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Jetzt das eBook zum Einführungspreis sichern! Ihre große Liebe gilt dem Fechten, ihr Herz ist unbesiegbar - bis sie gegen ihn kämpft ... Mit dem spannenden historischen New-Adult-Liebesroman Die Duellantin entführt Regina Meissner ins prachtvolle Mailand des Jahres 1850. Elenas Familie träumt von einer standesgemäßen Hochzeit – doch die 24-Jährige übt sich lieber im Fechten mit ihrem besten Freund Matteo. Sie springt sogar bei einem Duell seiner Studentenverbindung für ihn ein. Ihr Gegner ist kein Geringerer als der mysteriöse Valentino, der für seine Fechtkunst ebenso berühmt wie berüchtigt ist. Während des Kampfes entdeckt Elena nicht nur ihre eigene Stärke: Sie fühlt sich auf eine Weise von Valentino angezogen, die ihr bislang fremd war. Zwischen der jungen Frau aus gutem Hause und dem geheimnisvollen, charismatischen Fechter entwickelt sich eine leidenschaftliche Verbindung, die mehr als nur Elenas Herz auf die Probe stellt. Doch kann sie Valentino wirklich trauen? Und wird sie in einer von Männern und den Erwartungen ihrer eigenen Familie dominierten Welt ihren eigenen Weg finden? New-Adult-Liebesroman vor historischem Setting, mit viel Spice und Sport in Mailand - das Leben einer jungen Frau zwischen illegalen Duellen und eleganten Abendbällen Regina Meissners Fähigkeit, sprachlich Welten zu erbauen, die vor dem inneren Auge der Leser*innen real werden, ist wirklich einzigartig. Die Handlung strotzt vor überraschenden Wendungen und kombiniert die Sehnsucht nach Romantik mit modernen Themen wie Emanzipation, weiblichem Self-Empowerment und etwas Spice. Gänsehaut garantiert! Diese beliebten Tropes sind enthalten: - slow burn - female gaze - enemies-to-lovers - love triangle
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Seitenzahl: 566
Regina Meissner
Kein Herz ist unbesiegbar
Roman
Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.
Ihre große Liebe gilt dem Fechten, ihr Herz ist unbesiegbar – bis sie gegen ihn kämpft ...
Italien, 1850: Elenas Familie träumt von einer standesgemäßen Hochzeit – doch die 24-Jährige übt sich lieber im Fechten mit ihrem besten Freund Matteo. Sie springt sogar bei einem Duell seiner Studentenverbindung für ihn ein. Ihr Gegner ist kein Geringerer als der mysteriöse Valentino, der für seine Fechtkunst ebenso berühmt wie berüchtigt ist. Zwischen der jungen Frau aus gutem Hause und geheimnisvollen, charismatischen Fechter entwickelt sich eine leidenschaftliche Verbindung. Doch kann sie ihm wirklich trauen? Und wird Elena ihren eigenen Weg finden?
Slow burn enemies-to-lovers Romance und aufregender Sport im prachtvollen historischen Mailand
Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de
Hinweis auf Triggerwarnung
Widmung
Playlist
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Epilog
Danksagung
Triggerwarnung
Bei manchen Menschen lösen bestimmte Themen ungewollte Reaktionen aus. Deshalb finden Sie am Ende des Buches eine Liste mit sensiblen Inhalten.
Für Jonas.
Weil du der Einzige bist, der so an mich glaubt wie Matteo an Elena.
Für meine Leser*innen.
#Sorrynotsorry für die Ereignisse am 4. Juli
Gang of Youths – Achilles Come Down
Lana Del Rey – Chemtrails Over The Country Club
Taylor Swift – Right where you left me
MGMT – Little Dark Age
SYML – Mr. Sandman
Austin Giorgio – You Put A Spell On Me
Cigarettes After Sex – Apocalypse
Alba August – Killing Time – The Circle° Sessions
Soap&Skin – Me and the Devil
Tamino – Persephone
David Kushner – Daylight – slowed + reverb
FINNEAS – Lost My Mind
Lana Del Rey – Brooklyn Baby
Matt Maltese – As The World Caves In
James Blake – When We’re Older
Mumford & Sons – Wild Heart
Sufjan Stevens – Fourth of July
Rory Sturgeon – This Thing They Call Wonderful (For Theo)
John Lensing – Magnolias in Autumn
Mailand, März 1850
Irgendwann fand ein jeder Mensch etwas, bei dem er sich lebendig fühlte. Bei dem er wusste, dass er am richtigen Ort zur richtigen Zeit war und sich alles irgendwie fügte.
Für mich war es der Moment, in dem ich meinen Degen aus der Scheide zog, die Finger um den Griff schlang und den Blick auf meinen Gegner richtete.
Matteo näherte sich mir mit schnellen Schritten, seine Klinge blitzte in der Sonne, ehe sie mit einem klirrenden Geräusch auf meine traf. Ich wich nach hinten aus und konterte mit einem Hieb, der Matteos Brust nur knapp verfehlte. Durch die feinmaschige Maske, die er trug, konnte ich seine Augen lediglich erahnen. Dennoch wusste ich genau, wie er in diesem Moment aussah: seine karamellfarbenen Augen zu Schlitzen verengt, die vor Anspannung pochende Ader auf seiner Stirn, seine Miene hoch konzentriert.
Mein Herz begann schneller zu schlagen, ein warmes Gefühl tobte durch meinen Körper, als ich zum nächsten Angriff ansetzte. Wie von selbst legten sich meine Lippen in ein Lächeln. Mit einem scharfen Zischen durchschnitt mein Degen die Luft. Matteo parierte, indem er seine Waffe hob und die Klingen aufeinandertrafen.
Vielleicht war das mein Lieblingsgeräusch.
Zügig kämpfte ich mich voran, trieb Matteo immer näher gegen die Häuserwand und ließ ihn nicht eine Sekunde aus den Augen. Geschickt umrundete er einen der Blumenkübel, in dem die ersten Tulpen des Jahres blühten.
Meine Lippen waren fest aufeinandergepresst. Die Sonne schien erbarmungslos auf uns herab, es war ein ungewöhnlich warmer Frühlingstag. Auf meinem Rücken sammelten sich bereits Schweißtropfen.
Mehrmals berührten sich unsere Klingen, ohne dass einer einen Treffer landete. Kurz bevor Matteo gegen die Steinwand prallte, vollführte er eine geschickte Drehung nach links und schnellte auf mich zu. Im letzten Moment gelang es mir, seinen Angriff abzuwehren und seine Klinge nach unten rechts abzulenken. Matteos Atem ging schwer, als er zu einem kräftigen Stoß ansetzte. Unsere Degen trafen sich in der Luft, Stahl prallte auf Stahl. Meine Hand schloss sich fester um den Griff, während ich mein Gewicht gleichmäßig auf beide Beine verteilte. Die Welt um mich herum verschwand, es gab nur noch mich und ihn, nur noch uns beide, diesen Kampf und …
»Signorina Elena!«
Ich erstarrte in der Bewegung, den Degen noch erhoben – und sah, wie Matteo seine Waffe sinken ließ und sich die Maske vom Kopf zog. Sein Haar, so schwarz wie Pech, war durcheinandergeraten und an den Spitzen leicht zerzaust. Eine sanfte Röte stand auf seinen Wangen.
Der Hinterhof, in dem wir uns duellierten, war ein runder, offener Platz, der nur hier und da von einer Terrakottavase oder einer Sitzbank durchbrochen wurde. Auf dem Steinboden unter uns reflektierte sich die Sonne.
»Signorina Elena!«, erklang es erneut, was mich genervt aufseufzen ließ.
»Wir sehen uns morgen«, sagte Matteo mit einem Lächeln auf den Lippen und zwinkerte mir verschmitzt zu.
»Es tut mir leid«, flüsterte ich, auch wenn er das unter meinem Gesichtsschutz gar nicht hören konnte. Und das tat es. Weil es nicht das erste Mal war, dass uns jemand unterbrach. Nicht das erste Mal, dass ich aufhören musste, das zu tun, das ich so sehr liebte.
Matteo verstaute seinen Degen in einem ledernen Futteral. Seufzend reichte ich ihm auch meine Waffe und drehte mich zu Rosalia, unserem Dienstmädchen, um. Ein missmutiger Zug lag um ihren Mund, der die Falten unter ihren Augen verstärkte. Gleichzeitig entdeckte ich Besorgnis in ihrem Blick.
»Signorina Elena, Ihre Tante hat schon überall nach Ihnen suchen lassen.«
Mit einem Ruck riss ich mir die Maske vom Kopf – und Rosalia die Augen auf. Mit den ungekämmten Haaren, die ich vor dem Kampf nicht einmal zusammengebunden hatte, musste ich ein erbärmliches Bild abgeben.
»Was hast du mit deinen Haaren angestellt?« Vor Schreck wechselte sie ins informelle Du, was sie sonst nur tat, wenn wir unter uns waren. Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Wie sollen wir die ganzen Knoten aus deinen Locken bekommen? Die Zeit drängt, beeil dich!«
»Es tut mir aufrichtig leid, ich habe die Zeit vergessen.«
Ich warf Matteo einen schnellen Blick zu, woraufhin dieser meine Maske an sich nahm und sich mit einem Nicken verabschiedete. Als er um die Häuserecke verschwunden war, ergriff Rosalia meinen Arm. »Du musst dich beeilen. Livia ist bereits fertig und wartet im Salon.«
In ihrem Blick lag eine Dringlichkeit, die mich an etwas erinnerte. An ein Ereignis, das ich erfolgreich verdrängt hatte und welches sich jetzt mit Pauken und Trompeten in mein Bewusstsein drängte: der Ball im Palazzo dei Venti.
