Die drei ??? Erbe des Drachen (drei Fragezeichen) - André Marx - E-Book
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Die drei ??? Erbe des Drachen (drei Fragezeichen) E-Book

André Marx

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Beschreibung

Die drei ??? übernehmen jeden Fall. Ein Leseabenteuer mit Kino-Feeling: Noch vor dem Start von "Die drei ??? – Erbe des Drachen", dem neuen Kinofilm, erscheint bei Kosmos das Buch mit der spannenden Story. Ein Praktikum am Filmset von "Dracula Rises" führt die Detektive tief hinein nach Transsilvanien und auf die Spur des mysteriösen Drachenordens. Nervenkitzel mit Gruselfaktor, illustriert mit tollen Fotos aus dem Film.

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Titel

Die drei ??? Erbe des Drachen

Das Buch zum Film

André Marx

KOSMOS

Impressum

Alle Angaben in diesem Buch erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen. Sorgfalt bei der Umsetzung ist indes dennoch geboten. Verlag und Autoren übernehmen keinerlei Haftung für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden, die aus der Anwendung der vorgestellten Materialien und Methoden entstehen könnten. Dabei müssen geltende rechtliche Bestimmungen und Vorschriften berücksichtigt und eingehalten werden.

Distanzierungserklärung

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Umschlagsabbildung: © 2022 CTMG. All Rights Reserved.

© 2022, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG

Pfizerstraße 5–7, 70184 Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-50650-9

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Die drei DetektiveEin Schrei in der NachtDer Sohn des DrachenEin echtes SchlossDie falsche TreppeWiederauferstandenDer VampirzombieDas verbotene ZimmerÄrgerDer verschwundene BruderRumänische TraditionVergiftetLeuchtende FußspurenStummer AlarmRepta im KreuzverhörImmer noch Freunde?Das DrachenmedaillonJeder für sichJustus führt etwas im SchildeFledermaus-AngriffDie GeheimtürDas leere GrabAlexandrus GeheimnisDie Gräfin hat FragenProfessor Aronnax

DIE DREI DETEKTIVE

»Liebe Rockies, schnallt euch an! Uns steht ein Rekordsommer bevor. Einen besseren Start in die Ferien hätte sich keiner wünschen können. Ich bin DJ Wolfman für Radio Rocky Beach.«

In dem Moment, in dem der Two Door Cinema Club anfangen wollten zu singen, schaltete Justus Jonas das Autoradio aus. Sie waren am Ziel. Der rostige Pick-up seines Onkels hielt vor dem Haus am Stadtrand, wo heute eine Haushaltsauflösung stattfand. Titus Jonas war Trödelhändler und fuhr regelmäßig zu solchen Garagenverkäufen, um Schnäppchen für seinen Schrottplatz zu ergattern. Oder besser gesagt: für sein Gebrauchtwarencenter. Es war sein Neffe gewesen, der diese Bezeichnung vorgeschlagen hatte.

© 2022 Sony Pictures Entertainment GmbH / Wiedemann und Berg Film GmbH / Holger Jungnickel/Kosmos

Justus lebte bei seinem Onkel und seiner Tante Mathilda, seit seine Eltern vor vielen Jahren verunglückt waren. Onkel Titus nahm ihn hin und wieder mit zu Einkaufstouren, damit es beim Auf- und Abladen schneller ging. Doch das war nicht der einzige Grund. Justus hatte sich auch als besonders geschickt erwiesen, wenn es ums Verhandeln ging. Oder darum, Betrüger zu entlarven.

Die Garage und deren Einfahrt waren voller Haushaltswaren, Möbel und Trödelsachen. Ein paar Kaufinteressierte schlenderten umher und begutachteten die angebotene Ware. Onkel Titus versuchte, alles gleichzeitig zu erfassen. Seine Augen begannen zu leuchten, als er zwischen einem alten Rasenmäher und einem aufgerollten Teppich ein hohes, schmales Tongefäß entdeckte.

