Die entgleiste Lok - Günter Dönges - E-Book

Die entgleiste Lok E-Book

Günter Dönges

0,0

Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Mylady bevorzugen einen bestimmten Supermarkt?« erkundigte sich Butler Parker in seiner höfliche Art. Er saß stocksteif vor dem Lenkrad seines hochbeinigen Wagens, den er durch die City von London steuerte. »Natürlich«, gab Agatha Simpson zurück. »Warten Sie, wo ist denn nur die Anzeige? Ich weiß genau, daß ich sie eingesteckt habe.« Parkers Herrin, die vor einiger Zeit beschlossen hatte, sechzig Jahre alt zu bleiben, kramte in ihrem perlenbestickten Pompadour, um dann einen nicht gerade leisen Freudenschrei in tiefer Baß-Lage auszustoßen. »Mylady wurden fündig?« fragte Parker. »Zur Mortimer Street«, befahl die Detektivin. »Hören Sie sich das mal an, Mister Parker: Ölsardinen zum Vorzugspreis. Orangensaft billig wie nie! Und dann diese Eierpreise. Es ist einfach nicht zu glauben, daß die Leute zu solchen Spottpreisen verkaufen können.« »Wie Mylady meinen.« Parker nahm die Ausrufe des Entzückens zur Kenntnis, ohne eine Miene zu verziehen. Mylady hatte sich seit einigen Tagen ein neues Hobby zugelegt... Sie kaufte ein und achtete auf die allgemeine Preisgestaltung. Sie war, wie sie sich ausgedrückt hatte, zu einer kostenbewußten und kritischen Verbraucherin geworden. Diese neue Haltung hing mit der Zeitschrift einer Kundenorganisation zusammen. Lady Agatha hatte sich die beschwörenden Worte sehr zu Herzen genommen. Natürlich hatte sie es nicht nötig, auf den Penny zu achten. Agatha Simpson war eine steinreiche Frau, die sich jede Extravaganz leisten konnte. Seit dem Tod ihres Mannes hatte sie das hinterlassene Vermögen noch aufgestockt und vermehrt. Dennoch wollte sie jetzt vor sich bestehen und beweisen, daß sie ihr Geld nicht bedenkenlos ausgab. Parker hatte einige dieser Einkaufsfahrten bereits hinter sich. Da er

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 126

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Butler Parker – 128 –

Die entgleiste Lok

Günter Dönges

»Mylady bevorzugen einen bestimmten Supermarkt?« erkundigte sich Butler Parker in seiner höfliche Art. Er saß stocksteif vor dem Lenkrad seines hochbeinigen Wagens, den er durch die City von London steuerte. »Natürlich«, gab Agatha Simpson zurück. »Warten Sie, wo ist denn nur die Anzeige? Ich weiß genau, daß ich sie eingesteckt habe.«

Parkers Herrin, die vor einiger Zeit beschlossen hatte, sechzig Jahre alt zu bleiben, kramte in ihrem perlenbestickten Pompadour, um dann einen nicht gerade leisen Freudenschrei in tiefer Baß-Lage auszustoßen.

»Mylady wurden fündig?« fragte Parker.

»Zur Mortimer Street«, befahl die Detektivin. »Hören Sie sich das mal an, Mister Parker: Ölsardinen zum Vorzugspreis. Orangensaft billig wie nie! Und dann diese Eierpreise. Es ist einfach nicht zu glauben, daß die Leute zu solchen Spottpreisen verkaufen können.«

»Wie Mylady meinen.« Parker nahm die Ausrufe des Entzückens zur Kenntnis, ohne eine Miene zu verziehen. Mylady hatte sich seit einigen Tagen ein neues Hobby zugelegt...

Sie kaufte ein und achtete auf die allgemeine Preisgestaltung. Sie war, wie sie sich ausgedrückt hatte, zu einer kostenbewußten und kritischen Verbraucherin geworden. Diese neue Haltung hing mit der Zeitschrift einer Kundenorganisation zusammen. Lady Agatha hatte sich die beschwörenden Worte sehr zu Herzen genommen.

Natürlich hatte sie es nicht nötig, auf den Penny zu achten. Agatha Simpson war eine steinreiche Frau, die sich jede Extravaganz leisten konnte. Seit dem Tod ihres Mannes hatte sie das hinterlassene Vermögen noch aufgestockt und vermehrt. Dennoch wollte sie jetzt vor sich bestehen und beweisen, daß sie ihr Geld nicht bedenkenlos ausgab.