»Die Kutsche holt euch in weniger als einer Stunde ab, und du bist noch nicht einmal angekleidet.« Rosalia kam noch ein Stück auf mich zu. »Deine Tante stellt große Erwartungen an diesen Abend«, erinnerte sie mich. Sie klang streng, ein Charakterzug, den ich in den letzten Jahren immer öfter an ihr wahrgenommen hatte.
Um keine Zeit zu verlieren, ließ ich mich von ihr über den Hinterhof führen. Hier hielt sich für gewöhnlich niemand auf, weswegen es mein liebster Platz war, um fechtend gegen Matteo anzutreten. Ich ging die drei Stufen hinauf, bis ich über den Dienstboteneingang in unsere Villa gelangte. Tante Paola gefiel es nicht, wenn ich mich von hinten ins Haus schlich, aber was sie nicht wusste, hatte sie nicht zu kümmern.
Die altbekannte Note aus Duftwasser und frisch geschnittenen Blumen schlug mir entgegen und wurde stärker, als ich mich ein Stockwerk höher im Eingangsbereich wiederfand. Ein roter Teppich dämpfte meine Schritte. Ungehindert schien die Sonne durch die goldumrahmten Fenster und ließ den Raum, der weitflächig und rund geschnitten war, erstrahlen. Für einen Moment dankte ich Maria, der Muttergottes, dafür, dass die dunklen Tage vorüber waren und der Frühling Einzug gehalten hatte. Auf der Fensterbank standen Töpfe mit Magnolien und Narzissen, Boten einer Jahreszeit, die gerade erst begonnen hatte.
»Da bist du ja endlich!« Tante Paola wartete auf der obersten Treppenstufe im ersten Stock, die Arme missmutig vor der Brust verschränkt. Ihr rechter Fuß tippte energisch auf den Boden, und ich musste nicht eins und eins zusammenzählen, um zu verstehen, dass ich ihre Geduld überstrapaziert hatte. Ein Anflug schlechten Gewissens überkam mich. Eilig nahm ich zwei Stufen auf einmal, doch als ich bei ihr angekommen war, drängte sie mich gegen die Wand, an der das Gemälde einer Alpenlandschaft hing. »Was hast du schon wieder getrieben? Enrico holt uns gleich ab, und du siehst aus, als wärst du in einen Straßenkampf geraten.«
Peinlich berührt blickte ich auf meinen grauen einfachen Rock, der eine Wäsche dringend nötig hatte. Auch meine Stiefel strotzten vor Schmutz, doch ich hatte keinen Anlass gesehen, sie zu putzen. Obwohl Tante Paola mich mehrfach ermahnt hatte und wir dieses Gespräch nicht zum ersten Mal führten, schaffte ich es einfach nicht, mich um meine Kleidung zu kümmern. Sie erfüllte für mich allenfalls einen praktischen, nicht aber einen ästhetischen Zweck. Ich mochte alles, was angenehm und leicht zu tragen war – und mein Fechtkostüm, denn das war die einzige Art von Kleidung, in der ich mich wie ich selbst fühlte.
»Rosalia? Sorgen Sie dafür, dass meine Nichte vorzeigbar ist.« Tante Paolas Lippen waren zu einer schmalen Linie zusammengepresst. »Dieser Abend ist für uns alle, vor allem aber für dich, Elena, von entscheidender Bedeutung.«
Rosalia, die noch am Fuß der Treppe neben der Eingangsbank stand, nickte dienstbeflissen, kam zu uns nach oben und führte mich in eines unserer Ankleidezimmer, das sich am Ende des Gangs befand. In dem Raum roch es immer etwas stickig, was nicht zuletzt auf das viel zu kleine Fenster zurückzuführen war.
Rosalia schloss die Tür geräuschvoll hinter mir. »Gefällt es dir?«, fragte sie, als wir uns allein wähnten. Sie machte eine ausholende Handbewegung, die die Hälfte des Zimmers, vor allem aber die Schneiderpuppe mit einschloss, die vor dem wuchtigen Kleiderschrank stand.
Mir klappte die Kinnlade herunter. Nicht etwa, weil das dunkelgrüne Kleid mir nicht zusagte, sondern weil es das prächtigste Gewand darstellte, das mir je unter die Augen gekommen war.
»Deine Tante hat es nach deinen Vorlieben anfertigen lassen. Das Dunkelgrün harmoniert wunderschön mit deinem braunen Haar. Du wirst bezaubernd darin aussehen.« Rosalia machte einen Schritt auf die Schneiderpuppe zu. »Dazu trägst du die Perlenkette, die du zum Geburtstag bekommen hast.«
Ungeduldig winkte sie mich zu sich heran, weil ich immer noch wie angewurzelt neben der Kommode stand.
Das hier war nicht nur ein Kleid. Es war ein Zeichen, ein Versprechen – vielleicht auch eine Drohung. Meine Hände ballten sich zu Fäusten, Wut stieg in mir auf, weil ich in eine Rolle gesteckt wurde, die ich nicht fühlte. Ich wusste, wie viel Tante Paola sich von diesem Abend erhoffte – und welcher Druck deswegen auf mir lastete.
»Wirf mal einen Blick auf den Rock. Er besteht aus neun Schichten Seide und Tüll. Genauso wird es derzeit in Paris getragen.«
Endlich schaffte ich es, mich dem Kleid zu nähern. Es bestand kein Zweifel daran, dass es wunderschön war. Und dennoch breitete sich ein Engegefühl in meiner Kehle aus, als ich mit den Fingern über das mit Strasssteinchen verzierte Mieder fuhr. Ich hatte schon früher Tanzveranstaltungen besucht, allerdings in deutlich schlichteren Kleidern. Um keinen Ball hatte Tante Paola so einen Wirbel gemacht wie um den bevorstehenden im Palazzo dei Venti. Und obwohl ihre Aufmerksamkeit sonst eher meiner Cousine Livia galt, schien sie heute auf mich fixiert zu sein.
Auf dem Boden standen aus Seide gefertigte Ballerinas, die leicht genug waren, dass ich mich den ganzen Abend frei in ihnen bewegen konnte. Der Gedanke an das Tanzprogramm trieb mir den Schweiß auf die Stirn. Ich wusste, wie man sich mit einem Degen verteidigte, ich konnte ein Florett führen und Matteo innerhalb weniger Minuten entwaffnen, aber wenn es ums Tanzen ging, versagte ich auf ganzer Linie.
»Hat es dir die Sprache verschlagen?« Rosalia legte den Kopf schief, wodurch ihr eine Strähne ihres kupferfarbenen Haares ins Gesicht fiel. »Trifft das Kleid nicht deinen Geschmack? Vielleicht hättest du …«
»Es ist traumhaft«, entgegnete ich schnell. »Ich …«
… kann mich nur selbst nicht darin sehen.
Wenn ich meine schmale Gestalt im Spiegel betrachtete, wusste ich, wer die vierundzwanzigjährige Frau war. Ich wusste, wer meinen Blick erwiderte.
Eine halbe Stunde später war ich mir da nicht mehr so sicher.
»Du siehst aus wie eine Prinzessin!« Rosalia klatschte aufgeregt in die Hände. »Dreh dich einmal für mich.«
Ich hob das Kleid ein wenig an, sodass ich nicht über meine eigenen Füße stolperte, und wirbelte umher. Der Rock bauschte sich auf und ließ den Stoff nach oben fliegen. Genau dieser Effekt sollte auch während des Tanzens erzielt werden.
»Was für eine Verwandlung! Du wirst den Männern auf dem Ball reihenweise den Kopf verdrehen.«
Ich machte einen Schritt zurück und betrachtete mich abermals im Silberglas des Spiegels. Das Kleid schmiegte sich überraschend schön an meinen Körper, der eher drahtig und kurvenlos anmutete. Obwohl meine Brust flach war, wurde sie durch den Stoff angenehm nach oben gedrückt und zeigte Reize, von denen ich nicht einmal wusste, dass ich sie besaß. Zwar kam ich mir ein bisschen verkleidet vor, fühlte mich aber in dem Ballkleid nicht unbedingt unwohl.
Rosalia hatte meine dunklen Haare wieder in Locken gelegt, die mir sanft über die Schultern fielen und hinter den Ohren hochgesteckt waren. Ich trug nicht nur die Perlenkette, die Tante Paola mir zum Geburtstag geschenkt hatte, sondern auch das silberne Armband meiner Mutter, das um mein Handgelenk herum etwas schlackerte.
»Wir sind fast fertig.« Rosalia schob mir den Stuhl zurecht. Umständlich ließ ich mich sinken. Von dem Schminktischchen zu ihrer Rechten nahm sie Puder, mit dem sie mir das Gesicht abtupfte. Anschließend trug sie Rouge auf meine Wangen auf. »Das hilft gegen die Blässe.« Meine Lippen malte sie in einem roséfarbenen Ton an und sprühte mich mit dem scheußlichen Parfüm ein, das auch meine Tante benutzte und vor allem nach Alkohol roch.
Kritisch beäugte ich das Ergebnis. Ich kannte mich ungeschminkt und verschlafen, mit schmutzigen Wangen und einer Fechtmaske vor dem Gesicht. Nun blickte mir eine fast fremde Frau aus dem Silberglas entgegen.
