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Kim, Franzi und Marie sind "Die drei !!!". Mutig und clever ermitteln die drei Detektivinnen und sind jedem Fall gewachsen. War Davids Opa in eine ungeklärte Einbruchserie von vor 30 Jahren verwickelt? Die drei !!! sind einem alten Familiengeheimnis auf der Spur.
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Seitenzahl: 159
Luftballon-Küsse
Ann-Katrin Heger
KOSMOS
Umschlagillustration von Ina Biber, Gilching
Umschlaggestaltung von Sabine Reddig
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© 2020, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-440-50050-7
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
»Noch ein Stück nach links, dann bekomme ich auch den Seerosenteich drauf!« Kim hielt die Selfiestange hoch über Davids und ihren Kopf und lief rückwärts über die Wiese im Jakobipark.
David hatte sich bei ihr eingehakt und grinste verkrampft. »Jetzt drück doch endlich ab«, presste er zwischen den Zähnen hervor. »Ich kann meine Mundwinkel nicht mehr oben halten.«
»Noch ganz kurz«, bat Kim. »Kannst du noch ein bisschen glücklicher … ahhhh!«
Sie stolperte, ruderte mit den Armen und riss sowohl Selfiestange samt Handy als auch David zu Boden. Beide plumpsten auf den Po und David fing in letzter Sekunde das Handy auf.
Er sah auf das Display und lachte. »Das nehmen wir«, meinte es als er Kim das Foto zeigte, auf dem sie beide die Augen aufrissen und gerade nach hinten kippten.
Kim kicherte. »Ja, unsere Beziehung hat eben Höhen und Tiefen.«
Sie machte es sich im Gras bequem. »Hast du dir wehgetan?«, fragte sie.
David sah sie mit seinen goldgesprenkelten Augen an. »Nö, kein bisschen. Und du?« Er schlang einen Arm um Kims Schultern und rieb seine Nase zärtlich an ihrer Wange.
Kim schüttelte den Kopf und schmiegte sich an Davids Oberarm.
»Eine kleine Mundwinkelmassage könnte allerdings nicht schaden. Die Aktion mit dem Pärchen-Pic habe ich mir irgendwie … kürzer vorgestellt.«
»Etwa so?«, fragte Kim, spitzte die Lippen und drückte David einen dicken Schmatz auf den Mund.
»Genau so.« David schloss genießerisch die Augen.
»Und was machen wir jetzt mit dem Foto? Wir haben immer noch keines, das wir posten können.«
»Schon geschehen.«
»Nein. NEIN! Hast du wirklich das Sturzfoto genommen? Du bist echt unmöglich!« Kim kitzelte David da, wo sie wusste, dass er es kaum aushalten konnte. Hinter den Ohren.
»Aufhören«, japste er. »Das ist doch witzig!«
Kim besah sich den Schnappschuss noch einmal. Sie musste zugeben, dass das Foto lustig war. Es sah eben nicht so gestellt aus wie die vielen anderen, die sie gepostet hatte und bei denen sie sich Mühe gegeben hatte, natürlich zu wirken.
David hatte tatsächlich ein gutes Gespür für Fotos. Das kam wahrscheinlich daher, dass sowohl sein Opa Rainer als auch seine Mutter professionell fotografierten. Opa Rainer hatte viele Jahre lang das Fotostudio Bild&Schön in der Innenstadt betrieben, das unter der Wohnung von Davids Familie lag. Doch nun hatte er es an seine Tochter weitergegeben und sich zur Ruhe gesetzt. Davids Mutter hatte einige Zeit überlegt, ob sie ihre freie Tätigkeit als Fotografin zugunsten des Ateliers aufgeben sollte, und hatte sich nach langem Hin und Her dafür entschieden, es zu übernehmen.
Die Einweihungsfeier stand unmittelbar bevor, und die drei !!! hatten David und seiner Mutter versprochen, tatkräftig mitzuhelfen.