Parker hatte einige dieser Einkaufsfahrten bereits hinter sich. Da er sich grundsätzlich über nichts wunderte, akzeptierte er die Marotte seiner Herrin. Sie bot die Gewähr dafür, daß Mylady abgelenkt wurde und sich ausnahmsweise mal nicht mit Kriminalfällen beschäftigte. Für eine kleine Erholungspause in dieser Hinsicht war Josuah Parker dankbar. Vor zwei Wochen erst war es turbulent genug zugegangen.

»Der Supermarkt, Mylady.« Parker hatte den großen Parkplatz vor dem neu eröffneten Einkaufsparadies erreicht und hielt. Gemessen stieg er aus dem Wagen und öffnete die hintere Tür. Er nahm in einer fast feierlichen Geste seine schwarze Melone ab und deutete eine knappe Verbeugung an.

»Wünschen Mylady meine bescheidene Begleitung?« fragte er.

»Natürlich, Mister Parker«, lautete ihre Antwort. »Ich werde Ihnen eine weitere Lektion in Sachen Preisvergleich erteilen.«

Parker legte den altväterlich gebundenen Regenschirm über den angewinkelten linken Unterarm und folgte der älteren Dame, die resolut auf den Eingang zumarschierte. Er übersah die vielen amüsierten und erstaunten Blicke der Käufer, die Mylady und ihm galten. Die beide schienen aus einem anderen Jahrhundert zu stammen, um sich im modernen London mal umzusehen.

Der neu eröffnete Supermarkt gehörte zu einer Kette gleicher Geschäfte und war eine einzige Verlockung in Neonlicht, Chrom, Glas und leiser, einschmeichelnder Verkaufsmusik.

Obwohl der erste Eröffnungsansturm bereits am Vormittag vorüber war, drängten sich die Menschen und hofften auf günstige Gelegenheiten. Der Betrieb war sogar noch fast beängstigend. Parker wollte Mylady überholen und sich vor sie schieben. Er dachte, für sie so eine Art Eisbrecher zu sein.

Doch das war überhaupt nicht möglich und notwendig. Eine Lady Simpson ließ sich nicht aufhalten oder gar abdrängen. Sie war eine stattliche Dame, die an eine Wagner-Heroine erinnerte. Wie ein in Tweed gekleideter Panzer bahnte sie sich ihren Weg und nahm jedes Hindernis. Sie merkte nicht, daß ihr Hut, der einem zivilen Südwester glich, sich verschoben hatte, was ihrem Gesicht einen kampfbereiten Ausdruck verlieh. Agatha Simpson fühlte sich nicht eingeengt oder belästigt, sie war in ihrem Element.

Zielbewußt steuerte sie die Konservenabteilung an, um sich hier mit billigen Ölsardinen einzudecken, aus denen sie sich übrigens überhaupt nichts machte, wie Parker nur zu genau wußte. Er folgte ihr höflich und geduldig und beugte sich leicht vor, als Agatha Simpsons Weg von einem Aluminiumcontainer blockiert wurde, aus dem ein Angestellter des Supermarkts Haferflockenpackungen holte.

»Platz da, junger Mann«, grollte Agatha Simpson, die nicht schnell genug an die Konserven herankam.

Der junge Mann im weißen Kittel reagierte erstaunlich. Er sah von seinen Haferflocken hoch. Es war ein Blick, der dem eines Wolfes glich. Aus der Tiefe des Supermarktes kam von irgendwoher ein Geräusch, als würde eine Sektflasche geöffnet. Der junge Mann griff noch mal in den fahrbaren Container und... zog eine tückisch aussehende Maschinenpistole hervor.

*

»Wie soll man Ihre Geste interpretieren?« erkundigte sich Josuah Parker höflich bei dem Weißkittel. »Gehe ich recht in der Annahme, daß es sich um eine Spielzeugwaffe handelt?«

»Schnauze«, sagte der junge Mann, der sicher kein Verkäufer des Supermarktes war. »Stehenbleiben, klar?«

»Was ist denn das für ein Ton?« entrüstete sich Agatha Simpson.

»Schnauze!« Der junge Mann wandte sich halb um und beobachtete den hinteren Teil des Supermarktes. Sein Interesse galt zwei weiteren jungen Verkäufern, die jeder eine große Ledertasche trugen und es ausgesprochen eilig hatten.

Diese nach Parkers Ansicht sehr schlecht geschulten Angestellten zeichneten sich durch besondere Unhöflichkeit und Rücksichtslosigkeit aus: Sie drängten und boxten sich förmlich durch die Menge der verdutzten und ratlosen Kunden und strebten dem Ausgang zu.