Dennoch bemühte ich mich um ein Lächeln und drückte Rosalias Hand. »Danke. Das hast du wundervoll gemacht.«
»Ich wünsche dir einen unvergesslichen Abend.«
Überrascht nahm ich wahr, dass Tränen in ihren Augen funkelten. Vielleicht dachte sie in diesem Moment daran, wie mich Tante Paola damals aufgenommen hatte: ein verschrecktes, fünfjähriges Mädchen, dessen Eltern gerade auf grausame Weise umgekommen waren und das niemanden mehr hatte. Rosalia war untrennbar mit den hellen und dunklen Stunden meiner Kindheit verbunden.
»Beeil dich.« Sie warf mir eine Kusshand zu, ehe sie mich aus dem Raum scheuchte.
Livia wartete im Salon auf mich, vor ihr ein Teller mit Amaretti, zur Hälfte gefüllt. Ich nutzte den Moment, in dem meine Cousine noch nicht auf mich aufmerksam geworden war, und betrachtete sie, wie sie, die Hände gefaltet, den Rücken durchgestreckt, auf unserem Diwan saß. Wo ich mir verkleidet vorkam, fügte sie sich wie selbstverständlich in das mitternachtsblaue Kleid, das wie eine zweite Haut um ihre Taille lag und das natürliche Blau ihrer Augen betonte. Obwohl Rosalia ihr die Haare auf die gleiche Weise hochgesteckt hatte wie mir, sah die Frisur an Livia eleganter aus. Ihr Blick war auf ein Gemälde gerichtet, das den Duomo di Milano, den Mailänder Dom,an einem Herbsttag zeigte.
»Vielleicht lernst du heute Abend ja jemanden kennen, den du dort im Dom heiraten kannst.«
Livia zuckte zusammen, doch als sie sich zu mir umdrehte, wurden ihre Augen groß. »Na, wer hätte das gedacht? Du bist ja doch fertig für den Ball. Und in dem Kleid siehst du sogar überraschend weiblich aus.« Sie grinste mich frech an.
»Hast du daran gezweifelt?«
»Nachdem du beide Anprobetermine versäumt hast und Mutter nicht mal verraten wolltest, welche Farben dir gefallen, ja.«
Ertappt biss ich mir auf die Unterlippe. »Nun ja, jetzt habe ich es ja doch über mich ergehen lassen.«
»Du siehst zauberhaft aus. Ich erkenne dich kaum wieder.« Livia klopfte einladend auf den freien Platz neben sich. »Bist du aufgeregt?«
Wenn ich ehrlich war, hatte ich dem Ball in den letzten Wochen keine fünf Minuten meiner Aufmerksamkeit geschenkt. Während Tante Paola und Livia kein anderes Thema kannten und die Tanzveranstaltung bis ins kleinste Detail durchplanten, war ich im Hinterhof gewesen und hatte gegen Matteo gekämpft. Wenn ich fechten durfte, musste ich nicht darauf achten, wie ich mich verhielt, wie ich sprach oder wer ich war, sondern konnte mich vollkommen auf meine Instinkte verlassen.
»Ich bin gespannt«, lautete meine diplomatische Antwort, als ich mich zu Livia gesetzt hatte. Sie roch gut, nach einer Mischung aus Rosen und Veilchen – nicht nach dem scheußlichen Parfüm, das Rosalia mir in den Ausschnitt gesprüht hatte.
»Mutter hat mir so viel über die Gäste erzählt – und doch habe ich Angst, einen Fehler zu machen. Mich töricht zu verhalten.« Livia schüttelte den Kopf, dann sah sie mich an. »Was ist, wenn ich alles vergesse? Wenn ich Conte Rossi über den Weg laufe und kein Wort herausbekomme? Was, wenn mir mein Glas aus der Hand fällt oder ich …«
Ich drückte ihren Oberschenkel. »Sprich nicht so einen Unfug. Wir wissen beide, dass du für Veranstaltungen wie diese geboren bist. Während ich mich auf dem Balkon oder auf den Korridoren verstecke, weißt du immer genau, was von dir erwartet wird.«
Sie seufzte. »Und doch schlägt mein Herz so schnell wie die Hufe eines galoppierenden Pferdes. Ich bewundere deine Ruhe.« Der Blick, den sie mir zuwarf, war freundlich und offen, aber es lag auch Neugierde darin. »Wie schaffst du das?«
Ich senkte den Kopf und blickte auf den Parkettboden unter mir, der zu Teilen mit einem dunkelroten Teppich bedeckt war. Was sollte ich Livia schon sagen? Dass mich der ganze Ball nur am Rande berührte, weil ich ihm nicht dieselbe Wichtigkeit wie sie und Tante Paola beimaß? Dass es mir gleichgültig war, ob ich heute Abend jemanden kennenlernte, und ich nicht um die Aufmerksamkeit von Männern buhlen wollte, die mich nicht im Geringsten interessierten? Meine Tante drängte mich in eine Rolle, in die ich nicht passte. Sie sah eine Zukunft für mich, die inkompatibel mit meinen Träumen war. Im Gegensatz zu meiner Cousine verspürte ich nicht das Bedürfnis, bald zu heiraten und meinen Lebensabend mit unzähligen Kindern vor dem Kamin zu verbringen.
Aber das konnte ich Livia nicht verraten. Insbesondere, weil ich sowohl ihr als auch Tante Paola versprochen hatte, mir Mühe zu geben. Ich hatte der Schwester meiner Mutter viel zu verdanken und wollte mich nicht unfreundlich zeigen.
»Hör zu.« Ich betrachtete Livia im goldenen Wandspiegel uns gegenüber. »Du bist wunderschön und sehr klug. Und vor allem bist du nicht weniger wert, wenn du heute Abend niemanden kennenlernst. Mach dir nicht so viele Gedanken.«
Sie blies sich eine Strähne ihres blonden Haares aus dem Gesicht. »Bei dir hört sich das so leicht an. Dennoch weiß ich, dass mir das Herz aus der Brust springen wird, sobald ich den ersten Fuß in den großen Saal gesetzt habe.«
»Ich bin doch bei dir. Und solange du mit mir dort bist, wirst du nicht die schlechteste Figur machen.«
Livia kicherte. »Weißt du noch, wie du Professore Bianchi ein Bein gestellt hast?«
»Das war keine Absicht!«, empörte ich mich. »Außerdem hat er sich mir in den Weg gestellt und nicht ich ihm.«
»Ich werde nie Mammas Gesicht vergessen, als er durch den Saal geflogen ist.« Ihre Wangen röteten sich. »Das mit dir und ihm hätte eine große Liebesgeschichte werden können! So fangen die besten Romanzen an!«
»Abgesehen davon, dass der Mann zwanzig Jahre älter ist als ich und immer so komisch die Augen verdreht, wenn er spricht. Oh – und seine Zunge!« Ich lachte. »Jedes Mal, wenn er sich konzentriert, streckt er sie raus. Das sieht ungefähr so aus.«
Ich befand mich mitten in meiner besten Imitation des schrulligen Professors, als Tante Paola den Raum betrat und uns zur Eile mahnte.
»Die Kutsche ist vorgefahren«, verkündete sie, dann glitt ihr Blick über mich. In meinem Magen breitete sich ein flaues Gefühl aus, doch sie nickte zufrieden.
Fahre fort.« Tante Paola trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Polster der Sitzbank herum. Ihre Nägel waren gepflegt, unter meinen befand sich immer noch ein Rest des Schmutzes, den Rosalia nicht wegbekommen hatte. Dicht gedrängt saßen wir in der Kutsche, die eigentlich Platz für vier Personen bieten sollte. Da Onkel Giuseppe sich auf einer Geschäftsreise befand, konnte er dem heutigen Abend nicht beiwohnen.
Ich wünschte, ich hätte auch eine derartige Ausrede.
»Ich werde mich von meiner besten Seite präsentieren«, rezitierte ich. »Werde gesprächig, aber niemals geschwätzig sein. Meine Meinung äußern, allerdings nur, wenn sie sich mit der des Junggesellen deckt, und mich stets dankbar über die Einladung zeigen.«
Ihre Miene wurde sanfter. »Sehr schön. Was wirst du nicht tun?«
Ein Seufzen verließ meine Lippen. »Ich werde mich nicht verstecken. Versprochen.« Mein Blick wanderte zu Livia, die am Fenster saß und die Augen geschlossen hatte. Wie schaffte sie es, hier zu schlafen? Wir saßen eng gequetscht, die Kutsche schwankte hin und her, sodass einem leicht schwindlig wurde, und ihre schnatternde Mutter war ebenfalls nur schwer zu überhören.
»Außerdem?«
»Außerdem werde ich mich nicht an Diskussionen beteiligen oder sie womöglich beginnen. Ich äußere mich nicht zu Politik, gesellschaftlichen Themen und werde auf gar keinen Fall etwas von meinem … Sport erzählen.« Der letzte Teil würde mir besonders schwerfallen. Obwohl ich niemanden außer Matteo kannte, der meine Liebe zum Fechten verstand, konnte ich nicht aufhören, darüber zu reden. Wie es sich anfühlte, wenn es in einem Kampf nur noch meinen Gegner und mich gab. Wenn alles andere nicht mehr zählte und ich meine eigene Stärke genau dann fand, wenn ich einen Degen in der Hand hielt.
Tante Paola drückte meine Hand. »So ist es gut. Ich zähle auf dich.«
Und ich zählte die Stunden, bis der Ball vorüber sein und ich nicht länger jemanden würde spielen müssen, der ich gar nicht war. Der Gedanke an meine Kämpfe, an Matteo und die vielen gestohlenen Stunden machte mich sehnsüchtig.
