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Naeli ist schon 17 Jahre alt und eine versklavte Schwarzwald-Werwölfin, die schon im zarten Welpenalter von ihrem eigenen Rudel-Alpha an den Kellerwald verkauft wurde. Jahre lebte sie wie ein Tier, geschlagen, gedemütigt und gefoltert, in einem dunklen Keller angekettet, bis der neue und junge Alpha Kator sie zufällig bei einem Hunterangriff fand und befreite. Doch was die junge, verkrüppelte Werwölfin, die sich damals schwor, nur immer passiv stumm zu bleiben und weiterhin zu fliehen zu versuchen, nicht weiß und auch nicht mehr spüren kann, ist, dass Alpha Kator ihr seit so vielen Jahren schon ersehnter Mate ist, der nichts unversucht lassen will, seine Luna zu heilen und dann von sich zu überzeugen ... Dieser 5.Teil der Seelenverwandt-Alpha-Reihe belegte auf der Internet Plattform Wattpad in gleich fünf Kategorien den ersten Platz und wurde schon sehnlichst erwartet. Es ist der vorletzte Teil der Seelenverwandt-Alpha-Reihe
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Begriffe
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
Epilog
Vertrieben durch
Tolino Media GmbH
1. Auflage
Copyright© 2022 by Bea Stache
Brunnenweg 4
34628 Willingshausen
Lektorat: Franziska Eife
und Trouble Black
Covergestaltung: © by RiaRaven_ Coverdesign
Unter Verwendung von lizensierten Motiven von Shutterstock
In dieser Reihe bereits erschienen:
Band 1 Seelenverwandt, Rahel – Die Mate des Alpha
Band 2 Seelenverwandt, Mia – Die Alpha-Luna
Band 3 Seelenverwandt, Marnie – Die wilde Luna
Band 4 Seelenverwandt, Julia – Die Rogue Mate
Band 5 Seelenverwandt, Naeli – Die Luna des Alpha
AlphaDer Alpha ist der anführende Werwolf eines Rudels, sein Beschützer und Versorger.
Er wird entweder in sein Amt hineingeboren oder erwirbt es im Kampf auf Leben und Tod, gegen den alten Alpha.
Ein Alpha kann mit seiner Alpha Stimme sein ganzes Rudel unterwerfen und zur Mitarbeit zwingen, auch wenn sie es nicht wollen, sie müssen ihm gehorchen.
LunaDie Luna ist die Gefährtin des Alpha. In den meisten Fällen seine Seelenverwandte (Mate).
Sie sorgt für den Zusammenhalt im Rudel, kümmert sich besonders um Schwache und Verletzte und besitzt einen natürlichen Instinkt zum Schutz ihres Rudels und der Welpen.
Mit ihrer Lunastimme kann sie ebenfalls das Rudel unterwerfen, außer den Alpha, der ihr stets Überlegen ist.
Beta Der Beta ist der Stellvertreter des Alpha und kommuniziert seine Befehle mit dem Rudel und deren Leadern, wenn der Alpha das nicht selbst machen kann oder will.
Er führt dessen Befehle aus und ist der zweitstärkste Werwolf im Rudel, gleich nach dem Alpha. Wenn der Alpha nicht da oder verletzt ist hat er das Kommando über die Verteidigung, ist aber immer noch der Luna unterstellt, die diese Aufgabe ebenfalls übernehmen kann.
Third in Comand – Tic
Er ist der Stellvertreter des Beta und führt außerdem als Leader eine Gruppe im Rudel an. Ist der Beta abwesend übernimmt er vorrübergehend dessen Aufgaben und bleibt im Falle eines Rudelkrieges oft zurück, um die Luna und die Welpen zu beschützen. Er ist der drittstärkste Werwolf im Rudel.
LeaderLeader sind die Anführer der verschiedenen Territoriengebiete und Gruppierungen innerhalb des Rudels. Sie erkämpfen sich diesen Rang innerhalb ihrer Gruppe und können durch weitere Rangordnungskämpfe innerhalb der Leader die Position des Tic oder Beta für sich erstreiten.
MateEin/e Mate ist der oder die Seelenverwandte eines Werwolfes. Der erwachsene Werwolf weiß es immer sofort, wenn er seine oder seinen Mate findet, denn er liebt diese Person sofort und ist nahezu besessen nach seiner oder ihrer Nähe.
Dabei ist es aber ganz gleichgültig, ob der Mate nun ein Mensch oder ein Werwolf ist, männlich oder weiblich. Der Werwolfmate kann ohne seinen Seelenverwandten auf Dauer nicht überleben.
Stirbt ein Mate stirbt meistens auch sein Gefährte oder seine Gefährtin, im selben Augenblick.
Es gibt nur wenige Ausnahmen von dieser Regel und das sind alleine Mütter, deren Kind oder Kinder sie noch brauchen, weil sie zu klein, zu schwach oder aber gerade schwer verletzt sind und ohne sie vermutlich sterben würden.
In den meisten dieser seltenen Fälle überleben aber nur gebissene Werwolfmate, die nicht schon als solche geboren wurden.
Der Link
Das ist die Werwolftelepathie.
Es gibt drei verschiedene Links:
Der Matelink, der nur zwischen zwei Mate oder auch deren Familie funktioniert, der Leaderlink, der nur von Alpha, Luna, Beta, Tic und den Leadern genutzt werden kann und den Rudellink, in dem das gesamte Rudel sich miteinander unterhalten, Neuigkeiten austauschen oder Alpha und Luna und die Führungsebenen Mitteilungen an das Rudel bekannt geben kann.
Ein Werwolf kann willentlich den Rudellink unterbrechen, indem er eine innere Barriere dagegen aufbaut, sodass ein Wolf nicht immer automatisch am Rudellink teilnehmen muss.
Nur wenn Alpha und Luna zum Rudel sprechen, kann man diese Barriere vorübergehend nicht benutzen.
Alpha-LunaDie Alpha-Luna ist eine Luna die den Alpha ihres Rudels und Gefährten ernst gemeint und voller Zorn zum Kampf herausgefordert und diesen gewonnen hat. Dieser Kreiskampf endet aber nicht wie andere Alpha-Kämpfe mit dem Tod des Gegners, sondern mit einem schlichten KO.
Es kommt nur extrem selten vor das eine Luna zur Alpha-Luna wird und ihren Gefährten besiegt. Doch wenn es so ist muss sie Zeit ihres Lebens als Alpha-Luna keine Kämpfe mehr bestreiten, keine Herausforderungen annehmen und auch ihr Gefährte darf vom eigenen Rudel nicht mehr auf Leben und Tod kämpfend herausgefordert werden. Einzig wenn die Alpha-Luna selbst jemanden herausfordert, darf der Gegner um die Position des Alphas mit ihr Kämpfen, dann allerdings in Menschengestalt, nicht als Wolf doch hier auch wieder auf Leben und Tod.
Rogue-Alpha
Ein Rogue-Alpha ist der Anführer einer Gruppe rudelloser Wölfe, die ein eigenes kleines oder auch großes in sich geschlossenes Rudel bilden, das sich selbst innerhalb eines schon bestehenden Rudels ergeben kann. Der Alpha qualifiziert sich hier nicht durch Kampf im Kreis, für dieses Amt, sondern durch Führungsstärke und Hilfsbereitschaft, Schutz und Sorge um sein Rudel, das ebenso wie er selbst oft nur aus gebissenen Personen besteht. Eine Besonderheit ist, dass das Rudel hierbei unter Umständen auch nur aus zwei Personen bestehen kann und es ist auch egal ob dieser Alpha nun männlich oder weiblich ist. Er oder sie ist Alpha.
Rogue
Ein Rogue kann ein zufällig oder böswillig gebissener Mensch sein, der nichts über Werwölfe weiß, sich einfach bei Vollmond verwandelt hat und nun allein damit lebt, ein Werwolf zu sein. Meistens wurden sie von einem wilden „Hund“ gebissen.
Ein Rogue kann außerdem ein geborener oder gebissener Werwolf sein, der, ohne je aufgenommen worden zu sein, bei einem Rudel lebt.
Zudem kann ein Rogue auch noch ein Werwolf sein, egal, ob geboren oder gebissen, der von seinem Rudel verstoßen wurde und nun zu keinem solchen mehr gehört. Viele dieser Verstoßenen werden irgendwann zu wilden Bestien wie aus dem Horrorfilm, die Menschen und Werwölfe gleichsam anfallen und zu töten versuchen.
Schriftarten im Buch
In diesem Buch unterhalten sich Menschen und Wölfe in verschiedenen Schriftarten, was eventuell für Verwirrung sorgen könnte, darum hier noch mal eine nähere Erläuterung:
Ein normales Gespräch zwischen Menschen und Wölfen, wie auch die Erzählung wird in dieser Schriftart geschrieben.
Wenn der Alpha/ die Alpha-Luna im Rudel-, Mate, Familien- oder Leader-Link wie auch in Menschengestalt im Alphatonfall oder Alphabann spricht, wird diese Schrift verwendet.
Wenn die Luna/der abgesetzte Alpha im Rudel-, Mate, Familien- oder Leader-Link wie auch in Menschengestalt im Lunatonfall spricht, wird diese Schrift verwendet.