»Ah, Sie interessieren sich für die Amphore?« Ein junger Mann trat auf die beiden zu, während er ein paar Dollarscheine zählte. »Ein ganz besonders Stück. Es handelt sich um ein spätrömisches Unikat.«

Justus hob eine Augenbraue, schwieg aber zunächst.

»Spätrömisch, sagen Sie?«, fragte Onkel Titus.

»Eine echte Antiquität. Tausend Dollar und es ist Ihre. Eigentlich gehört die Amphore in ein Museum.«

»Die Vase«, sagte Justus.

Der Verkäufer schaute lächelnd auf ihn herab. »Verzeihung?«

»In einer Amphore wurden in der Antike Wein oder Öl gelagert. Die amphora wurde außerdem eine wichtige Maßeinheit. Amphoren zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass man sie nicht aufrecht hinstellen kann, da sie unten spitz zulaufen. Anders als dieses Stück. Das hier ist eine Vase.«

»Oho, ein Experte.«

»Lediglich ein aufmerksamer Beobachter.« Justus nahm die Vase in die Hand und drehte sie um. Auf dem Boden war eine kaum mehr sichtbare Gravur zu erkennen. Er sah genauer hin. »Romae factum.«

»Wie bitte?«

»Da steht Romae factum. Was so viel wie hergestellt in Rom bedeutet. Hast du immer noch Interesse, Onkel Titus?«

Titus Jonas war verunsichert. »Nun ja, eigentlich schon. Aber wenn sie gar nicht antik ist …«

»Natürlich ist sie das«, widersprach der Verkäufer verärgert.

»Das Angebot der Firma Jonas beläuft sich auf fünfzig Dollar«, sagte Justus.

»Na gut, Kleiner. Du hattest deinen Spaß. Da vorne liegen ein paar Bauklötze. Spiel damit.«

Einige Schnäppchenjäger wurden aufmerksam und schauten zu ihnen herüber.

Justus wurde mutiger. »Na schön. Sagen wir, vierzig Dollar.«

Nun wurde der Mann ernsthaft wütend. »Sagen Sie dem Kleinen, er soll seine Späße woanders treiben. Hier werden Geschäfte gemacht.«

Onkel Titus nickte. »Die Frage ist nur, was für welche.«

»Offensichtlich hat dieser Mann ein nicht zu unterschätzendes Potenzial an krimineller Energie«, sagte Justus und tat so, als würde er vertraulich mit seinem Onkel reden. Doch in Wahrheit sprach er ziemlich laut und sorgte dafür, dass alle Umstehenden es mitbekamen. »Eine verwitterte Vase aus einem italienischen Gartencenter als echte Antiquität verkaufen zu wollen, ist streng genommen ein Betrugsversuch.« Das letzte Wort sprach er extra laut und deutlich aus.

Der Verkäufer riss alarmiert die Augen auf und gestikulierte wild, damit Justus aufhörte zu reden. »Nicht doch!«, zischte er.

Justus lächelte zufrieden. »Ich nehme an, das bedeutet, Sie sind bereit zu verhandeln.« Sein Lächeln wurde breiter. »Sagen wir, dreißig?«

Die Luft flirrte über der Tartanbahn. Peter Shaw wartete konzentriert in seinem Startblock.

© 2022 Sony Pictures Entertainment GmbH / Wiedemann und Berg Film GmbH / Holger Jungnickel/Kosmos

Die Stimme seines Trainers hallte über den Sportplatz.

»Auf die Plätze …«

Peter schaute ein letztes Mal zur Zuschauertribüne. Das Rennen war gut besucht. Viele seiner Mitschüler waren da und auch viele Eltern. Sein Vater allerdings nicht. Obwohl er es versprochen hatte. Wieder einmal.

»Fertig …«

Verärgert schüttelte Peter den Gedanken ab. Er war in einem Wettkampf und musste sich konzentrieren. Er musste –

Ein Schuss zerriss die Luft. Peter verpasste den perfekten Start und sah seine Kontrahenten links und rechts an sich vorbeiziehen. Aber das war noch kein Drama. Er hatte lange Beine. Er holte auf.

