Solaris - Der Durchbruch - Bea Stache - E-Book

Solaris - Der Durchbruch E-Book

Bea Stache

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Beschreibung

Die Welt wurde von einem gewaltigen Sonnensturm vernichtet. Doch einige Menschen haben in ihren Archen tief unter der Erde überlebt. Feeline und Samuel existieren beide nur ganz am Rande der neuen Gesellschaft in den Arche-Höhlen. Sie ist die Tochter des Arche-2-Kommandanten. Er der Sohn des Amok gelaufenen Arche-3- Generals und sie haben beide aufgrund dramatischer Umstände zu viel Arbeit und Verantwortung übernommen, um nebenher noch einen normalen Umgang mit anderen Menschen pflegen zu können. Sie begegnen sich zufällig und finden sich auch nur deshalb kurze Zeit später in einer reinen Zweckgemeinschaft zusammen, um an dem ihnen auferlegten Pflichtprogramm der ESA zur Neubesiedelung der Erde teilzunehmen. Aber aus der Pflicht wird sehr schnell Liebe, was beide aber erst so richtig begreifen, als man sie dann doch wieder gewaltsam voneinander zu trennen versucht... Science Fiction Liebesroman Der Auftakt zur gleichnamigen Serie „Solaris“, die für die Wattys2019 nominiert wurde.

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Prolog

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Danke

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Impressum

1. Auflage 10.2018

Copyrights © 2018 by

Bea Stache

Brunnenweg 4

34628 Willingshausen

[email protected]

Lektorat: Franziska Eife

Cover Copyright © by Bea Stache

unter Verwendung

von lizensierten Bildern von StockAdobe

Prolog

27.1.2063

Die Wissenschaftler in den weltweit verteilten Raumfahrtzentren standen oder saßen geschockt und viele auch den Tränen nahe oder auch nur fassungslos vor sich hinstarrend, vor den großen Monitoren, welche gerade die computergestützte Simulation einer gerade eben begonnenen Super-Sonneneruption dargestellt und deren weitere Entwicklung angezeigt hatten.

Und wie schon zuvor nur von den ESA-Behörden alleine festgestellt, welche diese sich nur sehr langsam entwickelnde Plasmablase per Zufall durch einen Studenten der Astrophysik entdeckt hatten, kamen sie auch mit allen Daten, sämtlicher Raumfahrteinrichtungen und Teleskop-Stationen der privaten Unternehmen, immer noch zum selben Ergebnis: Ihnen allen stand die Apokalypse bevor, der Supergau …ja, das Ende der Welt!

Wovor die Wissenschaftler die Regierungen und Privatkonzerne der Welt schon so lange eindringlich gewarnt hatten, war heute bittere Gewissheit. Der Raubabbau am inneren Erdkern, um dort die wertvollen Metalle und Mineralerze für die Industrie zu gewinnen, war zu lange und viel zu schnell geschehen und nun blieb ihnen nicht mehr genug Zeit, um den Schaden zu reparieren. Was fast 30 Jahre angedauert hatte, konnte man unmöglich in nur elf kurzen Monaten beheben. Denn genau so viel Zeit blieb ihnen jetzt allen noch, wenn kein Wunder geschah.

Und das hieß … sie waren nun alle miteinander am Arsch, wie der wissenschaftliche Leiter von ESA es gerade noch seiner rein europäischen Arbeitsgruppe wie auch in der Videokonferenz mitgeteilt hatte.

Die Erde würde auf ihrer derzeitigen Laufbahn in diesen sehr langsam entwickelnden Sonnensturm hineindriften, ohne ein sicheres Magnetfeld zum Schutz davor zu haben. Das hieß, dass die Erde in nur elf Monaten in einer irrsinnigen Feuersbrunst gegrillt werden würde, ebenso wie alles, was lebte, mit Temperaturen und Feuerstürmen, die sicher auch noch die untere Atmosphäre entzünden würde mit ihren ca. 300 – 1000 Grad Celsius. Und alles Leben auf der Erde würde enden.

Dr. Keinel, der Physiker, war schließlich der Erste, der sich wieder bewegte, seine Brille abzog und anschließend sein Handy zückte. „Was ’aben sie vor, Monsieur?“, fragte der französische Astrophysiker Luc de Charge ihn leise und auch Professor Dr. Cos zückte nun sein Handy und sah dabei schon aus, als würde er selbst gleich brennen oder heulen mögen. Dr. Keinel, der für die deutsche Delegation der Arbeitsgruppe „Sonnensichtung“ sprach, tippte nur still eine der drei noch nie benutzten Nummern an, die ihm für den absoluten Supergau, (der nie zu erwarten gewesen war) ausgehändigt worden waren. „Wir müssen unsere Regierungen zumindest vorwarnen, dass da gerade etwas auf uns zukommt. Glauben Sie mir, mein Freund, unsere Kollegen in Übersee, Russland und Mexiko tun gerade genau dasselbe wie ich, also nehmen sie sich ein bisschen zusammen und rufen sie ihren eigenen Staatspräsidenten an“, bellte er den Partner rüde an und nickte den anderen Wissenschaftlern und Studenten kurz eindringlich zu, bevor er in sein persönliches Büro ging, um den Anruf in Ruhe zu tätigen.

Minutenlang ließ Professor Dr. Keinel sich dann aber nur weiter und weiter verbinden, um schlussendlich doch noch mit dem Bundeskanzler zu sprechen, der sich allerdings zunächst drei Mal verleugnen ließ. Nur auf Professor Dr. Keinels zynisch ruhige Worte hin, dass der Erde hier gerade eine Apokalypse drohe und er sich damit auch gerne direkt an die deutsche Presse wenden könnte, um die Menschheit auf der Stelle und ungefiltert zu informieren, wenn sich die Regierung seines Landes so gar nicht dafür interessierte, gab den Ausschlag dazu, dass sich der Politiker dann doch endlich noch entnervt an den Hörer bequemte.

Das Telefonat an sich war dann auch wirklich erst einmal sehr kurz und würde irgendwann noch in die Annalen der letzten deutschen Geschichtsschreibung, über die letzten Taten der alten Politik eingehen, denn das Telefonat begann mit den Worten: „Herr Bundeskanzler? Ja, … ja, ich weiß … und verzeihen Sie mir bitte, wenn ich Sie gerade ärgerlicherweise unterbrochen habe, Sir, aber wir haben da nun mal bedauerlicherweise ein Apokalypsen-Problem, um das Sie sich dann doch vielleicht noch etwas dringender kümmern sollten als um den neuen Botschafter von England und ihr Golf-Handicap. Denn, wenn kein Wunder mehr geschieht, wird die Welt in nur knapp elf Monaten untergehen!“

Elf Monate später

Die Kolonne der Lastwagen, die in den Berg einfuhr, war gewaltig und lang. Pferdehänger, Viehtransporter, die letzten Laster voller Futtersäcke, Korn, Samen, Vorräte, Ersatzteile, Stahl, Vorräte und Menschen. Ja … ganz zuletzt kamen die zum größten Teil noch sehr jungen Menschen, die verängstigt und besorgt aus den Fenstern der Armeebusse herausblickten, mit denen sie nun kilometertief in den Berg hineingefahren wurden. Feeline Hoffmann aber stand noch mit ihrem Vater, dem neuen Kommandanten dieses Berges, am Eingang des Tunnels und wartete sich die Beine in den Bauch, um tatsächlich erst ganz zum Schluss in den riesigen Tunnel einzufahren.

Mann, wie das nervte … und vor allem die Affenhitze hier draußen, mitten im Winter! Sie hatten zu Weihnachten sogar 20 Grad gehabt … im Schatten! Und die Bäume blühten schon wieder, die Apfelblüten, Kirschblüten, Kastanien und Buchen und all das. Es war schon wieder alles grün hier draußen … zu dieser Jahreszeit … Tja … die Klimaerwärmung und das restliche Abschmelzen der Polarkappen machten eindeutige Fortschritte.

„Feeline!“, rief ihr Vater sie und sie hob nur mürrisch ihren Kopf, als er ihr zuwinkte, schon mal in den Jeep zu steigen. Sie dagegen zoomte aber immer noch mit ihrer Freundin Frederike, die gerade gemütlich zu Hause saß und eine alte Folge der Skytroopers schaute, weil gerade überall Ausgangssperre bestand und die Bundeswehr durch die Straßen patrouillierte, um neue Krawallausbrüche in den Innenstädten zu verhindern.