Wenn normale Wölfe untereinander im Link oder innere Wölfe mit ihrem gebissenen Menschen oder durch diese zu anderen sprechen, wird diese Schrift verwendet.
Naeli erschauerte vor Kälte und Hunger.
Sie hatte heute wieder nichts zu essen bekommen, denn die Herren waren nicht zufrieden mit ihr. Waren sie ja generell nicht, aber derzeit war es besonders schlimm.
Am liebsten hätte sie noch einen weiteren Fluchtversuch unternommen. Den achttausendsten Versuch oder so, sie hatte schon vor Jahren aufgehört zu zählen. Doch sie war inzwischen schon viel zu schwach dazu und erst recht, um alles das zu tun, was man ihr befahl. Sie schaffte es kaum noch, auf den Beinen zu bleiben, und sie schlugen sie dafür und für so vieles andere, … bissen sie und zerfetzten sie halb. Doch das war ihr inzwischen egal.
Seit vielen Jahren vegetierte sie schon in diesem Loch vor sich hin, angekettet am Hals, schmutzig, blutig und fast nackt wie ein wilder, hirnloser Rogue-Wolf. Da war rein gar nichts mehr von der einstmals so stolzen, jungen Wölfin in ihr zurückgeblieben, die mit Baba auf die Jagd gegangen war und mit den Welpen spielte und rangelte.
Naeli seufzte tonlos auf. Ja, sie spürte es schon seit Tagen. Die Schwäche in ihr … nahm immer mehr zu.
Bald würde sie in die ewigen Jagdgründe zu ihrer hohen Göttin Luna gehen, die sie nun lange genug bestraft hatte … Sicher, weil sie zu stolz gewesen war … oder zu eitel … oder zu eingebildet. Ja, sicher letzteres. Sie hatte sich als Welpe immer viel zu viel auf ihre Willensstärke eingebildet, auf ihr Geschick als Jägerin ...
Doch auch das war nun inzwischen alles egal.
Die dachten, sie würde bald sechzehn Jahre alt sein und damit erwachsen. Also ließen sie sie seit Wochen hungern, nur damit sie sich nun ihr Essen zukünftig auf andere Weise erkaufen würde.
- Im Bett ihres Herren und seiner grausigen Söhne.
Doch das durfte sie nicht, ... nein, ... nicht auch noch das, nach all dem anderen.
Dann doch lieber verhungern.
Denn selbst wenn ihr Körper schwach war, ihre Wölfin war noch immer stark und kämpfte ums nackte Überleben.
Neulich hätte sie Jatan sogar beinahe getötet, als der sie hier unten einfach vergewaltigen wollte. Sie hatte sich zuvor zwei Jahre lang nicht verwandelt. Und sie hatte selbst auch nicht gedacht, dass sie dazu überhaupt noch im Stande war. Doch sie war schließlich immer noch ein geborener Werwolf und schaffte den Wandel, wenn sie ihn am dringendsten brauchte.
- Wenn es ums nackte Überleben ging.
Denn dass sie eine geborene und keine gebissene Werwölfin war, hatten ihre Herren irgendwie nie so richtig verstanden oder sich von ihr erklären lassen. Nein …
Nein, es interessierte diese Schinder ja auch gar nicht. Sie durfte nicht mit ihnen sprechen, außer Ja, Herr, wenn man Nana Anweisungen gab.
Sie war schließlich nur noch eine Omega-Sklavin im Kellerwald-Rudel, schon seit vielen, vielen Jahren.
Trotzdem würde sie eher sterben als zuzulassen, dass man sie nach all dem, was sie bereits durchgestanden hatte, auch noch schänden würde und damit für ihren Mate auf ewig verderben, den es vielleicht doch noch irgendwo auf der Welt geben konnte.
Ja, daran glaubte sie felsenfest.
Und er würde vermutlich sogar ein stolzer, geborener Schwarzwald-Werwolf sein, der sie überall suchte, aber niemals da draußen finden konnte. Er könnte sie aber hier riechen, wenn er ihr nur nahekommen würde.
Wie oft hatte sie davon geträumt, … dass ein Jagd- oder ein Rudelkrieg hier in der Nähe vorbeiführte, ein Fenster offenstand … Dann würde er sie wittern können, der Spur folgen … und sie dann hier herausholen, die Herren töten und sie für immer befreien und mit zurück nach Hause nehmen.
Ja, … das war jede Nacht ihr schönster Traum.
Das was das, was ihr Baba nicht geschafft hatte in all den Jahren oder ihre Mahmen. Beide waren vermutlich schon längst tot. Sie mussten sie gesucht haben bis hin zur völligen Verzweiflung.
Doch sie hatte immerhin schon genug von Baba gelernt, um zu wissen, wie und wo man tödliche Wunden schlug.
Und so hatte sie den ältesten Sohn dieser ihr so sehr verhassten Kellerwald-Mistköter fast entmannt, als er es gestern bei ihr versucht hatte.
Seitdem hielten die jungen Herren wieder respektablen Abstand und setzten nun statt Zwang darauf, dass der Hunger sie schon zur Besinnung bringen würde ... Doch wenn sie ihr gar nichts gaben, arbeitete Naeli auch nicht mehr für sie. Ganz einfach.
Und daran konnte auch die Peitsche nichts ändern. Sie war immer noch mutig, ... immer noch ein stolzer Schwarzwald-Werwolf ... Erstgeborene eines Beta-Sohnes und einer Tic-Tochter. Selbst wenn diese beiden nur Grenzwächter gewesen waren. Sie waren stolz, sie waren stark, sie waren frei gewesen. Und zwar ihr ganzes Werwolfleben lang.
Auch sie würde irgendwann wieder frei sein. Ja …
Denn bald schon war sie tot.
Luna würde sich ihrer Seele annehmen, ihr ihre übermütigen Eitelkeiten und nun auch ihre Schwäche verzeihen und stolz auf sie sein, dass sie zumindest ihre Ehre noch weiter verteidigt hatte. Nurmehr ein schwaches Werwolf-Mädchen, bis hin zur Unkenntlichkeit verstümmelt und gebrochen …
Die Ketten klirrten traurig über den Steinboden, als sie ihren schmutzigen Fuß bewegte und sich zum vergitterten Kellerfenster hin umwandte. Von hier aus konnte sie den Mond nur immer einige Minuten lang betrachten. Er war natürlich auch schon weiter hinaufgewandert, trotzdem hob sie anbetend beide Hände und senkte den Kopf, um Luna um Kraft zu bitten.
Noch mehr Kraft, um weiter mutig in den Tod zu gehen und die Schmerzen in ihrem Magen zu ertragen, bis zu dem Zeitpunkt, da sie zu ihr in die ewigen Wälder der Jäger und Wächter gelangen würde.
Ein Tropfen traf ihre Wange und sie bewegte unwillkürlich den Kopf und öffnete den Mund, damit der nächste Tropfen auf ihrer Zunge landen würde. Es tropfte ständig etwas Wasser aus der Heizung heraus. Zum Glück. Denn das mit Gift versetzte Wasser, das nun ihren Wolf bannen sollte, rührte sie nicht an. Stattdessen trank sie das stinkende Wasser aus den Heizungsrohren.
Oder aber oben, im Haus, beim Putzen direkt aus dem Wasserhahn. Sie seufzte leise auf, schloss die Augen und erinnerte sich einmal mehr an den Sonnenschein und helles Kinderlachen. Das Ballspielen mit ihrer Freundin Mia, die nur ein Jahr älter gewesen war als sie selbst, ... und all die anderen Welpen.
Aber auch ihre Freundin hatte der Alpha an jenem Tag verkauft. Die Tochter des Beta, der immer so freundlich zu allen Wölfen gewesen war …
Ja, sogar sie hatten der allmächtige Alpha und sein Sohn Hakon nicht verschont. Ihre beste Freundin ... Und nun war sie schon so lange hier ... und nie mehr richtig gewalkt, außer in diesem kleinen Loch hier unten. Ohne ihr Rudel, ohne Eltern, ohne ein Leben, das noch irgendwie ihr gehörte oder auch nur der Sonne auf ihrer von unzähligen Narben entstellten Haut.
Das war doch kein Werwolf mehr … Das war nichts … gar nichts mehr!
Naelis Blick wanderte zu den Heizungsrohren hin … So wie vorhin schon und gestern und vorgestern, … jeden Tag seit Wochen und Monaten.
Sie hatte sich die Rasierklinge irgendwann beim Saubermachen aus dem Badezimmer geklaut und hier unten neben den Heizungsrohren versteckt. Wenn sie bald schon zu schwach zum Wandeln und Kämpfen wurde, musste sie sich eben freiwillig Luna anvertrauen und immerhin noch als Jungfrau sterben. Das hatte sie sich geschworen.
Warum scheute sie sich eigentlich immer noch davor zu gehen? Es würde sicher keiner hier bedauern, wenn sie sich selbst tötete. Die Monster würden sich einfach nur wieder ein anderes Mädchen für ihre Zwecke holen. Ein Mädchen, das gefügiger sein würde, ... eine Gebissene ... oder auch ein Menschenmädchen, das sie selbst erst noch beißen würden.
Oh, ihr Magen schmerzte so sehr, … sie konnte es kaum noch ertragen. Ihr Blick glitt erneut zu dem Heizungsrohr hin und nun kämpfte es mal wieder in ihr. Gehen oder bleiben?