Für den Weißkittel am Container war dies das Zeichen, sich ebenfalls in Bewegung zu setzen. Er stemmte sich hoch und wollte über den Container hinwegflanken. Mylady und ihren Butler hielt er für keine Gefahr...

Doch der Mann irrte!

Josuah Parker langte mit seinem altväterlich gebundenen Regenschirm zu und traf den jungen Mann, als er gerade den Gipfelpunkt seines Sprungs erreicht hatte. Parkers Schlag erwies sich als Volltreffer. Die Bleieinlage im Bambusgriff des Schirms sorgte für einen jähen Absturz. Der Weißkittel grunzte ein wenig und ... landete klatschend im Container. Agatha Simpson wich zurück, als aus geplatzten Packungen die Haferflocken stäubten und eine mehligweiße Wolke aufstieg.

Josuah Parker benutzte seinen Regenschirm, um die aus dem Container heraushängenden Beine des Weißkittels anzuheben und dem Körper nachzuschicken. Damit war der Mann völlig in dem Behälter verschwunden.

»Ein Überfall, nicht wahr?« fragte Agatha Simpson, sich an ihren Butler wendend.

»Davon, Mylady, sollte man in der Tat ausgehen«, entgegnete Parker würdevoll. »Nach Lage der Dinge dürfte man es auf den Kassenbestand des Hauses abgesehen haben.«

»Zeiten sind das!« Agatha Simpson schüttelte verweisend den Kopf. »Noch nicht mal in Ruhe einkaufen kann man. Nun hören Sie sich nur mal dieses Getöse an!«

Parker kam dem Wunsch seiner Herrin nach. Vom Eingang des Supermarktes waren Schüsse zu hören, die ungedämpft und peitschend den Eindruck mittlerer Gefechtstätigkeit hervorriefen. Kunden schrien, Kinder weinten, splitterndes Glas brach berstend entzwei.

Parker beugte sich über den Container und suchte nach dem angeblichen Verkäufer.

Der junge Mann war nur noch andeutungsweise zu erkennen. Die Haferflocken hatten ihn förmlich begraben. Parker schob mit seinen schwarz behandschuhten Händen die Nahrungsmittel ein wenig zur Seite und arbeitete sich an die Kleidung des Ohnmächtigen heran. Natürlich suchte er nach Hinweisen, um die Identität des Mannes festzustellen.

Agatha Simpson beschäftigte sich ebenfalls.

Um die Regalecke herum brauste ein Mann, der ebenfalls einen weißen Kittel trug. Zusätzlich trug er auch eine offensichtlich schwere Ledertasche. Er prallte fast mit der alten Dame zusammen und wußte nicht, was er von ihr halten sollte.

Agatha Simpson reagierte gezielt. Sie deutete mit der rechten Hand auf ein Regal, als sei dort etwas Einmaliges und Wichtiges zu sehen. Der junge Mann riß den Kopf herum und schaute prompt nach oben. Er reagierte ganz automatisch.

Agatha Simpson hielt in der linken Hand inzwischen ein Paket Mehl, mit dem sie energisch zuschlug. Gewiß, die Packung platzte auf und verwandelte den Mann in eine Art Puderpuppe. Gleichzeitig aber ging der Mann in die Knie und schnappte nach Luft. Er machte einen im wahrsten Sinn des Wortes angeschlagenen Eindruck.

»Benötigen Mylady Hilfe?« erkundigte sich Josuah Parker, der auf das kleine Intermezzo inzwischen aufmerksam geworden war.

»Papperlapapp!« Der Ton ihrer Stimme klang wegwerfend. Sie griff nach einem Paket Bohnen und klatschte es auf den Hinterkopf des Mannes, der gerade wieder nach oben wollte. Der Getroffene sagte etwas, was aber nicht zu verstehen war, schwankte und legte sich dann widerstandslos auf den Boden. Die harten Bohnen sorgten für einen Tiefschlaf.

»Ein sehr schlechtes Einkaufsklima, Mister Parker, finden Sie nicht auch?« Sie sah ihren Butler kopfschüttelnd an.

»Falls Mylady darauf bestehen, werde ich das bei der Geschäftsleitung rügen«, lautete Parkers würdevolle Antwort.

