynn?“

Ich zucke zusammen. Selbst während meines isolierten Daseins als Pferdepflegerin auf Zakes Anwesen hatte ich von diesem Ort gehört – sein Ruf eilt ihm voraus. Und noch mehr als das. „Great Falls ist die prestigeträchtigste Akademie des Kontinents, die Könige und Adlige aller zehn Königreiche der Kontinentalallianz ausbildet. Der König von Ckridel gründete die Akademie vor zweihundert Jahren, als die Allianz gegründet wurde. Er folgte dabei der Theorie, dass, wenn man die zukünftigen Anführer der zehn Königreiche für ein paar Jahre in ein gemeinsames, qualitativ hochwertiges Elend sperrt, sie nicht nur gut ausgebildet, sondern auch mit einer Abneigung dagegen, sich in Zukunft gegenseitig abzuschlachten, daraus hervorgehen werden. Und es hat funktioniert.“

„Kein schlechter Gedanke.“ River fährt sich mit der Hand durch die Haare. „Aber im Moment eher ungünstig, da dies der einzige Ort ist, von dem aus man eine Aufklärungsmission starten kann.“

„Ich nehme an, der Ältestenrat will, dass wir die Größe und die Ursache dieses Risses ermitteln und ihn reparieren, bevor die Sclices die zukünftigen Herrscher der Allianz zum Abendessen verspeisen“, sagt Coal, obwohl wir alle wissen, dass die Sclices das geringste Problem für die Menschen wären, sollte sich ein vollständiger Durchgang zwischen Licht und Zwischenwelt öffnen. Nicht alle unsere Vorfahren hatten das Glück, den Qoru zu entkommen, und Coal wacht immer noch mit Albträumen von seiner Zeit als Sklave auf. Imperator Jawrar würde die Chance ergreifen, jenseits der Grenzen von Mors Fuß zu fassen, und dieser Gedanke jagt mir einen kalten Schauer über den Rücken.

„Ja.“ River seufzt. „Da Leralynn aus den sterblichen Landen stammt, und in Anbetracht der Stärke unseres Quints, sind die Ältesten der Meinung, dass wir für diese Mission wie geschaffen sind. Die Tatsache, dass ich Slait-Herrscher auf dem Territorium meines eigenen Hofes bin, hindert den Rat zwar daran, uns zu befehlen, zu gehen, aber sie bitten uns darum.“

Das Schicksal von Tausenden Menschenleben lastet auf unseren Schultern.

Der Raum ist still und die Anspannung ist deutlich zu spüren.

Der Rat hat nicht die Angewohnheit, um etwas zu bitten. Dass sie es jetzt tun – anstatt zu warten, bis River Slait verlassen hat und damit in die Zuständigkeit des Rates fällt – bedeutet, dass die Situation in der Tat ernst ist. Es gibt nur wenige Quints in Lunos, die es mit der Erfahrung und den Fähigkeiten dieser Männer aufnehmen können, und außer dem Rat selbst gibt es niemanden, der es mit unserer gemeinsamen Macht aufnehmen kann.

„Sie haben recht“, sage ich und beobachte, wie Rivers Gesicht sich verzieht, während seine Hand zur Karte zuckt. Er will gehen. Das wollen sie alle. Seit River vor sechs Monaten den Thron bestiegen hat, sind die Männer fast wahnsinnig geworden – ihre Frustration wird nur noch von ihrem starrköpfigen Beschützerinstinkt übertroffen. „Aber wie kommen wir in die Akademie?“, frage ich und lenke damit die Diskussion davon ab, ob wir gehen sollten. „Die Legenden der Menschen halten die Fae für mörderische Ungeheuer. Jeder, der eine Akademie leitet, die mit den Söhnen und Töchtern der einflussreichsten Familien des Königreichs gefüllt ist, würde anordnen, dass wir alle sofort getötet werden.“

„Dieses Problem kann ich lösen.“ Autumn beugt sich vor, und das Funkeln in ihren Augen verrät, dass sie schon seit einiger Zeit über eine Lösung dieses Problems nachgedacht hat. „Ihr werdet mit Chamäleon-Schleiern reinkommen. Schutzamulette, die die Wahrnehmung des Betrachters verändern, wer man ist und warum man dort ist.“

„Einen Moment.“ Ich halte meine Hand hoch. „Ich dachte, Magie funktioniert nicht in der Welt der Sterblichen.“

„Ja, das stimmt. Mit Ausnahme der passiven Magie, wie unserer Unsterblichkeit, sind im Reich der Sterblichen alle äußeren Kräfte eingeschränkt – Tyes Feueraffinität, Shades Heilkraft und Rivers Erdmagie sind unbrauchbar“, sagt Autumn. „Verwandeln ist praktisch unmöglich, und frag mich nicht nach Coals Magie, denn nur die Sterne wissen, wie sie funktioniert. Aber physische Schutzzauber – die an Gegenständen wie diesem Amulett angebracht sind – funktionieren noch, wenn sie stark genug sind.“

Sie öffnet eine Holzkiste, die in ihrem Schoß liegt, und nimmt fünf kunstvoll geschnitzte Holzamulette heraus. Es sind fast identische runde Medaillons mit einem zarten, spitzenartigen Muster, das sich von der Mitte aus ausbreitet. „Und dies sind einige der komplexesten und mächtigsten Magien in Lunos. Sie gehen über die Grundlagen hinaus und bauen wirklich eine ganze Geschichte für jeden von euch auf, je nachdem, wo ihr euch in der Welt der Sterblichen befindet.“

„Wenn Tye also einen Schleier aufsetzen und ein Kloster betreten würde“, beginnt River.