Sie musste ihr jetzt wenigstens nochmal zum Abschied Lebewohl sagen, bevor es für lange, lange Zeit nicht mehr gehen würde, denn ihr Akku war nahezu aufgebraucht, und ihr Vater hatte ihr vorhin sicher zum hundertsten Mal erklärt, dass ihr Handy dort im Berg auch nicht mehr funktionieren und die dort künstlich erzeugte Energie aus den Generatoren auch leider für ganz andere Dinge als für Musik vom 'Gigastick' gebraucht werden würde. „Als ob mein Vater jemals verstehen wird, wie die Technik von heute überhaupt heißt!“, sprach sie geringschätzig mit dem 3-D-Hologramm ihrer Freundin, die ihr nur amüsiert zuwinkte und mit den Schultern zuckte. „Melde dich einfach bei mir, wenn ihr wieder da seid. Mein Vater sagt, dass es irre ist, dieses Höhlenexperiment mitzumachen und dass da sowieso nichts passieren wird. Die Euro-Dok-Station und Mexikos Lamacua haben inzwischen den Erdkern wieder ausreichend angefüttert und die elektromagnetischen Schilde bauen sich gerade auch wieder auf. Es gibt nichts, wovor wir Angst haben müssten, außer vielleicht Kirschen und Erdbeeren im Februar essen zu müssen, … oh wie furchtbar!“, lachte Frederike belustigt auf und auch Fee grinste sich eins. „Tu mir bitte nur einen Gefallen und koche welche für mich ein. Wenn ich dann in eineinhalb Jahren zurück bin, esse ich sie … und halte sie meinem Vater dabei ganz sicher direkt unter die dicke Wissenschaftlernase, damit er auch haargenau sieht, was er mir tatsächlich so lange angetan haben wird … Mich einfach so da runter, unter die Erde, zu verschleppen, ich glaube es hackt!“, kicherte Fee nur wieder und Frederike kicherte mit. „Na ja, aber deinen lieben Tommy werde ich dir in der Zwischenzeit leider ausgespannt haben, das musst du verstehen, … aus den Augen und Ohren, aus dem Sinn ...“, zuckte ihre Freundin nur frech zwinkernd mit den Schultern und Feeline stöhnte nur wieder auf. „Erinnere mich bloß nicht. Schrecklich! Gerade jetzt, wo er endlich Interesse an mir gezeigt hat, … aber bitte. Wenn der Idiot nicht auf mich warten kann, dann hat er mich auch nicht verdient“, gab sie lahm von sich und ihre Freundin zeigte ihr nur wieder den gehobenen Daumen. „FEELINE!“, rief ihr Vater sie nun deutlich lauter und sie sah auf. „Freddy, mein Akku gibt den Geist auf und die Hölle ruft. Wir sehen uns in eineinhalb Jahren wieder, okay?“, verabschiedete sie sich rasch von ihrer Freundin, die ihr noch eine belustigte Kusshand zuschickte und dann von ihrem portablen 3-D-Darsteller verschwand. „Vergiss doch jetzt endlich mal dein Handy und diesen ganzen Scheiß!“, stand ihr Vater auf einmal vor ihr und riss ihr das Gerät aus der Hand, um es augenrollend einzustecken. Fee sah nur einmal mehr gereizt zu ihm auf, hatte sie doch eigentlich beim Einfahren in die Höhle noch Musik hören wollen … Zumindest das noch, wenn schon keine Gespräche mehr mit ihren Freunden möglich sein würden. Tja, … als ob es ihn jemals interessierte, dass sie die Musik in ihrem Leben brauchte wie die Luft zum Atmen. Sie verstand es nur schwer, aber wer hier mit in eine Arche hineinwollte – oder so wie sie fieserweise dazu gezwungen wurde – musste sich wohl oder übel an die vielen knallharten Regeln halten. Selbst als Tochter des Kommandanten.

Und dass sie mit in die Höhle hineindurfte, war angeblich ein absolutes Privileg. Ja, klar. ESA hatte die hiesigen Auserwählten alle höchst hochnotpeinlich auf Blut, Herz, Lunge, Leber und Nieren getestet.

Diese Arche hier war nur mit äußerst handverlesen ausgesuchten Leuten bestückt worden, alle extrem fruchtbar, unglaublich gesund und kaum noch jemand über 35 Jahre alt oder generell über 25. Vornehmlich Schüler und junge Studenten und nur noch ganz, ganz wenige Erwachsene. Außer ihr Vater, einem Psycho-Doc und noch so ein Typ, der nun der General hier war, und gerade vorne bei ihrem Vater stand, und der schwer bewachten Kolonne zusah, wie auch den Soldaten, die vorne das Tor verteidigten gegen unzählige Menschen, die auch noch ihre Babys hochhielten, sie sollten sie bitte mitnehmen. Doch bereits lebende Babys waren nur in Arche 1 zugelassen, nicht hier in Arche 2. Tjaaa, … welche Mutter war denn aber so blöd und gab ihr eigenes Kind weg, nur damit es Teil eines Experimentes wurde? Das war doch krank, oder? Fee atmete tief durch und schaute zur gleißenden Sonne hinauf. Das Licht, die Wärme, es war alles so schön hier draußen. Wie sollten sie es denn nur jahrelang ohne all das in einem eiskalten Berg und in völliger Dunkelheit aushalten? Die Farben und das Licht hier oben waren doch am schönsten. Roter Klatschmohn und blaue Kornblumen, blauer Himmel, und die ganzen Erdfarben erst. Das Grün der Blätter in den Bäumen und das viel dunklere Grün der Nadeln an Kiefern und Tannen.

Und dann auch noch einen steinernen Sarkophag eine Arche nennen … ha! Eine Arche war doch ein Schiff auf dem Meer oder aber ein Raumschiff ins Weltall. Warum hatten sie denn nicht auch so eins gebaut, so wie die Russen? Weil sie hier in Europa keine Abschussrampe und auch gar nicht die nötigen Mittel dazu hatten? Weil es ja so viel sicherer war, hier auf der Erde gegrillt zu werden, wenn dieser beschissene Sonnensturm überhaupt eine Gefahr für sie darstellte? Doch ihr Vater glaubte nun mal fest daran. Na ja, ... wie krass das alles war. Nun, zumindest hatte Paul Hoffmann ihr letztlich doch noch erlaubt, wenigstens ihre Gitarre mitzunehmen und sie konnte nun vielleicht doch noch der Biologin Dr. Sonja Bergheimer in den Höhlen mit ihren Pferden helfen. Denn ihre Einheit von Arbeitspferden war doch noch von Arche 1 abgesondert worden, um besser doch zwei Zuchtstellen und Überlebenshöhlen zu haben, falls irgendetwas in der jeweils anderen Höhle schiefgehen würde. Ihren sanften Riesenhengst, den schwarzen Shadow, mochte sie wirklich sehr gerne. Aber für sie der Liebste war der gutmütige und wunderschön aussehende rote Willy mit der langen, gewellten Mähne. So etwas Hübsches, Freundliches und Zutrauliches hatte sie noch nie gesehen. Und dann auch noch die vielen Stuten und die anderen Hengste … Aber es stieß ihr trotzdem besonders sauer auf, dass ihr Vater ihr nicht gestattet hatte, auch ihre fünfzehnjährige Stute Polly mitzunehmen, die nun auf einer großen, weiten Wiese stand und vermutlich eineinhalb Jahre nicht bewegt werden würde … na ja … oder auch nie wieder. Vielleicht aber auch nicht. Wenn das hier alles am Ende nur ein gewaltiger Fake der Regierung war, wie die meisten Verschwörungstheoretiker behaupteten, dann würde sie bald schon ganz gewaltig sauer werden. Apokalypsenfilme gut und schön. Doch sie würde es erst glauben, wenn sie wieder aus dem Berg herauskam und die Welt war tatsächlich weg. Sie würde denen nichts von ihrer Story glauben, bevor sie es nicht mit eigenen Augen gesehen hatte. Das Ende der Welt, das angeblich kurz bevorstehen sollte … Eine Sonneneruption, die angeblich vor Monaten stattgefunden hatte, und deren Ausläufer nun angeblich die Erde grillen würden, heute in drei Tagen. Jeder halbwegs gebildete Theoretiker sprach von dem Schwachsinn und Nonsens. Ein Sonnensturm brauchte höchstens siebzehn Stunden, um auf die Erde zu treffen und nicht ganze elf Monate! Es würde sich da garantiert nichts ändern, außer dass eine große Gruppe Menschen und Tiere an diesem irren Sozialexperiment teilnehmen würden. Die Wissenschaftler hatten darüber gestritten und diskutiert, waren im Fernsehen zu Rededuellen aufmarschiert und hatten die ganze Menschheit völlig kirre gemacht. Doch das Magnetfeld würde wieder da sein und halten, und gut war es. Aber natürlich nicht für ihren bekloppten Vater, der sich für diese Mission hier tatsächlich auch noch freiwillig gemeldet hatte. Und dass sie nun heute aber auch noch hier bei ihm, statt vier Kilometer weiter südlich war, war auch nur seine Schuld.

Das war seine Paranoia. Eigentlich hatte sie nämlich zur größeren Sicherheit in die größte der Archen, Arche 1, gehen sollen – zu Stu und seinen Kindern, vor allem seinem süßen Sohn Rene. Der hatte es ihr schon lange angetan, denn er war mit ihr im selben Bewerbungsprogramm um die Archenplätze gewesen und noch eine ganze Ecke netter und attraktiver als Tommy. Ja, der nette Rene mit seinen grasgrünen Augen und dem verschmitzten Lächeln. Aber ihr Vater hatte nun doch noch umentschieden, dass sie mal lieber mit zu ihm kommen sollte und basta. Voll bekloppt der Kerl, wie schon gesagt. Denn er war der festen Meinung, alles Leben auf der Erde würde in nur drei Tagen enden. Fee wusste zumindest, dass es hier gerade den meisten Teenagern ganz genau so erging wie ihr selbst. Dass sie es kaum glauben konnten oder wollten, dass sie gerade einfach so aus ihren Familien herausgerissen wurden. Viele der jungen Leute aus ihrer Schule waren heilfroh, nicht in die Archen gesteckt worden zu sein und Fee hatte wirklich alles versucht, ihren Vater zu überreden, bei Frederike und ihren Eltern bleiben zu dürfen. Aber ihr Vater zwang sie dazu. Doch nun sagte Fee sich einfach, okay … dann gehe ich da jetzt also mit rein, Daddy, aber wehe, wenn dann doch nicht die Welt untergeht …! Ja, wehe … wenn … nicht …! Dann konnte der seinen behämmerten Vertrag über Teenagerrebellion, die ESA bei ihr nicht sehen wollte, und was sie letzte Woche hatte unterschreiben müssen, ganz einfach mal vergessen. Denn sie würde dann sowas von rebellieren … aber hallo!