*

»Natürlich, Mylady, reiner Zufall, daß Sie hier sind«, sagte Superintendent McWarden gereizt wie immer. Er hatte ehrliche Mühe, seine Stimme nicht laut werden zu lassen. »Sie sind ja immer rein zufällig da, wo Gangster und Ganoven aufkreuzen.«

»Mylady beabsichtigten, Ölsardinen einzukaufen«, erläuterte Josuah Parker würdevoll. »Sie sollen hier ungewöhnlich preisgünstig sein.«

»Ölsardinen! Natürlich, natürlich!« McWarden schnaufte wie eine alte Dampfmaschine. »Ich glaube Ihnen jedes Wort.«

»Was ich Ihnen auch geraten haben möchte!« Lady Agathas Stimme, die an einen urigen Baß erinnerte, grollte wie ein heraufziehendes Gewitter. »Sie sollten mir die Hände küssen, junger Mann.«

»Sagen Sie nicht immer ›junger Mann‹ zu mir«, fauchte McWarden, ein etwa fünfzigjähriger, untersetzter und bullig aussehender Mann. »Und warum sollte ich Ihnen die Hand küssen?«

»Zwei der Strolche konnte ich Ihnen immerhin in einem Container liefern.«

»Woher, Mylady, hatten Sie die Information, daß hier ein Raubüberfall stattfinden sollte?« McWarden kam zur Sache. Er hatte sich vorgenommen, sich nicht weiter provozieren zu lassen.

»Diese Information gab es nicht, junger Mann.« Agatha Simpson schüttelte den Kopf. Zwischen ihr und McWarden existierte stets eine Atmosphäre, die an die eines Duells erinnerte. Sie kannten sich schon seit Jahren, schätzten sich auch, hüteten sich jedoch, es zu zeigen. Lady Simpson und Butler Parker lieferten McWarden in fast regelmäßiger Folge fertig gelöste Kriminalfälle, eine Tatsache, über die McWarden sich zwar durchaus freute, die ihn aber auch immer wieder ungemein ärgerte.

»Ich kann Ihnen nicht das Gegenteil beweisen, Mylady«, meinte McWarden verschnupft und ungläubig. »Sie haben diese beiden Typen natürlich vor der Ankunft der Polizei gründlich durchsucht, nicht wahr?«

»Dies, Sir, war meine Pflicht und Aufgabe«, schaltete Parker sich ein.

»Und Sie haben natürlich nichts gefunden, oder?«

»Die Taschen der beiden Herren im Container erwiesen sich als leer, Sir.«

»Und das soll ich Ihnen natürlich ebenfalls glauben?«

»Ich hoffe, Sir, daß es der Fall ist.«

»Sie fanden nur diese zwölftausend Pfund in der Ledertasche?«

»Die Ihren Mitarbeitern pflichtschuldigst übergeben wurden, Sir.« Parker deutete ein feines Nicken an.

»Ich glaube Ihnen kein Wort, Mister Parker.«

»Sie sehen meine bescheidene Wenigkeit zutiefst bestürzt, Sir.«

»Sie wollen diesen Fall wieder mal allein lösen, oder?«

»Hinsichtlich der weiteren Pläne Myladys ist mir zur Zeit nichts bekannt, Sir.«

»Natürlich werde ich diesen Fall lösen«, warf Agatha Simpson ein. »Wie sollte er sonst gelöst werden? Durch Sie etwa, McWarden?«

»Mylady, ich werde Sie ...« Der Superintendent wollte eine Drohung ausstoßen, doch er schluckte sie im letzten Moment hinunter. Es war ja erfahrungsgemäß sinnlos, mit der älteren Dame zu streiten.

»Was werden Sie?« Agatha Simpson sah McWarden interessiert an. »Werden Sie jetzt etwa die übrigen drei Strolche festnehmen? Dann sollten Sie hier nicht länger herumstehen.«

McWarden war deutlich anzusehen, daß er die Lady am liebsten in den mit Haferflocken gefüllten Container gestoßen hätte, doch er wußte, daß so etwas nicht gerade leicht war. Sein Gegenüber war eine kriegerische Frau, die sich nichts gefallen ließ. McWarden wandte sich deshalb um und suchte nach einem Objekt, an dem er seine Gereiztheit auslassen konnte.

Agatha Simpson kehrte dem Container den Rücken und marschierte zum Ausgang des Supermarktes. Sie war es satt, sich weiter ausfragen zu lassen. Ärgerlicherweise hatte sie wirklich nichts zu sagen oder gar zu verschweigen. Die beiden Gangster hatten nichts bei sich gehabt, was eine Spur hätte bedeuten können. Leider hatten sie auch mündlich keinen Hinweis gegeben. Sie waren schweigsam wie tote Austern gewesen.

Dieser Fall war beendet, bevor er überhaupt erst richtig begonnen hatte.

»Haben Sie auch nichts übersehen?« fragte die Detektivin ihren Butler, der gemessen neben ihr auftauchte.