„Würden die Klosterbewohner ihn als Akolythen oder Mönchsbruder sehen“, beendet Autumn den Satz für ihn. „Möglicherweise als jemanden, der schon länger dort ist. Außerdem würde das Amulett Fakten aus Tyes tatsächlicher Vergangenheit verwenden, um darauf die neue Geschichte aufzubauen. Da Tye ein Hochleistungssportler ist, würde seine Geschichte wahrscheinlich eine Erklärung für seine sportlichen Fähigkeiten enthalten.“

„Warum sollte der Schleier ihn als Mönch und nicht als Kammerjungen erscheinen lassen?“, fragt Coal und erntet einen bösen Blick von Tye. „Das würde auch passen.“

Autumn zuckt mit ihren nackten Schultern. „Der Schleier könnte ihn sehr wohl zu einem Kammerjungen machen, vor allem, wenn dieses Kloster es sich zur Gewohnheit gemacht hat, ehemalige Athleten zum Reinigen der Zimmer einzustellen – die Magie folgt dem Weg des geringsten Widerstands. Das ist die erste Eigenschaft der Schleieramulette: Man hat keine Kontrolle über die Geschichte, die sie einem vorgaukeln, und wenn die Geschichte einmal entstanden ist, lässt sie sich nicht mehr ändern. Das Amulett soll die Welt davon überzeugen, dass man dort hingehört – es kümmert sich wenig darum, ob man die Rolle angenehm findet. Deswegen würde ich dir raten, niemals einen neuen Schleier in einem Gefängnis zu tragen, damit er die Wachen nicht davon überzeugt, dass du als Insasse dorthin gehörst.“

„Wie werden wir wissen, welche Geschichte der Schleier für uns geschaffen hat?“, frage ich.

„Das Amulett wird euch ein Bewusstsein dafür geben, ein fantastisches Verlangen zu glauben, dass sie wahr ist. Das bringt mich zu der zweiten Eigenschaft des Schleiers: Ihr müsst das Amulett jeden Tag mindestens eine Stunde lang ablegen, damit ihr nicht selbst dem Schleier zum Opfer fallt.“

„Sonst noch etwas?“, fragt River, nimmt eines der Amulette und dreht es misstrauisch zwischen den Fingern.

„Eine Sache noch.“ Autumn beißt sich auf die Lippe, ihre Stimme klingt entschuldigend. „Die Magie der Amulette erzeugt eine so vollständige Tarnung, dass sie alle Bande unterdrückt. Solange man sie trägt, spürt man weder den Quint noch das Band der Gefährten.“

LERA

„Ich glaube nicht, dass wir es tun sollten“, sagt River, als er ein paar Stunden nach unserer Besprechung in mein Schlafgemach eintritt. Er schließt die Tür mit einem leisen Klicken und schreitet zu dem Ort, an dem ich bereits packe und meine Kleidung und Waffen ordentlich auf dem Himmelbett ausgebreitet habe. „Ich kann den Thron nicht schon sechs Monate, nachdem ich ihn übernommen habe, wieder verlassen.“

Mein Kiefer verkrampft sich sowohl angesichts der Lüge als auch dem Grund dafür. „Ich kann mir gut vorstellen, dass Autumn die täglichen Aufgaben bewältigen kann. Angesichts der paar Jahrhunderte Erfahrung, die sie darin hat.“ Drei Jahrhunderte, um genau zu sein – die ganze Zeit, in der River Slait fernblieb und erst vor sechs Monaten zurückkehrte, um das Monster, das auf dem Thron saß, endgültig zu entthronen.

River hat den Anstand, zu erröten.

Ich verschränke die Arme und blicke zu ihm hoch – kein leichtes Unterfangen, wenn man bedenkt, wie nah dieser große Mann vor mir steht. „Wenn du gekommen bist, um mir zu sagen, wie sehr deine männlichen Instinkte dich fertig machen, wenn ich …“

„Du bist vor sechs Monaten gestorben“, schnappt River, und die plötzliche Unterbrechung seiner eisernen Kontrolle erschüttert den Raum. Seine grauen Augen mustern mich mit einer solchen Intensität, dass sich mein Herz leicht verkrampft. Er schluckt hart, ein leichtes Zittern durchfährt ihn. „Ich erlebe den Schrecken dieses Moments immer und immer wieder, wenn ich meine Augen schließe. Also ja, Leralynn, ich hasse es, dich in Gefahr zu sehen. Wenn du Schmerzen hast. Es gibt nichts auf Lunos oder in den sterblichen Landen, was das für mich wert wäre. Für keinen von uns vieren. Jemand anderes kann gehen.“

„Sterne. River.“ Die Wut, die in meinem Blut brodelt, lässt nach und ich fahre mit den Fingern an seinem Kiefer entlang. Die Anspannung scheint in jede seiner Zellen einzudringen, die Muskeln bewegen sich unter meinen Fingern. Der seltene Anblick der Verletzlichkeit meines Quint-Kommandanten lässt meinen Magen verkrampfen. Aber es ändert nichts an der Realität. „Dann denke ich, dass es für beide Reiche ein Glück ist, dass wenigstens einer von uns klar denken kann“, sage ich sanft.

„Leralynn.“ Rivers Stimme wird leiser, seine Hände legen sich auf meine Hüften.

Ich schüttle den Kopf. „Niemand anderes ist in der Welt der Sterblichen aufgewachsen. Niemand anderes ist eine Weberin. Und niemand anderes ist Teil der zweitmächtigsten Quints in ganz Lunos. Wir mögen Gefährten sein, aber wir sind immer noch ein Krieger-Quint. Wir wurden von der Magie auserwählt, Dinge zu erledigen. Und dies ist nur die erste Aufgabe von vielen.“

River schließt die Augen, sein Brustkorb dehnt sich mit jedem seiner Atemzüge. Einen Herzschlag später zieht er mich heftig an sich. „Zwei Dinge zur Klarstellung“, flüstert er, und sein warmer Atem fährt durch mein Haar. „Erstens: Sobald wir das volle Ausmaß deiner neuen Webermagie entdeckt haben, könnten wir der mächtigste Quint sein. Und zweitens … Egal, wie mächtig du eines Tages werden magst, ich werde dich immer beschützen wollen. Das ist eine Gefahr, der du jahrhundertelang ausgesetzt sein wirst, Leralynn.“

„Du gibst unserer Verbindung die Schuld, dass du unausstehlich geworden bist?“ Ich schlucke und klinge heiser, als genau diese Verbindung durch Rivers holzigen Duft erwacht und meine Seele streichelt. „Scheint ziemlich praktisch zu sein.“

River nimmt mein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und zwingt mich, zu ihm hochzuschauen. Seine grauen Augen mustern mich. „Sehr praktisch“, wiederholt er, sein Gesicht nimmt mein gesamtes Blickfeld ein, seine Schultern versperren mir den Blick auf alles rings herum. Es ist eine zielgerichtete Bewegung, die mein Herz zum Stottern bringt, obwohl es das nicht will.