Kim sah David von der Seite an und spürte ein Kribbeln im Bauch. Sie fühlte sich einfach wohl an seiner Seite. Sie waren nun schon eine ganze Weile ein Paar und hatten sogar gemeinsam begonnen, einen Fantasy-Krimi zu schreiben. Das war nicht immer ganz einfach gewesen – einmal hatte David einfach die Hauptfigur sterben lassen –, aber Kim war mit den bisherigen Ergebnissen sehr zufrieden. Und nicht nur beim Schreiben waren sie auf einer Wellenlänge: David teilte die meisten ihrer Interessen und sie hatte niemals das Gefühl, sich verstellen zu müssen.
Genau wie bei ihren besten Freundinnen Franzi und Marie. Sie waren zwar ziemlich unterschiedlich – Franzi war tiervernarrt und megasportlich, während Marie sich eher für Mode, Singen, Tanzen und Showbusiness begeisterte. Doch zu dritt waren sie unschlagbar und lösten als Detektivteam jeden Fall. Und als Freundinnen hielten sie zusammen, egal ob Sturmtief oder Glückstaumel.
PIIIEEEPBRUMM! Kims Handy vibrierte und summte.
»Ah, die ersten Reaktionen auf unser Pärchen-Pic«, meinte David.
Kim nahm das Handy. »Nee, das sind Nachrichten von Franzi und Marie. Wenn die beiden gleichzeitig schreiben, muss es etwas Wichtiges sein.«
»Logo.«
Täuschte sie sich oder zog David leicht genervt seine Nase kraus?
Wie auch immer, darauf konnte sie jetzt keine Rücksicht nehmen. Der Detektivclub war Kim superwichtig, und wenn ihre Freundinnen gleichzeitig Nachrichten schickten, gewann ihre detektivische Neugier einfach die Oberhand.
Sie öffnete erst Franzis Nachricht. Ein Foto von einem Brief. Darüber hatte Franzi geschrieben: »Schon gesehen?«
Kim zog das Foto mit den Fingern größer. Der Brief war eine Einladung von Kommissar Peters. Zum Tag der offenen Polizeitür. Mit einem Extravortrag über die interessantesten ungelösten Fälle der letzten Jahrzehnte.
Kim grinste, als sie Maries Nachricht las. »Da gehen wir hin, oder?«, stand darüber. Dann ebenfalls ein Foto der polizeilichen Einladung.
»Na klar«, schrieb Kim zurück. Dann packte sie das Handy weg.
»Fertig?«, fragte David. »Oder musst du jetzt und sofort einen Fall lösen?«
Kim erzählte ihm von der Einladung.
»… und die Fälle, die Kommissar Peters uns vorstellen wird, sind seit vielen Jahren ungelöst«, schloss Kim. »Da können wir noch ganz entspannt ein Eis essen gehen.«
Der übernächste Tag war ein Samstag. Die drei !!! hatten versprochen, nachmittags zum Fotostudio Bild&Schön zu gehen und bei den Vorbereitungen für die große Eröffnungsfeier zu helfen. Doch vorher hatten sie sich vor dem Polizeipräsidium verabredet – zum Tag der offenen Polizeitür.
Kim wischte sich den Schweiß von der Stirn, als sie ihr Fahrrad in den silbernen Fahrradständer wuchtete und abschloss. Der August war bisher noch heißer gewesen als der Juli – und der hatte auch schon Rekordtemperaturen gehabt.
Kim setzte sich auf die Stufen der Steintreppe. Der Ahornbaum über ihr spendete Schatten.
Eine junge Polizistin stieß die Flügeltür auf und schleppte einen dreieckigen Aufsteller auf den Vorplatz. Dann heftete sie ein Plakat darauf, trat einen Schritt zurück, um zu prüfen, ob es gerade hing, und verschwand wieder nach innen.
Der Tag der offenen Polizeitür schien einigen Anklang zu finden. Väter und Mütter mit hüpfenden Kleinkindern an der Hand strömten in das Gebäude, gefolgt von Jugendlichen und Erwachsenen jeglichen Alters.
Kim stand auf und betrachtete neugierig das Plakat, auf dem das Programm notiert war. Nun wunderte sie nichts mehr. Da war wirklich für jeden etwas dabei: Besichtigung eines Polizeieinsatzfahrzeugs, Polizeisirenen-Länder-Raten, die ungelösten Fälle, Polizeiuniformen im Wandel der Zeit, und der eindeutige Höhepunkt war wohl das Hüpfgefängnis – eine Hüpfburg der besonderen Art.