„Feeline Hoffmann! Steig jetzt endlich ein, bevor ich dir auch so eine feine Betäubungsspritze in den Hintern rammen muss, so wie Haggedorn aus Arche 3 das heute bei seinem eigenen rebellischen Sohn gemacht hat, der einfach weggefahren ist, um draußen zu bleiben. Wir sind die Letzten und gehen da jetzt zusammen rein!“, rief ihr Vater sie nun zornig in den riesigen Geländewagen der Bundeswehr hinein und Feeline sah sich noch einmal finster, aber auch sehnsüchtig hier oben auf der Erde um. Grünes, frisches Gras, weite Wälder, hohe Berge, blauer Himmel, Wind und Vögel und Wild … Bayern eben, nichts wirklich Besonderes. Trotzdem setzte sie sich ins Auto und legte eine Hand mit finsterem Blick auf ihren Gitarrenkoffer, den sie sich nicht auch noch hatte verbieten lassen mitzunehmen, obwohl er es versucht hatte, und ließ sich mit dem Geländewagen ihres Vaters in die Dunkelheit des Berges hineinbringen. Der Tunnel wurde direkt hinter dem Fahrzeug ihres Vaters mit meterdicken Sicherheitstoren aus Kruppstahl verschlossen, welche noch heute und dann auch in den nächsten zwei Tagen in den drei großen Wasserleitern dahinter teilweise mit kaltem Wasser geflutet werden würden. Die noch übrigen sechs Hohlräume des Mega-Tunnels im Zwischenraum würden dann ebenfalls – aber mit flüssigem Beton – aufgefüllt werden. Und dann gab es absolut keinen Ausweg mehr aus dem Steingrab dieser künstlichen Pyramide heraus. Sie würden mindestens ein Jahr und sechs Monate brauchen, um sich aus diesem Berg wieder auszugraben … Wenn sie es denn überhaupt jemals schaffen würden, dachte sie noch tief durchatmend, weil todunglücklich, und schaute nur noch sehnsüchtig aus der Heckscheibe guckend zu, wie die gewaltigen Tore sich rumpelnd hinter ihnen schlossen und alles Licht verging, während ihr Vater noch am Funkgerät einen letzten Spruch zum Besten gab: „Hier spricht Kommandant Hoffmann, Arche 2. Melde mich aus der ersten Betonkammer und erstatte Bericht: Die Tore schließen sich nun hinter uns und alle Personen und Güter sind eingefahren. Viel Glück für euch, Oberfläche, und für uns alle. Arche 2 meldet sich ab ... over und aus!“

1

Tag: 797 n. Apokalypse

Der Bildschirm schien regelrecht zu explodieren. Die flammenden Feuerwellen, die das Filmmaterial zeigten, waren gewaltig. Wie gebannt starrten die nun endlich über achtzehnjährigen Abschlussklassenschüler auf den Computerbildschirm, der den Menschen im Raum zeigte, was vor über zwei Jahren auf der Oberfläche der Erde tatsächlich vor sich gegangen war.

Es waren die allerletzten Videoaufnahmen, die allerletzten Übertragungen von draußen gewesen. Normale Menschen, die einfach nur da standen, saßen, gingen und in ihren Wagen fuhren. Sie wurden von einer Wand aus grell leuchtendem Feuer getroffen, das nicht langsam auf sie zukam, sondern nur auf einmal da war. Sie schrien, kreischten und fingen ganz plötzlich Feuer. Sie rannten noch wenige Augenblicke als lebendige Fackeln herum und starben qualvoll, ehe auch die letzten Satelliten von den heftigen Plasmawellen im All zu Ende gegrillt worden waren. Doch die vielen Einzelszenen, die man in den unterirdischen Bunkern empfangen, gesammelt und gespeichert hatte und die jeweils nur wenige Sekunden der Apokalypsenstunde 0 umfassten, waren überwältigend.

Bäume brannten lichterloh, fast wie Zunder. Tiere rannten brüllend, röhrend, fiepend um ihr Leben, ohne jede Hoffnung auf Rettung oder Schutz, brennend und zum Teil auch schon halb verkohlt saßen Gäste an Bistrotischen oder lagen am Boden, der sich langsam aufweichte und schmolz. Auch ganze Autos schmolzen innerhalb von Sekunden zu Metall- und Kunststoffpfützen zusammen in diesem glühenden, sengenden Feuerball, der da nun in der Erdatmosphäre verbrannte und die Erde grillte. Eine Einstellung aus dem All zeigte den Ausbruch eines gigantischen Riesenvulkans in Italien, der bis ins All hinauf zu sehen war. Es sah aus, als wäre da auf Erden eine gewaltige, megatonnenschwere Atombombe explodiert oder aber ein Komet eingeschlagen. Es gab außerdem auch noch Bilder, die von drinnen aus den Häusern oder aus Instituten heraus gemacht worden waren oder aus den vielen Bunkern etwas tiefer unter der Erde, in denen auch noch die Politiker oder reiche Leute betend gehockt und gebangt hatten, aber vergeblich. Sie waren nicht tief genug und auch nicht sicher genug gewesen. Kommentare, Gebete, Verzweiflung … geschrien, gebrüllt, … bevor auch die Filmenden letztlich durch die im Solarsturm schmelzende Steinkruste vernichtet wurden, weil die Hitze in den ersten zwei Kilometern Erdkruste rasch auf über 1000 Grad Celsius anstieg. Häuser platzten unter der weißglühend auftreffenden Feuerwelle auseinander, wehten davon wie unter einer echten Atomexplosion. Gasleitungen explodierten und löschten ganze Straßenzüge auf einmal aus. Schreie, Tod und Leid, … grenzenloses Leid, in einem alles vernichtenden Flammenmeer. Nur gut, dass keiner, ob nun Mensch oder Tier, lange gelitten hatte.

Fee atmete zittrig und kurz wegblickend tief durch, um sich zu fassen und bemerkte, wie sich viele der anderen jungen Leute krampfhaft an den Stuhllehnen festhielten oder in ihre Stofftaschentücher hineinschluchzten, bevor sie ebenfalls wieder Mut fassten und zurück auf den Bildschirm starrten, so wie sie selbst auch. Es war furchtbar.

Die Luft war kurz feuerrot oder grellweiß gewesen, bevor die Kameras durchgeschmort waren. Die Atmosphäre hatte sich also, so wie vorab angekündigt, ebenfalls entzündet und löschte mit einem Schlag allen Sauerstoff aus, heizte alles auf, die ganze Erdoberfläche verwandelte sich binnen weniger Minuten in einen gigantischen Megavulkan. Und auch der Yellow-Stone auf der anderen Erdseite brach unter dem Druck der sich nun stark verschiebenden Erdmassen mit einer apokalyptischen Urgewalt aus, ebenso wie alle Vulkane in Neuseeland, Asien, Island und auf Hawaii ... Man sah sich noch das letzte Szenario ohne Menschen an, genauso wie damals im entschärften Kinderfilm, den sie ihnen allen zwei Wochen nach dem Weltuntergang präsentiert hatten.

Weil es da nämlich immer noch ungläubige Verschwörungstheoretiker unter ihnen gegeben hatte. Sie selbst hatte zugegeben damals ja auch noch mit dazugehört. Nun aber nicht mehr.

Dieser Film war nun Teil der menschlichen Geschichte. Es war der Teil aus den Tagen der neuen Schöpfung. Der letzte offizielle Unterricht der nun erwachsenen Teenager zu ihrem Schulabschluss, der nun immer in dem Jahr sein würde, wenn sie alle achtzehn wurden oder geworden waren.

Endlich war der Film vorbei und die ESA-Zeichen erschienen auf dem großen Bildschirm. Dr. Daniela Ostheimer, die in den letzten Jahren ihre Lehrerin gewesen war, trat mit einem schwarzen Buch in der Hand vor ihre Klasse und lächelte ihre Schüler freundlich an.

„Liebe Abschlussklasse. Diese Bilder der alten Welt werden uns für immer in Erinnerung bleiben, solange diese erste Generation von Neusiedlern existiert. Denken Sie alle daran, dass wir nur überlebt haben dank der ESA-Programme. Und diese führen uns nun in die neue Zukunft, auch wenn sie vielen Menschen als viel zu offenherzig und auch gleichzeitig als viel zu streng erscheinen, doch wir alle müssen nun unseren Beitrag leisten.