Rivers einzigartige, unverfälschte Aufmerksamkeit erfüllt mich und hält mich an Ort und Stelle, während Hitze mein Geschlecht zum Pochen bringt. Meine Hand zuckt zu ihm hin, und er stoppt meine Bewegung mit einem Blick, während sich meine Schenkel in einer Mischung aus Verlangen und Empörung anspannen.

Ein zufriedenes, wissendes Glitzern erscheint in Rivers Augen, seine Nasenlöcher blähen sich. „Ja, ich rieche es“, flüstert er mir ins Ohr, sein Blick wandert meinen Unterleib hinunter, bis keine Frage mehr besteht, was genau er meint.

Hitze steigt mir in die Wangen.

„Du bist wunderschön, wenn du rot wirst“, flüstert River. Aus dieser Nähe kann ich das Klopfen seines Herzens spüren, das so hart gegen seine Rippen schlägt wie mein eigenes. Seine freie Hand gleitet die Kurve meiner Hüfte und meines Oberschenkels hinunter und hebt den Seidensaum meines lavendelfarbenen Nachthemdes an. Kühle Luft streicht kurz über meine Oberschenkel, bevor Rivers warme Hand über die empfindliche Haut wandert und ohne Umschweife unter meine Unterwäsche taucht, zu der Feuchtigkeit, von der ich weiß, dass sie dort auf ihn wartet.

Sterne. Selbst nach sechs Monaten ist die Intensität meines neuen Fae-Körpers immer noch ein Schock. Es sind nicht nur die längeren, glänzenderen Haare und die glattere, fast leuchtende Haut, es ist die Lawine der Gefühle. Was mich früher nur erregte, macht mich jetzt wahnsinnig vor Verlangen.

Ich winde mich instinktiv, und Rivers andere Hand lässt mein Gesicht los, um meinen Hintern zu packen und mich an Ort und Stelle zu halten, während er durch meine Nässe streicht. Als er seine feucht schimmernden Finger herauszieht, leckt er sie sauber und knurrt vor Lust.

Sterne. Ich öffne meinen Mund und …

Rivers Lippen erobern meine und schlucken jeden Protest, den ich gerade äußern wollte.

Mein Körper spannt sich an, Rivers Verlangen durchflutet mich mit einem so intensiven Gefühl, dass ich nicht stillhalten kann. Aber ich kann mich auch nicht bewegen. Nicht mit den Händen und dem Mund des Mannes auf mir, seinen Füßen, die sich bewegen, um meine Füße dazwischen einzuklemmen. Ich habe keine Chance zu entkommen. Keine Chance, etwas anderes zu tun, als ihn zu spüren. Uns zu spüren.

Ein Herzschlag baut auf dem nächsten auf, bis das langsame Pochen, das durch mein Inneres vibriert, so eindringlich wird, dass ich nach Luft schnappe. River zieht sich leicht zurück und streicht mit den Spitzen seiner verlängerten Eckzähne über meine Unterlippe, sodass ich mich unter seinen Händen winde.

River gluckst, seine Hand gleitet zurück unter meinen Rock, meinen verdammten Innenschenkel hinauf und ich keuche auf, als ein Finger in mich gleitet und sein Daumen über meine empfindliche Perle streicht. Ein Kribbeln durchfährt meinen Körper, mein Geschlecht verkrampft sich um das glorreiche Eindringen, der Gefühlsausbruch ist zu viel und nicht annähernd genug. Als Rivers Fingerspitze über meinen Kitzler streift, wimmere ich laut auf und stelle mich auf die Zehenspitzen, um Erleichterung zu finden, die ich nicht bekomme.

Rivers Lippen streifen mein Ohr. „Ich kann den Drang unserer Verbindung genauso wenig ignorieren wie du das hier, Liebste.“ Er streift erneut über meinen Kitzler, zusammen mit winzigen Stößen auf beiden Seiten meiner Mitte, bis ich mich trotz seines Griffs winde. „Aber bitte, gib dir Mühe, soviel du willst.“

„Mistkerl.“ Ich hebe meine Hände und streiche über Rivers Rücken, wobei der Druck seiner Härte gegen meinen Schamhügel mich wahnsinnig befriedigt.

Mit einem Knurren stößt er mich auf Armeslänge weg, sein Atem geht stoßweise, seine grauen Augen glänzen vor kaum unterdrücktem Verlangen. Ein Raubtier auf der Jagd. Mit dem nächsten Atemzug stößt River mich zurück, bis meine Schenkel gegen die Bettkante drücken und meine Atemzüge in einem raschen, verzweifelten Takt kommen. Mit einer kräftigen Bewegung seines Arms landen meine Stapel sortierter Sachen auf dem Boden.

„Das ist meine Reisekleidung“, stoße ich hervor.

„Ich werde dir neue besorgen.“ Das Geräusch von reißender Seide übertönt Rivers Worte, und die kühle Luft des Raumes streift für einen Moment meine entblößte Haut, bevor sich sein muskulöser Körper über mich schiebt.

River befreit sich mit einer geübten Bewegung von seiner Kleidung, und die geschwollene Spitze seines harten Schwanzes drückt sich in meine Nässe hinein. Selbst nach all den Monaten schickt die Größe seines Schwanzes Wellen der Warnung durch meinen Körper, und mein Inneres spürt bereits die Dehnung, die Fülle, die mich erwartet. River umklammert meine Schenkel und sieht mir in die Augen, als er sich an meinem Eingang positioniert, seine Augen leuchten vor Verlangen. Er genießt meine ängstliche Anspannung, dieser Mistkerl.