So lief das nun schon seit zwei Jahren, jede einzelne Nacht. Waren es gute Nächte, dann hatte sie keine Mühe zu widerstehen, waren es indes schlechte ...?!
Ihr kamen wieder einmal zornige Tränen. Wenn nur ihr Baba wüsste, was aus ihr geworden war, ... woran sie gerade dachte ... Sicherlich würde er sie für ihren mangelnden Mut und Kampfeswillen tadeln.
Oh, es war so schwer geworden, sich noch an ihren Stolz und Mut zu erinnern. Wer sie einst gewesen war ... und wer sie hatte sein wollen. Ob es Mia nun vielleicht irgendwo genauso erging wie ihr? Ob sie ebenfalls nachts in einem dunklen Kellerloch wach und am Hals angekettet lag und darüber nachdachte, ihr Leben zu beenden? Oder war sie gar schon lange tot?
Oh, es war kalt heute Nacht. Kalt und dunkel und sie war so müde geworden, so schwach.
Eigentlich eine äußerst passende Gelegenheit, um zu gehen, ... warum also es noch länger herauszögern wollen? - Wozu?
Die Göttin würde sie sicher verstehen und in ihre Arme schließen. Sie haderte schließlich schon jahrelang mit sich selbst und würde deshalb auch sicher auf diese Weise in die ewigen Jagdgründe gelangen, wo vielleicht schon ihre Eltern auf sie warteten. Denn das war der einzige Grund, den sie sich vorstellen konnte, warum Baba sie nicht längst gefunden hatten.
Warum sie sie alle nicht mehr gesucht und gefunden hatten ... Es war schlicht und einfach niemand mehr da, der sie auf dieser Welt noch vermisste. Sie streckte also die Hand aus, um die Rasierklinge aus dem Rohr zu nehmen, ... sie zumindest mal zu betrachten, bevor sie sich endgültig entschied.
Da peitschten plötzlich laute Schüsse von irgendwoher durch die Nacht, oben im Haus zersplitterten Fensterscheiben. Sie hörte Schreie, laute Rufe, schnelle, eilige Schritte, bevor dann das Wolfsknurren begann.
Der Herr und seine beiden Söhne hatten sich wohl verwandelt. Doch wer zum Teufel schoss bitte im Territorium des Kellerwaldes auf die Werwölfe?!
Nein, ... nein, das gab es sicher nicht. Ernsthaft ein Rudelkrieg im Territorium? Oder nur menschliche Hunter?
Sie zuckte unwillkürlich zurück, als sie schwere Stiefel draußen vor den Gittern vorbeistampfen sah.
Jemand rüttelte kurz an den Eisengittern.
„Hier ist alles dicht, Sir!“, wisperte es von dort.
„Auf die andere Seite. Da ist eine Hintertür! Lasst keine dieser scheußlichen Kreaturen entkommen! Denn wenn wir schon sterben, dann nehmen wir noch so viele von denen mit, wie wir nur können!“, flüsterte es eiskalt zurück.
Naeli zog hastig die Beine an und lauschte nach oben, ... auf einmal splitterte wieder Glas, dann gab es eine Explosion, die den Deckenputz abbröckeln ließ. Dann schossen Gewehre und Pistolen. Es polterte und krachte und brüllte und bellte aus dem Erdgeschoss. Hastig hob sie die Arme schützend über den Kopf und wimmerte leise auf.
Da heulte es schon wieder, ... diesmal von draußen ... Laut! Und es war ein vielfaches Geheul, das sich nun rasch näherte. Schon ging das Geballer wieder los, knurren, schießen, wildes Gebell, wieder heulen, ... sie verstand deren Rudel-Link natürlich nicht, denn sie war ja nun mal ein Schwarzwaldwolf, doch sie konnte sich die Schlacht ausmalen, die da draußen gerade tobte. Oh ja, ... das konnte sie gut.
Das Schießen hörte schließlich unter lautem Geschrei auf.
Knurren und bellen und Pfotentrappeln kündeten vom Erfolg des Rudels gegen die Menschenhunter.
Schon bald darauf hörte sie wieder einen wild knurrig anhörenden Ruf, bei dem sich fast sofort ihre Nackenhaare kräuselten, so komisch wurde es ihr zumute.
„Hat irgendjemand überlebt?“
„Nein, Alpha! Oswald und seine Söhne sind gefallen!“
Oh nein ... nein ... nein! Der Kellerwald-Alpha war da oben? Das Monster der Monster schlechthin?!, dachte Naeli bei sich und hörte sich dann selbst unwillkürlich wimmern und leise schluchzen, während sie oben noch über die Anzahl der erlegten Hunter sprachen.
„Schhhht! Hört ihr das nicht?!“, erklang dann auf einmal wieder diese knurrige Stimme. Und Naeli presste sich vor Angst scharf einatmend die Hand über Mund und Nase, bevor sie dann aber doch die Hand zum Rohr hin ausstreckte und sich rasch die Rasierklinge schnappte.
Eine armselige Waffe gegen die grausamen Kellerwald-Bestien. Doch immer noch ihr Ausweg zu Luna, wenn sie nun endlich den Mut dazu fand. Auf keinen Fall wollte sie noch an andere Kellerwald-Wölfe gegeben und von denen erneut versklavt werden.
Vielleicht würden sie sie ja auch gar nicht finden ... Ja, vielleicht … Doch die Werwölfe hatten bereits ihre Witterung aufgenommen. Schritte polterten hastig durchs ganze Haus ... Andere blieben an der verborgenen Treppentür stehen, ... dann krachte es laut und sie zuckte unwillkürlich zusammen, ... zog sich rasch die Klinge über ihr Handgelenk, um wenigstens noch den Versuch zu starten, sich selbst zu erlösen. Ihre Kette klirrte dabei aber viel zu laut, während die schweren Schritte nun langsam die Treppe herunterkamen. Jemand sog geräuschvoll die Luft ein.
„Alpha!?“ „Jemand ist hier unten! Und ... blutet!“, knurrte es dunkel.
Nana blieb fast das Herz stehen, als nur eine Sekunde später eine große, düstere Gestalt mit rotglühenden Augen um den Heizkessel herum gegangen kam und bei ihrem Anblick tief nach Luft schnappend stehenblieb.
„Mächtige Luna ...!“, krächzte irgendjemand anderes, der nun ebenfalls am Fuße der Treppe angekommen war.
Nana hielt die blutige Rasierklinge noch immer in der Hand, versuchte, ihre schmutzige Blöße, so gut sie nur konnte, mit ihren dürren Beinen und Armen zu verdecken und erstarrte, ... ja, sie hielt sogar den Atem an ... Sah wie gebannt in die Augen eines hoch gewachsenen Werwolfes, dessen Gesicht und halber Körper noch im Schatten lag und dem sie nie im Leben hatte begegnen wollen. Also knurrte sie, nun wie wild und so bösartig sie nur konnte, los.
Mit jedem Pulsschlag floss derweil mehr Blut auf den Boden. Hoffentlich würde sie lange genug bei Bewusstsein bleiben, um sich bis zum Schluss gegen dieses Monster aus der Hölle zu verteidigen! Die würden sie nie wieder unter ihre Herrschaft zwingen ... Oh nein!
Nie wieder!!!
Sommer, fast 2 Jahre später
Der Wecker klingelte auf dem Nachttisch und Naeli schrak hoch. Zitternd suchte und fand sie die Aus-Taste und lauschte dann sekundenlang mit heftig klopfendem Herzen auf die Stille.
Selbst nach über zwei Jahren in neuerlicher, wenn auch andersartiger, Gefangenschaft hatte sie sich noch immer nicht daran gewöhnt, morgens von einem Wecker geweckt zu werden, statt mit einem Tritt in den Bauch oder Hintern und unter lautem Kettenrasseln. Es war auch immer noch ungewohnt, in einem Bett aufzuwachen, ein Kissen und eine Decke zu haben, morgens fast ohne Schmerzen daraus aufzustehen, sich echte Kleider anzuziehen und in eine richtige Schule zu gehen ...
Göttin …
Niedergeschlagen seufzte sie auf.
Letzteres hätten sie getrost sein lassen können, es ihr aufzuerlegen. Sie hasste den Ort, wo die hiesigen Welpen und Jungwölfe lernten, oh ja.
Am liebsten wäre sie nun wieder für alle unsichtbar und würde putzen, arbeiten und dann später in irgendeiner Ecke hocken, bis sie es wieder musste. Das war viel friedlicher gewesen, stiller und ruhiger. Aber inzwischen machte ihr Leben ja nun mal so gar keinen Sinn mehr.
Sie war ein Nichts und Niemand im Rudel des Kellerwaldes, zu dem sie aber auch nicht gehörte ... Es nach wie vor verweigerte! Sie tat nur alles so wie eine Omega-Sklavin, immer genau das, was ihr befohlen wurde, weil der Alpha es so wollte. Ja, der grausige Alpha des Kellerwald-Rudels. Ein gutaussehender junger Dämon, der direkt aus der Hölle kam ... ganz wie sein Baba.
Heftig schluckend legte sie die Hand auf ihr immer noch viel zu heftig pochendes Herz, das einzig noch von dem gruseligen Traum ihrer letzten Existenz aufgewühlt zurückgeblieben war, und atmete ganz tief und bewusst langsam ein und aus, um es wieder zu beruhigen.
