Die Frauen der Dichter - Karin Feuerstein-Praßer - E-Book

Die Frauen der Dichter E-Book

Karin Feuerstein-Praßer

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Beschreibung

Helene Weigels herausragende Bedeutung für die Arbeiten Brechts oder Veza Canettis eindrucksvolles Werk, das vom eigenen Ehemann zurückgehalten wurde: Wie so viele Frauen berühmter Männer standen beide Künstlerinnen stets in deren Schatten und rangen in einem unheilvollen Spannungsfeld zwischen Aufopferung und Unterdrückung um Anerkennung. In vielen spannenden Biographien zeigt dieser Band, welch unverzichtbaren Beitrag die Frauen der Dichter für ihre Epoche leisteten und warum sie doch immer hinter ihren einflussreichen Männern zurückblieben.

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Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.piper.de

ISBN 978-3-492-96943-7

Juli 2015

© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2015

Covergestaltung: semper smile, München

Covermotiv: Ullstein Bild (Ehepaar Mann, Ehepaar Kafka), Corbis/Bettman (Ehepaar Werfel)

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Die Frauen der Dichter

Ihr Leben als Muse, Mutter, Managerin

Eine alte Binsenweisheit lautet: Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau. Heute, im 21. Jahrhundert, in dem die meisten Frauen selbst »ihren Mann stehen«, mag ein solcher Spruch veraltet und ein wenig lächerlich erscheinen. Für die Protagonistinnen dieses Buches aber hatte er durchaus seine Berechtigung. Die meisten von ihnen fanden es ganz selbstverständlich, ihren schreibenden Ehemännern oder Geliebten den Rücken freizuhalten, sich um Haushalt und Kinder zu kümmern und die eigenen Interessen hintanzustellen, ganz gleich, welche Bildung, Talente und Interessen sie selbst mitbrachten.

Bekanntestes Beispiel ist wohl Katia Pringsheim, immerhin eine der ersten Abiturientinnen Münchens. 50 Jahre lang war sie mit Thomas Mann verheiratet, der zum Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens wurde. Dass der Dichter überall – ob in München, Princeton, Los Angeles oder Küssnacht – das ideale Ambiente vorfand, ohne das er nicht hätte arbeiten können, war nur seiner Frau zu verdanken. Annemarie Böll wiederum arbeitete so lange als Lehrerin, bis ihr »Hein« endlich in der Lage war, seine wachsende Familie als Schriftsteller zu ernähren. Dankbar gab er selbst zu: »Ohne meine Frau wäre ich verloren.«

Verloren wäre möglicherweise auch Bertolt Brecht gewesen, hätte er nicht Helene Weigel an seiner Seite gehabt. Sie war nicht nur das »Mädchen für alles«, das den gesamten Alltag managte, als Schauspielerin verkörperte sie später auch die Rollen, die Brecht ihr auf den Leib geschrieben hatte. Wie groß ihre Bedeutung für das Werk ihres Mannes tatsächlich war, erkannte auch Schauspielkollege Ernst Geschonnek: »Ohne die Weigel hätte Brecht niemals die Kraft und den Ruf gehabt, das zu werden, was er dann geworden ist.«

Meist waren die Frauen der Dichter auch die wichtigsten Mitarbeiterinnen ihrer schreibenden Ehemänner. Sie lasen Korrektur, spendeten Lob oder übten Kritik und gaben wichtige Anregungen. Einige von ihnen griffen auch selbst zur Feder. Bettine von Arnim wurde jedoch nur nach dem Tod ihres Mannes literarisch tätig, und dass Veza Canetti eine talentierte Schriftstellerin gewesen war, erfuhr die Öffentlichkeit erst, als die Frau des Nobelpreisträgers Elias Canetti schon längst gestorben war.

Natürlich ergänzten sich nicht alle Dichterpaare auf diese ideale Weise. Die Ehe von Rainer Maria Rilke und Clara Westhoff scheiterte schon nach wenigen Monaten, weil der sensible Dichter das Leben mit Frau und Kind nicht ertragen konnte und die Einsamkeit bevorzugte. Aus Franz Kafka und seiner langjährigen Brieffreundin Felice Bauer wurde erst gar kein Ehepaar, obwohl sie sich zweimal verlobt hatten. Doch Kafka hatte Angst, dass sich die traute Zweisamkeit negativ auf seine literarische Produktivität auswirken würde. Und Alma Mahler-Werfel, die sich gerne als kunstsinnige Muse stilisierte, hat gleich in drei Ehen bewiesen, dass es ihr immer nur um eines ging, nämlich um sich selbst. Trotzdem waren die Männer verrückt nach ihr, vielleicht auch, weil sie in ihr die »treibende Kraft« erkannten, die sie künstlerisch inspirierte. Franz Werfel wurde erst zum erfolgreichen Autor, nachdem ihn Alma davon überzeugen konnte, nicht nur expressionistische Gedichte zu schreiben – selbst wenn sie hauptsächlich finanzielle Motive hatte.

Leicht war das Leben an der Seite der Dichter in keinem Fall. Doch gerade das zeigt, dass es tatsächlich starke Frauen gewesen sein müssen, die hinter ihren erfolgreichen Männern standen. Sie gingen mit ihnen durch dick und dünn, ertrugen ihre Launen und Eigenarten, teilten ihre Geldsorgen, fanden sich mit ihren Affären ab und folgten jenen bereitwillig ins Exil, die die Nationalsozialisten als missliebige Autoren verfolgten und aus Deutschland und Österreich vertrieben.