„Ich werde dich im Schlaf umbringen“, warne ich durch zusammengebissene Zähne.

Rivers Zähne blitzen auf, seine Kraft füllt plötzlich jeden Zentimeter Luft im Raum. Fünf Jahrhunderte kampferprobter Muskeln, die Führung der größten Krieger des Reiches, all das blitzt auf in der Erinnerung daran, wer genau zwischen meinen offenen Schenkeln ruht. „Nur dafür …“ Die Warnung in Rivers Stimme schießt mir durch den Kopf, bevor er seinen Mund direkt auf meine Knospe senkt und saugt.

Mein ganzer Körper spannt sich an, das Vergnügen steigert sich so schnell und stark, dass es sich in flüssige Qualen verwandelt und wieder zurück, ein Bogen, der sich weiter und weiter spannt und …

River hört auf.

Nein. Nein. Nein. Mein Körper zittert in Erwartung, in dem alles verzehrenden Bedürfnis, diesen straff gespannten Bogen zu erlösen. Ich strample verzweifelt, stemme mich gegen Rivers unnachgiebigen Griff und wimmere schließlich.

Mit einem zufriedenen Glucksen schiebt sich River in mich hinein, seine Härte ist alles, was ich wollte und was ich befürchtet habe. Rein und raus, rein und raus, der kraftvolle Stoß seines Schwanzes reizt alle Nerven in mir. Mein Herz schlägt schneller, mein Atem kommt stoßweise, während meine Augen nichts anderes sehen als die kräftige Linie von Rivers Kiefer und das Anspannen der Muskelstränge unter seiner gut geschnittenen Tunika.

Rivers Schaft pulsiert, mein Inneres verkrampft sich um ihn. Jede Faser meines Unterleibs schreit auf und spürt den nahenden Höhepunkt. Diesmal entziehen sich meine wilden, bedürftigen, verzweifelten Bewegungen meiner Kontrolle. Aber nicht jenseits von River, der meine Schenkel mit unnachgiebigem Kraft festhält.

Die Explosion der Lust durchfährt meinen Körper und entzündet jeden Nerv. Meine Muskeln spannen sich an, mein Geschlecht verkrampft sich, meine Sicht verschwimmt. Ich stürze in den großen Abgrund in mir und spüre, wie Rivers eigener Höhepunkt mich ausfüllt und merke, dass der große Krieger genauso zittert wie ich.

* * *

Am nächsten Morgen warten neben Autumn, Kora und den Männern vier eingepackte Bündel in den Ställen auf mich. Ich stelle meine Satteltaschen neben Sprite ab, die graue Stute, die River mir geschenkt hat, als ich nach Lunos kam, und beobachte die Versammlung misstrauisch. „Was ist hier los?“

„Wir …“, beginnt Autumn, rollt dann mit den Augen Richtung Männer, nimmt eines der größeren Bündel und drückt es mir in die Arme. „Ich dachte, deine erste offizielle Mission als Quint-Kriegerin sollte gefeiert werden. Also, hier. Das ist von mir.“

„War die Entthronung von König Griorgi nicht die erste?“, frage ich.

„Nein. Das war nur notwendige Hausarbeit.“ Autumn gestikuliert zu dem Paket, das ich öffne und ein Kleid aus weicher, roter Seide zum Vorschein bringe, zu dem ein passender Umhang das Outfit vervollständigt. „Zieh das an, bevor du den Schleier anlegst und die Akademie betrittst, in Ordnung?“ Sie zieht ihr eigenes silbern schimmerndes Tuch fester um ihre schmalen Schultern und blickt an sich herunter, wobei sie den Saum plötzlich unendlich faszinierend findet. Ihre Augen glitzern leicht in der Morgensonne. „Der Schleier kann dich darin nicht zum Zimmermädchen machen. Zumindest glaube ich, dass er das nicht kann. Ich …“

Ich schließe meine Freundin in eine innige Umarmung, die sie kräftig erwidert und erst wieder loslässt, als Kora ihren Arm tröstend auf Autumns Schulter legt und ihre Geliebte wegzieht.

„Danke.“ Ich küsse Autumn auf die Wange, bevor ich zu ihrem Bruder aufschaue, der sein Paket mit untypischem Zögern in der Hand hält. Ich packe Rivers Geschenk vorsichtig aus und spüre, wie sich meine Brust angesichts der filigranen Handarbeit zusammenzieht. Vier Kordeln in verschiedenen glitzernden Goldtönen, die zu einem Zopf geflochten sind, und der Anhänger, der daran hängt, ein komplexer Knoten aus denselben Strängen. Ich schaue genauer hin und erkenne es sofort. Ein Strang ist mit Amethysten besetzt – der seltsamen violetten Magie von Coal; einer mit tiefbraun-roten Granaten – der Erdmagie von River; einer mit gelb-orangen Diamanten – dem Feuer von Tye; und einer mit schimmerndem Silber – der Heilkraft von Shade. „Die Stränge eurer vier Magien wurden mit meiner Webergabe zusammengeflochten“, flüstere ich und fahre mit den Fingern über das unbezahlbare Stück. „Dafür muss der Juwelier Monate gebraucht haben.“

River zuckt mit den Schultern, aber seine Wangen werden ein wenig rot, als ich mich umdrehe, damit er mir die Kostbarkeit um den Hals legen kann.

Shade tritt als nächster vor, in seinem Paket befinden sich ein paar graue Fäustlinge. Ich atme den vertrauten, würzigen Duft der Wolle ein und schaue den Wandler mit zusammengekniffenen Augen an. „Wo genau hast du die her?“

Ein Lichtblitz lässt einen Wolf an die Stelle des Mannes treten, dessen lange Zunge über seine Nasenspitze leckt. Jetzt, wo ich genauer hinschaue, sehe ich das kürzere Fell des Wolfs und zucke zusammen. „Wie viele Weber hast du bei der Herstellung dieser Fäustlinge gebissen?“, frage ich.