Kim lächelte. Vielleicht hätte sie ihre Brüder doch mitbringen sollen? Das hätte den beiden Superhelden-Detektiven bestimmt gut gefallen. Auf der anderen Seite: Sie musste ihre verrückten Einfälle zu Hause schon oft genug ertragen.
»Hallo!« Franzi und Marie waren gerade angekommen und winkten Kim zu.
»Wartest du schon lange?«
Kim schüttelte den Kopf. »Ich war ein bisschen früher dran. Bei uns zu Hause war dicke Luft. Die Zwillinge haben schlechte Mathe-Noten bekommen und die Arbeiten versteckt. Heute Morgen hat ihre Lehrerin angerufen und die beiden sind aufgeflogen. Ihr könnt euch denken, wie meine Mutter darauf reagiert hat … Besonders jetzt, wo sie Vertrauenslehrerin ist.«
Marie kicherte. Jeder wusste, dass Kims Mutter, die Rektorin an einer Grundschule war, sehr viel Wert auf schulische Leistung legte und fuchsteufelswild werden konnte, wenn sie irgendwo Faulheit witterte.
Franzi und Marie parkten ihre Räder neben dem von Kim.
»Dann lasst uns mal reingehen«, meinte Franzi. »Kommissar Peters hat uns zu sich ins Büro gebeten, bevor er seinen Vortrag hält. Er will uns jemanden vorstellen.«
Den Weg zu Kommissar Peters’ Büro kannten die drei !!! gut. Er hatte ihnen bisher immer geholfen, wenn sie einen Fall gelöst und den Täter gestellt hatten.
Obwohl er sie oft warnte und es lieber gesehen hätte, wenn sie ihn in brenzligen Situationen früher einschalten würden, war er doch über die Hilfe des Detektivteams froh. In letzter Zeit hatten sich die Mädchen allerdings ein wenig Sorgen um ihn gemacht. Er wirkte oft überarbeitet und gereizt.
Sie klopften an die Tür zu seinem Büro.
»Herein!«, rief eine helle Stimme, die definitiv nicht Kommissar Peters gehörte.
Kim öffnete die Tür.
Da, wo früher der große Schreibtisch mit den hohen Aktenbergen gestanden hatte, waren nun zwei viel kleinere Kopf an Kopf gestellt. Kommissar Peters saß an dem einen und strahlte über das ganze Gesicht. An dem zweiten Schreibtisch saß die junge Polizistin, die Kim gerade draußen gesehen hatte.
Kommissar Peters erhob sich und lief mit offenen Armen auf die drei !!! zu. »Herzlich willkommen«, sagte er.
Kim legte den Kopf schief. Was in aller Welt war denn mit ihrem Lieblingspolizisten passiert? Seine Laune war seit Langem nicht mehr so gut gewesen.
»Ich möchte euch gerne meine neue Kollegin Elif Aslan vorstellen. Sie unterstützt mich in meiner Arbeit und ich bin sehr froh«, er blinzelte sie freundlich an, »dass sie bei uns ist.«
Kommissarin Aslan lachte die drei !!! an und stand ebenfalls auf. Sie reichte ihnen die Hand. »Ich habe schon so viel von euch gehört. Es ist schön, euch nun endlich kennenzulernen. Robert sagt, ihr seid tolle Detektivinnen. Manchmal vielleicht ein wenig zu mutig.« Sie zwinkerte Kommissar Peters zu.
Kim konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Robert? Die beiden schienen sich ja gut zu verstehen. Das erklärte vielleicht die gute Laune von Kommissar Peters!
»Ihr dürft euch in Zukunft auch gerne an mich wenden«, fuhr die junge Frau fort. »Ich bin ein großer Fan von Justus, Peter und Bob und finde es einfach großartig, nun die beinahe genauso berühmten drei !!! kennenzulernen und mit ihnen zusammenarbeiten zu dürfen.«
Sie klapperte mit ihrem Schlüsselbund, an dem eine bronzefarbene Detektivplakette der drei ??? hing. »Die trage ich schon seit zwanzig Jahren bei mir!« Sie ließ den großen Bund klappernd zurück auf den Schreibtisch fallen. »Und ich werde Robert sicher auch noch zu einem Großfan machen«, sagte sie zuversichtlich.