Oh Mann.
Warum träumte sie nur immer wieder von dieser Nacht? Das war so schlimm. Kurz betrachtete sie ihr eigenes Handgelenk. Es war immer noch vernarbt, denn der ganze Dreck und das verschmutzte Wasser aus der Heizung, das sie damals ja hatte trinken müssen, hatte ihren Wolf so stark geschwächt, dass ihre Wunden nicht mehr richtig verheilt waren. Deshalb dachten der Kellerwald-Alpha wie auch sein Rudel bis heute, sie sei eine gebissene, wilde Rogue-Wölfin, ohne jede Kontrolle über ihren Wolf, weshalb sie sich auch nie vor ihnen verwandelte, sich weigerte und oft genug so tat, als könnte sie das auch gar nicht.
Ja …
Dass sie heute überhaupt noch lebte, obschon sie sich Alpha Kator ständig verweigerte, war schon ein echtes Wunder. Doch so war dieser unberechenbare Alpha nun mal.
Er arbeitete sogar mit reinen Menschen hier im Rudelhaus zusammen, die weder angeknurrt noch bedroht oder auch nur gewarnt, geschweige denn gebissen werden durften, … wem das nicht passte, der konnte ihn gerne herausfordern und im Kreiskampf sterben.
Er benutzte auch schon seit Jahren rein menschliche Technologie wie Telefone, Handys und Computer. Wen das irritierte oder wer darüber lachte, war schneller Wächter an der Grenze oder einen Kopf kürzer, als er sich entschuldigen konnte.
Es war nicht ratsam, Kators Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Erst recht nicht als ein geborener Werwolf, der ihm spottete. Die Gebissenen dagegen nahm er schlicht nicht für voll.
Deshalb tat sie nun auch so, als sei sie eine ängstliche Gebissene, oder protestierte zumindest nicht, wenn andere das laut nachdenkend über sie annahmen. Denn kein Alpha mochte die Gebissenen. Ja, sie hielten sich eher von ihnen fern.
Und da bildete auch dieses Kellerwald-Monster zum Glück keine Ausnahme. Er verkehrte fast nie mit den Gebissenen. Außer es gab Probleme. Sie waren und blieben hier im Rudel nur eine niedere Randgruppe und blieben darum auch immer für sich. Warum er also ausgerechnet sie in seinem Rudelhaus behielt, war Naeli ein Rätsel.
In der Schule gab es schließlich auch noch drei andere Mädchen, die tatsächlich gebissene Omega waren und nun in Pflegefamilien lebten. Entführte und gebissene Menschenmädchen aus der freien Welt, die das Rudel gestohlen oder gekauft hatte.
So wie sie.
Sie standen natürlich ebenfalls unter strenger Beobachtung. Sie selbst aber am meisten.
- Weil sie bisher ja noch nie mit dem Rudel gewalkt war, ... sich dem Alpha-Bewusstsein verschloss und es auch niemals freiwillig zulassen und sich vereinnahmen lassen würde. Stattdessen versuchte sie immer noch wegzulaufen, ... zumindest ab und zu. Sie hoffte nun mal darauf, dass die Aufmerksamkeit der Wächter doch noch nachlassen würde. Denn dass sie sich hier jemals irgendwie freiwillig einbrachte oder gar überwechselte, war unmöglich.
Ja …
Ganz ausgeschossen.
Selbst wenn sie nun für immer den abartig unterwürfigen Menschen-Wolf mimen musste, sie würde sich diesem Alpha-Monster trotzdem niemals vollständig ergeben und diesen letzten winzigen Rest an Ehre und Stolz für sich bewahren.
Endlich gelang es Naeli, ihre zitternden Glieder zum Aufstehen zu zwingen und leise zur Zimmertüre zu schleichen.
Draußen pochte und stampfte und hustete es bereits laut. Die anderen Werwölfe im Rudelhaus waren schon längst aufgestanden und in ihre fünf großen Badezimmer gegangen. Insgesamt gab es sechs davon hier im Rudelhaus. Sie hörte auch schon irgendwo das Wasser rauschen und dann wieder leises Fluchen, Lachen, Kichern und Murren.
Eine Stimme war ganz nahe, ... der Beta? Der Tic ... oder ein Leader? Egal! Sie mochten sie alle nicht.
Am liebsten hätte sie nun wieder Tag und Nacht geknurrt, so wie am Anfang hier, als sie alle damit gewarnt hatte, sich ihr auch nur zu nähern. Doch dann war ja immer gleich der Alpha gekommen, um sie seinerseits zu warnen, nicht zu wild zu werden ... Und er war sogar zwei Nächte bei ihr geblieben, weil sie sich nicht in ihr Bett gelegt hatte, wie sie es aber sollte, sondern auf dem Boden unter dem Tisch in der Ecke geschlafen hatte, ohne Decke und Kissen. Da hatte er ihr gedroht, zukünftig immer bei ihr zu schlafen, um persönlich dafür zu sorgen, dass sie im Bett bliebe.
Brrrr, ... alles, nur das nicht, schüttelte sie sich auch jetzt noch bei dem Gedanken an diese furchtbaren Nächte, in denen sie kein Auge zubekommen hatte. Also lag sie nun jede Nacht brav in diesem blöden Bett, das viel zu weich war, unter einer Decke, die viel zu warm war, wie ein Mensch, der sie nicht war.
Wenn das ihr Baba wüsste ...
Der Wolf draußen lief endlich an ihrem Zimmer vorbei und gleich darauf öffnete sie leise die Tür und huschte rasch über den Flur hinüber in das kleine Badezimmer mit Mini-Dusche, das der Alpha ihr nach einigem Hin und Her eigens zur Verfügung gestellt hatte, weil sie sich schlicht weigerte, morgens mit den Mate der Leader und des Tic ein Bad zu teilen. Wozu auch? Um sich von denen einschüchtern oder grob beiseiteschubsen zu lassen, wenn sie irgendwie im Weg stand?
Stattdessen war sie früher immer raus und an den See geschlichen, bis der Alpha sie nach seiner Morgenrunde einmal zufälligerweise dort beim Waschen überrascht hatte. Mitten im eiskalten Winter. Sie hatte sich damals extra mit einem Stein ein Loch ins Eis gehauen. Tja, ... aber dann war er fuchsteufelswild geworden und hatte das gesamte Rudelhaus zusammengebrüllt.
- Wobei er dann auch noch beinahe die Mate eines seiner damaligen Leader platt gemacht hatte, da er annahm, man hätte sie dazu gezwungen, sich woanders zu waschen. Scheinbar hatte diese dumme Kuh das auch wirklich so gedacht und sich heimlich darüber amüsiert, dass sie die verachtete Omega tatsächlich nur mit ein bisschen Herumschubsen aus dem Haus gedrängt hatten. Nicht gut …
Egal, ob der Spott darüber, wie schwach sie sich gab, nun gerechtfertigt war oder nicht … Olivia war achtkant rausgeflogen und ihr geborener und überaus entsetzter neuer Leader-Mate Patrick dann sogar bis an die äußerste Grenze zur Röhn versetzt worden, um dort nun wieder als Hauptmann der Wächter zu dienen … oder zu sterben.
Er war gegangen.
Schnell!
Tja, … absolut unverständlich, warum Kator so auf ihre gleichwertige Behandlung in seinem Rudelhaus bestand, denn trotz allem gab es da ja nun mal immer noch die offizielle Rudel-Hierarchie und die Sklavin Nana stand da doch natürlich ganz unten auf der Liste.
- Ja, … er war komplett unberechenbar, dieser irre Alpha! Sogar für sein eigenes Rudel, das sich nun allerdings zumeist vorsah, wie sie ihr begegneten.
Naeli nahm ja für sich an, dass das alles nur ein lächerlicher Gehorsamstest im Rudelhaus war oder so. Kator prüfte mit ihrer Hilfe die Gesinnung seiner neu ernannten Leader, die sich auf seinen Befehl hin einer wertlosen Omega gegenüber als nett und umgänglich zu präsentieren hatten. Doch das fiel ihnen natürlich sehr schwer, … schließlich hatten sie nun mal eine himmelweit höhere Position als die kleine Omega Nana und darum wechselten diese nun auch ständig und nur Ronno, der Beta, blieb eine echte Konstante im Rudelhaus.
Sie seufzte fast unhörbar leise auf.
Manchmal versuchte sie sich, heute noch an die Zeiten zu erinnern, da sie eine stolze, geborene, junge, kleine Welpen-Wölfin des Schwarzwald-Rudels gewesen war, statt nur noch ein benutztes Ding irgendwo im Nirgendwo.
Doch scheinbar war schon als Welpe etwas an ihr nicht ganz richtig gewesen. Sonst hätte Alpha Aristo sie doch sicher niemals verkauft.
Na ja...
Nun lebte sie eben hier als niederste Omega im Kellerwald. Wo sie nicht hingehörte. Und trotz, dass da jeden Tag mindestens zehn Wölfe um sie herum waren, war sie nun so einsam wie sie es nicht einmal als Sklavin von Oswald und seinen Söhnen, all die Jahre zuvor, gewesen war.
Denn damals hatte sie wenigstens noch eine Aufgabe gehabt. Ihre Herren hatten zu ihr gesprochen und ihr Anweisungen gegeben. Und heute?
