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Ich bin Lilly Pause und ich habe ein echtes kleines Monster unter dem Bett, das auch noch zaubern kann. Jeden Tag erleben wir neue und aufregende Abenteuer. Doch dann naht mein achter Geburtstag heran und mein bester Freund soll für immer in die Welt der Monster zurückkehren. Doch ich, Lilly Pause, lasse ihn nicht einfach so fortgehen. Ich folge ihm heimlich durch den magischen Perlenvorhang hindurch und befreie ihn aus den bösen Regeln des obersten Monstermachers Zarroch, in dessen schwarzer Festung Avenur, hinter dem Wald der rennenden Bäume... Ein ganz besonderes Fantasy-Abenteuer über wahre Freundschaft zwischen einem Mädchen und einem kleinen Monster. Das Hardcoverbuch (Verlag BOD) hat 244 Seiten. Die Angaben der durschnittlichen Ebook Seitenzahl kann ggf. davon abweichen.
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Tolino Media GmbH
2. Auflage
© by Bea Stache 2021
Lektorat und Korrektur: Franziska Eife
und Trouble Black
Coverdesign © by Ria Raven unter Verwendung von lizensierten Motiven von Shutterstock
Hallo, mein Name ist Lilly Pause und ich bin fast acht Jahre alt. Da ihr mich ja nicht sehen könnt, muss ich euch mein Aussehen mal eben kurz beschreiben, sodass ihr mich später, wenn wir uns rein zufällig auf der Straße oder in der Stadt begegnen, auch erkennen könnt. Also:
Meine Haare sind so lockig wie Korkenzieher und dunkelblond. Mein Gesicht ist ein bisschen wie ein Herz geformt und hat eine hübsche kleine Stupsnase. Ich habe außerdem helle, blaue Augen mit einem stets lustigen Funkeln darin.
Wir wohnen in einem merkwürdigen alten Haus.
Wahrscheinlich ist es sogar das älteste Haus der ganzen Stadt, denn wir haben sehr schiefe Wände, sehr schiefe Türrahmen, sehr schiefe Fenster und absolut keine einzige Zimmertüre mehr, nirgendwo im ganzen Haus, sondern stattdessen nur dicke, bunte Vorhänge, die die Räume voneinander abtrennen. Oma sagt immer: „Man muss sich halt zu helfen wissen, wenn man in einem so alten und so schiefen Haus wohnt.“ Und wenn meine Oma das zu mir sagt - dann ist das auch so! Habt ihr übrigens schon mal etwas von meiner supertollen, obercoolen und sehr weit gereisten Oma gehört?
Sie stand schon ganz viel in der Zeitung, müsst ihr wissen. Aber das war früher, vor ungefähr sechzig Jahren, oder so. Vielleicht wissen das ja eure eigenen Omas noch oder die Opas, die für meine Oma geschwärmt haben.
Denn meine Oma Gertie ist überhaupt nicht so, wie Omas normalerweise sind.
Sie macht nämlich ganz viele Dinge, die andere Omas nie machen würden; so wie tagsüber mit der Sonne zu sprechen, mit dem Regen zu schimpfen oder auch nachts ab und zu den Mond anzuheulen, wenn sie der Meinung ist, er hört ihr vielleicht gerade zu.
Sie trägt immer dasselbe blass-blaue Hausschürzenkleid mit denselben blassen hell-orangefarbenen Blümchen drauf, dunkel-lilafarbene, selbst gestrickte Kniestrümpfe und einen lustigen Sonnenblumen-Hut, in den sie hinten mindestens zehn riesig große Indianerfedern reingesteckt hat. Ihr Haar ist sogar noch länger als meines, weil sie fast nie zum Friseur geht, schon gar nicht, um es sich dort modern schneiden oder färben zu lassen, wie es andere Omas gerne tun, die sich genieren grauhaarig zu sein!
Aber meiner Oma Gertie macht das nichts aus. Sie sagt immer: „Grau ist auch nur eine Farbe, die es auf der Welt geben muss, und man ist immer nur ganz genau so alt, wie man sich fühlt.“ Heute Morgen übrigens haben wir uns zusammengerechnet wie einhundertdreiundneunzigdreiviertel gefühlt, das haben wir beim Frühstück festgestellt! Wir sind nämlich beide absolute Morgenmuffel und mögen das frühe Aufstehen gar nicht gerne, auch wenn das angeblich die beste Zeit des Tages sein soll.
Aber wir müssen ja trotzdem immer beide aufstehen, außer am Wochenende und auch beide unseren jeweiligen Job erledigen. Ich zum Beispiel stelle immer vor dem Frühstück Marmelade, Butter und Käse, Messer, Teller und Tassen raus auf den Tisch und räume hinterher alles zurück in den Kühlschrank. Dann putze ich noch den Tisch gründlich ab, während Oma den Abwasch macht, das ist ihr Job!
Auch wenn ich stattdessen nur zu gerne wieder zurück ins Bett kriechen und mal so richtig lange ausschlafen würde, muss ich anschließend trotzdem in die Schule gehen. Und das tue ich auch jeden Tag - wenn nicht gerade Ferien sind!
Ich bin eine recht gute Schülerin, wie meine Noten beweisen, aber in den ersten Stunden könnte ich doch glatt einpennen, so müde bin ich noch!