Kaum hatten wir die Straßen Mailands verlassen, änderte sich die Beschaffenheit des Bodens. Wann immer die Räder der Kutsche über ein Schlagloch fuhren, wurden wir nach oben geschleudert oder fielen nach vorn, sobald es bergauf ging und der Weg schmaler wurde.
»Diese Kutschfahrt kostet uns ein Vermögen«, beschwerte Tante Paola sich. »Und doch fühle ich mich wie ein Sack Kartoffeln, der hin- und hergeworfen wird.«
Mein Blick schweifte über das Getreidefeld, an dem wir vorbeifuhren. Am Horizont zeichneten sich die ersten Weinberge ab, deren saftig grüne Blätter mit der Sonne um die Wette strahlten.
»Ich habe eine Liste geschrieben.«
Tante Paola zog ein säuberlich gefaltetes Papier aus ihrer Tasche und klappte es auf ihrem Schoß auf.
»Was ist das?«, fragte Livia müde blinzelnd, die wieder aufgewacht war.
»Im Palazzo dei Ventiwerden heute Abend fünfzig Menschen erwartet, Damen und Herren gleichermaßen. Auf der Gästeliste stehen einige vielversprechende Namen.«
»Unter anderem meiner«, sagte ich mit Blick auf das Papier.
»Das ist nicht die Gästeliste«, stellte meine Tante klar.
»Ich gehe auch nicht davon aus, dass Conte Rossi mich gleich viermal aufgeschrieben hätte.«
Mit der Hand schirmte Tante Paola das Papier ab, aber ich hatte auch so schon gesehen, dass mein Name neben vier Junggesellen stand, die ich mit großer Wahrscheinlichkeit heute Abend kennenlernen sollte.
»Dich hat es nur zweimal erwischt«, sagte ich neidisch zu Livia, als meine Tante die Sicht wieder freigab. »Conte Francesco Costa und Marchese Andrea Santoro.«
»Wer sind diese Männer?« Livia beugte sich ebenfalls über das Papier.
Mir fiel auf, dass meine Tante nicht nur die Namen der männlichen Gäste, sondern auch ihr Vermögen notiert hatte – offensichtlich in absteigender Reihenfolge. In der Spalte hinter ihrem Kapital entdeckte ich weitere Namen und Titel. Sehr wahrscheinlich stellten diese die verwandtschaftlichen Verbindungen der Herren dar.
Ich seufzte. Wieso war das Heiratsgeschäft so kompliziert? Beim Fechten ging es nicht darum, woher jemand kam, mit wem er verwandt war oder wie viel Geld er sein Eigen nannte. Es ging ausschließlich um die eigenen Fähigkeiten, und der sportliche Charakter stand im Vordergrund. Deswegen liebte ich es so sehr.
»Junggesellen im besten Alter mit den richtigen Qualitäten«, antwortete Tante Paola.
Ich sparte mir die Nachfrage, wie sie all das in Erfahrung gebracht hatte. Wenn es darum ging, den Besitz und sozialen Stand eines Mannes zu erforschen, arbeitete sie gründlicher als alle Spione Mailands zusammen. Und wenn meine Tante von einem Herrn im »besten Alter«sprach, konnte das in beide Richtungen ausschlagen: entweder sehr jung oder sehr alt. Für sie zählten vor allem das Vermögen und ein beeindruckender Stammbaum, da war es zweitrangig, wie lange der Herr schon auf dieser Erde weilte.
»Ich habe mir Folgendes ausgedacht.« Sie schenkte erst Livia, dann mir einen bedeutungsschweren Blick. »Bevor der Ball beginnt, suchen wir die Junggesellen, damit ihr wisst, auf wen ihr achten müsst. Wenn schließlich getanzt wird und der erste Partnerwechsel ansteht, platziert ihr euch so, dass ihr von einem dieser Männer aufgefordert werdet, und kommt auf diese Weise mit ihm ins Gespräch. Für den Fall, dass ihr nach dem Tanz noch nicht alle kennt, werde ich euch vorstellen.«
»Was passiert, wenn mir keiner der ausgewählten Männer gefällt?«, fragte ich sie.
Tante Paola hielt im Falten des Papiers inne. »Das ist unmöglich. All diese Herren geben eine gute Partie ab. Du bist zwar nicht mein leibliches Kind, dennoch würde ich dich niemals unter Wert verkaufen. Du liegst mir am Herzen, Elena.« Sie tätschelte meine Wange, der Stoff ihrer Handschuhe schabte auf meiner Haut. »Ich habe deiner Mutter versprochen, dass ich mich gut um dich kümmere, und genau das werde ich tun.«
»Danke, zia«, flüsterte ich, weil sich in meiner Kehle ein Kloß gebildet hatte. Die Erwähnung meiner Mutter machte mich immer sonderbar emotional, dabei konnte ich mich an schlechten Tagen nicht einmal mehr an ihr Gesicht erinnern. An guten wusste ich allerdings wieder, wie ihre Stimme klang. Wie es sich angefühlt hatte, von ihr im Arm gehalten zu werden. Wie mein Vater mit mir in den Kornfeldern außerhalb der Stadt Verstecken gespielt hatte. Ich vermisste meine Eltern unheimlich – auch wenn ich sie nie richtig hatte kennenlernen können.
Wir bogen auf einen engen Weg ab und fuhren an einem Dorf vorbei, das nur aus einer Handvoll Häusern mit rot gefliesten Dächern bestand. Ein Mann arbeitete auf dem Feld in der Nähe und winkte uns zu. Auf einer Wiese spielten ein Mädchen und ein Junge miteinander. Die Kutsche passierte Bauernhöfe, mehrere kleine Siedlungen und einen Fluss, dessen Lauf ich mit den Augen verfolgte. Nachdem wir einen Großteil des Weges bereits hinter uns gelassen hatten, ging es steil bergauf, denn Conte Rossis Anwesen befand sich – so viel wusste sogar ich – auf einer Anhöhe umgeben von Fichten und Kastanienbäumen. Selbst war ich noch nie dort gewesen, aber Tante Paola hatte vor vielen Jahren einer Tanzveranstaltung im Palazzo dei Venti beiwohnen dürfen.
»Da ist es!« Livia streckte ihren Kopf aus dem Fenster. »Der Palazzo dei Venti! Oh, Elena, schau ihn dir an!«
Ich lehnte mich aus der Kutsche – gerade so weit, dass es nicht als unschicklich bezeichnet werden konnte.
Am Horizont zeichnete sich ein herrschaftliches Gebäude ab, das ich besser erkennen konnte, je weiter die Kutsche den Berg hinauffuhr. Tante Paola hatte uns mehr als nur einmal vom Palazzo dei Ventierzählt, dennoch wirkten ihre Berichte wie eine Schwarz-Weiß-Zeichnung ohne Details verglichen mit dem, was ich vor Augen hatte.
Conte Rossis Anwesen war von einem weitläufigen Garten umgeben, in dessen Mitte ein Springbrunnen stand, um den sich Statuen gruppierten. Mächtige Säulen umrundeten sein Land, in dessen Zentrum sich das majestätische Schloss erhob. Die Außenwände waren in einem kräftigen Rotton gestrichen, der mich an reife Kirschen erinnerte.
Das Gebäude bestach durch eine geradlinige Architektur, die sich auch im Dreiecksgiebel wiederfand, welcher dem Anwesen Größe und Erhabenheit verlieh.
Eine Allee aus Zypressen geleitete uns den Weg zum Schloss.
Je näher wir Conte Rossis Anwesen kamen, desto schneller schlug mein Herz.
Auf dem Platz vor dem Palazzostanden weitere Kutschen, aus denen edel gekleidete Damen und Herren stiegen.
Tante Paola, bisher um Zurückhaltung bemüht, drängte mich so dicht an die Kutschwand, dass sie ebenfalls einen Blick hinauswerfen konnte. Kritisch sondierte sie die Menge.
»Da vorn steht Lavinia Gallo«, zischte sie in meine Richtung. Ihre zusammengepressten Lippen deuteten darauf hin, dass sie sich gehörig an der Anwesenheit ebenjener Person störte. Ich hatte keinen Schimmer, wer sie war. »Ihr Kleid scheint doch recht gewagt zu sein, nicht?«
Mein Blick glitt über die Gäste, in der Hoffnung, jene Dame zu finden.
»Und dort hinten!« Paolas Zeigefinger drängte sich an mir vorbei. »Das ist doch Eugenia Leone! Es scheint, als ob Conte Rossis Verstand beim Versenden der Einladungen verloren gegangen wäre … Oh, schau mal!« Eilig winkte sie meine Cousine zu sich, die jetzt noch als Dritte aus dem Fenster lugte. Die Kutsche schwankte gefährlich unter unserem Gewicht. »Siehst du den Herrn neben der Venus-Statue?«
Livia kniff die Augen zusammen. »Den Mann mit Gehstock und Monokel?«
»Nein! Der, der danebensteht. Schwarzer Frack, weißes Hemd, Rüschen am Kragen.«
»Der mit dem Zylinderhut?«
Tante Paola nickte. »Das ist Marchese Andrea Santoro.«
»Ein Name von der Liste«, erinnerte ich mich. Der Mann musste in seinen Zwanzigern sein, auch wenn sein verkniffener Gesichtsausdruck ihn älter machte. Auf seiner Stirn stand eine steile Falte. Genauso wenig wie ich wirkte er sonderlich froh, hier zu sein. Ob er auch gerade lieber an einem Fechtduell teilnehmen würde? Die Vorstellung, wie der steife Mann mit Hut einen Degen schwang, brachte mich unweigerlich zum Kichern.