Die Haushälterin gab ihr meistens nur echt ekeliges Essen – also mittags, wenn keiner es mitbekam - und fuhr sie an, bis sie es endlich herunterzwang. Es schwächte sie … immer mehr und mehr. Vermutlich war das aber so gewollt, um sie an weiteren Fluchtversuchen zu hindern. Sie sollte hübsch dableiben und weiterhin die verhasste Omega im Rudelhaus sein, die Kator zumindest für seine Zwecke benutzen konnte, bis sie sich fügte und in sein Rudel kam.
Doch das wollte sie nicht. Das hier waren ihre Feinde! Mehr nicht!
Aber genau darum war nun jeder Tag öde und leer, absolut gleich wie der Tag davor.
Zur Schule gehen, heimkommen, Hausaufgaben machen - von denen sie ebenfalls keinen Plan hatte - das ekelige Essen herunterwürgen, Wasser trinken, vor sich hin starren, irgendwann dann schlafen gehen und dann, am nächsten Tag, ging alles wieder von vorne los, nur mit geringfügig anderem Essen, anderer Kleidung, anderen Schulfächern ... Ab und zu rügten Beta Ronno oder die Leader sie noch wegen irgendetwas.
Aber das zumeist nun ganz freundlich, … um nicht gleich schon wieder rausgeschmissen zu werden.
Tja, ... es hieß ja allgemein, das sei ein leichtes Leben. Ein unbeschwertes, ... manche der Mate seufzten sogar ab und zu, sie hätte es viel zu gut, keinerlei Pflichten, nur immer ganz viel Freizeit und nichts zu tun …
Als ob sie es sich irgendwie anders hätte aussuchen können.
Der Alpha hatte es schlicht so für sie angeordnet, gleich nachdem er sie aus dem Keller befreit hatte. Und sie hatte ihm natürlich nicht widersprochen. War schließlich nicht dumm. Denn nachdem ihre Herren ja von den Huntern getötet worden waren und er sie in jener Nacht heftig fluchend verbunden und dann ins nächste Krankenhaus gebracht hatte, wich er ihr dann wochenlang kaum von der Seite, vermutlich weil sie sich ihm komplett widersetzte, ihn anknurrte, wild blieb, ihn nicht in ihren Kopf hineinließ … und er das letztlich wohl spannend fand.
Doch für Naeli war es nur bitterer Ernst. Sie verweigerte sich ihren Feinden, … ob nun auf Leben und Tod bedroht, … es war ihr egal.
Der Alpha sagte darum im ersten Jahr oft, dass sie sich so nur selbst jeden Spaß im Leben verweigerte und sich nur selbst schaden würde, niemandem sonst.
Tja, aber Spaß, ... den hatte sie zuletzt als Kind gehabt. Und diese Vergangenheit war heute schon so furchtbar weit weg. Sie erinnerte sich tatsächlich kaum noch daran. Erinnerte sich auch kaum noch an die Gesichter ihrer Eltern oder Freunde. Nur an Mia. Die liebe, lustige Mia, ... die Beta-Tochter mit dem Pelz so lichtgolden wie Sonnenstrahlen. Manchmal träumte sie noch davon, wie Hakon sie beide auseinander und dann jede in eine andere Richtung weggezerrt hatte, weil verkauft … Mia an den Taunus und sie an den Kellerwald.
Sie war die einzige echte Freundin in ihrem jungen Leben gewesen. Danach hatte es keine solche mehr gegeben und würde es vermutlich auch nie mehr. Dazu war sie nun zu unnormal geworden. Keine richtige und stolze Werwölfin mehr.
Ihre Familie würde sich für sie nun sicherlich schämen und der Alpha des Schwarzwaldes sie ganz sicher sofort töten, wenn sie je zurückkäme.
Doch genau das war ihr Ziel.
- Wenigstens noch zu Hause zu sterben. Denn etwas derart Kaputtes wie sie hatte in dieser harten Welt einfach keine Daseinsberechtigung mehr.
Ein echtes Wunder, dass das hier im Kellerwald gerade noch so anders gesehen wurde.
Doch die dachten wohl, ein weiblicher Werwolf könnte gut auch noch die Mate von jemandem werden … oder vielleicht hatte es auch jemand behauptet, dass sie es bereits sei, … seine Mate.
Das zumindest würde erklären, warum Alpha Kator sie nicht endlich doch noch aussonderte und ständig versuchte, sie in sein Rudel zu zwingen, sie zum Reden zu bringen, zum Wandel, zum Walken, … egal.
Naeli schluckte hart, schluckte und schluckte.
Denn ja …
Sie hatte immer noch viel zu große Angst vor ihm.
Am schlimmsten war es, wenn er auf einmal unmittelbar vor ihr auftauchte und sie einfach irgendetwas fragte.
Sie antwortete ihm natürlich nie, doch ab und zu wollte sie ihn dann einfach nur erschrocken anbrüllen, sie gefälligst in Ruhe zu lassen.
Aber … Nicken oder Kopfschütteln, … mehr erlaubte sie sich nicht.
So wie seit Anbeginn ihrer Sklaverei. Denn so war und blieb sie nur ein unwichtiger Omega, den der mächtige junge Kellerwald-Alpha getrost ignorieren konnte.
Ja, ... er und auch sein Rudel. Und nichts anderes wünschte sie sich jetzt noch. Nur, dass das Monster sie schlicht in Ruhe ließ. Denn er war wild, kämpferisch, hart und brutal, … eben ein echter geborener Werwolf und damit allzu leicht aufbrausend.
In ihrem ersten Vierteljahr hatte er auf dem Schulhof nicht weniger als vier Werwölfe des eigenen Rudels getötet, weil sie nicht gut genug gewacht hatten und Naeli vier Mal an ihnen vorbei und entkommen war, und doch niemals aus dem inneren Ring heraus, denn ohne sich zu wandeln, war sie nur wie ein schwacher kleiner Mensch ... langsam … schwerfällig … leicht einzuholen und wieder zurückzuschleifen.
Doch Kator war es absolut gleichgültig gewesen, wie und warum sie entkommen war. Er duldete kein Versagen im inneren Ring.
Man tuschelte auch viel über ihn. Viel Grausiges und Hartes. Er hatte bereits im zarten Alter von 14 Jahren sechzehn ausgewachsene und starke Leader und Hauptmänner seines verstorbenen Babas im Alleingang getötet, weil diese ihn und auch seine Mahmen angegriffen hatten, um den Alpha-Zweig nun restlos auszumerzen, während sie selbst damals noch in dem Kellerloch angekettet gehockt und jeden Tag zusammengeprügelt worden war, nur damit sie ihren Herren zukünftig besser diente, still war, sich vollständig unterwarf und sich am besten auch gar nicht mehr verwandelte.
Oh ja ... Sie erinnerte sich noch immer sehr gut daran, wie sie dann Jahre später nackt und schmutzig und zitternd vor Angst vor ihm gekniet hatte, mit den schweren Ketten und dem eisernen Halsring, einzig bewaffnet mit einer mickrigen Rasierklinge, die er ihr aber nach einem ersten tiefkehligen Knurren blitzschnell entwunden hatte.
Sie hatte es damals nicht noch einmal gewagt, ihn anzusehen, egal, ob er es ihr nun befahl oder nicht. Denn seine Augen glühten, wie bei einem Rogue-Dämon, grellrot auf und auch heute hatte sie oft noch arge Probleme damit, ihm direkt ins Gesicht zu blicken, selbst wenn er das immerzu von ihr verlangte und auch nicht lockerließ, bis sie es wenigstens kurz tat.
Doch, wenn sie ihm dann in die Augen sah, stellten sich all ihre Nackenhaare auf und sie bekam fast schon Bauchschmerzen ... vor Abscheu.
Doch er war ja zum Glück sehr oft weg. In Rudelangelegenheiten ... oder neulich zur Unterstützung der Verbündeten in Bayern. Da hatten sie sogar außerhalb der Territorien agiert und gekämpft. Das war gut gewesen.
Er war viele Tage am Stück nicht da gewesen, ebenso wenig Beta Ronno und sie hatte noch einmal einen fast erfolgreichen Fluchtversuch starten können. Blöd nur, dass Gerald sie noch vor der Grenze ins Außerhalb erwischt und zurückgebracht hatte. Darum war dann auch er nun der Tic geworden und Benn wieder nur Leader. Er hatte nicht gut genug auf sie aufgepasst, hatte Kator grimmig gemeint und ihr dann wieder einen Vortrag darüber gehalten, dass sie als Werwolf unmöglich zurück zu den Menschen gehen konnte … Wusste sie schon … danke … hatte sie auch nicht wirklich vorgehabt, sich noch längere Zeit dort aufzuhalten …
Doch hatte der Tic sie danach so sehr im Auge behalten, dass jeder weitere Fluchtversuch schon im Keim ersticken musste. Und Kator schüttelte nur wieder über ihr Unverständnis den Kopf … und sie fragte sich, warum dem Idioten nicht auffiel, dass er es mit einer geborenen Wölfin, statt mit einem popeligen Menschen zu tun hatte. Die hätten das alles niemals überlebt, was Oswald und seine Söhne ihr angetan hatten. Doch er sah es nicht, wollte nur immer mehr, dass sie sprach, walkte, ins Rudel kam … und sie … wollte ihm nur noch aus dem Weg gehen und ihre Ruhe vor ihm zurück. Auch deshalb hatten sich ihre Wege später, außerhalb der Schule, nur selten gekreuzt. Sie entwickelte allmählich einen sechsten Sinn dafür, ihm aus dem Weg zu bleiben, auszuweichen oder sich vorrübergehend unsichtbar zu machen.