Geht es euch auch so?
Tja, Pech gehabt, nicht wahr?
Kinder müssen unter der Woche immer viel zu früh aufstehen, viel zu früh in die Schule gehen, viel zu früh lesen und schreiben und rechnen, während der Kopf noch nicht ganz wach und die Augen noch halb geschlossen sind.
Und meine Oma muss immer vormittags zum Supermarkt an der Hauptstraße laufen. Denn sie muss einkaufen gehen, sonst gibt es mittags nichts zu essen auf den Tisch!
Sie sagt, manchmal kann das ziemlich gefährlich sein, wenn der Kopf noch schläft und die Augen halb zu sind.
Darum haben wir beide eine Abmachung getroffen: Wir bemühen uns einfach, nach dem Frühstück ganz wach zu sein! Dann passiert Oma beim Überqueren der Hauptstraße nichts und ich kann in der Schule richtig aufpassen, damit mir dort auch wirklich nichts Wichtiges entgeht, sagt meine Oma. Und wenn meine Oma das sagt, dann ist das auch so!
Die Zeit in der Schule vergeht ja eigentlich auch immer ganz schnell. Kaum bin ich da und rechne und lese und schreibe, gehe in die Pause und rechne, lese und schreibe noch einmal, schon ist die Schule auch schon wieder aus. Dann renne ich, so schnell ich nur kann, nach Hause zurück. Denn zu Hause ist es natürlich am allerschönsten!
Zu Hause wartet Oma auf mich und will immer wissen, wie mein Tag war. Ein leckeres Mittagessen steht schon bereit und die Nachmittage kann ich genau so verbringen, wie es mir am besten gefällt. Zumindest sobald ich die Hausaufgaben alle erledigt habe, versteht sich.
Oft gehe ich dann einfach raus in den Garten, in den Wald oder ins Feld oder meine Oma erzählt mir vielleicht, wenn ich sie sehr lieb darum bitte, etwas von früher. Sie beantwortet mir außerdem immer zahlreiche Fragen, die mir ständig im Kopf herumgehen. Das ist etwas ganz Besonderes, finde ich:
Denn auf jede Frage, die ich ihr stelle, bekomme ich auch immer eine richtige, ausführliche und ordentliche Antwort. Ja, sie weiß einfach alles, kann ich euch sagen, weil sie in ihrem langen Leben auch schon alle Kontinente der Welt bereist und unglaublich viel erlebt hat.
Ha! Da staunt ihr, was?
Meine Oma ist wirklich sehr weit herumgekommen. Sie ist zum
Beispiel als erste Frau auf einen hohen Berg im HimalajaGebirge gestiegen und mit dem Heißluftballon über einen ganzen riesigen Ozean bis nach Amerika rübergefahren! In unserem Haus gibt es unzählige Fotos von ihr und ganz vielen anderen Leuten, die alle irgendwann mal sehr berühmt geworden sind. Eins davon ist ein Bild mit dem früheren Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Heute haben die schon einen neuen. Ich glaube, weil der alte irgendwann gestorben ist oder so. Dann hat sie noch eins mit dem großen König Suleiman, aus dem Emirat Bahrain, keine Ahnung, wo das noch mal liegt, aber inzwischen ist der ja auch nicht mehr König, sondern sein Sohn Sultan oder wie der noch mal heißt. Er schickt Oma jedes Jahr eine Schachtel mit Omas Lieblingskonfekt aus dem Orient - in einer mit schwarzem Samt ausgeschlagenen Box! Jawohl, so berühmt ist sie auch heute noch. Ja, und zu guter Letzt gibt es da noch ein Bild von ihr und dem Kaiser von Japan und ich glaube sogar, der ist auch heute noch der Kaiser, ur-uralt inzwischen, aber immerhin!
Tja, aber diese berühmten Leute sind natürlich nicht alle, die meine Oma kennengelernt hat. Wie schon gesagt, sie ist nicht so wie andere Omas. Denn sie hat da noch eine Truhe mit weiteren Bildern von anderen sehr wichtigen Persönlichkeiten: Den so genannten unbekannten Mächtigen der geheimen Welten, die nicht sehr oft von Menschen gefunden werden können, außer natürlich von meiner Oma, die war bei ihnen allen zu Besuch!
Bei der Anführerbande der Wurzelzwerge von Andorahadde, bei der gruseligen Königin der Unterirdischen von Usbekistan, bei der lieblichen Elfenprinzessin Amatzia S'Fireisa aus Irland. Und es gab da auch noch dieses Zusammentreffen der Sternentänzer von Lu-Lei-La, das liegt – glaube ich - gleich auf dem ersten Stern rechts hinter dem Mond, wenn der gerade im Zenit steht oder so. Die haben ihr sogar vorgetanzt, als sie Oma mal hier unten auf der Erde besucht haben!
Dann hatte sie noch diese eine große Audienz bei den dreizehn Koboldkaisern von Augustinien und zu guter Letzt hat sie auch noch die Schrullmemmen kennengelernt. Die findet man überall und nirgends und sie haben auch keinen speziellen König oder Anführer. Sie sind ganz einfach nur Schrullenmemmen.