Livia lehnte sich, sofern das im Bereich des Möglichen lag, noch weiter aus dem Fenster. Ich schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass die Kutsche nicht umkippte. Meine Tante wünschte sich zwar einen unvergesslichen Auftritt, das wäre allerdings sicher nicht nach ihren Vorstellungen.
»Er sieht gut aus. Nicht im übertriebenen, klassischen Sinne, aber durchaus ansehnlich«, kam es von meiner Cousine.
»Ich wusste, dass er deinem Geschmack entsprechen würde.« Tante Paola rückte ihren Hut zurecht. »Vielleicht sollten wir ihn schon jetzt mit dir bekannt machen.«
»Oh, nun schon?« Livia spielte an ihren Fingern herum.
Ich schaute sie aufmunternd an. »Du schaffst das.«
»Nun gut, allerdings …« Das abrupte Bremsen der Pferde beendete ihren angefangenen Satz.
»Setz dich aufrecht hin«, riet meine Tante mir. Begierig wartete sie darauf, dass die Kutsche geöffnet wurde.
Ich warf einen letzten Blick auf die Gäste, die in kleinen Gruppen vor Conte Rossis Anwesen standen, ihre exquisiten Kleider ausführten und sich angeregt miteinander unterhielten. Ein flaues Gefühl breitete sich in meinem Magen aus, von dem ich zunächst nicht wusste, woher es rührte. Doch als der Kutscher mir seine Hand entgegenstreckte und mir aus dem Gefährt half, verstand ich, dass ich nervöser war als zunächst angenommen. Die unbeschwerten Tage meiner Kindheit gehörten der Vergangenheit an.
Ein letztes Mal ließ ich den Blick über die Anwesenden schweifen. Ob mein zukünftiger Ehemann unter ihnen war?
Während ich mich hilflos auf dem weitläufigen Platz umsah, wusste Tante Paola sofort, was zu tun war. Sie nahm Livia am Arm, hakte mich auf ihrer anderen Seite unter und ging mit uns zu dem offen stehenden Tor, vor dem ein distinguiert wirkender Mann mit Zylinder weilte. Um seinen Hals hing eine goldene Taschenuhr, die er in unregelmäßigen Abständen musterte. Er war in seinen Dreißigern, vielleicht auch etwas älter. Die Brille verlieh ihm das Aussehen eines Gelehrten.
»Stand der auch auf deiner Liste?«, murmelte ich, während ich Mühe hatte, bei Tante Paolas forschem Gang nicht über meine eigenen Füße zu stolpern.
»Das ist der Conte, Elena«, zischte sie mir zu.
»Conte Rossi?«
Für eine Erwiderung blieb keine Zeit, denn wir hatten den Mann bereits erreicht. Aus der Nähe erkannte ich, wie fahl seine Haut wirkte und dass er um die Augen herum etwas kränklich aussah. Den Plan, meine Cousine zunächst mit Marchese Andrea Santoro bekannt zu machen, hatte meine Tante anscheinend schon wieder verworfen.
»Conte Rossi«, flötete sie und versank vor ihm in einen übertriebenen Knicks. Livia tat es ihr gleich – und ich mit einer Sekunde Verzögerung ebenfalls. Als wir wieder aufrecht standen, ergriff der Conte Paolas ausgestreckte Hand und hauchte einen Kuss darauf. Meine Tante lief an wie eine überreife Tomate, was mich zum Grinsen brachte, weswegen ich schnell den Blick senkte.
»Herzlich willkommen im Palazzo dei Venti«, begrüßte Conte Rossi uns der Reihe nach. Seine Stimme hatte etwas Kratziges, beinahe so, als hätte er in den letzten Wochen zu viele Zigarren geraucht. »Es freut mich außerordentlich, Sie als meine Gäste begrüßen zu dürfen.«
»Wir danken für die Einladung.« Tante Paola trat, sofern das möglich war, noch einen Schritt näher an den hageren Mann heran. Er überragte sie um mehrere Köpfe. Der Größenunterschied wurde durch die Tatsache verstärkt, dass der Conte zwei Stufen über uns stand. »Das ist meine Tochter Livia.« Meine Cousine wurde nach vorn geschoben, wo sie erneut vor dem Conte knickste.
»Es freut mich sehr«, sagte sie mit einem Lächeln auf den Lippen.
»Was für eine bezaubernde junge Frau«, beschied Conte Rossi eher meiner Tante als Livia selbst. »Und das ist Ihre zweite Tochter?« Seine Augen waren jetzt auf mich gerichtet. Eine Weile musterte er mich schweigend.
»Das ist meine Nichte Elena. Ich habe sie als Mündel aufgenommen, nachdem ihre Eltern der Cholera zum Opfer gefallen waren.« Tante Paolas Mund verzog sich bedauernd. »Das war eine furchtbare Zeit.«
»Oh ja, außerordentlich. Ich habe einen Bruder an die Krankheit verloren. Bis zuletzt dachten wir noch, ihn retten zu können, aber bedauerlicherweise …« Der Blick des Conte wurde für einen Moment abwesend, dann wandte er sich wieder mir zu.
»Wie schön, Sie zu treffen, Signorina Elena. Sie sind Ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten.«
»Sie kannten meine Mutter?«, rutschte es aus mir heraus, was mir einen pikierten Seitenblick von meiner Tante einbrachte.
»Aber natürlich. Signora Carolina war eine außergewöhnliche Frau. Ich bedauere es zutiefst, dass sie nicht mehr unter uns weilt.«
In meiner Kehle wurde es eng. An manchen Tagen trieb mich die Tatsache, dass es Menschen gab, die Mutter länger und besser gekannt hatten als ich, in den Wahnsinn. Dass sie mehr mit ihr erlebt hatten und Erinnerungen teilten.
»Elena.« Paolas Schnauben brachte mich in die Realität zurück.
Schnell knickste ich vor dem Conte. »Herzlichen Dank für die Einladung. Es ist eine Ehre, hier zu sein.«
Ein Hausmädchen geleitete uns in die Eingangshalle des Palasts. Obwohl ich mir nichts aus prunkvollen Gebäuden machte, weil sie meistens doch nur der Zurschaustellung des eigenen Besitzes dienten, konnte ich mich der Atmosphäre des Raumes nicht entziehen. Die Decke erstreckte sich meterhoch über mir, war mit Gold verziert und aufwendig mit Blumen bemalt. In der Luft lag der Duft nach frisch geschnittenen Rosen. Unter unseren Füßen befand sich ein dunkelbrauner Holzboden, der in seiner Schlichtheit edel anmutete. Die Wände waren in einem warmen Rotton gestrichen, der sich auch auf den Kissen der Ottomane wiederfand, die vor der breiten Fensterfront stand.
»Oh, ich bin so aufgeregt!«, flüsterte Livia mir zu. Ihre Wangen waren auf eine Weise gerötet, welche sie jugendlich und frisch aussehen ließ. »Und ich bin erleichtert, dass Mamma anscheinend vergessen hat, mir den Herrn im Zylinder vorzustellen«, fügte sie hinzu.
»Aufgeschoben ist nicht aufgehoben«, erinnerte ich sie.
»Mag sein. Jedenfalls ist es mir tausendmal lieber, die Junggesellen im Saal zu treffen als draußen. Das fühlt sich natürlicher an.«
Mein Blick wanderte hoch zu der wuchtigen Uhr, die die sechste Stunde anzeigte. Der Ball hatte noch nicht einmal offiziell begonnen, und ich sehnte mich schon zurück nach zu Hause. Nach meiner kleinen Kammer, die nur mir gehörte und in der ich meinen Gedanken nachhängen durfte. Nach Matteo, in dessen Gegenwart ich niemanden mimen musste, der ich nicht war. Und nach meinem Degen.
»Ich bin so gespannt, wen wir alles treffen werden. Glaubst du, dass Gabriele …«
»Nun hört endlich auf zu schnattern!« Tante Paola war hinter uns aufgetaucht und bedachte erst Livia, dann mich mit einem strengen Blick. Energisch schob sie uns den langen Flur entlang, der links und rechts von Pflanzen gesäumt wurde, auf die offenen Türen zu, hinter denen der Ball stattfand. Ein edel gekleideter Mann verbeugte sich knapp vor uns und wies uns mit einer Geste den Weg in den Saal.
»Ich sterbe vor Aufregung!« Livias Hand krallte sich in meinen Unterarm. »Mein Gott, ist das riesig!«
Womit sie recht hatte. Die Bälle, auf denen wir bisher gewesen waren, hatten in Klubs oder Privathäusern stattgefunden. Nichts war annähernd so prunkvoll gewesen wie der Saal, der sich sowohl meterweit in die Breite als auch in die Höhe streckte. Über uns befand sich eine Empore, auf der ein sechsköpfiges Orchester saß, das leise Musik spielte.
Am Ende des Raumes, in der Nähe der Türen, die hinaus auf die Terrasse und in den Garten führten, war eine Tafel aufgebaut worden, auf der im Laufe des Abends das Büfett serviert werden sollte. Zumindest deuteten die gestapelten Teller und das Besteck darauf hin.
Immerhin eine gute Sache.