Oh, … und wie sehr sie jetzt schon darauf hoffte, dass die Menschen baldmöglichst wieder für Probleme sorgen würden, damit der Alpha sich dann erneut vorranging darum kümmern musste ...
Doch leider, leider schien die Menschenregierung nun gewechselt zu haben. Mal wieder. Die Neuen hielten sich wieder wesentlich zurück, kamen nicht in die Territorien, mischten sich nirgendwo ein … Und deshalb war nun wieder vieles anders geworden. Ruhiger für das Rudel, frustrierender für sie. Es wurden kaum noch Grenzübertritte festgestellt. Und wenn, dann meistens nur von dummen Welpen, die sich irgendwie bei der Jagd verlaufen hatten, oder es waren wilde Rogue.
Der Alpha wurde kaum noch weggerufen. Eigentlich schade. Denn für Naeli war alles, was, egal welches Rudel, gegen den Kellerwald unternahm, eine innere Genugtuung. Würden sie sie doch nur komplett auslöschen und in einem Rudelkrieg überrennen …
Doch dafür waren die hiesigen Wächter wohl zu gut ausgebildet.
Schnell atmete sie durch, um die abscheulichen Gedanken über Mord und Totschlag an ihren Feinden zu vertreiben und schloss die Badezimmertüre rasch hinter sich ab.
Die natürlich ebenfalls geborene Rudelhaushälterin Freya hatte ihr wie immer frische Kleidung auf den kleinen Schrank gelegt, ein frisches Handtuch und Waschsachen.
Sie gehorchte dem täglichen Ablauf, den man ihr, übrigens fast genauso fies und verächtlich wie ihre ehemaligen Herren, beigebracht hatte … Zähneputzen, Haare kämmen, Zopf binden, Gesicht waschen, anziehen. Die Schuhe würde sie erst draußen im Freien anziehen dürfen. Doch was genau sie da jetzt am Leibe trug, was wie ein nasser Sack an ihr herunterhing, weil viel zu groß, war ihr im Grunde schnurzegal. Es hatte keinerlei Bedeutung mehr für sie, wie sie aussah, wie sie wirkte und ob sie jemandem gefiel.
Ein flüchtiger Blick in den Spiegel offenbarte dann auch nur ihr viel zu schmales, bleiches Gesicht.
Freya hatte ihr das zu lang gewachsene Haar inzwischen etwas abgeschnitten. Auch unter Zwang. Rono und der Alpha hatten sie dabei festgehalten und eigentlich hatte sie es ja ratzekurz scheren wollen, doch das hatte Kator dann doch nicht erlaubt. Nun reichte es ihr also bloß noch den halben Rücken hinunter und wellte sich sehr.
Na ja, … war letztlich wohl besser so.
Wie oft hatte der alte Herr sie an den viel zu langen Haaren hinter sich her geschleift wie einen räudigen Köter? Wie oft hatte der Sohn des alten Herrn sie daran zurückgezerrt, sodass sie hart zu Boden gestürzt war? Unwillkürlich schluckte sie erneut und begann mal wieder zu zittern.
Da klopfte es plötzlich laut und energisch an die Tür.
„Nana! Kommst du endlich? Dein Frühstück steht schon längst bereit und du hast nur noch zehn Minuten Zeit, bevor der Bus fährt. Der Alpha ist noch nicht da, also spute dich!“, meldete sich Freya ärgerlich klingend.
Eilig legte sie alle Utensilien wieder ordentlich in die Regalfächer zurück und wischte das Waschbecken mit dem Handtuch aus. Kein einziger Tropfen sollte irgendwo stören. Sie hatte gelernt, alles in bester Ordnung zu halten. Ja, ... sie hatte es lange, lange, lange und überaus gründlich so gelernt.
Ihr Blick verschleierte sich kurz und sie erinnerte sich an die harten Schläge ihrer Herren, wann immer sie auch nur einen winzigen Streifen auf dem Spiegel oder einen Tropfen Wasser im Waschbecken gefunden hatten.
Ständige Fehler, die Nana gemacht hatte, wie sie Ira Naeli Winter, die geborene Wölfin aus dem Schwarzwald, einfach umbenannt hatten, ... bis sie es dann eines Tages wirklich auch geworden war. Nur noch Nana, ... nur noch deren stumme und unterwürfige Sklavin.
Nun hielt sie also Ordnung. Sogar akribische Ordnung. Denn der Alpha des Kellerwaldes sollte nichts zu beanstanden haben. Niemals! Denn er sollte ihr besser keinerlei Aufmerksamkeit mehr schenken.
Mit eingezogenem Kopf und hochgezogenen Schultern öffnete sie die Badezimmertür und wagte es nicht, der streng aussehenden Haushälterin ins Gesicht zu schauen. Man hatte ihr auf die harte Tour beigebracht, den Herren niemals direkt in die Augen zu schauen. Auch wenn diese sie nun sehr verächtlich wie auch missbilligend anstarrte … Wenn niemand mit dabei war, zeigte sie ihr immer nur Verachtung und Missbilligung. Denn eine Omega hatte eigentlich nichts im Rudelhaus verloren, wenn sie da nicht auch tatkräftig diente und putzte.
„Nun komm endlich, Nana! Hast du deine Tasche gepackt, eh? Sind deine Hausaufgaben erledigt?“, fragte Freya sie nun merklich ungeduldig. Sie nickte nur hastig und stumm und schlich sich dann mit tief gesenktem Kopf, ganz eng an der Wand bleibend, an ihr vorbei, weil sie erst noch mal in ihr Zimmer gehen musste, um ihren Rucksack zu holen.
Oder besser gesagt, es war ein Rucksack, den der Alpha ihr für die Schule zur Verfügung gestellt hatte. Sein Eigentum.
Sie wagte es nicht, ihn auch nur in irgendeiner Art und Weise zu beschmutzen. Und wenn da doch mal ein Flecken draufkam, wusch sie den Stoff zu Hause schleunigst wieder blitzsauber. Schließlich gehörte er nicht ihr. Ja, gar nichts gehörte hier ihr ... und sie konnte und durfte auch gar nicht darum kämpfen, eigenen Besitz zu haben, nie. Dazu müsste sie ja schließlich auch zuerst mal Mitglied im Rudel sein. Aber nicht mal Alpha Kators böseste Alphastimme konnte sie dazu bringen, sich vor ihm zu wandeln.
Naeli war schon richtig dankbar für den Umstand, zumindest noch mental stark genug zu sein, um da passiv zu bleiben, und hatte darum in ihrem ersten Winter im Rudelhaus der Mondgöttin Luna für ihre große Gnade einen Monat lang die Hälfte ihres Essens geopfert, ... bis der Alpha das gemerkt und sie vor sich zitiert hatte, sie schnaubend gefragt hatte, ob es ihr nicht schmecken würde, ... ob sie lieber etwas anderes essen wollte und gerade ihren Unmut durch das Wegschmeißen von Lebensmitteln ausdrücken wollte, oder es einfach zu viel sei und sie Bestrafung fürchtete, weil sie es nicht schaffte aufzuessen, wie sie es aber eigentlich sollte.
Sie hatte lediglich still vor ihm gekniet und rein gar nichts dazu gesagt oder gemacht. Nicht mal zu ihm aufgesehen. Doch statt sie anzubrüllen oder zu schlagen hatte er sie letztlich nur schlicht gebeten, nicht wieder das Essen wegzuschmeißen.
Seither bekam sie dann natürlich nur noch sehr viel kleinere Portionen von Freya, die empört über ihre Respektlosigkeit geschimpft hatte.
Naeli dachte sich nur ihren Teil, ... denn nun war sie schon seit über einem Jahr ständig hungrig, immer noch viel zu dünn und schwach. Und opfern konnte sie Luna nun natürlich auch nichts mehr. Zudem fand sie es extrem seltsam, dass der Alpha sie derart nachlässig behandelte. Er war schließlich ein geborenes, grausames Monster.
Trotz, dass sie in Menschengestalt war und blieb, sich verweigerte und somit nicht zum Rudel gehörte, warf der Alpha sie noch immer nicht aus dem Rudelhaus raus. Das war ... ebenfalls seltsam.
Warum tat er das bloß?
Nur, weil er meinte, sie könnte einen Mate im Kellerwald haben und ihn beim nächsten Mate-Ball finden, an dem sie diesmal teilnehmen sollte?
Das war höchst unwahrscheinlich.
Seit sie im Kellerwald war, hatte sie sich schließlich noch nie zu irgendjemandem besonders hingezogen gefühlt. Doch ihre Mahmen hatte immer behauptet, dass sie es eines Tages sofort spüren würde. Dass sie es auf jeden Fall merken würde, wenn ihr Seelenverwandter vor ihr stünde, wenn sie erst alt genug sei. Mit vierzehn ... Ihre Wölfin würde es dann ganz sicher sofort merken und heftig reagieren.
Tja, ... nein.