Aber wenn ihr euch jetzt fragt, wie die denn alle so sind oder wie und wo man sie alle ganz genau finden kann, tja, das müsst ihr am besten meine Oma fragen. Sie erzählt es mir jetzt nämlich noch nicht, weil ich dafür noch nicht alt genug bin, sagt sie. Aber was das nun wieder heißen soll, frage ich mich manchmal echt! Wie alt muss man denn bitte schön sein, um alles von den Schrullenmemmen und den gruseligen Unterirdischen, den Kobolden, Elfen und Sternentänzern zu erfahren? Dreißig? Also das hoffe ich nun wirklich nicht. Ich bin ja selbst erst beinahe acht und habe keine Lust, noch mal zweiundzwanzig Jahre lang darauf zu warten, ungewöhnliche Geschichten aus aller Welt zu hören. Aber Oma hat mir immerhin schon mal gesagt, dass es fürchterlich spannende Geschichten sind und dass man sie am besten selbst erlebt haben muss, um sie auch wirklich zu glauben.
Sowieso nimmt sie mich irgendwann einmal mit, damit ich auch ja viel lerne und die Augen nicht vor der echten Wirklichkeit verschließe, so wie viele, ja eigentlich die meisten, Menschen es heutzutage tun. Die glauben nämlich nicht an Kobolde und Unterirdische, an Sternentänzer und all die anderen unsichtbaren Wesen auf der Welt. Weil sie es nicht sehen oder sehen wollen. Obwohl sie da sind, obwohl sie wirklich sind! Und zumindest das kann ich hundertprozentig bestätigen und schwöre sogar einen heiligen Eid auf die Indianerfedern am Hut meiner Oma, dass es diese Wesen wirklich gibt! Denn ... Psst! Ich verrate euch jetzt mal etwas. Was ganz, ganz Tolles und Witziges und vielleicht auch ein bisschen Gruseliges, aber eigentlich auch richtig Schönes - zumindest für mich ist es das alles und ob es das auch für euch ist, müsst ihr einfach später entscheiden, okay? Aber bevor ich es euch gleich verrate, müsst ihr mir vorher noch mit Hand aufs Herz versprechen, niemandem jemals davon zu erzählen. Denn sonst würden alle Leute auf der ganzen weiten Welt hierherkommen nach Schwalmstadt, an unsere Haustür klopfen und in mein Zimmer hereinstürmen. Oh ja! Sogar ihr würdet kommen wollen und staunen und es euch alle mit eigenen Augen ansehen wollen - garantiert! Denn ich habe ein echtes, supercooles, klitzekleines und absolut gruseliges Monster unter meinem Bett!
Halt, stopp und stillgestanden!
Werft jetzt bloß nicht das Buch weg und lauft auch nicht laut kreischend auf und davon, denn mein Monster bleibt immer genau da, wo es ist, - unter meinem Bett. Denn dort gefällt es ihm am besten! Es hat sich diesen Platz selbst ausgesucht und deshalb braucht ihr euch auch nicht zu fürchten, es käme vielleicht doch mal unter euer Bett gewitscht, um da jemand ganz Kleinen oder schon etwas Größeren fürchterlich zu erschrecken. Na, das will ich jedenfalls sehr hoffen. Es ist nämlich mein allerbester Freund! Und es kann wirklich ganz lustige Sachen zaubern, wie zum Beispiel, es mitten im Sommer in meinem Zimmer schneien lassen, damit ich mir einen Schneemann bauen kann oder rodeln. Vom Schrank runter, durch den ganzen Raum bis zum Tür-Vorhang. Das war vielleicht lustig, als wir das im letzten Sommer gemacht haben.
Dafür hatte ich von Oma noch eigens einen nagelneuen, knallroten Poporutscher bekommen. Hinterher mussten wir zwar mit Wischlappen und Eimern das ganze Schmelzwasser wieder aufwischen, weil es sogar schon bis runter in die Küche getropft hat - und das war dann wiederum nicht mehr so witzig - aber Spaß gemacht hat's trotzdem. Und Omas Gesicht erst, als sie an dem Tag in mein Zimmer kam und den riesigen Schneeberg erblickte, der da vor meinem Schrank hoch aufgetürmt lag und lustig vor sich hinschmolz, das werde ich garantiert nie im Leben vergessen! Und wir haben später auch noch wochenlang darüber gelacht, weil Oma gar nicht über den Streich meines kleinen Monsters geschimpft hat. Das fand ich am zweitbesten daran. Das aller-allerbeste aber war natürlich die mächtig tolle Schneeballschlacht, die wir mit dem ganzen Rest vom Schnee gemacht haben - was nach dem Schlittenfahren an Schnee eben noch so übrig war: Oma und ich gegen mein kleines Monster.
HA!
Das hat uns vielleicht eingeseift, kann ich euch verraten! Wir waren nachher fast schon tiefgefroren - und das mitten im Sommer. Bei dreißig Grad im Schatten! „So ein Filou!“, hat Oma immer wieder kichernd gerufen, während wir uns beide in der heißen Badewanne wieder aufgetaut haben. Dann ein anderes Mal und das war wirklich superspitzenklasse!!! - hat mir mein
Monster eine echte, riesengroße, gigantische, mit einem doppelten Looping versehene Autorennbahn mitten in mein Zimmer gezaubert. Ich kann euch sagen, dass die Jungs aus der Nachbarschaft auf einmal alle meine besten Freunde sein wollten, nur um auch mal damit spielen zu dürfen.