»Mal sehen.« Kommissar Peters lachte. »Der erste Meter an Drei ???-Büchern stapelt sich bereits auf meinem Nachttisch. Aber wer weiß? Vielleicht kann ich von den drei Jungs etwas für meine Arbeit lernen?«
Kim legte den Kopf schief. »Also von den drei Mädels hier auf jeden Fall!«, sagte sie bestimmt. »Und wir von Ihnen, das ist ja klar!«
Kommissar Peters sah auf die Uhr. »Wir müssen los«, stellte er fest. »Unser Vortrag beginnt gleich. Kommt ihr mit?«, fragte er Kim, Franzi und Marie.
Franzi runzelte die Stirn und sagte mit gespielter Strenge: »Ungelöste Fälle? Sie glauben doch nicht im Ernst, dass wir uns die entgehen lassen!«
Im Vorraum der Asservatenkammer – das war der Raum, in dem alle Beweisstücke aus früheren Fällen aufbewahrt wurden – waren einige Reihen Stühle aufgestellt. In der Mitte, auf einem höheren Tisch, stand ein Beamer, der bereits das Thema des Vortrags an die Wand warf: Polizeipräsidium Nord präsentiert: Die ungelösten Fälle!
Die drei !!! setzten sich in die letzte Reihe neben einen Herrn mit grüner Ballonseidenjacke, der bereits ein Notizbuch und einen gespitzten Bleistift auf den Knien liegen hatte.
»Ballonseide wird wieder modern«, flüsterte Marie Kim und Franzi zu. »Ich habe mir auch schon überlegt, ob ich mir so eine Blouson-Jacke kaufen soll.«
Kim deutete auf das T-Shirt mit Pailletten-Eselsköpfen, das Marie heute trug. »Ich weiß nicht … Ich finde die neue Kollektion von Tessa mit Adam und Eva viel cooler. Ich glaube, ich werde mir auch so ein Esels-T-Shirt zulegen. Gibt es das auch ohne Pailletten?«
»Logo«, meinte Marie und strich die Pailletten mit der Hand nach oben. Jetzt standen die beiden Esel Schnauze an Schnauze und sahen sich verliebt an.
»Das ist aber niedlich!«, rief Franzi begeistert.
»Ja, stimmt«, sagte Kim. »Zu Marie passen diese Glitzerziegel ja auch. Aber mir wäre es trotzdem lieber ohne.«
»Und ich hätte gerne eines mit Polly und Tinka. Vielleicht frage ich Tessa mal.«
Vor ein paar Monaten waren Maries Stiefoma Agnes und ihr Stiefopa Herbert in ein kleines Haus am Waldrand gezogen. Ganz in der Nähe der Grevenbroich-Villa. Mit zu dem Haus gehörten zwei Esel, um die sich Oma Agnes nun liebevoll kümmerte. Alle waren völlig vernarrt in die beiden Grautiere. Besonders Finn, Maries kleiner Bruder, der viel Zeit bei seinen Großeltern verbrachte. Damit war auch das leidige Babysitterthema endgültig vom Tisch. Und Tessa, Maries Stiefmutter, konnte sich weiter ihrer Öko-T-Shirt-Kollektion Think Nature! widmen. Ihre Designs, besonders die neue Esel-Kollektion, waren ein so großer Erfolg in ihrem Internetshop, dass sie sogar mit Hilfe von Holgers Mutter einen kleinen Pop-up-Laden in der Innenstadt aufgemacht hatte, um zu testen, wie der direkte Verkauf lief.
»Die beiden wären super Motive!«, räumte Marie ein und strich mit ihrer Hand den Eselskuss auf dem T-Shirt zurück.
In diesem Augenblick traten Kommissarin Aslan und Kommissar Peters ein und gingen nach vorne. Kommissar Peters ließ kurz die Augen über das Publikum schweifen, begrüßte die Gäste und stellte Kommissarin Aslan vor.