Der Großteil des Saales bestand aus der Tanzfläche, deren alleiniger Anblick mein Herz schneller schlagen ließ und all meine Sinne auf Flucht einstellte. Schnell führte ich Livia zu einer Sitzgruppe neben dem Kamin, die aus mehreren Sesseln und einer Ottomane bestand. Doch kaum hatte ich auf einem der Möbelstücke Platz genommen, zog Tante Paola mich auch schon wieder hoch.
»Du kannst dich hier nicht einfach hinsetzen«, zischte sie, als hätte ich gerade den österreichischen Kaiser in der Öffentlichkeit bloßgestellt.
»Aber der Ball hat doch noch gar nicht angefangen.«
»Umso wichtiger ist die Zeit davor.« Verschwörerisch sah sie mich an, ließ ihren Blick über die Anwesenden im Saal wandern. Auf die Schnelle zählte ich zwanzig Gäste, woraus ich schloss, dass sich der Großteil noch draußen aufhielt und die Abendsonne genoss.
»Signor Antonio Mancini! Das nenne ich Schicksal.« Nur mit Mühe konnte ich ein Augenrollen unterdrücken, als Tante Paola auf einen dunkelhaarigen Mann zueilte, der, vertieft in ein Gespräch mit einem älteren Herrn, neben einem roten Vorhang stand. Fragend hob er den Kopf.
»Das ist deiner.« Livia grinste mich keck an.
»Meiner? Das wage ich zu bezweifeln. Optisch scheint er eher etwas für dich zu sein. Kurze Haare, Dreitagebart, ein verschlagenes Lächeln – er ist wie gemacht für dich.«
»Tja, nur dass sein Name auf der Liste neben deinem stand, nicht neben meinem.«
»Wirklich?« Mein Herzschlag, der sich gerade erst beruhigt hatte, beschleunigte wieder, und als Tante Paola mich zu sich winkte, wurden meine Handflächen feucht.
Ein hilfloses Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus. Die Türen standen noch offen, ebenso jene, die nach draußen auf die Terrasse führten. Es wäre also möglich … Nein, Elena! Ich hatte es versprochen. Versprochen, dass ich mir Mühe gab und heute Abend versuchte, die Nichte zu sein, die meine Tante sich wünschte.
Deswegen streckte ich den Rücken durch, straffte die Schultern und knickste vor Antonio Mancini, als ich bei ihm angekommen war. Um Tante Paola zufriedenzustellen, hielt ich meinen Kopf etwas länger demütig gesenkt als nötig.
»Das ist meine Nichte Elena«, stellte sie mich kurz darauf vor. »Sie ist mein ganzer Stolz.«
Ich gab mir Mühe, Signor Mancini nicht zu unverhohlen anzustarren. Denn was ich aus der Ferne nicht gesehen hatte, offenbarte sich mir nun in vollständiger Klarheit: Er sah gut aus. Sein Gesicht hatte etwas Kantiges, Hartes – ein Eindruck, der durch seine lichtblauen Augen zunichtegemacht wurde, die sanft und unaufgeregt wirkten. Sein Oberkörper schien muskulös, die Schultern waren breit, und als er mich anlächelte, präsentierte er mir zwei Reihen perfekter Zähne.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Signorina Elena. Mein Name ist Antonio Mancini.« Er richtete seinen schwarzen Frack, dann schaute er in Richtung der Terrasse. »Was für ein wundervoller Abend. Das Wetter ist traumhaft, nicht wahr?«
Ich nickte. »Ich bin froh, dass der Frühling endlich da ist. Der Winter war dieses Jahr besonders hart.« Seine Augen waren wirklich blau.
»Ich weiß genau, was Sie meinen. Die kalten Tage beschweren das Herz. Umso schöner, dass ein hoffentlich langer Sommer vor uns liegt. Haben Sie schon Pläne?«
Wie ein Geier stand Tante Paola neben mir und überwachte jedes meiner Worte. Hätte es nicht absolut lächerlich gewirkt, würde sie das Gespräch für mich führen, da war ich mir sicher.
»Keine konkreten Pläne, Signore. Wahrscheinlich werde ich auf unserer Terrasse sitzen, ein gutes Buch lesen und die Sonne genießen.«
»Oh, Sie lesen?« Antonio hob seine Augenbrauen, als wäre eine lesende Frau eine Absonderlichkeit. »Was lesen Sie denn?« Die Tatsache, dass er sich offensichtlich für mich interessierte, schmeichelte mir.
Mit Mühe besann ich mich auf seine Frage und dachte an das Buch, das auf meinem Nachttisch auf mich wartete. Es behandelte nicht nur die gegenwärtige Fechtkunst, sondern näherte sich dem Sport von einer mathematischen Seite. Dabei verglich der Autor unterschiedliche Kampfstile und Waffen über die Jahrhunderte hinweg. Matteo hatte es von seinem Onkel für mich ausgeliehen, der als Fechtmeister eine beeindruckende Sammlung an Fachliteratur besaß. Zwar lernte ich am meisten, wenn ich selbst kämpfte, aber die Illustrationen im Buch halfen mir, die Fehler in meiner eigenen Technik schneller zu finden.
»Elena liebt Homer und Aristoteles«, schaltete Tante Paola sich ein. »Erst gestern hat sie Die Odyssee beendet.«
Das war eine glatte Lüge und kam ihr ein wenig zu selbstsicher über die Lippen. Sie gab mir einen unauffälligen Stoß in die Seite, ein Zeichen, dass ich mich jetzt wieder selbst am Gespräch beteiligen sollte.
»Was lesen Sie denn gern?«, stellte ich Antonio daher die erste Frage, die mir einfiel und die ihn hoffentlich davon abhielt, mehr über meine Gedanken zur Odyssee erfahren zu wollen.
»Nun, wenn ich ehrlich bin, bin ich nicht der größte Leser.« Beinahe schuldbewusst senkte er den Blick, wodurch mir seine langen Wimpern auffielen. Livia würde bei seinem Anblick dahinschmelzen – und auch mich ließ er nicht kalt. Seine Beine waren wohlgeformt und stark; die Hose schmiegte sich wie eine zweite Haut um seine Schenkel. In einem Fechtkostüm würde er – das musste ich mir eingestehen – umwerfend aussehen. Ob er schon einmal gekämpft hatte? Ob er wusste, wie man einen Degen führte?
»Elena!«, zischte Tante Paola mir zu, als hätte ich meine Gedanken gerade laut geäußert.
»Literatur langweilt mich eher, als dass sie mich unterhält«, fuhr Antonio fort. »Immer wenn ich die Beschreibung eines besonders schönen Ortes lese, ärgere ich mich, dass ich nicht selbst dort sein kann. Lesen beschwert mich eher, als dass es mich erfreut.«
»Das kann ich gut verstehen«, bestätigte Tante Paola, die noch nie ein Buch in die Hand genommen hatte. Sie beschäftigte sich lieber mit realen Menschen – und vor allem mit denen, über die sie sich im Anschluss das Maul zerreißen konnte.
»Das heißt, Sie reisen gern?«, schloss ich aus Antonios Aussage.
Seine Augen strahlten, was ihn noch attraktiver wirken ließ. »Für mein Leben gern. Es ist meine größte Leidenschaft, und ich kann mir nicht vorstellen, jemals damit aufzuhören.«
»Ein Mann von Welt!« Entzückt klatschte Tante Paola in die Hände. »Da kann Elena noch einiges von Ihnen lernen, was?« Sie lachte dümmlich.
»Wo sind Sie überall schon gewesen?«, erkundigte ich mich, bevor sie weitere unüberlegte Dinge von sich gab.
»Paris, London, Stockholm«, begann er seine Aufzählungen. »Auch schon in New York.«
»Nein!« Meine Tante schlug sich die Hand vor den Mund. »Da sind die Sitten bestimmt anders als hier.«
Antonio nickte. Und mir kam der Gedanke, dass die beiden sich doch wunderbar zu zweit unterhalten und ich mir so lange ein Antipasto vom Büfett holen könnte, das just in diesem Moment aufgetragen wurde. Ich schenkte den gefüllten Platten einen sehnsüchtigen Blick.
»Wohin würden Sie gern mal reisen, Signorina Elena?«
»Nach Preußen«, kam die Antwort schneller über meine Lippen, als ich darüber nachdenken konnte.
»Warum gerade Preußen?« Antonios Stirn legte sich in Falten, entweder weil er das Königreich nicht mochte oder es ganz und gar uninteressant fand.
»Die kulturelle Szene. Literatur, Kunst und Musik«, sagte ich und damit das, was man von mir erwartete.
Die Duelle, dachte ich. Die Fechtmeister. Im Deutschen Bund, vor allem aber in Preußen, lebten einige der talentiertesten Fechter. Es würde der Erfüllung eines Traums nahekommen, sie einmal kämpfen zu sehen. Matteos Bücher hatten mir viel über Carl von Basedow und Hermann von Stein erzählt, die eine Menge für die Entwicklung der Fechtkunst getan hatten. Die Deutschen legten beim Kampf besonders viel Wert auf Präzision und Effizienz, die mit eleganten Bewegungen kombiniert wurden.
»Die Wälder im Deutschen Bund sollen ebenfalls beeindruckend sein. Tief und gleichzeitig märchenhaft«, fügte ich auf Antonios verständnislosen Blick hinzu.
»Mein Ehemann, Signor Sartori, war vor ein paar Jahren eine Woche für seine Geschäfte am Bodensee. Er schwärmt noch heute davon, weil das Wasser blau wie der Himmel war. Mir persönlich wäre es dort viel zu kalt«, fügte Tante Paola hinzu und sah mich zustimmungsheischend an.