Katia Mann hat als alte Dame einmal beklagt, sie habe in ihrem Leben nie das tun können, was sie eigentlich hätte tun wollen. Tatsächlich aber gab es bis weit ins 20. Jahrhundert hinein nur wenige Frauen, die wirklich ein selbstbestimmtes Leben führen konnten, auch wenn sie nicht mit einem berühmten Dichter verheiratet waren.

»Meine kleine Hausfreundin«

Christiane Vulpius (1765–1816) und Johann Wolfgang von Goethe

Es gehörte schon eine ordentliche Portion Mut dazu, den berühmten »Dichterfürsten« so einfach anzusprechen und mit einer Bitte zu behelligen. Doch für die couragierte Christiane Vulpius schien das die einzige Möglichkeit zu sein, ihrem Bruder endlich eine berufliche Perspektive zu verschaffen. Dabei hatte Christian August Vulpius (1762–1827) inzwischen mit seinem Jura-Studium aufgehört und durchaus die Möglichkeit, sich am Weimarer Hof um eine Anstellung zu bemühen. Aber der junge Mann verfolgte ganz andere Pläne. Er träumte von einer Karriere als Schriftsteller, hatte auch bereits mehrere Texte veröffentlicht, darunter den Roman »Die Abenteuer des Ritters Palmendos«sowie mehrere Gedichte, die auch Johann Wolfgang von Goethe bekannt gewesen sein dürften. Doch die mageren Einnahmen aus der schriftstellerischen Tätigkeit reichten weder zum Leben noch zum Sterben. Christiane Vulpius, trotz allem überzeugt vom Talent ihres Bruders, entschloss sich daher, bei Goethe vorzusprechen, der soeben von seinem knapp zweijährigen Italienaufenthalt nach Weimar zurückgekehrt war. Sie hoffte inständig, der berühmte Dichter würde seine guten Kontakte zu Verlegern und Zeitschriften spielen lassen, sodass der bislang erfolglose Christian August in absehbarer Zeit von seiner literarischen Arbeit leben konnte.

Die erste Begegnung von Christiane Vulpius und Johann Wolfgang von Goethe fand wahrscheinlich am 12. Juli 1788 statt. Der Ort des denkwürdigen Geschehens ist leider nicht bekannt. Lange Zeit hieß es, Christiane habe den Dichter im Gartenhaus in den Ilmwiesen aufgesucht und tatsächlich wäre diese idyllische Umgebung geradezu ideal für den Anfang einer jungen Liebe gewesen. Doch da Goethe erst seit Juni wieder in Weimar lebte, war das Gartenhaus zu diesem Zeitpunkt noch vermietet. Vermutlich wird Christiane Vulpius also am Frauenplan erschienen sein, um dort ihre Bitte vorzutragen. Johann Wolfgang von Goethe hörte sich geduldig an, was die junge Frau zu sagen hatte, und versprach anschließend, sein Bestes zu versuchen, um ihrem Bruder zu helfen.

Tatsächlich erwirkte er, dass Christian August Vulpius 1789 eine Anstellung als Sekretär bei dem Leipziger Buchhändler und Verleger Georg Joachim Göschen fand, sodass der noch unbekannte Dichter zumindest für seinen Lebensunterhalt sorgen konnte.1 Zu diesem Zeitpunkt waren Christiane Vulpius und Johann Wolfgang von Goethe schon längst ein Liebespaar und ganz Weimar zerriss sich das Maul darüber, was der Herr Geheimrat wohl an dieser einfachen »Magd«, die sich nicht auf höfischem Parkett bewegte, finden mochte. Denn dass Christiane ausgesprochen tüchtig war und schon in jungen Jahren viel für ihre Familie getan hatte, interessierte in der feinen Gesellschaft schließlich niemanden.

Vom Tode umgeben – Christianes Kindheit

Dabei hatte der Adel eigentlich gar keinen Grund, so verächtlich auf Goethes »Magd« hinabzublicken, denn Christiane Vulpius kam keineswegs aus einfachen Verhältnissen, auch wenn ihre bürgerliche Familie mit finanziellen Problemen zu kämpfen hatte.

Weil das Geld schon damals knapp war, hatte Christianes Vater Johann Friedrich Vulpius (1725–1786) sein Jura-Studium vorzeitig beenden und sich eine Zeitlang mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen müssen. Er war schon 34 Jahre alt gewesen, als er 1759 endlich am Weimarer Fürstenhof unterkam, wo mehr als ein Viertel der rund 6000 Bewohner des Städtchens ihr Auskommen fanden. Zwar war das beschauliche Weimar an der Ilm Residenzstadt von Sachsen-Weimar-Eisenach, einem der ältesten und kleinsten Fürstentümer Thüringens, doch besonderer Wohlstand herrschte hier keineswegs. Die Gassen waren eng und winkelig, die meisten Häuser mit Stroh oder Holzschindeln gedeckt. Schmucke Bürgerhäuser suchte man damals noch vergebens.

1760 heiratete Johann Friedrich Vulpius die erst 18-jährige Christiane Margarethe Riehl (1742–1771), die allem Anschein nach eine größere Mitgift in die Ehe einbrachte. Hinzu kam eine monatliche Unterstützung durch die Riehls, sodass die junge Familie in den folgenden Jahren recht gut leben konnte. Man bezog eine Wohnung in der Jakobsgasse, nicht weit vom Weimarer Schloss entfernt. Nachdem das erste Kind zur Welt gekommen war, Sohn Christian August, dem ein weiterer, früh verstorbener Sohn folgte, wurde am . Juni Tochter Johanna Christiana Sophie, genannt Christiane, geboren und wenige Tage später in der Hofkirche – der heutigen Jakobskirche – evangelisch getauft.

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