Alt genug war sie ja schon lange. Doch gespürt hatte sie bisher noch rein gar nichts. Außer natürlich nagende Angst und das Gefühl, gleich kotzen zu müssen in Gegenwart ihrer Feinde.
Doch der Kellerwald-Alpha hielt sie trotzdem weiter gefangen. Also würde sie ihren tatsächlichen Seelenverwandten wohl niemals kennenlernen. Vermutlich würde man sie bald schon an einen einsamen, matelosen Wolfwächter vergeben. Natürlich war dies auch noch das schlimmstmögliche Schicksal für eine geborene Werwölfin. Doch den Kellerwald-Wölfen war es vermutlich vollkommen egal, ob sie dieser Farce dann zustimmte oder nicht. Denn der Alpha entschied ja nun persönlich über die ehemaligen Sklaven seines Rudels. Sie selbst hatten dazu rein gar nichts mehr zu sagen.
Es verbitterte sie schon ein wenig. Doch immerhin bliebe ihr dann wieder derselbe Ausweg aus dieser Misere, den sie schon einmal erwogen hatte. Im Keller …
Ihr Blick fiel erneut auf die gräuliche, leicht erhabene Narbe an ihrem Handgelenk. Ja ... Sie konnte sich immer noch selbst töten, um den Bestien zu entkommen. Und das würde sie vermutlich auch tun, wenn man sie hier wirklich an irgendeinen alten, garstigen Werwolf verschenken würde.
Denn sie, Naeli, würde ihn garantiert nicht nehmen ...
Erneut hart schluckend, griff sie sich ihren Rucksack und ging erbebend hinaus in den Flur, wo Freya schon ungeduldig auf die Uhr blickte.
„Du bist heute aber wirklich lahm, Nana. Bist du etwa krank?!“, fragte sie sie misslaunig.
Sie schüttelte nur den Kopf und schwieg. Echte Werwölfe wurden schließlich niemals krank, zumindest dann nicht, wenn sie keinen Mate hatten, der sie zufälligerweise abgelehnt hatte. Aber das wussten diese weiblichen Kellerwald-Bestien ja nicht von ihr.
Sie folgte der geborenen Haushälterin in die Gemeinschaftsküche, wo die anderen Leader-Werwölfe mit ihren Mate und im Beisein von Beta Ronno schon lachend und scherzend am Tisch saßen und massenweise Eier mit Speck und Waffeln mit Sirup aßen. Ihr lief schon allein bei dem Anblick das Wasser im Munde zusammen, ganz zu schweigen von dem Duft.
Trotzdem würde sie nichts davon essen, um ihre Wölfin nicht zu stärken. Es brachte ihr schließlich rein gar nichts ein außer großem Schmerz und Leid, wenn sie sich wieder öfter verwandelte. Und der Alpha würde in dem Fall auch sicher wieder versuchen, doch noch mit ihr zu walken.
Dann wäre sie allerdings endgültig verloren. Als anerkannte Omega im Kellerwald-Rudel, … unter seinem Bann und Befehl stehend …
Also nein.
Kein Schinken oder Speck für Nana. Und ganz davon abgesehen, würde Freya das auch gar nicht erlauben, die Hexe. Sie half Naeli sogar durch ihre bewusste Wolfsbann-Diät, den Wandel zu unterdrücken, … vergiftete sie vermutlich auch, … doch Naeli war immer noch ein Werwolf. Und damit nun mal nicht so leicht zu töten wie eine Menschgeborene.
Außerdem …
Gekocht oder geräuchert schmeckte Schinken ohnehin nicht mehr so gut. Selbst der Alpha fraß morgens lieber im Wald ganz frisch auf der Jagd, weil er den angeborenen Anspruch an sich selbst hatte, ganz Werwolf zu sein und auch wie ein solcher zu leben.
Darin ähnelte er unheimlich ihrem Baba, Mahnus Winter. Er hatte sie morgens immer mitgenommen, gleich als sie das erste Mal jagen gelernt hatte.
Noch immer roch sie das frische Blut von Kaninchen oder Reh, schmeckte den Geschmack von warmem frischem Fleisch auf der Zunge. Alpha Kator gefiel das wohl ebenso sehr. Und er kontrollierte so ganz nebenbei jeden Tag auch noch die Grenzen, bevor er dann ebenfalls in die Schule ging, denn er war ja auch erst achtzehn Jahre alt, ... aber sehr klug.
Er ließ sich nicht so leicht etwas vormachen. Er wusste genau, dass sie reden konnte, ... es aber nicht wollte. Bei niemandem. Dennoch hatte er dem Rudel offiziell verboten, sie dazu zu zwingen. Natürlich taten sie es trotzdem ständig. Vor allem in der Schule.
Die Jungwölfe piesackten sie, um sie dazu zu bringen, zu weinen, zu schreien oder auch nur irgendetwas zu sagen.
Die begriffen einfach nicht, dass all das, was sie ihr sagten oder antaten, für Naeli inzwischen nur noch eine normale Umgangsform darstellte. Kaum der Rede wert. Ebenso wie das, was die Haushälterin Freya bei ihr so abzog.
Vor Ronno und dem Alpha total scheißfreundlich zu ihr und hinten herum war sie aber fies und intrigant und sorgte dafür, dass sie von allem immer nur ganz, ganz wenig abbekam, wenn überhaupt.
Sie behauptete auch dreist, sie wüsste, was Naeli wollte und was nicht und tat sogar so, als würde sie schon oft mit ihr darüber gesprochen haben. Doch wozu das gut war, begriff sie nicht. In ihrem Rudel daheim hatte es keine Lügen gegenüber dem Alpha gegeben, doch hier im Kellerwald logen sie alle, dass sich die Balken bogen.
Es war ihr aber auch letztlich egal. Sollten die Herren ruhig ihr komisches Ding abziehen, sie würde sich einfach weiter still verhalten und so lange weitermachen, wie sie nur konnte, im Vertrauen auf Luna, die sie sicher irgendwann von diesem Leid erlösen würde. Ganz egal auf welche Weise.
Denn die Göttin war bei ihr.
Davon war Naeli fest überzeugt. Sonst wäre sie nämlich schon lange gestorben. Doch wie ihr Baba immer gesagt hatte: „Eine geborene Werwölfin ist zäh und hart im Nehmen, Naeli! Zu klagen ist nicht unsere Art, also beiß dich da irgendwie durch oder stirb im Kampf für dein Rudel und deinen Alpha!“
Letzteres hatte sie heute natürlich nicht mehr.
Kein Rudel mehr und auch keinen Alpha ...
„Ah, ... Nana! Guten Morgen! Auch schon wach?“, fragte Beta Ronno sie plötzlich und wie jeden Morgen ganz scheiß-freundlich. Sie sah ihn nur kurz ausdruckslos an, weil nun die gesamte Aufmerksamkeit am Tisch auf sie gelenkt worden war und nickte schließlich hastig, zog den Kopf halb ein und setzte sich sofort sehr eingeschüchtert auf ihren Stuhl.
Denn Ronno war ein wahrer Riese von einem Werwolf. Mächtig breit und bärenstark. Dagegen war sie selbst tatsächlich nur ein mickriger, unterentwickelter Welpe.
„Na dann iss, du bist fast schon zu spät!“, meinte er nur gutmütig guckend und leicht grinsend zu ihr.
Äh ... ja ... nein ...
So viel Aufmerksamkeit wollte sie definitiv nicht erregen. Also schaute sie lieber ganz starr und still vor sich auf den Tisch. Da stand bereits die allmorgendliche Schale mit ihrem Joghurt und den frischen Früchten bereit.
Oh, Luna!
Frische Früchte! Auch wenn sie sonst nichts von den hiesigen Rudelwölfen haben konnte. Aber Früchte konnte sie haben. Und damit war dieses Frühstück auch um Klassen besser als das frühere ... bei ihren alten Herren, wo sie nämlich nur den Abfall oder oft auch gar nichts abbekommen hatte.
„Ey! Willst du nur vor dich hinstarren? Du hast nur noch fünf Minuten Zeit, also besser beeilst du dich mal. Sonst wird der Alpha wieder auf dich warten müssen, um dich mitzunehmen, Nana. Oder willst du ihm heute gerne lästig sein?“, fragte Gerald, der Tic, nun ziemlich gedehnt und seine Mate schnaubte kurz geringschätzig auf. Ronno verhielt im Essen und knurrte nur einmal leise auf. Schon waren die beiden wieder still und Nana begann nun besorgt, ganz schnell löffelnd, den Joghurt herunterzuschlingen. Denn natürlich hatte Gerald recht mit seiner Warnung. Dem Alpha wollte sie nicht lästig sein, wenn sie es vermeiden konnte …
„Herrje! Auch das noch …! Nun hetzt sie doch nicht, Gerald, sonst verschluckt sie sich noch und kotzt mir hier die ganze Küche voll!“, schimpfte Freya sofort herbeirennend mit dem gutaussehenden Draufgänger, der auch sofort entschuldigend die Hände hob und dann breit grinsend vom Tisch verschwand, als Ronno, der prompt aufgestanden war, nun wirklich aggressiv werdend losknurrte: „Wage es nicht, noch mal zu behaupten, ein Rudelmitglied fiele dem Alpha lästig, Tic, sonst erfährt Kator davon! Und du hast außerdem null Recht dazu, Nana so anzutreiben, dass sie wieder viel zu schnell schlingen muss … GEH!“, herrschte er ihn an und Naeli, die sowieso nicht weiter essen konnte, weil Freya ihr den Löffel abgenommen hatte, und ihr damit unterschwellig knurrend drohte, sank gleich noch mehr in sich zusammen, derweil auch Geralds Mate nun vom Tisch aufstand und dem Tic mit einem letzten genervten Blick auf sie nach draußen folgte.