„Vier“, teilt Autumn mir trocken mit. „Zwei von ihnen haben gekündigt.“

Der Wolf, der plötzlich einen Baum gefunden hat, an dem er vorsichtig schnüffeln muss, trottet davon, während Tye mir das bisher schwerste Paket überreicht. Statt in Papier ist es in dicken Stoff eingewickelt, fest zusammengerollt und zugeknöpft. Er zwinkert mir zu, als ich es entgegennehme, was mein Herz höherschlagen lässt. Er sieht lächerlich gut aus in seiner maßgeschneiderten Lederreithose und dem weißen Hemd, das am Kragen geöffnet ist und die muskulösen Brustmuskeln zum Vorschein bringt. Und er weiß es. Ich verdrehe die Augen, was ihn noch breiter grinsen lässt.

Ich lege das Bündel auf einen Baumstumpf in der Nähe, rolle es vorsichtig auf und starre auf die dünnen polierten Instrumente. Nein. Nein, das kann nicht sein. „Sind das …“

„Dietriche“, antwortet Tye hilfsbereit. „Aye.“

River flucht.

„Das ist …“ Ich habe Mühe, das richtige Wort zu finden. ‚Wunderschön‘, scheint nicht zu den Gegenständen zu passen und ‚ein sicherer Weg, um verhaftet zu werden‘ passt nicht zur Stimmung. „Hochwertiges Handwerkszeug, das ich nicht ganz verstehe.“

Tye seufzt ernsthaft. „Das habe ich schon befürchtet. Dann werde ich es dir beibringen müssen, Kleines.“ Seine smaragdgrünen Augen funkeln. „Aber ich muss dich warnen, ich bin ein Lehrer, der gerne selbst Hand anlegt.“

Ich schließe den Koffer schnell und verstaue ihn in meiner Satteltasche. Als ich zurücktrete, sehe ich Coals blaue Augen, die mich von der Seite beobachten. Fünf Fae und vier Pakete. Coal ist nicht der Typ für Sentimentalitäten. Ich nicke ihm verständnisvoll zu.

Coal wendet sich ab.

Einen Herzschlag später zischt ein glitzernder Stiefeldolch so nah an meinem Ohr vorbei, dass ich die Luft zischen höre, als er vorbeifliegt. Mit einem dumpfen Aufprall bohrt sich die Klinge in einen Baum, wobei der Griff noch immer vom Aufprall vibriert. Ohne ein Wort zu sagen, steigt Coal auf sein Pferd und überlässt es mir, mein letztes Geschenk schweigend entgegenzunehmen.

Als alle aufgesessen sind, legt River eine Hand auf die Schultern seiner Schwester, Autumn ergreift seinen muskulösen Unterarm. Die Geschwister wechseln kein Wort miteinander, und ich frage mich, wie viele solcher Abschiede sie im Laufe der Jahrhunderte ausgetauscht haben – jedes Mal in dem Wissen, dass sie bei ihrem nächsten Treffen vielleicht nicht mehr ganz dieselben sind. Bevor ich mich weiter mit diesem Gedanken beschäftigen kann, schwingt sich River auf seinen Hengst und führt uns zur Great Falls-Akademie.

LERA

Der Ritt zum Rand des Mystwoods verläuft ruhig und zügig. River lässt die Pferde ausruhen und gibt ihnen Wasser, bevor wir den geschützten Wald betreten, und holt eine untertassengroße, mit Runen verzierte Scheibe hervor – einen der wenigen Schlüssel, die ihrem Träger den Durchgang durch den Wald ermöglichen. Die Magie, die von dem Relikt ausgeht, prickelt auf meiner Haut und zieht mich zu ihr hin.

„Bleibt zusammen. Wir haben einen kleinen Radius“, sagt River, während ich mich darauf vorbereite, in die Zwischenwelt einzutreten – eine der neuen und seltenen Fähigkeiten, mit denen mein Fae-Körper ausgestattet wurde. Auch wenn es das Betreten nicht angenehmer macht, als wenn mich die Männer mitschleppen müssten.

Die Luft um mich herum verdichtet sich, einen Moment lang drückt zähe Schwärze von allen Seiten auf mich ein, und dann befinde ich mich im dumpfen Echo der Welt. Die Farben, Geräusche und Gerüche sind nicht so, wie sie sein sollten – Grautöne und seltsame Echos. Falsch. Aber das Reisen geht hier schneller – und wenn es um Mystwood geht, ist die Reise durch die Zwischenwelt die einzige Möglichkeit, den Ort zu durchqueren. Sogar mit dem Schlüssel.

River hat die Zwischenwelt einmal als eine verzerrte Kopie der normalen Welt dargestellt – das, was wir das Licht nennen – ein Untertuch, das sich mit dem Haupttuch bewegt und verschiebt, aber auch von ihm getrennt ist. Einige der Nähte, wie viele der Eschen und Ahornbäume von Mystwood, durchdringen den ganzen Stoff. Andere Teile, wie ein Großteil des Gebüschs, existieren nur im Licht. Poetisch, aber ich habe meine eigene, praktischere Definition gefunden.

Die Zwischenwelt ist der Ort, an dem die Kreaturen der Dunkelheit und des Bösen gedeihen und umherstreifen, unsichtbar im Licht, bis sie bereit sind, sich zu erheben und zuzuschlagen. Etwas, das in der Welt der Sterblichen niemals zugelassen werden kann.

Es ist das zweite Mal, dass ich Mystwood durchquere, das erste Mal war, als mich die Männer aus der Knechtschaft in Zakes Stall holten. Nun, da ich selbst als Fae-Kriegerin zurückkehre, erwartete ich, dass der Wald weniger bedrückend wirkt. Aber in Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall.