Deren Eltern haben natürlich später immer behauptet, meine Oma Gertie hätte mir die Autorennbahn geschenkt. Doch das ist nicht wahr. Mein kleines Monster hat sie mir herbeigezaubert. Aber das erzähle ich keinem außer euch, sonst halten die mich am Ende noch für total verrückt. Jedenfalls, was die Autorennbahn betrifft, die war nach zwei Tagen sowieso wieder weg. Denn solche großen, tollen Zauber halten leider niemals lange vor und mein Monster kann eine Sache auch nicht zweimal hintereinander herbeizaubern. So ist das eben! Einmal im Jahr ein ganz spezieller Zauber. Das ist die erste der allerwichtigsten Monstermagierregeln. Ansonsten zaubert es natürlich wie wild in der Gegend herum, meistens Schabernack und Streiche, wohlgemerkt. Darüber lache ich mich andauernd kaputt, ganz besonders dann, wenn es auch mal meine Oma Gertie erwischt, die es aber stets mit Humor nimmt und ebenfalls laut und herzlich darüber lachen muss, was mein kleines Monster da so alles treibt.
Aber es kann noch viel, viel mehr, als nur herumzaubern, kann ich euch sagen. Es spielt nämlich alles gerne, was ich auch gern spiele:
Autos über den Boden sausen lassen und dann klack-klack-klack die Treppe runter. Oder es verkleidet sich manchmal sogar als Baby, dann spielen wir Mutter und Kind; was natürlich normalerweise nur noch etwas für Kindergartenkinder ist; aber ich füttere es dabei mit echten Süßigkeiten, denn das hat es besonders gerne, das alte Schleckermaul, und ich natürlich auch, weil ich dabei nämlich von ihm zurückgefüttert werde. Eigentlich ist das dann also auch gar kein richtiges Mutter-Kind-Spielen mehr, wenn ich mir das jetzt noch mal so richtig überlege. Das ist doch viel eher eine ausgedehnte Süßkramparty mit gegenseitigem Füttern! Denn seien wir doch mal ehrlich: Welches Baby füttert denn bitte heutzutage seine Mama, hm?
Aber auch so, mal ganz davon abgesehen, dass es ja nur ein Spiel ist, könnte ich wirklich und tatsächlich niemals im Leben seine Mama sein. Mein Monster ist nämlich schon über achtundvierzig Jahre alt, hat es mir selbst erzählt! Und deshalb könnte es da doch eher bei mir Eltern spielen. Aber als ich ihm das einmal vorgeschlagen habe, hat mein Monster nur gemeint, dass es nie im Leben erwachsen werden würde. Denn kleine Monster bleiben immer genau das, was sie sind: kleine Monster! Sie altern nicht. Sie sind es ewig. Selbst, wenn sie über fünfhundert Jahre alt werden oder sogar tausend, sterben sie nicht weg, so wie wir Menschen das tun.
Ist das nicht irre?
Ihr fragt euch jetzt sicherlich alle:
Wie sieht so ein echtes, kleines Monster denn wohl aus? Doch leider kann ich Euch das auch nicht ganz genau sagen, denn es ist an einem Tag immer ganz anders als am Vortag und nie gleich.
Doch zumindest eins weiß ich ganz genau. Er ist ein Junge und kein Mädchen. Das hat er mir nämlich Mal ganz am Anfang erklärt, als ich ihm eine große rosa Schleife um den Kopf herum wickeln wollte.
Da war ich gerade zwei geworden oder drei und er war ein kuscheliger, kleiner Plüschhund, mit leuchtend roten Augen und echten Monster-Reißzähnen, einem grün-lila Zottelfell und einer langen, rauen, blitzeblauen Zunge, mit der er mich ständig abgeschlabbert hat.
- Ihhh-Bäh!
Zuerst habe ich natürlich vor Angst geschrieen, als er sich mir auf diese Weise vorgestellt hat, doch dann habe ich nur noch gelacht, weil seine Zunge mich so schrecklich gekitzelt hat.
Ab sofort war er mein allerbester Freund und ist es bis heute geblieben.
Doch war es früher für mich schon irgendwie merkwürdig, einen solch seltsamen Monster- Freund zu haben, den man aber nie sofort auf Anhieb wieder erkennen konnte.Wie überrascht ich doch war als er jeden Tag anders ausschaute, das kann ich euch verraten!
Er behauptet ja heute noch, er hätte sich mir jeden Tag auf's Neue vorstellen müssen, weil ich ihn ständig nur gefragt habe, wer er denn sei und was er denn mit Willbur gemacht hätte. Kann sein, weiß ich nicht mehr. Ich war ja noch ganz klein damals.