»Es geht doch nichts über die italienische Sonne«, murmelte ich daher.
»So ist es. Nirgendwo ist der Sommer schöner als in Italien. Aber sagen Sie, Signorina Elena, womit vertreiben Sie sich Ihre Zeit, wenn Sie nicht gerade ein gutes Buch lesen oder von der deutschen Natur träumen?« Er zwinkerte mir zu.
Tante Paola schürzte die Lippen. Als wir die Regeln für den heutigen Abend durchgegangen waren, hatte mein Redeverbot über das Fechten an erster Stelle gestanden.
Ich verstand es. Männer wollten nicht, dass sich eine Frau mit Waffenkampf die Zeit vertrieb.
Und doch fiel es mir so schwer. Weil ich es so sehr liebte, dass mein Herz übervoll davon war und ich ständig das Bedürfnis hatte, meine Leidenschaft mit jemandem zu teilen. Dennoch schluckte ich alles, was mir auf der Zunge lag, herunter.
»Oh, unsere Elena ist außerordentlich begabt mit Nadel und Faden«, antwortete Paola an meiner Stelle. »Sie ist darüber hinaus künstlerisch talentiert und malt die schönsten Bilder. Erst letztens hat sie den Duomo di Milano im Sonnenuntergang …«
»Mit Verlaub, Signora Sartori, aber ich denke, dass Ihre Nichte für sich selbst sprechen kann.«
Antonios Zurechtweisung ließ Tante Paola mitten im Wort erstarren. Mit offenem Mund stand sie da, während meine Sympathie für Antonio wuchs. Das Grinsen konnte ich mir nur schwer verkneifen.
»Wie wäre es, wenn wir uns eine Kleinigkeit vom Büfett holen, bevor der Tanz eröffnet wird?« Der Junggeselle bot mir seinen Arm an, den ich nach einem kurzen Zögern ergriff. Ein Schaudern lief bei der Berührung durch meinen Körper. Auf halbem Weg zur Tafel sah ich mich nach Tante Paola um, die uns erschüttert hinterherstarrte.
»Bin ich zu hart mit Ihrer Tante ins Gericht gegangen?«, erkundigte sich Antonio. Ein Hauch seines Parfüms stieg mir in die Nase. Er roch nach Bergamotte, frisch und etwas blumig.
Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. »Meiner Tante tut es gut, wenn sie in ihre Schranken verwiesen wird.«
»Ist sie immer so … lebendig?«
»Ausnahmslos«, bestätigte ich, was Antonio zum Lachen brachte. Es hatte einen schönen Klang, tief und beständig, und ich merkte, dass ich mich gern in seiner Gegenwart aufhielt.
Als wir das Büfett erreicht hatten, befüllte er mir erst einen Teller nach meinen Wünschen, ehe er sich selbst etwas nahm. Offiziell war das Essen noch gar nicht eröffnet, allerdings wollte ich Antonio auch nicht zurechtweisen. Unschicklich musterte ich ihn von hinten und nahm seinen wohlgeformten Hintern zur Kenntnis.
Mit einem Glas Lugana, einer Weißweinsorte aus der Lombardei, stießen wir auf den Abend an.
»Sie malen also gern?«, nahm Antonio das Gespräch wieder auf und steckte sich eine Olive in den Mund.
»Ganz und gar nicht«, antwortete ich und bekam sofort ein schlechtes Gewissen, weil ich meine Tante so auflaufen ließ. »Das letzte Mal, als ich mit Farbe gearbeitet habe, hat der Boden mehr abbekommen als die Leinwand. Meine Cousine ist begabt, wenn es um Malerei geht. Sie steht übrigens dort hinten.«
Mit dem Zeigefinger deutete ich auf Livia, doch Antonios Augen waren einzig und allein auf mich gerichtet. Schnell stopfte ich mir eine getrocknete Tomate in den Mund.
»Was führt Sie heute Abend hierher?«, fragte ich.
»Mein Vater hielt es für eine gute Idee, mich hier blicken zu lassen.«
»Aus welchem Grund?«
»Lassen Sie es mich so ausdrücken: Mein Vater und Ihre Tante würden sich hervorragend verstehen.« Peinlich berührt zupfte er an seinem weißen Hemd.
»Insofern, dass …?«
Antonio räusperte sich. »Insofern, dass er der Überzeugung ist, dass die Zeit, in der ich allein herumreise und mir die Welt anschaue, sich dem Ende neigen und ich meine künftigen Urlaube lieber mit einer Frau an meiner Seite verbringen sollte.«
Schmunzelnd prostete ich ihm zu. Die Tatsache, dass Antonio und ich dasselbe Schicksal teilten, ließ meine Sympathie für ihn erneut wachsen.
»Das heißt, es ist nicht unbedingt Ihre liebste Beschäftigung, an einem Samstagabend das Tanzbein zu schwingen?«
Antonio tupfte sich mit einem Tuch die Mundwinkel ab. »Um ehrlich zu sein, könnte ich mir etwa einhundert Sachen vorstellen, die ich lieber tun würde …« Die Art und Weise, wie er mich anschaute, bescherte mir weiche Knie – und Bilder in meinem Kopf, die ich energisch zur Seite schob. »Mich beispielsweise in einem dunklen Wald verirren. Einer dreistündigen Predigt unseres Priesters lauschen, der mir eine Liste all meiner Verfehlungen aufzählt und mich daran erinnert, dass die Hölle auf mich wartet, wenn ich nicht sofort Buße tue. Oder verdorbenen Fisch essen.«
Ich kicherte hinter vorgehaltener Hand. »Klingt verlockend.«
»Und Sie, Signorina Elena? Wenn Sie schon kein Talent zum Malen haben, können Sie dann wenigstens gut tanzen?«
»Es tut mir leid, Sie erneut enttäuschen zu müssen, aber ich bin mit zwei linken Füßen auf die Welt gekommen. Theoretisch verstehe ich zwar, welche Schritte ich ausführen muss, doch sobald die Musik erklingt, möchte ich am liebsten fluchtartig den Raum verlassen.«
»So wie jetzt?« Antonio deutete mit seinem Weinglas in Richtung Tanzfläche, auf der sich soeben das erste Paar einfand.
Das Orchester, bestehend aus Streichern, Violinen und Cello, begann mit dem Spielen. Ein Walzer. Ich erkannte die Melodie. Vielleicht brachte mir das einen kleinen Vorteil ein, denn zu ebenjenem Lied hatten Livia und ich den Wiener Walzer zu Hause geübt. Was in einem geschützten Raum spaßig und ungezwungen gewesen war, kam mir jetzt jedoch wie eine einzige Prüfung vor.
»Signorina Elena? Erweisen Sie mir die Ehre?«
Es dauerte, bis ich verstand, dass Antonio mir seine Aufwartung machte. Auf seinen Lippen lag ein freundliches Lächeln, das im Gegensatz zu dem Funkeln in seinen Augen stand. Er trat so nah auf mich zu, dass Tante Paola wahrscheinlich Schnappatmung bekommen würde, und flüsterte mir ins Ohr: »Es ist doch sicherlich angenehmer, wenn wir uns beide zusammen blamieren.«
Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Hastig nickte ich und griff nach Antonios ausgestreckter Hand. Selbstbewusst führte er mich auf die Tanzfläche, auf der sich bereits Paare eingefunden hatten und sich zu den Klängen der Musikhin- und herwogen. Hilflos schaute ich mich in der Menge um und fing Tante Paolas Blick auf. Sie stand abseits, mit einem Glas Sekt in der Hand, und musterte mich aufmerksam. Ich atmete tief durch und trat einen Schritt auf Antonio zu.
Mein Herz schlug in einem schnellen Stakkato, als Antonio nach meiner rechten Hand griff und die linke an seine Schulter führte. Ich drehte mich leicht nach innen, während er mir so nahekam, dass nichts mehr zwischen uns passte. Nie zuvor war ich einem Mann so nahe gewesen. Ob es mir gefiel oder nicht: Antonio vernebelte mir die Sinne.
Und während ich wie festgefroren auf dem Boden stand, machte er die ersten Schritte.
»Linker Fuß, ein Schritt nach vorne«, flüsterte er mir zu, sein warmer Atem streifte meine Haut und ließ sie prickeln. »Schauen Sie mich einfach an, ich führe.«
Dies war leichter gesagt als getan, denn der Blick in seine bernsteinfarbenen Augen verwirrte mich mehr, als er sollte. Ich presste die Lippen zusammen, versuchte, nicht eingeschüchtert den Kopf zu senken, und gab die Kontrolle an ihn ab. Bekam nur am Rande mit, wie meine Füße die ersten, unsicheren Schritte machten. Dafür, dass Antonio mir eben noch anvertraut hatte, dass er Veranstaltungen wie diesen wenig abgewinnen konnte, tanzte er erstaunlich selbstsicher – und sah dabei verboten gut aus.
Ich war nicht tollpatschig. Ich hatte nur das Rhythmusgefühl eines Pferdes. Sobald ich meinen Degen in der Hand hielt, der Griff sich sicher zwischen meinen Fingern ergab, bereitete es mir keine Schwierigkeiten, die richtigen Schritte zur richtigen Zeit auszuführen. Auf meinen Gegner, der in vielerlei Hinsicht auch so etwas war wie ein Tanzpartner, zu reagieren. Seine Stöße vorauszuahnen und angemessen darauf zu antworten. Das Fechten war ein Tanz, den ich beherrschte. In dem ich besser wurde, je länger ich ihn tanzte. Aber beim Walzer wusste ich auch am Ende des Liedes noch nicht, was ich eigentlich tat – und das, obwohl meine Tante sogar einen Mann in die Villa bestellt hatte, der besonders versiert im Paartanz war.