Die erste Hürde nahm er elegant. Die zweite ebenfalls. Er ließ Dawson und Philip hinter sich. Nur Jeffrey war noch vor ihm. Die dritte Hürde. Die vierte. Jeffrey und Peter lagen gleichauf. Peter überholte ihn. Da vorn war schon die Ziellinie.

Bei der letzten Hürde blieb Jeffrey hängen. Er stürzte schwer.

Peter war so erschrocken, dass er sich zu Jeffrey umdrehte und dabei langsamer wurde. Dawson zog an Peter vorbei und rannte als Erster durchs Ziel.

Da war das Rennen auch schon vorbei. Applaus brandete auf. Peter war mit einer halben Sekunde Rückstand Zweiter geworden.

»Alles in Ordnung?«, fragte er und half Jeffrey auf.

»Ja, nichts passiert.« Jeffrey klopfte sich den roten Staub von den Beinen. »Blöde Hürde.«

»Es ist nun mal ein Hürdenlauf.«

Ihr Trainer kam vorbei und erkundigte sich nach Jeffrey. »Nichts gebrochen? Gut.« Er klopfte ihm auf die Schulter. »Du weißt ja, wie’s läuft. Der Letzte räumt auf.« Er drehte sich zu seinen Schülern um. »Den anderen schon mal schöne Ferien!«

Peter ging zu seinen Sachen, die am Rand der Laufbahn lagen. Er hatte eine Nachricht von seinem Dad auf dem Handy.

»Hey, Peter, ich schaff’s heute leider nicht. Ich komme hier einfach nicht weg. Tut mir wirklich leid. Ich mach’s wieder gut, versprochen. Viel Erfolg.«

Das war mal wieder typisch. Frustriert warf Peter das Handy zurück in die Tasche und schaute hinauf zur Tribüne. Dort hatten die meisten Eltern ihre Kinder inzwischen in Empfang genommen. Peter sah Jeffreys Vater, der geduldig auf seinen Sohn wartete. Peter ging zu Jeffrey, der gerade dabei war, eine Hürde wegzutragen. Er nahm sie ihm aus der Hand. »Ich mach das schon.«

Jeffrey sah ihn verwundert an. »Wirklich?«

»Klar. Dein Dad wartet auf dich. Schöne Ferien!«

»Dir auch. Du fliegst mit deinem Vater nach Europa, stimmt’s? Zu Dreharbeiten für einen Kinofilm? Total cool!«

»Ja«, sagte Peter ohne jede Begeisterung. »Total cool.«

Die Stadtbibliothek von Rocky Beach war menschenleer. Staub tanzte im Sonnenlicht, das schräg durch die Fenster fiel. Bob Andrews saß ganz allein an einem der Arbeitstische, auf dem er stapelweise Bücher über Rumänien ausgebreitet hatte, und las.

Für die große Reise wollte er gut vorbereitet sein. Außerdem musste er sich entscheiden, welches der vielen Bücher er mitnahm. Für mehr als eines war in seinem Handgepäck kein Platz mehr. Aber er kam überhaupt nicht dazu, in die anderen Bücher zu schauen, weil er sich in Transsilvanien: Fakten und Legenden von Luciana Ionescu festgelesen hatte. Es war faszinierend!

Ein Schatten fiel auf den Tisch. Überrascht hob Bob den Kopf.

Die Bibliothekarin Miss Bennett stand lächelnd vor ihm. Seine Chefin gewissermaßen, denn Bob half manchmal in der Bibliothek aus.

»Solltest du nicht schon längst zu Hause sein und deinen Koffer packen für deinen Sommertrip?«

»Der ist schon längst gepackt.« Bob schaute auf die Uhr. »Verflixt, ich muss aber trotzdem los. Ich bin mit Peter und Justus auf dem Schrottplatz verabredet.« Er schlug das Buch zu. »Das nehme ich mit.«

Miss Bennett nickte. »Und das hier ebenfalls.« Sie drückte ihm ein kleines Päckchen in die Hand.