Für eine einfache, gebissene Werwölfin war Chantalle tatsächlich viel zu arrogant, dachte Naeli wieder einmal geringschätzig bei sich und sah ganz kurz auf und in die Runde.
Die starrten sie nun alle an wie eine arme Irre.
Mal wieder ganz toll …
Egal, wie sie es auch tat, es war nie richtig. Und sie hatte sich auch nur ein einziges Mal ganz am Anfang hier im Rudelhaus verschluckt und gekotzt, danach nie wieder. Trotzdem machten die jetzt alle immer so einen Aufstand …
Ronno schnappte sich schließlich den Löffel von Freya, die immer noch schimpfte, sie sollte langsam essen und vernünftig kauen und schlucken, … und reichte ihn Naeli grollend zurück, bevor er Freya mit einem harschen Nicken zurück in den Küchenbereich befahl und dann erst wieder auf sie herunterguckte.
„Iss einfach langsam. Und egal, ob der Bus nun ohne dich fährt oder nicht, du weißt doch, dass du auch so noch zur Schule kommst. Also lass dir Zeit, okay? Wir alle haben mal schlechte Tage und kommen nicht so gut aus dem Bett. Hast du vielleicht mit deiner Wölfin Probleme gehabt, hm? Heute Nacht habe ich dich ein paar Mal winseln gehört … und hin und wieder knurren …“
Sie schüttelte nur rasch den Kopf und begann dann wieder, betont langsam, weiter zu essen.
Ronno nickte schließlich nur wieder resignierend. Sie antwortete auch ihm nie … niemandem hier, auch wenn er wirklich von Anfang an echt erstaunlich nett zu ihr gewesen und geblieben war. Für einen geborenen Werwolf einer gebissenen Omega gegenüber …
„Gib Freya nun besser keinen Grund mehr zu schimpfen, okay? Sonst steckt sie es noch Kator und ich weiß, wie wenig du seine Vorträge leiden kannst, Nana“, mahnte er sie nun aber schon wieder freundlich und Naeli nickte nur zum dritten Mal und zog den Kopf dann aber prompt noch tiefer ein, als er fast schon Anstalten machte, seine Hand zu ihr hin auszustrecken.
Auch so etwas, dem sie aus dem Weg ging.
Berührungen!
Sie duldete keine körperliche Nähe zu ihren Feinden, wenn sie es irgendwie verhindern konnte, und erstaunlicherweise zwangen die Kellerwald-Wölfe sie auch fast nie dazu, … außer Freya natürlich, wenn sie ihr eine verpasste oder sie hin und her zerrte, damit sie sich hier hinsetzte und aß, da nicht im Weg stand und dort schneller gestoßen in ihr Zimmer verschwand … und ab und zu berührte sie dann aber auch der Alpha, wenn sie mal wieder weglaufen wollte. Dann packte er sie und zerrte sie zurück zum Auto, setzte sie rein und schnallte sie an oder zog sie hinter sich her, zurück zur Schule, wen sie es von da aus versuchte …
Und dann blieb er aber ständig bei ihr sitzen und versuchte, sie wieder zum Reden zu bringen oder zum Wandeln, wollte in ihren Kopf reingucken und sehen, warum sie weggelaufen war. Es ginge ihr doch nun gut, behauptete er ständig, … ja, das hasste sie total.
Und genau deshalb warnte der Beta sie wohl auch gerade vor weiterer Unruhe. Freya sollte dem Alpha nicht sagen können, dass sie etwas nicht richtig gemacht hatte oder sich gar über ihr Verhalten bei dem eiskalten Monster beschweren und es damit auf den Plan rufen. Das tat sie nämlich nur zu gerne.
Oh ja …
Omega-Wölfe und -Welpen konnten immer nur froh und glücklich darüber sein, wenn der Alpha sie ignorierte. Das wusste sie noch aus dem Schwarzwald. Wenn auch sonst nicht mehr viel mehr als das.
Langsamer, aber trotzdem wohl immer noch zu hastig, da Freya sich mehrfach laut räusperte, aß sie auf und brachte dann rasch und still ihre Schale hinüber zur Spüle und stellte sie mit einer leichten Omega-dienenden Verneigung vor Freya auf die Anrichte.
„Danke, Nana. Und nun lauf schon!“, murrte die Haushälterin sie natürlich noch einmal genervt an.
Schon griff und schulterte Naeli den Rucksack und verschwand eilig aus der Tür hinaus ins Freie, wo sie hastig in ihre Schuhe schlüpfte, … welche mit Klettverschluss.
Mit Schnürsenkeln konnte sie nämlich auch nicht gut. Ihre Finger waren zu steif und kaputt, um damit Schleifen zu binden.
Doch gerade als sie dann rasch die Treppe hinuntersprang und den Weg entlang zur Busstation rennen wollte, kam der gewaltige, silbergraue Alphawolf aus dem Wald herausgesprungen und verwandelte sich beinahe schon direkt vor ihr stehend in den extrem gutaussehenden, aschblonden, jungen Alpha zurück, dessen Augen noch kurz rötlich nachglühten, bevor sie schließlich blitzeblau wurden ...
Oh, Gott. Schnell blickte sie mit tief gesenktem Kopf zu Boden und verneigte sich auch noch halb vor ihm.
Denn seine seltsam emotionslosen Blicke verwirrten sie stets. Dann begann ihr Magen zu kribbeln, ihr Bauch, ja, einfach alles ... vor lauter Nervosität. Es lag sicher nur an seinen Augen. Die hatten nämlich so ein tiefes, intensives Blau, wie es noch nicht einmal der Himmel hatte, und doch war auch das nicht das eigentlich Besondere an ihnen, sondern eher dieser winzige bernstein-goldene Ring direkt um die Iris herum. Solche Augen gab es so sicher nicht noch mal auf der Welt. Und er trug gerade auch nur einzig seine schwarz-ledernen Hosen und sonst nur noch Schweiß, Dreck und Blut am athletisch gebauten Leibe. Rehblut vom Jagen, ... hm, wie lecker das roch.
Und was für Muskeln er schon jetzt hatte …
Er konnte sie sicher mit nur einem einzigen festen Griff in ihren Nacken töten ...
- Oh, … oh, Luna, was dachte sie denn da?
Doch ihr Herz schlug ihr nun beinahe schon die Rippen kaputt, während er mit ausdrucksloser Miene auf sie zukam. Doch er sah sie zum Glück nie lange an, so auch jetzt nur ganz kurz und eher desinteressiert.
Natürlich, er war schließlich der mächtige Alpha des Kellerwaldes, ... grausam und gnadenlos.
Hastig ging sie also von der Treppe weg, um ihm den Platz zum Hochgehen freizumachen, und kniete sich dann eilig auf den Schotter nieder. Er war heute zu spät dran. Das geschah selten. Also durfte sie wohl wirklich den Bus nehmen, freute sie sich schon und wollte eben doch noch schnell wieder aufstehen und losrennen. Da hielt seine eisige, ausdruckslose Stimme sie auf.
„Nana, du wartest hier auf mich. Im Wald südlich von hier war ein Roguelager. Mag sein, dass da noch ein paar von denen hier draußen herumschleichen und Jagd auf einsam gehende Wölfe machen. Also bleib hier am Haus. Ich bin dann gleich soweit!“, sagte er wider Erwarten ruhig zu ihr. Sie nickte nur hastig und stumm, ... sah derweil weiter fest zu Boden.
Er ging hinein und sie setzte sich dann erst mal wieder ganz zittrig und frustriert ausatmend auf die Treppe. Sie wünschte sich sogar fast schon, einer dieser wilden Rogue würde sie tatsächlich rein zufällig finden und ihre Existenz auf ehrenvolle Weise, nämlich im Kampf, beenden. Sehnsüchtig sah sie zum einsam gelegenen Waldweg hin. Hörte schließlich den Bus herankommen … und weiterfahren. Wäre sie gerannt, hätte sie ihn sicher noch erwischt. Wäre sie doch nur zwei Minuten schneller aus dem Haus gewesen, dann hätte sie nun friedlich mit dem Bus fahren können, statt auf das Monster zu warten.
Nur ein Glück, dass er sie heute beim Frühstück nicht auch noch hatte schlingen sehen.
Früher, als sie gerade erst im Rudelhaus eingezogen war, hatte er sich noch sehr oft demonstrativ vor sie an den Tisch gesetzt und sogar auch noch zu Anfang mit eigener Hand gefüttert wie einen winzig kleinen Welpen, nur weil sie kurz nach ihrer Befreiung aus dem Keller zuerst noch wie ein wildes Tier gefressen und alles immer nur hastig heruntergeschlungen hatte. Und ja, … das war auch das eine Mal gewesen, dass sie zu viel Ungekautes auf einmal heruntergeschlungen hatte und deshalb dann kotzen musste.