Aber an einige wirklich witzige Figuren, die er in der langen, langen Zeit seit meinem zweiten Geburtstag darstellte, kann ich mich noch sehr genau erinnern. An den kleinen, knuddeligen Teddybären mit seinen gelben, geschlitzten Chinesenaugen, scharfen Krallen an den Pfoten und großen, klobigen, roten Stiefeln an den storchenlangen Beinen, mit denen er andauernd auf- und abmarschiert ist wie der gestiefelte Kater im Märchen. Am selben Tag hat er mit seinen messerscharfen Krallen ein ziemlich seltsames Muster in meine Kinderzimmertapete geritzt. Da war ich aber schon vier, glaube ich. Meine Oma hat damals absolut begeistert gesagt, ich sei ein künstlerisches Genie, das unbedingt gefördert gehört. Ha! Ich und ein künstlerisches Genie, dass ich nicht lache! Ich kann ja noch nicht einmal einen geraden Strich auf ein Blatt malen, geschweige denn eine Blume, die auch nur im Entferntesten so aussieht, als wär's eine, sagt zumindest meine Kunstlehrerin immer zu mir. Dass sie mir keine Sechs im Unterricht gibt, liegt nur daran, dass ich noch in die Grundschule gehe. Aber mal ehrlich, was ist denn bitte so Besonderes daran, hm? Es ist nur Kunst! Pferde aus Stofffetzen schneiden und so ein Quatsch, Blumen und Wiesen und Häuser malen, mich selbst zeichnen. Wozu gibt es denn heutzutage den Fotoapparat, hä?
Mir gefallen in der Schule vor allem die Fächer Deutsch und Englisch, Lesen und Schreiben. Aber Englisch haben wir leider erst nächstes Jahr und in Deutsch murkeln wir immer noch am Schönschreiben rum, was ich aber natürlich schon bestens kann, schließlich schreibe ich unheimlich viel und gerne.
Übrigens, wenn wir schon von fremden Sprachen sprechen. Wusstet ihr, dass ich ganz richtig und echt mit meinem Monster sprechen kann? Er redet zwar meistens Deutsch mit mir, doch wenn er sich über irgendetwas aufregt, was mitunter auch mal passiert, dann brabbelt er immer auf Monsterisch los, was er mir übrigens seit ein paar Jahren ebenfalls beibringt, damit ich ihn auch verstehen kann, wenn er so schimpft oder etwas in seiner Sprache erzählt. Zwar sagt er mir immer nur ein Wort oder einen ganz kurzen Satz pro Tag und manchmal vergesse ich die Worte und Sätze dann auch gleich wieder und er muss sie mir über eine Woche lang wiederholen, bis ich endlich kapiert habe, wie man das richtig ausspricht und was das noch mal heißen soll, doch das macht mir nichts aus. Denn ich habe ja Zeit. Doch jetzt, nach drei Jahren Monsterischunterricht bei dem besten und witzigsten Lehrer, den man sich überhaupt denken kann, kann ich schon eine ganze Menge verstehen und sprechen und es ist auch wirklich nicht besonders schwer.
Obwohl natürlich, wenn man es korrekt und übergenau betrachtet, ist Monsterisch für die Menschen überhaupt keine ausländische Sprache. Eher so etwas wie Quatsch-Plappern. - Bah!
Das macht mich immer ziemlich wütend und traurig, wenn ich daran denke, dass die Leute das so sehen. Denn ich kann es doch schon so gut sprechen und habe es auch wirklich lange und fleißig geübt.
Ein bisschen kann ich euch ja auch beibringen, wenn ihr wollt, okay? Zum Beispiel: p'- will- dü verknaahk! Das heißt so viel wie: „Du bist ein Blödmann.“
Das habe ich auch neulich in der Schule zu Bastian Fenner gesagt, weil er die kleine Fanny Schreiber in die Dornenhecke, gleich rechts neben dem Mädchenklo, geschubst hat. Natürlich traue ich mich das nur auf Monsterisch zu ihm zu sagen.
Der ist ja so fies, der Bastian. So dick und groß und strohdumm, jawohl! Doch er hat sich tatsächlich nur über meine Worte kaputtgelacht. Kapiert hat er's nicht - zum Glück! Sonst hätte er mich garantiert auch noch mit da reingeschubst.
Sowieso kapiert anscheinend keiner außer meiner Oma Gertie, was es mit dem Monsterischen noch so alles auf sich hat. Noch nicht einmal der Herr Lehrer in der Schule und der weiß doch eigentlich alles, habe ich zumindest früher mal gedacht. Aber wisst ihr was? Das ist gar nicht so. Er weiß überhaupt nicht alles! Denn als er uns letztes Jahr in der Klasse fragte, ob wir vielleicht noch eine andere Sprache sprechen könnten außer Deutsch so wie Jaques, der ist nämlich eigentlich ein Franzose und spricht zu Hause auch Französisch mit seiner Mama, oder Ivan, der ist ein Russe und spricht perfekt Russisch, da habe ich mich natürlich auch gleich mal gemeldet. Der Lehrer hat ganz schön dumm geguckt, als er mich aufrief und mich nur ganz verwundert gefragt: „Ja, Lilly? Welche Sprache kannst du denn noch sprechen außer Deutsch?“ Ich habe ihnen allen sofort und ganz stolz auf mich selbst erklärt: „Ich kann Monsterisch!“ Daraufhin haben sie aber nur alle brüllend losgelacht und der Lehrer war ziemlich sauer auf mich. Hat mich glatt nach draußen vor die Tür gesetzt und gesagt, ich wüsste nicht, was der Ernst des Lebens sei, na ja! Der Herr Lehrer zumindest hatte noch nie ein eigenes Monster unter dem Bett. Und wisst ihr was? So gemein wie der ist, bekommt der auch keins. Die Monster gehen nämlich nur zu netten Menschen unter die Betten! Hat zumindest mein kleines Monster behauptet, als ich ihm nachmittags davon erzählt habe, und das muss es ja wissen. Heute ist mein Monster übrigens eine fünfunddreißig Zentimeter große, männliche Barbie-Puppe mit schräg stehenden, schwarzen Augen, lila lockigen, kurzen Haaren, die ihm wild zu Berge stehen, spitzen Elfenohren und scharfen MonsterReißzähnen. Das ist übrigens das Einzige, was immer gleich an ihm bleibt: Die scharfen Monster-Reißzähne! Sehen echt cool aus, kann ich euch sagen. Wirklich super monstermäßig! Und genau so muss es auch sein, sagt mein Monster immer. Er heißt übrigens mit vollem Namen „Willbur, der reißende Reißer!“ Den Namen hat er sich selbst gegeben.