Neugierig öffnete Bob das Geschenk. Es war eine kleine, etwas abgenutzte Action-Cam, eine robuste Kamera, mit der man sogar unter Wasser filmen konnte.

»Eine kleine Aufmerksamkeit für die fleißigste Aushilfskraft, die ich je hatte.«

Bob staunte. »Aber Miss Bennett, die war doch bestimmt viel zu teuer.«

Sie zwinkerte ihm zu. »Die hat vor Jahren jemand hier vergessen und nie wieder abgeholt.«

Bob umarmte die Bibliothekarin. »Sie sind die Beste, Miss Bennett!«

© 2022 Sony Pictures Entertainment GmbH / Wiedemann und Berg Film GmbH / Holger Jungnickel/Kosmos

Er schnappte sich seinen Rucksack. »Ich muss jetzt leider wirklich los.«

Er war schon fast beim Ausgang, da fiel Miss Bennett noch etwas ein. »Augenblick noch, Bob.« Sie reichte ihm eine zusammengefaltete Zeitung, die auf dem Tresen der Ausleihe gelegen hatte. »Da ist ein Artikel drin, der dich interessieren dürfte. Viel Spaß!«

»Danke. Schöne Ferien. Vermissen Sie mich nicht zu sehr!«

Bob schlug die Zeitung gleich am Fahrradständer auf. Sofort fand er den Artikel, den Miss Bennett gemeint haben musste. Jetzt hatte er einen weiteren Grund, schnellstens zum Schrottplatz zu radeln. Davon musste er Peter und Justus unbedingt berichten!

EIN SCHREI IN DER NACHT

Zehn Minuten später rollte Bob mit seinem Rad durch die Hofeinfahrt des Gebrauchtwarencenters T. Jonas, winkte Justus’ Tante zu, die gerade mit einem Kunden verhandelte, und steuerte auf einen Berg aus Schrott und Altmetall zu, der sich in einer hinteren Ecke des Geländes auftürmte. Inmitten dieses Bergs stand ein alter Kühlschrank, der niemandem weiter aufgefallen wäre. Lediglich ein aufmerksamer Beobachter hätte bemerkt, dass auf dem Griff der Kühlschranktür kein Staub lag.

Bob zog die Tür auf und kletterte in den Kühlschrank hinein. Die hintere Wand ließ sich aufklappen. Daran schloss sich ein kurzer Wellblechtunnel an, der in einen alten Campinganhänger mündete – ihre Detektivzentrale. Der ausrangierte Anhänger stand schon seit Jahren auf dem Schrottplatz. Irgendwann hatte Justus ihn seinem Onkel abgeschwatzt. Seitdem durften die drei Jungen ihn benutzen. Als Gegenleistung packten sie regelmäßig auf dem Schrottplatz mit an.

Bob betrat die Zentrale. Hier hatten sie alles, was sie brauchten: einen Telefon- und Internetanschluss, eine kleine Küche, Regale voller Akten und Nachschlagewerke und ein paar zerschlissene Sessel vom Schrottplatz.

Die anderen waren schon da. Peter lümmelte in seinem Lieblingssessel, während Justus in ihrer Detektivausrüstung kramte.

»Wir haben es in die L.A. Post geschafft«, verkündete Bob die Neuigkeiten und faltete die Zeitung auseinander. »Also, nicht wir. Aber der Film. Seht mal, eine halbe Seite. Dein Dad wird auch erwähnt, Peter. Hier steht: Regisseurin Annabeth Parker interpretiert Klassiker neu. Die renommierte Regisseurin Annabeth Parker nimmt sich einmal mehr einer bereits vielfach durch die Filmgeschichte gewandelten Figur an: Graf Dracula. Unter dem Titel Dracula Rises wird die Neuinterpretation des klassischen Gruselstoffs an Originalschauplätzen in Transsilvanien gedreht. In der Titelrolle darf ein Mann zurückkehren, der bereits vor dreißig Jahren dem berühmtesten Vampir der Filmgeschichte Leben eingehaucht hat: Steven Yates. Die Riege der Schauspieler wird erweitert durch die als Scream Queen bekannt gewordene Betty Rider. Nicht nur die Wahl des Drehorts in Rumänien, sondern auch der Verzicht auf computergenerierte Bilder soll den Film von der derzeitigen Hollywood-Massenware abheben, so Parker. Die klassischen Spezialeffekte werden von Henry Shaw und dessen in Rocky Beach ansässiger Firma Wonderland übernommen.« Bob ließ die Zeitung sinken. Er strahlte. »Das wird total cool.«