Und wir tun es im Gedenken an alle, die früher mal waren, an alles, was wir einst hatten und hoffentlich in der Zukunft wiederhaben werden. Doch damit es uns gelingt, diese zerstörte Welt neu zu starten, muss jeder einzelne von Euch sein absolut Bestes geben, ohne Murren oder Ausreden zu suchen. Die Frauen, indem sie sehr früh möglichst sehr viele Kinder bekommen, damit da auch eine neue Generation heranwächst und die Männer, indem sie hart arbeiten, die nun dicke und starre Erdkruste brechen. Indem sie für unsere ersten wichtigen Ernten im neuen Leben Sorge tragen, nichts mehr auf die leichte Schulter nehmen, sondern fleißig sind und ihre ESA-Partnerinnen und Kinder bestmöglichst unterstützen.

Denn die alte gemütliche Welt, in der es alles gab, auf Knopfdruck geliefert wurde oder im Supermarkt um die Ecke gekauft werden konnte, ist vergangen.

Wenn wir diese Höhlen verlassen, erwartet uns nun alle der pure Horror aus Stein und Geröll und Sand, was jetzt natürlich noch kaum vorstellbar ist, und selbst wenn heute in ESAs Richtlinien die Religion keine große Bedeutung mehr hat, so möchte ich dennoch etwas aus einer sehr bekannten Schrift rezitieren, das mir tatsächlich auf unsere derzeitige Situation passend erscheint ...Aus dem ersten Buch Mose, Genesis:

„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.

Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.

Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.

Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern, die da scheide, zwischen den Wassern.

Da machte Gott die Feste und schied das Wasser über der Feste und es geschah so.

Und Gott nannte die Feste Himmel.

Da ward aus Abend und Morgen der zweite Tag.

Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Orte, dass man das Trockene sehe. Und es geschah so. Und Gott nannte das Trockene Erde und die Sammlung von Wasser, nannte er Meer. Und Gott sah, dass es gut war ...“

Die Lehrerin hielt inne und schloss die Bibel schließlich wieder, während nun alle Kids, die eben noch gejuchzt und gejubelt hatten, nun wieder verunsichert still schwiegen.

Einige davon rollten auch nur missmutig mit den Augen. Sie waren nämlich gar keine Christen. Doch Dr. Daniela nickte nur kurz ernsthaft in die Runde.

„Ob wir nun an die Worte aus diesem Buch glauben oder nicht, ist nicht wichtig. Das Einzige, das zählt ist, dass wir von wem auch immer, ob nun Gott, dieser Welt, Buddah, Allah oder sonst wem diesmal nur die ersten zweieinhalb Tage der Entstehung für unseren Neuanfang erhalten haben, meine Damen und Herren.

Es gibt dort draußen gerade nur noch den Himmel ... und die Erde! Ob unser Mond noch existiert, weiß keiner, auch das Arche 3 Team hat ihn bisher noch nicht am Himmel gesehen, seit sie herausgekommen sind, denn es war nicht ein einziger Tag und auch in keiner Nacht klar, wie man uns mitteilte, zudem ist es so dunkel, dass man nicht die Hand vor Augen sehen kann.

Doch selbst wenn er noch da ist, werden wir es schwer haben, uns aus diesem Trümmerhaufen Erde wieder zu erheben. Und es ist tatsächlich ein extrem langer, steiniger Weg, bis wir uns wieder so ein Paradies geschaffen haben werden wie früher einmal, falls es uns überhaupt gelingt. Das hängt zum größten Teil von Ihnen ab, meine Damen und Herren.

Ihnen muss bewusst sein, dass diese Welt uns nichts mehr einfach so schenken wird. Wir werden keine Wälder oder Wild erhalten oder ein Wunder, dass ein Regenwald irgendwo stehen geblieben ist. Nein, wir sind hier am Anfang aller Dinge und haben eine tödliche Zukunft vor uns, es sei denn wir schaffen es mit eigener Kraft, uns wieder eine kleine grüne Oase in der ausgedörrten Steinwüste da draußen zu erschaffen. Es wird nicht sehr viel sein. Es wird nicht sehr groß sein. Ein weites, leeres Land erwartet uns alle, wenn wir dort hinaufgehen, und natürlich absolute Stille, doch müssen Sie sich zunächst einmal bewusst machen, dass wir Menschen selbst Schuld an unserem Schicksal tragen“, hielt sie die Bibel einmal kurz empor und schüttelte sie leicht, wie um damit zu mahnen.

„Wir hatten einmal schon die Chance und diese Welt mit allem darauf, dass wir uns nur wünschen konnten, und haben sie durch unser eigenes stures, selbstgefälliges, katastrophal ignorantes Verhalten verwirkt, also bitte ich diese Generation an Menschen, Sie alle hier, es in der Zukunft besser zu machen und die Erinnerungen an die Katastrophe und unser neues Genesis an die nächste Generation weiter zu tragen, auf dass sich ein solches Ereignis in unserer Weltgeschichte nicht noch einmal wiederholen wird.

Und nun kann sich auch keiner mehr seiner wichtigen Verantwortung durch Faulheit oder Gemütlichkeit entziehen. Keiner von uns darf rasten und ruhen, bevor nicht das letzte Kind satt ist, die neue Siedlung für uns alle errichtet, die Wasserbrunnen gebohrt und die Felder geschaffen und bewirtschaftet sind. Auch eine Klassengesellschaft von Befehlshabern und Empfängern gibt es nun bald nicht mehr, außer die Kommandantur, die die Siedlungsregierung übernehmen wird, und für uns alle das noch vorhandene Essen einteilt, solange es eben dauern wird, neues anzupflanzen, zu ernten, einzukochen und dann den nächsten Winter in unserem neuen Zuhause mit karger und vermutlich auch sehr einseitiger Kost zu überleben. Denken Sie daran, meine Damen und Herren, wenn Sie nun hier herausgehen als erwachsene, wissende Menschen und sich eine nützliche, dem Allgemeinwohl dienende Position suchen, falls sie diese bisher noch nicht gefunden haben.

Geben Sie alle dort draußen bitte ihr Bestes und arbeiten sie hart in der hoffentlich bald errichteten ersten neuen Siedlung von Menschen in Deutschland, die den Namen Solaris tragen wird. Im Gedenken an den apokalyptischen Sonnensturm, der unsere Welt und Milliarden Menschen vernichtete.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit, Schulabgänger des zweiten Jahres der neuen Zeitrechnung.“, sprach sie noch zu ihrer ehemaligen Klasse und sofort erklangen doch wieder vereinzelt begeisterte Juchzer, Klatschen und auch vereinzelt Gestöhne bei den jungen Leuten, die bisher noch der täglichen harten Arbeit mit dem Besuch des Unterrichts entwischt waren. Nun konnten sie das natürlich nicht mehr tun, dachte Fee bei sich, und sah noch einmal gedankenverloren zu dem Bildschirm hin, auf dem nur noch das ESA-Logo prangte, während die Mädchen nun aufsprangen und schon wieder lachend nach vorne stürmten, um ihre Lehrerin zu umarmen oder auch nur sich möglichst schnell zu verdrücken. Doch Fee blieb einfach sitzen, wo sie war.

Ihre Knie zitterten immer noch bei dem Gedanken an die horrenden Bilder. Wenn sie sich vorstellte, dass es ihrer Oma und ihrem Opa und ihren Freunden, Fredericke und Tommy ebenso ergangen war wie dem Rest der Menschheit ...? Und dann auch noch der Gedanke, dass ihre arme brennende Stute Polly laut kreischend vor Schmerz und Agonie über die Wiese gerannt sein musste ...

Fee atmete gleich mehrmals tief durch und schloss die vor Tränen brennenden Augen, die sie sich aber nicht zu weinen gestattete. Ja, die letzten Bilder aus der alten Welt waren jetzt nur noch der brachialgewaltige Abschluss des Schulunterrichtes. Statt Abschlussprüfungen gab es nun das, um sie alle auf das eine Ziel einzuschwören, ... auf jeden Fall zu überleben. Der Sonnensturm war nun Geschichte, ... aber gerade erst zwei Jahre und zwei Monate her. Seitdem war viel geschehen.

Die Erdoberfläche hatte sich wieder auf normale Erdoberflächen-Temperaturen abgekühlt. Die Kruste hatte sich wieder ganz neu gebildet und auch der Regen war aus der oberen eiskalten Stratosphäre zurück auf die Erde gekommen.

Schon im ersten Jahr vereinzelt und dann noch einmal viel heftiger im zweiten Jahr. Wäre ihr Vater damals nicht gewesen, hätten die Menschen in den Archen sich damals schon wieder nach oben gewagt und wären wahrscheinlich jämmerlich in den Sintfluten umgekommen. Denn die Regenfälle hatten die neuen Berge und Hügel ausgespült und die Meere (hoffentlich) wieder aufgefüllt, auch wenn diese nun wohl komplett unbewohnt waren wegen zu viel Salz. Zumindest vermuteten das die Geologen und auch die Meeresbiologen.