Er denkt auch immer, er sei ein ganz, ganz wilder und außerdem ein schlimmer Finger, so viel Schabernack und Unsinn wie er gerne anstellt. Doch wisst ihr, was ich über ihn denke? Ich finde ihn einfach nur süß und zum Knuddeln, sogar wenn er so viele Süßigkeiten in sich reingestopft hat, dass sein Bäuchlein so dick wie eine Kegelkugel wird und er sich nicht mal mehr einen Millimeter von der Stelle wegbewegen kann.
Aber wenn er heute schon rein äußerlich eine Puppe ist, will ich auch gerne mal wieder mit ihm Puppenwagen ausfahren spielen. Und jetzt, so nach der Schule und den schnell gemachten Hausaufgaben, kann ich das auch endlich tun.
Oma ist mal wieder unterwegs zu ihrer Freundin Frieda Hiller, denn die hat ein neues Enkelkind bekommen. Oma mag es zwar nicht so besonders, wenn sie sich unzählige Fotos angucken und die ganze Zeit über breit lächeln muss, nur weil auf den Bildern ein Baby zu sehen ist, das total zerknittert, fast wie ein alter Opa, aussieht und außerdem auch noch heult oder gähnt oder schläft oder aber rosarot im Gesicht ist, weil ihm gerade ein Pups quer sitzt, doch sie trägt es mit Fassung. „Das nennt man dann eben gesellige Konversation machen!“, sagt sie immer nur schulterzuckend und fügt sich drein, so wie ich mich auch dreinfüge, wenn ich mal wieder zum Sonntagskaffee der Klatschbasen mitgehen muss. Die Omas dort fragen einen immer mit dümmlichen Grinse-Gesichtern ein Loch in den Bauch und man muss immer ganz höflich und artig bleiben, still sitzen und „danke, ja“ und „danke, nein“ sagen, viel lächeln, bis einem die Backen fast platzen und möglichst wenig dazwischen fragen, um nicht als frech zu gelten. Gottlob verlangt Oma Gertie das höchstens einmal im Monat von mir, dass ich dahin mitkommen muss.
Aber heute haben wir, wie gesagt, komplett frei. Denn es ist Montag und die Klatschbasen können mir alle zusammen den Buckel runterrutschen.
Ich möchte spielen und lachen und raus ins Freie, obwohl es kalt ist und bald schneien wird. Die Wolken hängen schon ganz tief am Himmel und im Radio haben sie erzählt, dass es morgen draußen überall weiß sein wird. Toll, Schlittenfahren! Machen wir dann morgen, aber heute liegt noch kein Schnee. Heute können wir etwas anderes machen.
Willbur quengelt ein bisschen, als ich ihn mir schnappe und die Treppe runtertrage, doch das ist ja nichts Neues.
Er mag es nämlich nicht so gerne, bei der Kälte draußen zu sein, wisst ihr? Auch wenn er meistens ein dickes Zottelfell anhat. Doch oft, wenn wir draußen sind, kommt die böse Frau Kaspar von gegenüber zur Haustür rausgestürmt und schimpft mich tüchtig wegen irgendetwas Erfundenem aus. Die beschwert sich wirklich und ganz echt über jede noch so kleine Kleinigkeit an mir und um mich herum. Entweder gefällt ihr nicht, was ich mache oder was ich anhabe. Und letzten Frühling hat sie mich ganz dolle ausgeschimpft, weil das Blumenbeet von Oma nicht so toll wie sonst immer ausgetrieben hat, weil ich nämlich angeblich die Blumen-Zwiebeln falsch herum in die Erde gesetzt habe. Dann hat sie sich noch den ganzen Sommer über beschwert, dass Oma mit ihrem Sonnenblumen-Indianerhut lächerlich aussähe und ich mit meinen komischen flunsigen Locken ebenfalls, dass ich mir die lästigen Dinger, die bestimmt schwer zu kämmen seien und eine Menge Arbeit machen würden, gefälligst schneiden lassen solle, denn ich würde ja aussehen wie ein wildes Huhn vom Acker nebenan! Wirklich und wahrhaftig, das hat sie zu mir gesagt!