Während des Tanzes ließ Antonio mich nicht einmal aus den Augen. Er brachte ein natürliches Selbstbewusstsein mit, das mir imponierte. Hinzu kam das beinahe neckische Lächeln, das er mir dann und wann zuwarf.
»Es war mir eine Ehre.« Seine Verbeugung erinnerte mich schließlich daran, dass der Tanz vorüber war. Verstohlen wischte ich mir den Schweiß von der Stirn. Immerhin war ich nicht hingefallen.
Die Musik veränderte sich, wurde lebhafter und mitreißender: eine Polka. Nun wurde zum Partnerwechsel aufgerufen. Ich drehte mich einmal um die eigene Achse, versuchte, im Durcheinander der sich bewegenden Körper den Überblick zu behalten. Antonio hatte sich bereits einer vollbusigen Brünetten zugewandt, die aufreizend mit den Wimpern klimperte. In Anbetracht der Umstände hätte ich ihn gern als Tanzpartner behalten. Vor allem, als ein rundlicher Mann mit Schnauzer und Zylinder auf mich zuwatschelte. Sein Hemd saß etwas eng, der mittlere Knopf war aufgesprungen.
»Signorina Elena! Ich hatte soeben ein Gespräch mit Ihrer Tante. Darf ich um diesen Tanz bitten?«
Das Lächeln auf meinen Lippen wurde etwas bemüht, dennoch nickte ich und ergriff seine ausgestreckte Hand. Seine Finger waren schwitzig, sodass ich sie umklammern musste, um sie nicht zu verlieren.
»Mein Name ist Lorenzo Amato«, sagte der Mann, während er einen hastigen Schritt mit dem linken Fuß, gefolgt von einem mit dem rechten Fuß vollführte und sich dann in einer Drehung wiederfand. Dabei ließ er meine Hand los und tanzte eine Weile mit sich selbst, was mir die Pause verschaffte, die ich dringend brauchte. Denn sein Name war mir bekannt. Er hatte ebenso wie der von Antonio auf Tante Paolas Liste gestanden. Warum meine Tante einen mindestens Fünfzigjährigen für eine gute Partie hielt, konnte ich nur mutmaßen.
Just in diesem Moment griff Lorenzo nach meiner Hand und wirbelte mich einmal im Kreis. Anschließend sprang er so wild von einem Fuß auf den anderen, dass sein Atem rasselte wie ein altes, knarrendes Tor. »Was für ein wundervoller Tanz«, japste er. »Ich spüre das Leben in mir!« Er klatschte dreimal in die Hände, drehte sich um sich selbst und dann um mich.
Meine Mundwinkel zuckten. Ich konnte mir das Lachen kaum verkneifen. Etwas verzweifelt richtete ich den Blick auf den Boden, sodass ich nur die Füße des alten Herren sah, die sich mit der Eleganz eines Bullen hin- und herbewegten. Ich sehnte das Ende des Tanzes herbei, allerdings nur so lange, bis es tatsächlich eintraf, eine Damenwahl-Runde ausgerufen wurde und eine Mazurka begann. Noch bevor ich realisierte, was geschah, hatte sich Lorenzo vor mir verbeugt und war davongeeilt. Mit fliehendem Blick sah ich mich im Raum um.
Mittlerweile dämmerte es, und obwohl die Terrassentüren offen standen, schwelte die Hitze im Saal. Vielleicht konnte ich eine Weile nach draußen gehen? Kaum hatte der Gedanke in meinem Kopf Form angenommen, befand ich mich auch schon auf dem Weg zur Terrasse, am Büfett vorbei, die Stufe hinauf …
»Signorina?«
Die Stimme eines Mannes ließ mich in der Bewegung innehalten und anschließend zu ihm herumwirbeln.
»Mir ist bewusst, dass Damenwahl ist, nur sah ich Sie so allein stehen und dachte mir …«
Nur mit Mühe konnte ich mein Seufzen unterdrücken. Ich warf der Terrasse einen letzten, sehnsüchtigen Blick zu, dann knickste ich vor dem Herrn. »Es wäre mir eine Ehre, Signor …«
»Camillo Volpe.« Mit den buschigen Augenbrauen und dem Vollbart erinnerte er mich ein bisschen an meinen ehemaligen Hauslehrer, nur dass dieser ein ganzes Stück größer war. Camillo ging mir gerade bis zum Kinn, und das, obwohl ich nicht einmal Schuhe mit Absatz trug.
»Elena Sartori«, stellte ich mich meinem neuesten Partner vor, der mich Sekunden später begierig auf die Tanzfläche zog.
Und es passierte genau das, wovor ich mich gefürchtet hatte: Denn im Gegensatz zu mir war Signor Volpe ein hervorragender Tänzer, bewegte sich mit genau der richtigen Mischung aus Eleganz und Geschwindigkeit und perfektionierte den Mazurkaschritt, während er mich wie einen Tölpel neben sich aussehen ließ.
Sekunden wurden zu Minuten, Minuten gefühlt zu Stunden. Wie schnell doch die Zeit verging, wenn ich sie mit etwas füllte, das ich liebte. Wenn ich mich mit Matteo im Duell maß. Und wie sie sich weigerte zu vergehen, wenn Signor Volpe meine Tanzschritte mit geschürzten Lippen beobachtete und sich wohl dachte: Ich habe nie zuvor eine Frau gesehen, die so eine schlechte Figur auf dem Parkett abgibt.
Als das Büfett offiziell eröffnet wurde, fiel ein Teil der Anspannung von mir ab. Der Tanz wurde unterbrochen, das Orchester spielte nur noch leise Hintergrundmusik, und die Ballgäste drängten sich an die lange Tafel. Ich erkannte diverse Teller mit Braten, Lasagne und Pasta, Gerichte mit Fisch – wahrscheinlich aus dem Comer See –, zwei Käseplatten und einen Topf des berühmten Risotto alla milanese.
Nicht zum ersten Mal fiel mir auf, dass auch der wohlerzogenste Mensch seine Manieren vergaß, wenn es um sein Essen ging. Die fein gekleideten Damen drängelten sich vor, ein Herr probierte den Reis direkt aus dem Topf mit seinem Finger und ein anderer Mann, der Conte Rossi ähnelte, nahm einen Großteil der Käseplatte an sich.
Es dauerte gut und gern eine halbe Stunde, bis ich mir selbst einen Teller gefüllt und nach einem Glas Limonade gegriffen hatte.
»Lass uns hinaus auf die Terrasse gehen«, flüsterte ich Livia zu, die hinter mir stand. Tante Paola befand sich im Gespräch mit Maria Bruno, die nur einige Straßen von uns entfernt wohnte und als das größte Klatschmaul in ganz Porta Venezia galt. »Da lang«, wies ich ihr den Weg, vorbei an einem Pärchen, das sich eine Portion Zander teilte, durch die breiten Türen nach draußen.
Kaum hatte ich die Hitze des Ballsaals hinter mir gelassen, konnte ich durchatmen. Die Nacht war kühl und angenehm, der Himmel über uns voller Sterne. Für einen Moment verlor ich mich in ihrer Unendlichkeit, dann brachte mich das Klappern von Livias Teller in die Realität zurück.
Sie hatte uns zwei Rattanstühle zusammengeschoben und sie um einen Mosaiktisch gruppiert, auf dem ich mein Essen abstellte. Seufzend ließ ich mich auf einen Stuhl sinken. Die Musik drang nur noch leise an mein Ohr.
»Wie gefällt es dir?« Livia schob sich eine Gabel Risotto in den Mund. »Antonio und du scheint euch gut verstanden zu haben.«
Ich hielt im Trinken inne und stellte meine Limonade zurück auf den Tisch. »Er ist freundlich, das stimmt schon.«
»Du hast ihn ganz schön verliebt angeschaut.«
»Was?« Ich lachte. »Ich glaube, du siehst Dinge, die gar nicht da sind. Wir haben uns lediglich gut unterhalten.«
»Und wieso ist er dann auf dem Weg hierher?« Die letzten Worte flüsterte sie bloß. Bevor ich mich umdrehen konnte, spürte ich eine Hand auf meiner Schulter.
»Signorina Elena.« Auch in der fortschreitenden Dunkelheit leuchteten Antonios Augen. »Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen.«
»Oh, nein … gar nicht.«
»Setzen Sie sich doch.« Livia hatte bereits einen dritten Stuhl an den Tisch gezogen.
»Vielen Dank.«
»Das ist meine Cousine, Livia Sartori. Livia, das ist Signor Antonio Mancini«, machte ich die beiden miteinander bekannt.
»Haben Sie den ersten Teil des Abends gut überstanden?«, erkundigte er sich.
»Müssen Sie mich daran erinnern, dass dem Ganzen noch ein zweiter Teil folgt?« Seufzend schaute ich durch die Fensterscheiben auf die Tanzfläche. »Meine Füße glühen jetzt schon.«
»Meinen Füßen geht es gut, aber wenn ich mich noch einmal jemandem vorstellen muss, platzt mir der Kopf.« Antonio fuhr sich durch die schwarzen Haare. »Ich hatte ganz vergessen, wie anstrengend so ein Ball sein kann.«