»Diese Frage, Mylady, muß ich leider verneinen.«

»Und was machen wir jetzt? Wie wollen wir den Rest dieser Bande finden?«

»Ich sehe mich außerstande, Mylady, darauf eine hoffnungsvolle Antwort geben zu können«, erwiderte Parker. Und ein genauer Zuhörer hätte in seiner Stimme wohl so etwas wie Erleichterung und Befriedigung wahrnehmen können. Josuah Parker war froh, daß Mylady diesmal nicht schon wieder auf Gangsterjagd gehen konnte.

*

»Quatsch, die paar Piepen können wir verschmerzen«, sagte Pete Court wegwerfend. Er war fünfunddreißig Jahre alt, mittelgroß und schlank. Court trug einen gutgeschnittenen Anzug und schien auch sonst in Luxus zu leben. Sein Apartment war modern eingerichtet und deutete darauf hin, daß er Geld hatte.

»Die paar Piepen?« fragte ein untersetzter Mann, der vielleicht dreißig war. Er hieß Harry Molson und war ein unangenehm wirkender Typ, dem man die Roheit und Brutalität ansah.

»Ich hätte auch nichts dagegen, wenn wir sie hier aufteilen könnten«, erklärte Oscar Peterson, ein junger Mann von achtundzwanzig Jahren, der groß und blond war, ein durchtrainierter Sportsmann, wie man ihm deutlich ansah.

»Ihr habt Sorgen!« Pete Court, offensichtlich der Anführer der Bande, baute sich vor seinen Mitarbeitern auf. »Begreift ihr denn nicht? Hank und Joe sind von dieser Simpson hochgenommen worden. Von ihrem Butler mal ganz zu schweigen.«

»Darauf reitest du schon die ganze Nacht herum«, ärgerte sich Harry Molson. »Was macht dich daran so nervös?«

»Weil die Alte und ihr Butler nicht zufällig im Supermarkt gewesen sein können.«

»Jeder kauft mal ein«, fand Oscar Peterson und zuckte die Achseln »Aber ’ne ausgewachsene Lady marschiert doch nicht in den nächstbesten Supermarkt«, gab Court zu bedenken. »Und dabei läßt sie sich schon gar nicht von ihrem Butler begleiten.«

»Die alte Lady wird ’ne Meise haben«, tippte Molson an und grinste abfällig.

»Die nicht, Jungens. Man merkt, daß ihr hier in London noch verdammt neu seid. Lady Simpson ist ’ne gefährliche Spürhündin. Und Parker ist sogar ein As.«

»Nun übertreib mal nicht.« Oscar Peterson verzog ironisch sein Gesicht.

»Ich untertreibe höchstens noch.« Pete Court mischte sich einen strammen Whisky und trank das Glas in einem Zug fast leer. »Diese beiden Typen haben Leute hochgenommen, an die sich kein Profi rangetraut hätte.«

»Dann sind die eben dämlich gewesen.« Harry Molson war nicht zu beeindrucken.

»Und wie dämlich die gewesen sind!« Court war mit dieser Einschätzung vollkommen einverstanden. »Die haben Lady Simpson und ihren Butler eben unterschätzt und auf die leichte Schulter genommen. Mir wird das nicht passieren.«

»Woher sollen die Alte und ihr Butler denn von unserem Überfall gewußt haben?« Oscar Peterson verdrehte gelangweilt die Augen. »Oder sind die beiden Typen Hellseher?«

»Woher haben die von unserem Überfall gewußt? Das ist die Frage!« Pete Court trank sein Glas leer. »Wer könnte ihnen das gesteckt haben?«

»Ich tippe immer noch auf Zufall.« Harry Molson hielt Courts Vorsicht für übertrieben.

»Zufall«, sagte auch Peterson.

»Überlegt doch mal«, schickte Court voraus. »Hank und Joe sind zwei ganz ausgebuffte Jungens, oder etwa nicht? Sie hatten Maschinenpistolen bei sich. Und wo landen sie? Bei der Polizei.

»Sie haben eben mal Pech gehabt. Und kein Wort werden die sagen.« Harry Molson war sich seiner Sache sicher.

»Die singen keine Arien«, schätzte auch Oscar Peterson. »Nee, Pete, die nicht!«

»Die Polizei kann uns mal«, reagierte Court gereizt. »Die macht mich nicht nervös. Nee, es sind die alte Lady und ihr Butler. Vergeßt nicht, daß wir noch ’ne Menge Vorhaben! Ich möchte in aller Ruhe arbeiten und nicht auf ’nem Pulverfaß sitzen.«

»Dann laß das Pulverfaß hochgehen, bevor wir drauf sind«, schlug Oscar Peterson vor.