„Das Schöne daran, ein Mensch zu sein, ist, dass man nicht weiß, was in den Schatten vor sich geht, Fliedermädchen“, sagt Tye und streckt sich träge neben mir, als könne er wie immer meine Gedanken lesen. „Deshalb ist es mein persönliches Ziel, so wenig wie möglich über alles zu wissen.“

Wir gehen weiter, ohne uns viel zu unterhalten. Shades Wolf bleibt so dicht an uns dran, wie es die Pferde zulassen. Als wir den Mystwood weniger als sechs Stunden später verlassen und kurz vor der Grenze zum Reich der Sterblichen ins Licht treten, löst sich die dumpfe Bedrückung der Zwischenwelt endlich auf. Nur um einen Schritt später neue Fesseln zu schaffen. Meine Magie. Festgezurrt wie die aufgerollten Segel eines Schiffes.

Da ich die meiste Zeit meines Lebens ohne Magie gelebt habe, dachte ich, dieser Teil würde mich kaum stören, aber die Leere schnürt mir die Kehle zu. Wenn ich mich mit meinen unsterblichen Sinnen umsehe, trauere ich um den Verlust der üppigen Intensität von Lunos, auch wenn ich jedes Geräusch und jeden Geruch so wahrnehme, wie es mein menschlicher Körper nie konnte.

Da nur so wenige Menschen bereit sind, in der Nähe des Mystwoods zu leben, ist es relativ einfach, während des viertägigen Rittes zur Stadt Great Falls, die ihren Namen von einem hohen, schmalen Wasserfall hat, der über eine Klippe hoch in den Bergen auf der rechten Seite stürzt, außer Sichtweite der Menschen zu bleiben. Sein Tosen hallt in weiter Ferne durch das kleine Tal, über die Schafsweiden und schmucken Fachwerkhäuser hinweg. Das einsame Kreischen kreisender Raben und eine steife Brise markieren unseren Weg über einen kahlen, grasbewachsenen Bergrücken oberhalb des Tals.

An einem Aussichtspunkt in einer Entfernung von einer Meile halten wir an und ich hebe meine Hand, um die Sonne abzuschirmen, während ich das Gelände der Akademie betrachte, das sich auf dem Gipfel eines Ausläufers über der Stadt ausbreitet. Eine riesige, ummauerte Festung aus grauem Stein, die mit den Bergen dahinter verschmilzt und deren vergoldete rote Fahne im kalten Wind flattert. Das Zischen und Knacken des Stoffes schmerzt mir in den Ohren. Ich runzle die Stirn, denn selbst mit meinen Fae-Sinnen ist der flatternde Stoff zu weit weg, um gehört zu werden. Nein, das Zischen und Knacken kommt von etwas anderem, obwohl es sich ganz sicher wie eine flatternde Fahne anhört.

Ich schaue mich um, und Sprite tänzelt unter mir, was mir einen missbilligenden Blick von Coal einbringt. Nichts an ihm oder den anderen Männern deutet darauf hin, dass sie etwas Ungewöhnliches hören. Tatsächlich erkenne ich mit einem Schrecken, dass River gerade spricht.

„… eine Generation einflussreicher junger Menschen an einem Ort.“ Der Quint-Kommandant streichelt den Hals seines Hengstes, seine Stimme ist erfüllt von Verantwortung. Vielleicht ist es dieses Bedürfnis, Verantwortung zu übernehmen, das River zu dem macht, was er ist. „Ich hoffe, das Personal hat ihnen einen kräftigen Tritt in den Hintern verpasst, bevor die Möchtegern-Könige beschließen, Schwanzvergleiche anzustellen und etwas ungewöhnlich Dummes zu tun.“

Zisch, knack, knack.

Mein Puls rast.

„Kleine?“ Tye runzelt die Stirn. „Geht es …“

„Das sind keine Kinder“, sage ich schnell und zwinge mich leicht empört zu klingen, um Tyes unangenehme Wahrnehmungsfähigkeit zu überspielen. Nach all meinem Beharren darauf, dass wir hierherkommen sollen, vernehme ich schon beim ersten Anblick unseres Schlachtfelds Phantomgeräusche. „Zwanzig Jahre mögen für Fae unbedeutend sein, aber für einen Menschen sind sie ziemlich relevant. Und zufällig ist das auch mein Alter.“

„Genau das meine ich“, sagt River. „Bringen wir es hinter uns. Denkt daran, was Autumn über geschwächte Bindungen gesagt hat, und macht euch auf die Veränderung gefasst.“ Der Mann nimmt das Schleieramulett heraus und legt es sich ohne weitere Umschweife um den Hals, während die anderen wortlos seinem Beispiel folgen. Die kunstvoll geschnitzten Holzmedaillons fallen ihnen gegen das Brustbein, bis jeder sie unter seinem Hemd verstaut hat.

Zisch, knack, knack.

Ich taste nach meinem eigenen Amulett, ein Schauer läuft mir über den Rücken, als ich es mir um den Hals lege. Das leise Klicken des Verschlusses ist eines der lautesten Geräusche, das ich je gehört habe – eine zuschlagende Tür, die mich von meinen Männern abschneidet. Meine Lungen ziehen sich schmerzhaft zusammen, und es kostet mich all meine Willenskraft, meine Hände locker an den Zügeln von Sprite zu halten. Mein Kinn zu heben. Mit einer Überheblichkeit zu lächeln, von der ich wünschte, ich könnte sie spüren.

„Also dann“, sage ich und merke zu spät, dass ich vergessen habe, das Kleid anzuziehen, das Autumn mir geschenkt hat. Verdammt noch mal. Ich werde es nachholen, sobald wir auf dem Weg zur Akademie einen geschützteren Ort gefunden haben. In meiner schwarzen Hose und meiner blauen Lieblingstunika, die um die Taille gegürtet ist, könnte ich mich dank der Magie als so ziemlich jeder verkleiden. „Was bin ich jetzt?“

„Eine Nervensäge“, sagt Coal, seine markanten Züge bleiben unbewegt, während er eine Augenbraue hochzieht.

„Wir kennen dich, Kleines. Das Amulett spinnt keinen Schleier für diejenigen, die die Wahrheit kennen“, sagt Shade, jetzt in seiner Fae-Gestalt, sanft. „Wir sehen auch für dich wie wir selbst aus, nicht wahr?“

„Richtig. Natürlich.“ Ich reibe mir über die Augen.