Doch immerhin hatte sich die Erdatmosphäre, dank der weiteren Vulkanausbrüche rund um den Globus, von ganz alleine wieder aufgebaut und stabilisiert. Ja, dem Vulkanismus sei Dank, hatte sich alles wieder verschoben, der Erdkern stabilisierte sich selbst und Wissenschaftler aus Arche 2 und 3 hatten bereits letztes Jahr verkündet, dass auch das elektromagnetische Feld laut ihrer Magnetismuss-Versuche wieder da war und die Erde damit vor weiteren Solarstürmen gefeit.

Ein Glück für die Erde, für die zukünftige Tier- und Pflanzenwelt … ja, für sie alle. Trotzdem waren heute rund 99,9 Prozent aller normalerweise draußen lebenden Tiere, Menschen und Pflanzen weg. Es gab nur noch einige wenige, kleine Gruppen in den Weltarchen, die sehr tief unter der Erde überlebt hatten. Sie alle arbeiteten und bewirtschafteten ihre moderne Form der raumstationsartigen Archen.

Das allerdings nur mit denjenigen Tieren, die ihnen auch nach der Rückkehr an die Erdoberfläche nützlich sein würden, die in kargen Gegenden möglichst lange überleben konnten. Schafe, Ziegen, Katzen, Meerschweinchen, Tiere, die sich im Allgemeinen schnell fortpflanzten. Zudem Hasen und Vögel, Hühner und Puten, Mäuse und Ratten, Rehe und Hirsche, Damwild und Wildschweine, die man aber erst dann freilassen würde, wenn sie alle hier raus waren und wieder einen Wald angepflanzt hatten, in dem die Tiere auch genügend zu fressen und Schutz fanden. Doch dazu war es vorab natürlich unerlässlich, dass diese gigantische Tunnelbohrmaschine aus Arche 3 den Tunnel in die Freiheit für sie zu Ende bohren würde. Das taten sie nun auch schon seit Wochen, weil ihnen in Arche 2 die Maschine schon vor ein paar Monaten verreckt war, aber die nötigen Ersatzteile zu weit früheren Zeiten anderweitig verwendet werden mussten. Denn in den ersten heißen Tagen hier unten waren ihnen mehrfach die Kontakte an den vollkommen überlasteten Generatoren durchgeknallt oder aber sie waren weggeschmolzen. Tage- und wochenlang hatten sie immer wieder zeitweise in völliger Finsternis verbracht, verängstigt und in Panik davor, nie wieder das Licht zu sehen und jämmerlich hier unten zu krepieren, bis es den Mechanikern dann aber doch noch gelungen war, aus den Ersatzteilen der Tunnelbohrmaschinen einen neuen großen Generator zu bauen, der die anderen erheblich entlastet und ihrer aller Überleben bisher gesichert hatte.

Ja, sie brauchten die Generatoren zur Energiegewinnung wirklich dringend, sonst funktionierten auch die sauerstofferzeugenden Luftfilter nicht mehr, die es hier in den Höhlen zu Hauf gab. Sie stellten die einzige Möglichkeit dar, in den hermetisch abgeriegelten unterirdischen, viele Kilometer tief reichenden Höhlen für eine so lange Zeit ohne Frischluft von außen zu überleben und hatten gleichzeitig die Wasserbrückenleiter mit Energie versorgt, die das eingelassene Wasser ähnlich wie in einem Eisschrank tiefgefroren hatte, um so eine eiskalte Dämmschicht zwischen der heiß glühenden Erdkruste und dem Erdinnern zu schaffen. Auch so eine nette Erfindung von ihrem Vater, der damit natürlich auch namentlich in die Geschichtsbücher der Zukunft einging. Sein Patent war kostenlos in alle Länder der Welt gegangen und angeblich in über hundert Archen tatsächlich auch verwendet worden. Alleine hier in Deutschland gab es unter ehemals 5.000-9.000 Metern Tiefe noch vier weitere Archen. Alle in den Bergen von Bayern und im Grenzgebiet zu Österreich, wo es diese natürlichen, tief hinabreichenden natürlichen Höhlensysteme gab. Sie waren jahrelang erforscht und dann kurz nach dem Beginn der Mega-Sonneneruption gesichtet, ausgesucht, schließlich so schnell wie nur möglich ausgebaut und für Menschen zum längerfristigen Überleben geeignet, hergerichtet worden.

Und nun war ihre Aufgabe beinahe erfüllt. Bald würde es wieder hinausgehen in unendlich weite Ebenen aus Stein und Geröll und erkalteter Lavafelder, denn die Wissenschaftler hier vor Ort unterstützten die Neubildung der Atmosphäre da draußen schon seit gut eineinhalb Jahren künstlich mit dafür von der NASA entwickelten Regeneratoren, die im Jahr fast genauso viel Sauerstoff produzierten wie ein ganzer südamerikanischer Regenwald. Denn diese gab es ja nun auch nicht mehr. Die grünen Lungen der Erde ... Bäume ... Wälder. Es gab nur noch diese mit Menschen und Tieren gefüllten Archen, die nur noch für zehn weitere Monate Nahrung und Futter, verschiedene nützliche Gerätschaften, eingelagerte Samen und Setzlinge enthielten. Es reichte alles für genau drei Jahre, dann war davon nicht mehr viel übrig. Sie mussten bis dahin eine Möglichkeit gefunden haben, die mitgebrachten Millionen Tonnen an Samen auszusäen und Tierfutter zu ernten, wie auch Nahrungsmittel ohne viele Gerätschaften, ohne Maschinen, bis auf die wenigen unbedingt notwendigen, die man noch mit unter die Erde genommen hatte, um sich hieraus wieder auszugraben. Wenn sie dann demnächst draußen wieder von vorne begannen, ohne Erdöl, ohne Industrie, ohne Völker und Kultur, Kunst oder der Möglichkeit, durch Kernkraft oder Kohle Elektrizität zu erzeugen, würden sie bald schon nur noch ihren eigenen Erfindungsreichtum, Hacken und Schaufeln und eine Menge Muskelschmalz benutzen müssen. Was für ein spartanisches Leben. Doch immerhin war es das. Ein Leben. Na ja, ... für manche von ihnen zumindest.

Die Höhlen waren nämlich beileibe nicht spurlos an ihnen allen vorübergegangen, doch damit hatte wohl auch niemand gerechnet. Steckte man 500 Menschen in eine enge, stickige Höhle, welche die Hälfte der Zeit über nicht einmal hell erleuchtet war, dann konnte alles Mögliche mit den Menschen passieren.

Sie konnten durchdrehen, ... sie konnten sich selbst etwas Schlimmes antun, wenn sie der Vorstellung erlagen, hier nie wieder lebendig herauszukommen unter den gewaltigen Massen dieses Berges, von dem keiner genau wusste, wie stabil und groß er nun überhaupt noch war oder unter den erdrückenden Felsen, die seltsame Formen und Muster aufwiesen. Spuren von dem Leben, das früher hier gewesen war, bevor sie die Höhlen für die Menschen zu Archen umgebaut hatten. Dass Schleim und Moose und Pilze solche Farben und Formen annehmen würden, hatte Fee am Anfang ihres Hierseins erstaunt. Doch heute war es nur noch eine Art Muster auf einer alten Tapete, die sie schon viel zu lange angestarrt hatten. Und das galt für alle hier.

Die Höhlen veränderten sie sehr. Aus fröhlichen Teenagern wurden depressive oder aggressive Gemüter, die unter besonderen Umständen auch schon mal durchdrehten, den Höhlenkoller bekamen, wie sie es nannten, und dann mit dem Kopf einfach gegen die Wand rannten. Oder anderen wehtaten. Oder sich eine Pistole besorgten und für noch mehr Flecken an der Wand sorgten, die man dann anstarren konnte.

Was für ein seltsames Leben das war. Doch so erging es nun allen noch lebenden Menschen, ... zumindest hier in Deutschland, denn den Kontakt zum Ausland hatten sie seit dem Sonnensturm verloren und nur in den Bergen der deutschen Archen waren besondere Funkfrequenzverstärker angebracht worden, damit sie sich zumindest untereinander noch verständigen konnten.

Es waren schon fünf unglaublich vielseitig zusammengewürfelte Gruppen, die da in den Berg hineingegangen waren, bestehend aus Arbeitern, Handwerkern, Biologen, Geologen, Überlebenstrainern, Ärzten und Soldaten.

Ja, ... auch Letztere hatten sie dabei, um den Schutz aller auch voreinander und um den allgemeinen Frieden in den Archen zu gewährleisten. Das war tatsächlich etwas, das am Anfang noch von allen Seiten her äußerst misstrauisch beäugt worden war, doch inzwischen eine pure Notwendigkeit darstellte, denn in den Höhlen zu leben, war nicht gerade leicht. Und Streitereien sowie auch Schlägereien schon wegen Kleinigkeiten gab es sogar täglich. Nicht zuletzt nun auch um die Mädchen, die sich bisher ihre ESA-Partner noch frei aussuchen konnten. Um diese zu beeindrucken, hatten sie geheime, weil verbotene, Fightclubs gegründet, wo sie sich gegenseitig ständig die Fressen polierten. Fee fragte sich ernsthaft, welche Tussi mit Hirn das toll fand, doch scheinbar gab es immer noch genug Hirnlosigkeit, ... auch unter eigentlich überdurchschnittlich intelligenten Menschen, doch inzwischen machten fast alle im Alter zwischen siebzehn und fünfundzwanzig Jahren da mit.