»Die drei ??? in Rumänien«, sagte Justus und ging zu einer großen Weltkarte, die an der Wand hing. Er suchte das kleine europäische Land und drückte einen roten Pin hinein. Er war ziemlich weit vom blauen Pin, der Rocky Beach markierte, entfernt.

»Was denn nun eigentlich, Rumänien oder Transsilvanien?«, fragte Peter. »Gibt es da einen Unterschied oder ist das ein und dasselbe?«

»Transsilvanien ist ein Teil von Rumänien und grenzt an andere rumänische Regionen wie zum Beispiel die Walachei oder die Karpaten«, erklärte Bob. »Wir fliegen also nach Transsilvanien in Rumänien.«

»Karpaten«, murmelte Peter.

»Das wird sicherlich eine spannende und lehrreiche Reise«, meinte Justus. »Und da es morgen losgeht, sollten wir mit dem Packen beginnen.«

© 2022 Sony Pictures Entertainment GmbH / Wiedemann und Berg Film GmbH / Holger Jungnickel/Kosmos

»Also, ich bin schon fertig«, verkündete Bob. »Mein Koffer steht zu Hause neben meinem Bett. Von mir aus kann’s losgehen.«

»Ich rede nicht von Zahnbürsten und Unterhosen.« Justus stellte eine zerschlissene Sporttasche auf den Boden und legte das Set mit dem Fingerabdruckpulver und ein Fernglas hinein. »Wir sollten für alle Fälle gewappnet sein.«

Peter hob zweifelnd eine Augenbraue. »Was sollen wir denn damit? Wir machen ein Praktikum bei meinem Dad. Da gibt es keinen Fall.«

»Deswegen ja für alle Fälle. Man weiß nie, in welche unerwarteten Situationen man gerät. Die Aufgabe eines Detektivs ist es, jederzeit einsatzbereit zu sein.«

»Ach ja?« Peters Augenbraue blieb oben.

Justus nahm ihre alte Kamera aus einer Schublade, um sie in die Tasche zu legen, doch Bob hielt ihn zurück. »Ich glaube, es wird Zeit für ein Upgrade.« Er kramte die Action-Cam von Miss Bennett aus seinem Rucksack und legte sie in die Tasche.

Justus nickte anerkennend und schaute auffordernd zum Zweiten Detektiv.

Peter verdrehte die Augen und kramte in seinen Hosentaschen. Er fand eine Packung Streichhölzer mit Werbeaufdruck der Firma Wonderland. Betont desinteressiert warf er sie in die Tasche. »Zufrieden?«

Das war der Erste Detektiv augenscheinlich nicht, aber bevor er etwas erwidern konnte, rief von draußen seine Tante nach ihm.

»Juuustuuus!«

»Oje, deine Tante Mathilda …«, sagte Peter.

Der Erste Detektiv seufzte. »Sie will mich bestimmt noch mal daran erinnern, dass ich ihr unbedingt ein Autogramm von Steven Yates mitbringen soll.«

»Dem Dracula-Darsteller?«, fragte Bob.

Justus nickte. »Damit geht sie mir schon seit Tagen auf die Nerven. Sie ist ein Riesenfan. Seit sie weiß, dass wir Yates begegnen werden, guckt sie alle seine alten Gruselfilme noch mal.«

»Dann verschwinden wir mal besser«, meinte Peter. »Wir treffen uns morgen früh bei Wonderland.«

»Bis dann!« Bob winkte und gemeinsam verließen sie die Zentrale.