»Wir haben hier zwar – auch Dank der umsichtigen Bevölkerung –«, Peters sah die drei !!! an und lächelte, »eine sehr hohe Aufklärungsrate. Trotzdem kommt es natürlich vor, dass Fälle ungelöst bleiben. Manche von ihnen sind besonders rätselhaft oder durch ihre Besonderheit im Gedächtnis geblieben. Ich habe mich in der letzten Woche für Sie auf die Suche gemacht und Interessantes entdeckt.«
Er klickte und eine Oma mit Häkelmütze und Einkaufsnetz erschien auf der Wand. Das Einkaufsnetz war vollgestopft mit Banknoten.
»Der Fall Gerlinde Krämer: Sie stellte sich eines Tages der Polizei und behauptete, eine geschickte Bankräuberin zu sein. Doch zu dem Geständnis fehlte das Verbrechen. Niemand fand jemals heraus, woher das Geld stammte. Die Bank, die Gerlinde Krämer angeblich ausgeraubt hatte, vermisste kein Geld. Und auch sonst niemand.«
»Das ist ja eine verrückte Geschichte«, wisperte Franzi. »Kaum zu glauben.«
Der Mann im der grünen Ballonseide beugte sich zu ihnen. »Ja, nicht wahr? Ich bin Gerd Krämer, der Sohn von Gerlinde. Sie ist mittlerweile gestorben, aber als Bankräuberin wurde sie Zeit ihres Lebens nicht anerkannt. Alle dachten, es sei ihr Geld. Es ist ein Skandal.«
Die drei !!! sahen einander an. Die Geschichte wurde immer absurder. Aber auch immer lustiger.
Kommissar Peters war mittlerweile schon beim zweiten ungelösten Fall angekommen. Der handelte von einem Papageienschwarm, der darauf dressiert worden war, Hochzeitsbuffets zu plündern und danach zu Obdachlosen zu fliegen und ihnen die Speisen vor die Nase zu stellen. Es kam niemals heraus, wer die Papageien dressiert hatte. Sie hatten sich auch niemals einfangen lassen und noch Jahre danach wie fliegende Robin Hoods die Armen versorgt.
Kim grinste. Irgendwie war sie sogar froh, dass die Papageien weiter als »Verbrecher« herumgeflogen waren.
Das nächste Bild war ein roter Herzluftballon. Ob der nächste Fall etwas mit Liebe oder so zu tun hatte?
»Und nun kommen wir zum dritten und vielleicht berühmtesten unaufgelösten Fall, der vor vierzig Jahren durch alle Medien ging. Es wurde sogar eine Sonderkommission eingerichtet: die Soko Roter Luftballon. Dahinter steckte eine Einbruchserie der besonderen Art. Niemals wurden Spuren gewaltsamen Eindringens festgestellt, immer wurde nur der wertvolle Schmuck gestohlen und an jedem Tatort hinterließ der Täter oder die Täterin einen dieser roten Herzluftballons.«
»Wie unheimlich!«, rief der Ballonseidenmann.
Kim warf ihm einen erstaunten Blick zu. Dass ein Täter klarmachen wollte, dass der Raub oder sogar Mord zu einer Serie gehörte, und etwas Charakteristisches hinterließ, war gar nicht so selten. Meistens war das tatsächlich rätselhaft oder sogar unheimlich. Aber ein roter Herzluftballon? Der hatte eigentlich nicht besonders viel Gruselpotenzial …
Sie sah zu Franzi und Marie. Die schienen völlig fasziniert zu sein. Mittlerweile hatte Kommissar Peters Kommissarin Aslan das Wort überlassen und sie berichtete von den weiteren Ermittlungen der Soko Roter Luftballon. Peters stand neben ihr, strich sich immer wieder durch die Haare und lachte bei jeder witzigen Bemerkung von ihr laut auf.
Die Zeit verging wie im Flug. Ein Fall war spannender als der nächste, und nach einer guten Stunde luden die beiden Kommissare die Zuschauer ein, einen Blick in die Asservatenkammer zu werfen.
Neugierig drängten sich alle in Richtung Tür. Kommissar Peters bat die Zuschauer, sich in einer Reihe aufzustellen, und Kommissarin Aslan ging voraus.
Kim blieb stehen.
»Was ist?«, fragte Franzi. »Willst du dir die Asservatenkammer nicht ansehen? Vielleicht kann man dort die Häkeltasche von Gerlinde Krämer oder ein paar Papageienfedern sehen. Eher unwahrscheinlich ist allerdings, dass es Reste der Hochzeitsbuffets dort gibt.«
Marie kicherte.