„Was ist los, Fliedermädchen?“, fragt Tye.

„Nichts. Ich meine, ich kann dich mit dem Amulett nicht spüren. Und …“

Tye zuckt zusammen. „Es tut mir weh, dich so schlecht lügen zu sehen, Kleine. Daran müssen wir arbeiten. Also, was ist los?“

Ich seufze und schüttle den Kopf. „Ich habe nur ein seltsames Geräusch gehört. Ein zischendes Geräusch, wie … als sei es statisch, nur lauter. Hört ihr es auch?“

Sie halten inne und legen konzentriert die Köpfe schief.

„Nein“, erwidert Tye nach einem Moment, Shade, Coal und River stimmen zu, ihre Augen sind wohlwollend und etwas besorgt.

Meine Wangen werden warm, aber River hebt die Hand und unterbricht meinen Versuch, mich zu entschuldigen. „Nur weil wir es nicht hören, heißt das nicht, dass es nicht existiert. Deine Magie ist einzigartig, Leralynn. Eine aus einem Menschen geschaffene Fae, eine Weberin noch dazu. Es ist durchaus möglich, dass du entweichende Magie hörst. Vielleicht genau den Spalt, den wir hier suchen.“

„Oder meine eigene Einbildung.“

River zuckt mit einer Schulter. „In der Tat. Aber da wir unsterblich sind, haben wir die Zeit, das zu überprüfen. Woher kommt das Geräusch?“

„Es ist …“ Die Worte verstummen. Nichts. Ich höre nichts mehr, außer meinem eigenen Herzschlag. Die Hitze, die bereits meine Wangen erfasst hat, breitet sich aus und lässt meine Ohrenspitzen kribbeln. Ich schlucke, schließe die Augen und versuche, das Geräusch wiederzufinden. Nichts. „Darf ich das Amulett abnehmen? Vielleicht behindert es das Geräusch.“

Rivers Blick wägt die Entfernung zur Akademie ab, bevor er nickt. „Nur ganz kurz.“

Ich öffne den Verschluss und schiebe das Amulett in meine Brusttasche. Erleichterung durchflutet mich, als ich die Verbindung zu meinen Männern wieder spüre – und das Rauschen wieder wahrnehme. Wenigstens habe ich mir das Geräusch nicht eingebildet. „Hier entlang.“ Ich treibe Sprite in den Trab und führe die Männer in Richtung des Geräusches, das mit jedem Schritt lauter wird. Überwältigend. Wir durchqueren einen grünen Espenwald, in dem das Licht in schwindelerregenden Mustern durch die Blätter flimmert. Meine Muskeln spannen sich an, mein Atem und mein Herz beschleunigen sich, als Sprite auf einem schmalen Pfad bergauf in den Galopp wechselt. Die Hufe der Hengste hinter mir halten Schritt, bleiben aber weit genug zurück, um die Pferde nicht in ein Wettrennen zu verwickeln, das wahrscheinlich mit mir am Boden enden würde.

Zisch, knack, knack. Zisch, knack, knack.

Der Weg schwenkt scharf nach rechts, aber da die Geräusche so deutlich von einer Gruppe riesiger Felsbrocken auf der gegenüberliegenden Seite kommen, treibe ich mein Pferd in diese Richtung. Sprite biegt mit beängstigender Geschwindigkeit nach links ab, wobei ihr Körper eine scharfe Kurve macht. Ich habe keine Zeit, mich umzudrehen und mich zu vergewissern, dass die Männer gesehen haben, wie ich vom Weg abgekommen bin, ich kann nichts anderes tun, als mich unter Aufbietung aller Kräfte festzuhalten. Sprites Hufe schlagen auf dem unebenen Boden auf, das Pferd ist außer Kontrolle, während es auf die Felsbrocken zurast, die weiter entfernt sind, als ich vermutet hatte. Äste peitschen, Erdklumpen fliegen durch die Luft. Ich halte mich am Sattelknauf fest, um mich im Sattel zu halten, und die Zügel lockern sich in meinen Händen. Meine Beine drücken sich an die Seiten des Pferdes, mein instinktives Festhalten signalisiert Sprite leider nur, noch schneller zu laufen.

ZISCH. KNACK …

Einen Atemzug bevor Sprite darüber stolpert, sehe ich den bröckelnden, in Runen gehauenen Stein im Boden. Der schwache Halt, den ich auf meinem Sattel habe, versagt und ich falle zu Boden. Mein Kopf knallt gegen einen Stein. Dann blinkt die Welt in einem blendenden Licht auf, bevor die Dunkelheit über mich hereinbricht.

LERA

Als ich aufwache, stößt mich eine Pferdenase in meinen Nacken, und vor mir breitet sich der Espenwald in seiner frühlingshaften Pracht aus. Mein Kopf schmerzt, aber ich finde kein Blut, als ich meinen Kopf berühre. Ein kleines Wunder. Ich finde auch sonst niemanden in meiner Nähe.

„River?“, rufe ich, mein Puls hämmert. „Coal? Tye? Shade?“

Stille. Ein paar Schritte weiter ist der runenverzierte Stein, über den Sprite gestolpert ist, in handgroße Stücke zerbrochen. Allem Anschein nach handelte es sich um eine quadratische Schieferplatte, die auf jeder Seite etwa so lang war wie ein männlicher Unterarm und die wie ein schief liegender Pflasterstein in die kalte Erde gedrückt wurde. Das Geräusch, das von ihm ausging – falls es jemals ein Geräusch gab – ist verschwunden. Als ich eines der Bruchstücke aufhebe, stelle ich fest, dass das Ding nicht vollständig aus Stein besteht, sondern nur eine harte Schale ist, die einen weicheren, lehmartigen Kern schützt, der Staub auf meinen Fingern hinterlässt.

„River?“, rufe ich erneut. „Irgendjemand?“

Nur Vogelgezwitscher und das geisterhafte Flüstern von hellgrünen Blättern antworten.