Sie beschwert sich außerdem immer, dass ich oft zu laut wäre und lästig, dass ich sie und alle anderen Menschen auf der Welt störe und ihr sogar Schnecken in das preisgekrönte Salatbeet reinwerfe, um sie extra noch mehr zu ärgern. Aber, Hand aufs Herz, das ist nicht wahr! Die Schnecken kriechen von ganz allein in den Salat rein. Das machen sie ja auch so in Oma Gerties Beet und in dem von Frau Langemann von schräg gegenüber ebenfalls. Ich gehe immer nur zum Spielen raus. Und das ist ja wohl nicht verboten.
Oma sagt mir immer, wenn ich mich bei ihr über die alte Knerbel-Kaspar beklage, weil die mich wieder ungerecht angemault hat, dass ich ihr gegenüber trotzdem höflich bleiben und lächeln und am besten ganz und gar weghören soll bei dem, was sie so alles schreit und schimpft. Doch ab und zu habe ich schon Lust, der Miesepeter-Kaspar meine ehrliche Meinung zu sagen. Dass sie nämlich die Einzige Lästige ist und niemand sonst! Am liebsten würde ich ihr sogar ab und zu Streiche spielen, doch allein traue ich mich das nicht, und Willbur? Tja, der hat anscheinend ebenso viel Angst vor ihr wie ich. Denn wie gesagt, er geht schon gar nicht mehr gerne raus und ich glaube, das liegt nur an ihr.
Er duckt sich nämlich immer gleich weg oder saust wie der Blitz auf und davon, wenn sie auch nur um die Ecke geschlurft kommt oder aber zum Fenster rausguckt. Ob er wohl Angst hat, dass die Frau den Kammerjäger ruft, wenn sie ihn mal zu Gesicht bekommt? Möglich wär's. Zutrauen würde ich ihr das zumindest! Aber heute ist von der Miesepeter-Kaspar zum Glück nichts zu sehen, als wir raus in den Garten gehen. Na ja, zumindest jetzt noch nicht.
Ich setze den immer noch maulenden Willbur in den Puppenwagen rein und decke ihn mit einer flauschigen hellblauen Puppendecke zu.
Meistens hört er dann auf zu motzen und lehnt sich erst mal ausgiebig gähnend zurück, während ich ihn über das Kopfsteinpflaster schaukele. Das macht ihm nämlich dann doch immer Spaß, weil ich ja schieben muss und er sich's einfach nur gemütlich zu machen braucht, ohne dabei einen Finger krumm zu machen. „Das ist das wahre Monsterleben!“, behauptet er dann oft genüsslich grinsend. Oder er befiehlt mir: „Jetzt nach rechts, Frau Chauffeurin, nach links, halt! Und jetzt losrennen, ich will, dass es ganz dolle schaukelt!“ Und dann renne ich und er wird im Kinderwagen hin- und hergeworfen wie in einer Achterbahn. Das macht ihm am allermeisten Spaß.
Wie gerne würde ich das auch mal erleben, dass er mich fährt und ich von ihm geschaukelt werde, doch dazu ist er natürlich viel zu klein und ich bin viel zu groß und zu schwer!
Doch heute ist, irgendwie trotz meiner Mühe, dass er ordentlich Spaß hat, alles ganz anders als sonst. Egal, wie wild ich ihn auch schaukle, er meckert und grummelt und brummelt und motzt die ganze Zeit über, während ich ihn nur immer weiter anschiebe. Das tut er sonst nicht, also bleibe ich schließlich stehen. Vielleicht ist ihm ja irgendwie schlecht geworden von der ganzen Schaukelei über das Kopfsteinpflaster, denke ich, und kehre schnell wieder mit ihm ins Haus zurück. Da hole ich ihm gleich seine Lieblings-Schokolade aus dem Vorratsschrank unter der Treppe. Die nützt bei Willbur nämlich immer was! Schokolade gegen jedes Weh-Wehchen, gegen Übelkeit, gegen Magendrücken, gegen Husten und Schnupfen und das höchste Fieber der Weltgeschichte ...
Na ja, Monster sind eben anders als wir Menschen. Wenn wir Kinder zu viel naschen, bekommen wir davon Bauchweh oder Zahnschmerzen. Wenn die Monster das tun, werden sie lediglich dick, fühlen sich aber trotzdem immer noch pudelwohl dabei. Also haben wir zu Hause nun riesige Mengen von Schokolade und anderen Süßkram wie Lakritzstangen, Bonbons, Kekse, süße Müsli-Riegel und Schoko-Sahne-Pudding gebunkert. Alles nur für mein kleines Monster. Na ja, fast alles. Aber für Notfälle müssen wir auch eine Menge dahaben. Willbur hat nämlich einmal, als er wirklich arge Kopfschmerzen hatte, vierzehn ganze Tafeln Schokolade in nur fünf Minuten verputzt. Meine Oma dachte schon, ich bekomme einen Zuckerschock und mindestens drei Kilo Übergewicht, doch es war ja mein Monster, das die ganze Schokolade gefuttert hat, nicht ich. Und es ging ihm danach auch gleich wieder richtig gut. Doch als ich ihm jetzt die Schokolade hinhalte, damit es ihm schnell wieder besser geht, mag er sie gar nicht nehmen. Was ist nur los mit ihm?, überlege ich nun doch ein bisschen ärgerlich. Er zieht ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter, ... oh jemine!