Bob und Peter fuhren noch ein kleines Stück zusammen mit dem Rad, bevor Peter in Richtung des kleinen Gewerbegebiets von Rocky Beach abbog. Es war Abend geworden. Er wollte seinen Vater abholen, der bestimmt noch in der Werkstatthalle von Wonderland einige letzte Vorbereitungen für die Reise traf.

Die Tür zur Halle war nur angelehnt. Drinnen beleuchtete eine einzelne Neonröhre das Labyrinth aus Filmrequisiten, das sich im Laufe der Jahre angesammelt hatte: täuschend echt aussehende Fackelhalter, Armbrüste und Morgensterne aus dem letzten Historienfilm, Raumschiffe und Laserkanonen, Tierköpfe, abgetrennte Körperteile und in einer Ecke stand ein Sarg.

Mr Shaws Mitarbeiter hatten schon Feierabend oder waren bereits vor ein paar Tagen nach Rumänien aufgebrochen. In der Halle war niemand mehr. Doch im Büro auf der zweiten Ebene, die man über eine Stahltreppe erreichte, brannte noch Licht. Hinter der geriffelten Scheibe sah Peter schemenhaft eine Gestalt, die sich über einen Laptop beugte. Er hörte leises Gemurmel. Anscheinend führte jemand ein Videogespräch.

Plötzlich hallte ein Schrei aus dem Büro.

Erschrocken eilte Peter die Stahltreppe empor. Die Bürotür war nur angelehnt. Dahinter saß sein Vater, der über einen Laptop mit Hank sprach, einem seiner Mitarbeiter.

»Hank?«, rief sein Vater. »Was war das? Wer hat da geschrien? Ist alles in Ordnung bei dir?«

»Ich w-- ni--. Ich schau mal -ach«, drang Hanks abgehackte Stimme aus den Lautsprechern. Das Bild war verpixelt und ruckelig.

»Hank? Ich verstehe dich kaum. Die Verbindung ist eine Katastrophe. Du brichst ständig ab.«

»Der Empf-ng auf dem --oss ist n-cht g-t.« Hank schien mit seinem Handy oder seinem Laptop umherzulaufen. Peter erkannte schemenhaft dunkle Korridore und Wände aus Stein. Ein weiterer verzerrter Schrei erklang. Dann kam eine Frau ins Bild gerannt. Sie trug die Haare zu zwei Zöpfen gebunden, die sie wie eine Krone um ihren Kopf gewickelt hatte. Ihr Gesicht war voller Angst, als sie in einer fremden Sprache auf Hank einredete.

»Wa- ist passie-? Verz--ung? Tut mir --d, ich spr--e k-n R--nisch.«

»Vlad!«, sagte die Frau und deutete in den dunklen Gang hinein. »V-d! -lad!«

Beim Versuch, mehr zu verstehen, lehnte Peter sich zu stark gegen die Tür. Sie schwang auf und er stolperte ins Büro.

Mr Shaw zuckte zusammen. »Peter? Was machst du denn hier? Hank, ich muss Schluss machen. Du hast alles unter Kontrolle, oder? Wenn noch etwas fehlt, das wir morgen unbedingt mitbringen sollen, dann schreib mir eine Nachricht, hörst du?«

»Ha- v-rstand-«, sagte Hank und reckte zur Sicherheit den Daumen in die Kamera. Dann brach die Verbindung ab.

»Hey, Peter. Da bist du ja. Tut mir leid wegen des Wettkampfs heute. Ich wollte wirklich kommen, aber es war –«

»Viel los«, sagte Peter nickend.

»Wie ist es denn gelaufen?«

»Zweiter«, sagte Peter. »Nur Dawson war schneller.«

»Das ist doch hervorragend!«, rief Mr Shaw übertrieben freudig.

Peter winkte ab. Er hasste es, wenn sein Vater so verzweifelt versuchte, etwas wiedergutzumachen.