Tja, ... schlechte Aussichten für sie dort einen vernünftigen ESA-Partner zu finden, überlegte sie einmal mehr genervt. Denn wenn sie später in der Siedlung noch niemanden hatten, würden alle erwachsenen Singles dann wohl per Losverfahren irgendwie zusammengewürfelt werden.

Denn sie mussten nun baldmöglichst schwanger werden und Kinder haben. Je mehr, desto besser. Wer allerdings der Vater eines Kindes war und ob sich echte Paare daraus bilden und zusammenbleiben würden, war ESA egal. Hauptsache alle Frauen würden draußen bald schwanger sein oder bereits ihr erstes Kind in den Armen halten.

Zustände wie im Mittelalter, außer dass ESA hierbei noch die Altersgrenzen einhielt und die Gesundheitsversorgung erheblich besser war als früher. Tja.

Aber so sah die Welt also heutzutage nun mal aus. Und mal ehrlich ... ungebundene Jungs würde es wohl in jeder einzelnen Arche noch geben. Vielleicht konnte sie sich da ja einfach nur den erstbesten, der ihr über den Weg lief und halbwegs passabel schien, schnappen und sich mit ihm dann einfach mal für fünf Minuten in irgendeine Ecke verziehen ...?!

„Feeline?“, fragte plötzlich der Teamleiter und Psychologe, Dr. Georg, der den Film mit vorgeführt hatte, und sie sah blinzelnd, wie gerade erwachend, zu ihm auf. „Hat dich der Film denn so sehr mitgenommen, Feeline?“, fragte er sie mitfühlend.

Fee sah sich kurz verwirrt um. Sie saß nun ganz alleine hier. Kein anderer Mensch mehr zu sehen. Mal wieder typisch für sie, die letzte zu sein, die noch ihren Gedanken nachhing und nichts checkte.

Also lächelte sie schwach und schüttelte den Kopf. „Nein, Dr. Georg. Das ist es nicht.“, gestand sie ihm leise und rieb sich die schmerzende Stirn. „Ich mache mir nur Sorgen, ob die Luft da draußen wirklich wieder atembar und ohne jede höhere Radioaktivität ist, wie sie es andauernd behaupten. Ob der Boden da draußen noch fruchtbar genug für die Saat sein kann und tief genug für einen Pflug. Ob es jetzt wirklich nur noch Gestein gibt oder auch noch echte Erde dazwischen. Ob das Wasser auch süß genug ist, die Erdkruste kalt genug, die Lavaströme in der Nähe wirklich alle versiegt sind und natürlich, ob die Maschinen im Tunnel von Höhle 12 irgendwann tatsächlich durchbrechen werden oder uns vielleicht sogar verfehlen. Außerdem habe ich noch immer keinen Partner gefunden, den ich genug leiden kann, um mit ihm ein Kind zu haben, wie ich es sollte“, erklärte sie ihm ernsthaft. Denn den Psychologen gegenüber war man hier immer zu absoluter Ehrlichkeit verpflichtet. Das war eine der strengen ESA-Hauptregeln zur Förderung der mentalen Ausgeglichenheit. „Ja, das ist gewiss alles nicht leicht für dich, das verstehe ich, Fee. Lass dir einfach viel Zeit. Wir Menschen sind außerdem ja immer noch an Monogamie gewöhnt und nicht an Mischungen und eheübergreifende Beziehungen oder so wie jetzt an gar keiner eheähnlichen Institution mehr. Keiner erwartet von euch Mädchen, dass ihr innerhalb von drei Monaten die große Liebe findet. Außerdem müsst ihr euch auch noch gar nicht binden oder gar schwanger sein, bevor nicht auch Solaris steht. Jakob hat euch doch sicherlich im Sozialunterricht mitgeteilt, dass ihr später auch gerne aus anderen Archen einen Gefährten wählen dürft, wenn euch hier niemand gut genug gefallen hat. Oder ihr sucht euch nur, wie es derzeit ja viele Mädchen tun, einen netten Kerl für eine Nacht … Nur damit ihr schwanger werdet und lebt dann einfach mit ihm oder einem anderen in einer WG zusammen, natürlich betreut und mit Hilfe. Es geht hier immerhin um den Erhalt der Menschheit, Fee. Aber es geht auch um den Erhalt der Menschlichkeit. Man darf euch Mädchen zu nichts zwingen. Also mach dir keine Sorgen. Du findest schon noch jemanden, den du genug leiden können wirst, um einmal Sex mit ihm zu haben.“, sprach er ihr gut zu. So wie in letzter Zeit häufiger. Na ja … „Steffen S 45 hat gesagt, es ist nicht nötig, jemanden zu mögen, um Sex zu haben. Man muss den Jungen nur einfach machen lassen, die Augen schließen und an Deutschland denken.“, wiederholte sie die in letzter Zeit oft gehörten Überredungsversuche der Jungs gegenüber anderen Mädchen seufzend, die gerade extrem tolldreist wurden, jetzt wo sie endlich zeugen durften.

„Ich werde mich mit ihm noch einmal ausführlich unterhalten, Feeline, das verspreche ich dir. Doch, wenn du ihn nicht magst, musst du ihn natürlich auch nicht ertragen. Das muss hier kein Mädchen und keine Frau“, bekräftigte er noch einmal seine Worte und lächelte Fee dann kurz milde zu. Fee nickte ebenso kurz und immer noch ernsthaft und stand dann auf.

„Dr. Georg.“, sprach sie den Psychologen noch einmal an. „Ja?“ „Danke, dass Sie verstehen, was in mir vorgeht.“, meinte Feeline leise zu ihm und sah den Psychologen ganz kurz verschmitzt lächeln. „Gesunde Kinder wird es nur aus gesunden Müttern geben und diese können nicht gesund sein, wenn ihre Mütter zu etwas gezwungen werden, was sie nicht wollen, Feeline. Das weißt du doch. Wir sind hier nicht mehr bei den Neandertalern. Ihr Frauen habt dieselben Menschenrechte wie ihr es auch schon vor der Apokalypse hattet. Hör also auf deine innere Stimme, Feeline. Sie zeigt dir den richtigen Weg … und auch den richtigen jungen Mann für dich, wenn du es so willst, keine Sorge. Wenn er kommt, wird er dich sicher kaum abweisen.

Du weißt doch, wir haben uns ebenfalls alle zu etwas verpflichtet, als wir für ESA unterschrieben haben, zukünftig für den Fortbestand der Menschheit zu sorgen. Aber zunächst bauen wir mit Arche 3 zusammen das Basislager auf, sobald wir durchgebrochen sind. Und du hast jetzt doch sicher noch deinen Job zu erledigen, Mädchen. Also los, geh schon!“, nickte er zum Ausgang hin und Feeline sprang seufzend auf die Füße.

„Grüße die tragenden Stuten von mir, Feeline!“, rief er ihr noch hinterher und Fee musste nun doch noch unwillkürlich leicht lächeln. Die Liebe zu den Tieren war das Einzige, das der Psychologe und sie gemein hatten. Und bisher der einzig wirklich gute Grund für Fee nicht aufzugeben nach allem, was in den letzten Jahren hier drin passiert war.

Denn nach dem tragischen Unfalltod von Dr. Sonja Bergheim S 206 gab es keine offizielle Tiertrainerin mehr, die die Pferde am Pflug weiter hätte ausbilden können oder beruhigen ... oder füttern ... oder sie auch nur an der Hand führen. Fee hatte es nach zahllosen Kämpfen mit den in der Dunkelheit der Höhlen durchgeknallten Tiere einfach mal versucht, weil sie der Trainerin oft dabei zugesehen hatte.

Sie hatte mit dem gefährlichsten der Hengste das Probefeld umgepflügt, geeggt, und wieder umgepflügt, immerzu, bis das Monster nicht mehr konnte und auch die anderen Hengste, die nur wenig schlimmer als der erste waren, konnten nun pflügen. Zudem hatte sie die an gefährlichen Jobs interessierten Jungs und junge Männer darin unterrichtet, mit den Hengsten zu pflügen und ihnen sogenannte Buddys, also Pferdekumpels, zugewiesen, mit denen sie nach langem Hickhack, Verletzungen, Bisswunden, Tritten und Flüchen nun auch einigermaßen zurechtkamen, ... wenn Fee zunächst einmal mitging! Die Stuten waren nur noch dazu da, um den Nachwuchs zu tragen und zu gebären. Jedes Jahr ein Fohlen von einem anderen Hengst. Artenvielfalt eben. Und nächstes Jahr würden andere Hengste auf den Stuten aufsteigen. Genauso wie die Mädchen sich besser noch andere Gefährten zur Zeugung eines Kindes suchen sollten, nicht nur einen einzigen. Um die Artenvielfalt zu erhalten und Inzest vorzubeugen. Jede Blutlinie eines Kindes würde haargenau dokumentiert, mit einem Stammbaum versehen und bei Zweifeln auch noch Vaterschaftstests gemacht werden, um hundertprozentig zu wissen, wessen Kind das nun war und wer von wem abstammte. Dann durften sich zwei Generationen lang die Verwandten, auch ein Cousin zweiten Grades, sich nicht untereinander vermischen, wenn sie sich Partner suchen gingen. Dann wäre der Inzest nicht mehr so gegeben und die Auswahl an Partnern wieder größer. Tja, das Mittelalter hatte sie eben alle wieder.