Kim deutete nur auf den Schreibtisch neben dem Beamer, auf dem noch alle Unterlagen und Akten lagen. »Dieser Herzluftballonfall interessiert mich näher. Das gibt es doch nicht, dass die damals gar nichts herausgefunden haben.«
»Die Soko hatte eben keine drei !!!, die ihnen geholfen haben!« Marie zuckte mit den Schultern.
»Was hast du denn vor?«, fragte Franzi.
»Na, ermitteln!« Kim stand auf, zückte ihr Handy und ging unauffällig nach vorne. »Schnell, macht mit, dann haben wir die Akte Roter Luftballon in null Komma nix abfotografiert. Und dann können wir uns unsere eigenen Gedanken dazu machen.«
Die Akte war ganz schön dick. Viele Zeichnungen und Fotos von den verschwundenen Schmuckstücken und ganze Bilderserien von den Tatorten waren zu einem dicken, leicht zerfledderten Bündel zusammengeheftet. Sie drittelten den Stapel und bald hatten sie alles abfotografiert.
»Ganz in Ordnung ist das aber nicht!« Franzi war das schlechte Gewissen ins Gesicht geschrieben. »Wir hätten ja auch fragen können!«
Kim steckte das Handy wieder in den Rucksack. »Kommissar Peters hätte uns auch schon lange fragen können, finde ich. Da hat er so viele schöne ungelöste Fälle und wir haben doch immer wieder zwischendurch eine Detektivflaute!«, wandte Kim ein. »Und wenn wir nichts herausbekommen: egal! So wenig Erfolgsdruck hatten wir noch nie.« Sie heftete die losen Blätter wieder ein. »Jetzt wollen wir mal sehen, wo die anderen sind.«
»Und was machen wir jetzt mit all den Handyfotos?«, fragte Franzi und biss von einem dick belegten Käsebrötchen ab, das sie an einem der Verkaufsstände im Hof gekauft hatte.
»Wir sind ja nachher im Fotostudio, um Davids Mutter zu helfen«, meinte Kim. »Bestimmt dürfen wir uns da Farbausdrucke machen. Dann übersehen wir auch kein Detail.«
»Gute Idee! Was steht da heute an?«, wollte Marie wissen.
»Soweit ich weiß, stehen Ausmisten und Aufräumen auf dem Programm. Im Laufe der Jahre hat Opa Rainer wohl so einiges angesammelt. Und dafür sollten wir uns stärken. Habt ihr den Apfelstrudel vorne beim Kuchenverkauf gesehen?« Kim schleckte sich über die Lippen. »Der duftet bis hierher!«
Franzi lachte. »Kannst mich ja mal beißen lassen. Das muss ich schon aus Konkurrenztest-Gründen für meine Mutter. Nicht, dass es plötzlich einen besseren Apfelstrudel auf der Welt gibt als ihren. Es wäre nicht auszudenken … Allerdings will ich vorher noch etwas ausprobieren. Ich muss unbedingt in dieses Hüpfgefängnis!«
Als die drei !!! vor dem Fotogeschäft Bild&Schön in der Innenstadt ankamen, wehte ein milder Wind und wirbelte ein paar Plastiktüten durcheinander. Franzi fing sie gekonnt auf, zerknüllte sie und warf sie in den nächsten Abfalleimer. »Sieht zwar schön aus, wenn die so tanzen, ist aber schlecht für die Umwelt«, murmelte sie.
Sie sperrten ihre Räder aneinander und öffneten die Ladentüre.
PLING! PLANG! PLONG!
»Es klingelt«, rief jemand jubelnd von hinten. »David, du hast alles richtig gemacht!«
Anne Lindemann, Davids Mutter, betrat den Verkaufsraum und begrüßte die Mädchen. »Schön, dass ihr da seid. Wir haben nämlich genau zwei Stunden an diesem Gong hier herumgebastelt. Und jetzt hat er zum ersten Mal funktioniert. Kommt doch bitte noch einmal rein!«
»Eine meiner leichtesten Übungen«, meinte Franzi und ging aus dem Laden. PLING! PLANG! PLONG! tönte es, als sie die Tür wieder öffnete.