Ich nehme Willbur wieder auf den Arm und bringe ihn vorsichtig zurück in mein Zimmer, direkt unter mein Bett, wo es dunkel, warm und gemütlich für ihn ist. Doch er grummelt und brummelt immer noch weiter vor sich hin. So böse und gereizt, als wollte er mich gleich beißen. Aber das hat er noch nie getan. Er verkriecht sich lustlos in sein Fetzen-Nest, das er sich unter meinem Bett aus einer riesigen Menge Kuscheltierinnereien und großen Stoffresten zusammengebastelt hat.
Die Kuscheltiere haben früher alle mir gehört, aber ich habe ja Willbur, falls der es sich denn einmal gefallen lässt, mit mir zu kuscheln. Warum also ein dämliches Stofftier, das nichts sagen und nichts tun kann, an die Brust drücken, habe ich mir gedacht und sie ihm alle zum Spielen geschenkt. Willbur hat sie dann aber lustigerweise allesamt auseinandergenommen, um zu gucken, was da überhaupt drin ist und sich ein Nest aus den Fetzen gebaut, in dem er nun immer schläft.
Doch er sieht im Moment gar nicht müde aus, nur motzig. Und das kann ich nun wirklich nicht verstehen.
„Was ist los mit dir, Willbur? Bist du krank?", frage ich ihn flüsternd, als ich zu ihm unter das Bett krieche. Monster haben nämlich sehr empfindliche Ohren, besonders wenn ihnen etwas weh tut und sie deshalb knerbelig sind. Doch er grollt nur schon wieder so komisch zur Antwort – auf Monsterisch diesmal … Ich muss ganz genau hinhören, um ihn zu verstehen:
„Krr’hauch - aram bellam-bellam!“
Das heißt: „Rutsch mir doch den Buckel runter!“
Huch, denke ich erschrocken. Ist er etwa sauer auf mich? Aber warum denn?
„Habe ich dich vorhin vielleicht geärgert?“, frage ich ihn, nun doch ein bisschen unsicher geworden. Schließlich wollte er ja nicht freiwillig rausgehen. „Wenn ja, tut es mir wirklich furchtbar leid, wirklich!“, versichere ich ihm noch einmal hastig. „Lass uns doch einfach etwas anderes spielen, wenn du nicht ausfahren willst, oder nur ganz, ganz viel Schokolade essen oder auch Bonbons. - Nein, halt, ich hab's!
Du darfst es dir jetzt aussuchen, was wir machen wollen, okay?“, schlage ich ihm erleichtert über meinen guten Einfall vor. Schließlich muss ja nicht immer ich der Bestimmer sein, denke ich zufrieden, und ehrlich gesagt mag ich es sogar auch viel lieber, wenn Willbur vorschlägt, was wir spielen sollen. Das wird dann nämlich immer sehr lustig, weil er ja zaubern kann und ich nicht.
Doch Willbur will heute auch nichts anderes mit mir spielen oder irgendetwas zum Spielen vorschlagen. Er springt nur wieder grummelnd aus seinem Bett, kriecht noch tiefer ins Dunkel hinein, bis ganz nach hinten an die Wand, wo ich ihn kaum noch sehen kann und murmelt dort ganz leise weiter vor sich hin: „Gahrrrauch-rahr'hambell errem-baharr Grukell'aramm!“
Die Worte kenne ich doch, denke ich verwirrt. Aber was sie genau bedeuten, habe ich gerade mal vergessen. Da hilft nur eins. Ich krieche wieder unter dem Bett hervor und gehe an meinen Nachttisch. Dann krame ich eiligst in meiner geheimen Schublade seitlich hinter dem Tischchen herum, wo ich mein graues Notizbuch, in das ich immer Willburs Monsterisch-Worte eintrage, versteckt habe. Ich suche mir mal eben schnell die richtige Übersetzung für das Aufgeschriebene raus. Es ist gar nicht so einfach, jedes einzelne Wort im Buch zu finden, obwohl ich alles richtig ordentlich und alphabetisch geordnet habe wie in meinem Schulbuch.
Ich schreibe mir nacheinander die Worte auf eine freie Stelle im Buch, spiele noch ein bisschen damit herum, sodass ein ganzer Satz daraus wird, lese es nun wirklich schon schwer besorgt durch ...
ACH ... DU ... DONNER ...! Nein, nein, nein! Das darf einfach nicht wahr sein, denn wisst ihr was? Willbur hat eben tatsächlich zu mir gesagt: „Ich muss bald für immer weggehen!“ „WAS?“, rufe ich nun also schrecklich bestürzt und krieche dann, so schnell ich nur kann, wieder zu Willbur unter mein Bett. Er schmollt noch immer ganz hinten in der finstersten Ecke herum. „Du kannst doch nicht einfach so von mir wegwollen, Willbur! Ich dachte, wir sind Freunde!“
„Haram-scharra Karam-scharra! Wirum'warum zu- zi-da!“, brabbelt er nur wieder laut aufjammernd zu mir rüber und schlägt dabei äußerst dramatisch die Hände über dem Kopf zusammen.
Diese Worte habe ich jetzt auch ohne mein Buch verstanden.
„Ich muss in die Welt der Monster zurückkehren. Ich habe keine Aufenthaltserlaubnis mehr.“
„Aufenthaltserlaubnis?“, frage ich Willbur absolut verwirrt. Ich wusste gar nicht, dass Monster so etwas brauchen.