»Nächstes Mal komme ich ganz bestimmt.«

»Schon gut.« Peter zeigte auf den Laptop. »Was war denn da gerade los?«

»Hast du etwa gelauscht?«

»Ich habe nur mitbekommen, dass jemand geschrien hat.«

»Irgendwelcher Ärger auf dem Schloss«, sagte sein Vater und bedachte ihn mit einem prüfenden Blick, während er den Laptop zuklappte. »Bist du etwa schon wieder im Detektivmodus? Ich habe mich sehr dafür eingesetzt, dass ihr drei mich für ein Praktikum zu den Dreharbeiten begleiten dürft. Da kann ich keine Kinder gebrauchen, die Detektiv spielen. Ich kann mich doch auf euch verlassen, oder?«

»Klar, Dad«, sagte Peter und fragte sich im Stillen, ob er sich eigentlich auch auf seinen Vater verlassen konnte.

»Hey, der zweite Platz ist doch gar nicht schlecht«, sagte Mr Shaw, als hätte er Peters Gedanken gelesen, und wuschelte ihm durchs Haar.

Genervt zog Peter seinen Kopf weg. »Es war keine große Sache, Dad, bloß ein blödes Rennen. Ich warte unten auf dich.« Er ließ seinen Vater stehen und verließ das Büro.

© 2022 Sony Pictures Entertainment GmbH / Wiedemann und Berg Film GmbH / Holger Jungnickel/Kosmos

DER SOHN DES DRACHEN

Am nächsten Vormittag trafen sich die drei Detektive wie verabredet vor der Wonderland-Halle. Peter brannte darauf, seinen Freunden zu erzählen, was am Abend zuvor geschehen war, aber zunächst mussten sie Mr Shaw helfen, einige letzte Kisten mit Equipment, das für die Dreharbeiten benötigt wurde, in seinen Lieferwagen zu verfrachten. Ursprünglich hatten Bobs Eltern sowie Tante Mathilda und Onkel Titus die drei bis zum Flughafen begleiten wollen. Doch Bob und Justus war es gelungen, das zu verhindern, damit es nicht zu peinlichen Abschiedsszenen kam.

Sie waren gerade ins Auto gestiegen, da klingelte Mr Shaws Handy. »Hallo, Annabeth. Wir sind so gut wie auf dem Weg. Wie bitte? Nein, noch nicht.« Mr Shaw stieg wieder aus, während er mit der Regisseurin telefonierte.

Peter ergriff die Gelegenheit. »Ihr kennt doch Hank, den Assistenten meines Vaters?«, fragte er mit gesenkter Stimme. »Hank ist schon in Rumänien auf Schloss Dingsbums.«

»Piatr«, sagte Bob.

»Meine ich ja. Jedenfalls haben die beiden gestern einen Videocall gehabt und ich bekam zufällig mit, wie im Hintergrund plötzlich eine Frau schrie.«

»Was für eine Frau?«, hakte Justus nach.

»Keine Ahnung. Eine Rumänin anscheinend. Hank ist nämlich zu ihr und wollte wissen, was los ist. Sie hat auf Rumänisch geantwortet. Ich habe nur ein Wort verstanden, weil sie es immer wiederholt hat: Vlad.«

Justus wurde hellhörig. »Etwa Vlad Drculea?«

»Dracula?«, fragte Peter erschrocken.

Bob schüttelte den Kopf. »Vlad Drculea. Der Woiwode.«

»Der was?«

»Woiwode. Ein rumänischer Feldherr. Erzähl mir nicht, dass du das Drehbuch immer noch nicht gelesen hast.«

»Welches Drehbuch?«

»Das Drehbuch für den Film, zu dessen Dreharbeiten wir gleich aufbrechen«, belehrte ihn Bob. »Der ganze Film handelt von dem Typen.«

»Ich denke, der Film handelt von Dracula.«

Bob seufzte. »Ja und nein. Vlad Drculea war eine reale Person, die im 15. Jahrhundert in Transsilvanien gelebt hat. Das habe ich alles in diesem Buch hier nachgelesen. Heute kennt man Vlad vor allem deshalb, weil er das Vorbild für eine berühmte literarische Figur wurde, nämlich Graf Dracula.«

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»Also doch.«