Fee machte sich auf den Weg durch die Tunnel zu den Tiergehegen. So weitläufige Flächen in einem Berg hätte man wohl keinem Menschen zugetraut, auch nicht das lange Verbleiben und Überleben unter der Erde. Doch UV-Tageslicht-Lampen sorgten für den Vitamin-D-Ausgleich und ließen sogar hier unten auf dem Übungsfeld Gras und im Treibhaus Gemüse wachsen. Der Sauerstoffgehalt war dank der vielen hundert Luftfilter gut genug. Die Temperatur lag wegen der Erdwärme von den Lavaströmen auf jetzt noch mindestens 20 Grad, war aber doch langsam im Abkühlen begriffen. Im nächsten Jahr würden die Höhlen nur noch fünfzehn Grad haben, im darauffolgenden nur noch zehn. Im ersten Jahr hatten sie 26-28 Grad gehabt und immer geschwitzt. Doch das war bei einer anfänglichen Temperatur von beinahe 1000 Grad Celsius an der Erdoberfläche wohl tatsächlich noch angenehm zu nennen. Heutzutage war eben alles nur noch relativ.

Bei den Pferden angekommen herrschte die allgemeine Hektik kurz vor der Fütterung. „Gut, dass du da bist, Fee. Kannst du dich gleich um Gilly kümmern? Die macht so komisch rum, als wollte sie heute abfohlen, meint Mika“, sagte Emma, ein mürrisches Aushilfsmädchen, das bereits wieder ein Gesuch um ihre Versetzung wegen Schwangerschaft eingereicht hatte, erleichtert, als sie an die Container herantrat, in denen die Pferde ihre Boxen hatten. Fee hielt sich nicht sehr lange mit ihr auf und nickte nur.

Die Kleine war ja auch kaum zwei Wochen hier gewesen und hatte die Pferde nach einem vorsichtigen Rundumblick nie auch nur einmal angerührt. Normalo-Angsthase, dachte sie verächtlich und joggte sofort hinüber zum Stutenbereich, wo schon mehrere Jungs und ein paar Mädchen gespannt schwatzend und lachend vor der Box der besagten Stute standen. Fee hörte Alex A32, der im Treibhaus arbeitete, noch kurz verächtlich sagen: „Wenn das noch länger dauert, schlitze ich ihr einfach den Bauch auf, Mann. Dann ist es wenigstens vorbei und das Fohlen auf der Welt!“ „Wenn du das machst, Alex, haben wir bald einen Jungen weniger für die Nachzucht von Menschen!“, unterbrach Fee sein Gelächter eisig und griff nach der Mistgabel. Die Teenager zuckten sofort erschrocken über ihren bitterbösen Gesichtsausdruck vor ihr und auch dem Pferdegatter zurück.

„Uh … jo, Fee, .. ich dachte, du bist beim Filmegucken?“, lachte Kai nervös und hob die Hände, als sie auch schon ihre Mistgabel hob. „Macht, dass ihr von meinen Pferden wegkommt, bevor ich Major Ulrich verständige, dass er euch tolldreiste Arschlöcher besser mal augenblicklich abschießen soll wegen Gefährdung von wertvollem ESA-Gut! Diese Pferde hier werden in der neuen Welt da draußen nämlich weit dringender benötigt als ihr drei Armleuchter, um alles weiter zu führen, was wir irgendwann hoffentlich wieder haben werden.

Also kommt mir nicht mit irgendwelchen blöden Sprüchen an und geht gefälligst wieder an eure verdammte eigene Arbeit, bevor ich euch auch noch deshalb melde!“, fauchte Fee die Jungs erbost an. Dann öffnete sie das Gatter, ohne noch weiter auf die sofort kleinlaut schauenden Jungs wie auch die gefährlich glitzernden Augen von Alex zu achten. Vorsichtig trat sie hindurch, schloss das Gatter aber sofort wieder, als das Pferd in dem Pferch wild aufröhrte, ging zu der heftig schwitzenden und gerade auch noch zitternden Stute hin, um eine Hand auf deren Flanke zu legen und nachzuspüren, ob es sich hier nicht doch eher um eine Kolik, statt um die Geburt des Fohlens handelte. Doch die Schmerzen kamen anscheinend in Wellen, die wieder abklangen. Eindeutig genauso wie im Buch beschrieben. Die Wehen!

„Holt Dr. Gunther her, schnell! Und dann geht so weit wie nur möglich von dieser Box weg. Das ist eine schwierige Sache und Mutter und Kind müssen sich erst zurechtfinden, wenn das Fohlen geboren worden ist. Ihr könnt morgen wiederkommen, nicht früher!“, befahl Fee den Kids am Tor, die murrend und widerwillig abzogen. „Die sind wir erst mal los.“, murmelte Fee der Stute sanft ins Ohr und streichelte ihren schweißfeuchten Hals. „Und mir wird es irgendwann wohl ganz ähnlich ergehen wie dir, so als Zuchtvieh für ESA benutzt. Jährlich ein Baby werfen, schwitzen und keuchen und stöhnen und dann Mutter sein und die Kleinen aufziehen. Das hat für mich nicht mehr sehr viel mit Leben zu tun, nur noch mit überleben. Weißt du …? Es ist so kalt und berechnend und geplant, genauso wie deine Kinder, Gilly. Aber bald wirst du eine gute Mutter sein und dein Fohlen haben“, seufzte sie finster weiter und strich kräftig über ihre Muskeln, auch am Bauch und am Rücken. Langsam schien die Stute sich etwas zu entspannen. Immer wieder hatte sie Wehen, doch sie sah jetzt zumindest nicht mehr ganz so nervös aus wie zu Anfang. Fee konzentrierte sich mit aller Macht auf die Stute und merkte deshalb gar nicht, wie ein gewaltiger Krach den Tunnel in Höhle Zwölf erbeben ließ und dann folgte auch schon heftigster Jubel der hinzugelaufenen Arche-2-Leute. Der Bohrkopf aus Arche 3 war am Abend des 3. Februar endlich zu ihnen durchgebrochen. Arche 2 war nun offen und die Begrüßung unter den Anführern freudig und begeistert. Keiner dachte da noch weiter an das Mädchen bei der gebärenden Stute, als die Abgesandten und Maschinenarbeiter von Arche 3 über Nacht eingeladen wurden zu bleiben.

Ein Fest wurde improvisiert und gefeiert, endlich sollte es wieder hinaus in die Welt gehen. Endlich nach zweieinhalb Jahren Abgeschiedenheit in den Felsen.

2

Das Fohlen war da, eine kleine gesunde Stute. Noch ein bisschen wackelig auf den Beinen, doch es war alles gut gegangen. Zum Glück. Fee stolperte müde aus dem Paddock heraus und schloss mit bebenden Händen das Tor. Sie nahm sich trotz aller Müdigkeit noch die Zeit, eine Warntafel zu schreiben, der Stute und dem Fohlen vorerst absolut fernzubleiben, um die erste soziale Bindung nicht zu kappen und ebenso, um keine Bisse oder sogar den Tod zu riskieren, denn Gilly wachte gerade über ihr süßes, neugeborenes Kleines wie ein T-Rex.

Fee setzte sich anschließend erst einmal gründlich durchschnaufend und erschöpft an die Containerwand und schloss die Augen. Himmel, tat das gut … „Hey, ... oh Gott, ... Mädchen! Was ist denn hier los? Ist dir was passiert?“, fragte jemand sie plötzlich aufgeregt. Die Stimme hatte Fee noch nie gehört, also machte sie verwirrt die Augen wieder auf und starrte den ihr komplett fremden jungen und ziemlich hochgewachsenen wie auch kräftig aussehenden Mann mit dem schwarzen Drei-Tage-Bart und einer blauen, schmutzigen Arbeiterkluft erschrocken an. Er sah aus, als hätte er gerade Bergbau betrieben … Und sie kannte ihn nicht - definitiv. Er war nicht von hier. Nicht von Arche 2, oder? „Woher … was …? Was willst du denn hier? Ich meine ... Wer bist du?“, fragte sie den Typen nur stotternd und kam taumelnd auf die Füße hoch. Er lehnte am Container, die Hände in den Hosentaschen und betrachtete nun mit weit aufgerissenen Augen und voller Grauen ihre blutigen Hemdsärmel, ihre Brust und die Hosen, ihre Finger, die noch immer blutverschmiert glänzten. „Scheiße …! Gott, …. ich frage dich noch einmal, was dir passiert ist! Du blutest! Hat dich jemand angegriffen? Wo blutest du denn? ...“, kam der Typ nun fast schon panisch auf sie zugerannt und ergriff fast schon hektisch ihre Hände. „Eh … nein, mich hat keiner angegriffen und ... ich blute doch auch gar nicht, ... ich meine, ... das ist nicht ... Warum fragst du?“, stotterte sie nur total perplex von seinen Fingern auf ihren Armen los und dann machte es aber plötzlich Klick bei ihr und sie grinste los. „Sind … sind wir etwa endlich durchgebrochen, ja? Bist du von Arche 3?“, fragte sie den jungen, fremden Mann wieder um Fassung ringend, während der Typ gerade ihre Hände und dann auch die Arme untersuchte und dabei ziemlich unsanft mit ihr umging … und tatsächlicher immer hektischer wurde.