Sprite wiehert und stampft mit einem lockeren Hufeisen auf. Verdammt noch mal. Ich bücke mich, ziehe das Hufeisen ganz ab und werfe es weg. Jetzt werde ich das Pferd führen müssen. Aber wohin?

Ich halte Sprite an den Zügeln und gehe langsam den Weg zurück, den wir im Galopp zurückgelegt haben, durch das goldene Abendlicht. Die Spuren führen bergab und biegen scharf auf den schmalen Pfad ein, den Sprite und ich zurückgelegt hatten. Hier führen mehrere voneinander abweichende Hufspuren in alle Richtungen. Es sieht so aus, als wären einige Reiter dem Pfad nach rechts gefolgt – den ich nach links geritten war –, während andere ihre Pferde komplett umdrehten und auf eine breitere Straße zurückkehrten. Oder aber die Pferde haben sich erschreckt und sind durchgegangen.

Ich schüttle den Kopf und bereue die Bewegung sofort, als der Schmerz meinen Schädel durchzuckt. Denk nach, Lera. Was genau ist passiert? Ich zwinge mich, meinen Atem zu beruhigen und denke zurück. Ich erinnere mich, dass ich im Galopp geritten bin. Die Männer ließen mir Platz, aber sie blieben nicht weit zurück. Dann ging die Spur nach rechts. Aber ich folgte ihr nicht. Ich bog vom Weg ab und ritt scharf nach links. Sprite fiel in den Galopp. Sie stolperte. Ich stürzte und schlug mit dem Kopf an. Ich verlor das Bewusstsein. Durch das dichte grüne Laub und die scharfe Kurve sahen die Männer vielleicht nicht, wie ich abbog und stürzte, aber sie hätten mich bis jetzt sicher schon finden müssen.

Nur haben sie das nicht getan.

Den Pferdespuren nach zu urteilen, sind sie genau in die andere Richtung geritten. Ich seufze und reiße mich zusammen. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich ohnmächtig war, aber dem Stand der Sonne nach zu urteilen, war es eine ganze Weile. Was auch immer der Grund für das Verschwinden der Männer war, sie sind jetzt entweder zu weit weg, um meine Rufe zu hören, oder sie sind nicht in der Lage zu antworten. Vielleicht spüren sie mich – oder ihre Angst um mich – nicht so stark wie sonst, weil die Bande durch ihre Amulette gedämpft sind. Ich spüre sie überhaupt nicht, obwohl meine Angst völlig unberührt ist. Die Realität einer Existenz ohne die Kraft des Bandes jagt mir einen Schauer über den Rücken, obwohl ich weiß, dass es so kommen würde. Ich stütze mich mit einer Hand an einem Baum ab, atme tief durch und zwinge meinen Verstand, zu arbeiten. Einen Plan zu schmieden. Ich habe jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder bleibe ich hier mitten im Wald und hoffe, dass ich gerettet werde, bevor die Raubtiere mich als Abendessen betrachten, oder ich gehe wie geplant zur Akademie und überlege mir dort meine nächsten Schritte.

Meine Hände zittern, als ich Sprites Zügel aufnehme und die Stute den Weg hinunterführe. Ich lege mein Schleieramulett an, falls ich jemandem über den Weg laufe, und erschaudere bei den Gefühlen, die mich überkommen – ein schwaches Schwindelgefühl entsteht, als ich eine andere Identität wie einen Mantel über mich ziehe.

Zu meiner Erleichterung ist das Amulett bei dem Sturz unversehrt geblieben, ebenso wie meine Satteltaschen. Ich versuche, mich darauf zu konzentrieren. Auf alles, nur nicht darauf, warum niemand hier ist. Es gibt eine Erklärung dafür. Es muss eine geben. Das ist nur ein harmloser Zwischenfall, sage ich mir und weigere mich, den dichter werdenden Wald und die länger werdenden Schatten, den aufsteigenden Schrei einer Eule, den knirschenden Schritt eines unsichtbaren Tieres um mich herum zu akzeptieren.

Die Akademie ist von der Höhe aus gut zu sehen, und ich richte mich nach der flatternden Fahne der Akademie. Die Wege schlängeln sich an steilen Hügeln entlang, aber ich halte mich geradeaus und bewege mich zügig, wobei ich leise mit Sprite spreche, während wir unbeirrt zwischen den Bäumen hindurchgehen. „Wir sind Sprite und Lera“, sage ich zu Sprite, die zustimmend nickt. „Ich bin eine Fae eines Krieger-Quints. Und wir sind hier, um herauszufinden, was die Magie in die Menschenwelt eindringen lässt. Wir sind hier, um Menschenleben zu retten. Wir haben keine Angst.“

Die Sonne ist schon lange untergegangen, als Sprite und ich endlich die Mauer der Akademie erreichen. Sie ist aus dunkelgrauem Stein, der sich über mir in die Dunkelheit erhebt, und wird von flackernden Fackeln gesäumt. Ein schweres Holztor mit Eisennägeln so dick wie mein Oberschenkel hebt sich auf knarrenden Rollen, um mich in einen Vorraum zu lassen, während das zweite Tor geschlossen bleibt.

Der uniformierte Wachmann, der mich hereingelassen hat, runzelt die Stirn und lässt das mit Stacheln versehene Tor hinter Sprite und mir wieder herunter. So sind wir zwischen den beiden Ausgängen gefangen. „Es herrscht Ausgangssperre“, sagt er, und seine schwarzen Brauen verengen sich. Er ist der erste Mensch, den ich seit Monaten aus der Nähe sehe, und mir fallen sofort die Unterschiede auf – die Gesichtszüge wirken, als sähe man sie durch eine vernebelte Linse, die kleinere Statur und die weichere Gestalt.

Ich lecke mir die trockenen Lippen. „Ich bin …“ Das Amulett fühlt sich warm an meiner Brust an, phantomhafte Erinnerungen schimmern in meinem Kopf und verändern meine Geschichte.

Das Anwesen, in dem ich als Zakes Leibeigene aufgewachsen bin, wird zu einem Herrenhaus mit hohen Gewölbedecken und Plüschteppichen.

---ENDE DER LESEPROBE---