„Mein Gott, also kein Angriff, ja? Das ist so ... wie konntest du nur, Mädchen? Wir waren doch schon fast da! Wir haben doch gesagt, wir holen euch raus und wussten schon seit Monaten, dass eure Maschine kaputtgegangen ist.

Aber … herrje, … was rede ich …? Himmel, … wir hatten schließlich dieselben Probleme bei uns. Nicht genug Vertrauen, dass es auch außerhalb des Berges weitergehen würde. Jungs, die verrückt wurden und sich auf die Mädchen stürzten, sie zu vergewaltigen versuchten oder es sogar taten. Auf einmal versuchten ein paar der Mädchen sich umzubringen.“, grollte er finster und riss nun heftig an ihren Ärmeln, um sie hochzuschieben und die Wunden zu suchen. Fee stockte der Atem bei dem Anblick der braunen, extrem dunklen und seltsam blitzenden Augen des Typen, der gar nicht weiter auf ihre nun sprachlos stumme Gegenwehr achtete und sie unerbittlich an sich zog. Er hatte schwarze Haare, … etwas zu lang, im Nacken zusammengebunden wie bei einem Rocker, und seine Hände waren auch kräftiger als gewöhnlich. Ein angstvolles Kribbeln begann ihr plötzlich den Rücken hinabzurieseln. Auf einmal war ihr eisig kalt, denn hier bei den Ställen war gerade niemand mehr außer sie und dieser seltsame Typ, der noch irgendwas von wegen Vergewaltigungen sprach ...

„Lass mich los …! Ey, ich bin nicht verletzt, wirklich nicht!“, wehrte sie nun seine Versuche, ihre Arme weiter oben zu untersuchen, ab, doch er reagierte einfach nicht, forschte nur weiter nach Verletzungen, also gab sie ihm schließlich eine schallende Ohrfeige und stieß einen kurzen, schrillen Schrei aus. Eilige Schritte erklangen von links. Soldaten, die nicht weit entfernt postiert waren, kamen mit den Gewehren im Anschlag um die Ecke gerannt. „Was ist hier los …? Fee?“, fragte Sabrina aus der zweiten Einheit sie erschrocken und richtete ihre Waffe dann sofort auf den jungen Mann, der sofort von ihr zurückgewichen war, als die Soldaten aufgetaucht waren. Er hob sich sofort ergebend die Hände. „Hey, Leute! Ruhig mal bitte! … Sie ist verletzt! Schaut sie an, okay? Sie blutet. Ist verletzt. Ich wollte ihr nur helfen ...“, hörte Fee den Fremden ernsthaft beunruhigt sagen. „Rüber da, an den Container, Freundchen …! Rüber an den Container, habe ich gesagt!“, brüllte Sabrina ihn derbe an, doch der Typ sah die Soldatin nur schwer atmend und um Fassung ringend an. „Aber sie blutet doch, Soldat. Sehen Sie das denn nicht? Ich wollte doch nur nachsehen, was ihr geschehen ist. Vielleicht bringt sie sich gerade selber um … um Gottes Willen ...! Und Sie stehen hier einfach nur so da und richten die Waffe auf mich …?“, meinte der Typ nur erklärend und aufgeregt und trat schon wieder unwillkürlich einen Schritt nach vorne, als Fee vor lauter Verwirrung und Erschöpfung taumelte. Hans, der unbemerkt hinter ihn getreten war, brachte ihn nun rasch zu Fall, trat ihm die Beine weg und rang ihn hinunter auf die Knie. „Hände hinter den Kopf, Mann! - Fee, bist du verletzt?“, fragte der Soldat das Mädchen ebenfalls bei ihrem Anblick besorgt, doch sie schüttelte nur den Kopf und lehnte sich wieder verwirrt an die Containerwand an. „Nein, … bin ich nicht. Und danke, dass ihr so schnell gekommen seid“, murmelte sie an Sabrina gewandt, die ihr nur hart und schnell zunickte. Hans aber war nicht so freundlich wie seine Kollegin und hieb dem fremden Typen mit dem Gewehrkolben seitlich unsanft gegen den Kopf. „Was denkst du dir eigentlich, Freundchen, eh? Kommst hier rein und willst dich einfach irgendwo bedienen oder was? Du bist dem Mädchen zu nahe getreten. Wir haben hier in Arche 2 strenge Verhaltensregeln. Die Frauen und Mädchen schreien nur im absoluten Notfall und nicht aus Jux und Dollerei. Fee hier hat sich anscheinend wirklich von dir bedroht gefühlt, also halt die Klappe und lass die Finger schön da, wo ich sie sehen kann“, befahl er dem Mann eisigkalt. Sabrina kam derweil zu ihr hin, die nun erst mal tief durchschnaufte. „Verdammt Sabrina, was ist denn nur passiert? Wer ist der Typ eigentlich?“, beschwerte sie sich leise bei der Soldatin, die ihr nun das Gewehr umhängend auf den Rücken, schiebend dabei half, die Hemdsärmel wieder über die Arme herunterzuziehen, wie sie das gerade eigentlich machen wollte. Doch ihre Hände zitterten zu heftig. „Das ist ein Typ aus Arche 3. Der Bohrer ist endlich durchgekommen. Wir haben gerade eine Party gefeiert.“, erklärte sie ihr erstaunt.

„Hast du denn das alles gar nicht mitbekommen, Fee?“, fragte Hans sie nun ebenfalls stirnrunzelnd und Fee schüttelte nur immer noch verwirrt den Kopf. „Gilly hat heute Nacht abgefohlt. Ich bin schon seit Stunden hier - konnte sie nicht alleine lassen. Es war eine Steißlage, ich musste ihr selbst helfen. Denn Dr. Gunther ist einfach nicht gekommen, obwohl ich Alex extra zu ihm geschickt hatte, ihn zu holen. Wenn ich den erwische … Fast wäre das Fohlen gestorben“, explodierte Fee nun endlich und ihre Anspannung ließ schnell nach. Erschöpft lehnte sie sich wieder gegen die Wand und rieb sich aus Versehen mit der blutigen Hand einen breiten Streifen über die Stirn.

„Ich habe dem Typen eben noch gesagt, dass ich nicht verletzt bin, doch er grapschte einfach weiter an mir herum und erklärte mir was von wegen Suizidversuche bei ihnen, in ihrer Arche. - Als ob ich so labil wäre, pah! Außerdem, was sollte ich bitte von ihm halten? Der hat sich mir ja noch nicht mal vorgestellt und gesagt, wer er ist und was er hier macht.

Ich dachte schon, es hätte sich einer in einer unterirdischen Höhle neben unserer Arche versteckt und wäre nun da irgendwo durchgekommen, um hier Ärger zu machen. Himmel. Wie in Arche 5 mit ihrem Aufstand, der noch unerlaubt Eingedrungenen im ersten Jahr ...“, keuchte Fee noch einmal erstickt, dann sah sie wieder finster zu dem nun friedlich, da knienden Typ, hin, der sogar ganz leicht, aber zugleich irgendwie unfroh lächelte … und dabei wirklich ganz unverschämt gut aussah. „Mein Name ist Samuel“, sagte er schlicht zu ihr und drehte den Kopf, hinter dem er immer noch seine Hände verschränkt hielt, sodass er sie ansehen konnte. „Und ich habe hier nur nach ein wenig Ruhe gesucht, als ich zu euren Stallungen ging. Keinesfalls wollte ich mich dir aufdrängen, Fee“, sagte er so weich wie Butter, was Fee nun aber total irritierte, also sah sie ihn nur wieder böse an und wandte sich dann an Sabrina. „Oh, ... okay. Also alles wieder gut, war nur ein Missverständnis. Er hat mir auch nichts getan, also lasst ihn einfach gehen. Ist nichts passiert“, murmelte sie und nahm das Handtuch von Hans entgegen, dass er ihr für die blutbesudelten Hände zureichte. „Danke.“ „Geh dich besser mal waschen, Fee. Du siehst echt aus wie nach dem Kettensägenmassaker. Das war früher auch noch mein Lieblingsfilm, aber so in real ist es doch ziemlich gruselig.“, grinste Hans sie neckend an, doch Fee war gerade nicht in der Laune zurück zu lächeln. „Entschuldige, Fee, wenn ich dich gerade beleidigt oder erschreckt haben sollte“, rief sich auch der Typ aus Arche 3 ebenfalls noch einmal in Erinnerung, als sie sich umdrehte, um zu gehen. Fee sah nur noch einmal stirnrunzelnd zu ihm zurück und nickte zurückhaltend. „Okay. Vergessen wir's einfach.“, brummelte sie gleichgültig und ging davon zu den Gruppenduschen der Frauen.

Erst als sie sich in der Umkleide, wo es große Spiegel gab, selbst erblickte, erkannte sie, wie sie auf den Typen vorhin gewirkt haben musste. Großer Gott, … ein Massaker mit der Kettensäge hatte Hans gesagt. Doch das hier war eher noch die Kleidung eines Axtmörders. Sie war von oben bis unten voll mit blutigem Schleim!