Alice von Battenberg – Die Schwiegermutter der Queen - Karin Feuerstein-Praßer - E-Book
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Alice von Battenberg – Die Schwiegermutter der Queen E-Book

Karin Feuerstein-Praßer

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Beschreibung

Ein Leben zwischen Buckingham Palace und der Psychiatrie – ein ungeschöntes Porträt einer faszinierenden Persönlichkeit

Karin Feuerstein-Praßer holt mit der ersten deutschsprachigen Biografie über Alice von Battenberg eine Frau aus der Vergessenheit, die mehr als nur die Schwiegermutter von Queen Elizabeth der II. war.

Sie durchlebte Kriege und Putschversuche, war Mutter und Wohltäterin, kämpfte aber auch gegen zahlreiche eigene Dämonen. Das Leben der Alice von Battenberg war ungewöhnlich, tragisch, vor allem facettenreich und vielschichtig.

Die Urenkelin von Königin Victoria und spätere griechische Monarchin kam 1885 taub auf Schloss Windsor zur Welt, lernte jedoch Lippenlesen in gleich mehreren Sprachen. Später heiratete Alice Prinz Andreas von Griechenland, bis politische Unruhen die Familie ins Exil zwangen. Sie verfiel dem religiösen Wahn und wurde wegen des Verdachts auf Schizophrenie in die Psychiatrie eingewiesen.

Ein schier unglaublicher Lebensweg, der noch viele weitere Stationen sowie Höhen und Tiefen enthält. Autorin Karin Feuerstein-Praßer schafft ein wichtiges und fesselndes Korrektiv, welches das Rampenlicht auf eine zu Unrecht ignorierte Adlige richtet.

Heldinnenmut im Angesicht des Nationalsozialismus – eine wenig beachtete Seite der Aristokratie

Karin Feuerstein-Praßer lässt ihre LeserInnen noch zahlreiche andere Facetten der Prinzessin und des europäischen Adels entdecken. Alice von Battenberg versteckte während des Zweiten Weltkriegs eine jüdische Familie und rettete ihr damit das Leben. Eine Tat, für die sie nach ihrem Tod die Ehrung als „Gerechte unter den Völkern“ erhielt.

Informatives und persönliches Geschichtsbuch abseits der royalen Gerüchteküche

Selbst eine komplexe und vielschichtige Serie wie „The Crown“ auf Netflix erfasst nicht die gesamte Geschichte der Royal Family. „Alice von Battenberg – Die Schwiegermutter der Queen“ eignet sich deswegen perfekt für LeserInnen, die kein Interesse an Klatsch und Tratsch über Harry und Meghan oder wilden Skandalen haben. Tauchen Sie stattdessen tief in die historischen Aspekte der adligen Gesellschaft ein.

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Mit 14 Schwarz-Weiß-Abbildungen und vier Stammbäumen

 

© Piper Verlag GmbH, München 2020Covergestaltung: Büro Jorge Schmidt, MünchenCovermotiv: SZ Photo/Scherl/Bridgeman Images

 

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Inhalt

Cover & Impressum

Vorwort: Ein unkonventionelles Leben

Kapitel 1 – Kosmopoliten aus der hessischen Provinz – die Battenbergs

Alice, Mutter von Prinz Philip und Urenkelin Queen Victorias

Die früh verstorbene Großmutter Alice von Hessen-Darmstadt

Von Darmstadt nach St. Petersburg – die russische Verwandtschaft

»Die kleine polnische Waise«

Hochzeit »auf hessische Art«

Die ersten kleinen Battenbergs

Eine Freundschaft mit weitreichenden Folgen

Battenberger Blütenträume

Kapitel 2 – »Eines der hübschesten Mädchen in ganz Europa« – Alices Jugendjahre

Das kleine Sorgenkind

Die Darmstädter Verwandtschaft

Der Tod der geliebten Großmutter Julie

Ein folgenschwerer Besuch in St. Petersburg

»Er sah aus wie ein griechischer Gott« – Prinz Andreas von Griechenland

Der griechische Freiheitskampf

Ein Bayer auf dem griechischen Thron

Georg I., ein Garant britischer Interessen

Endloses Warten

Hochzeit in Darmstadt

Kapitel 3 – Unruhige Zeiten – Leben auf dem griechischen »Pulverfass«

Ankunft in Athen

Ellas neues Leben

Zuwachs in der Königsfamilie

Unruhen in Griechenland

Alice im Krieg

Attentat auf den König

Aus Battenberg wird Mountbatten

Exil in der Schweiz

Blutiger Oktober

Kapitel 4 – Die bleierne Zeit – Exil in Frankreich

Kontaktaufnahme zum Jenseits

Zurück in Griechenland

Trauer um den Vater

Die neue Schwägerin Edwina Ashley

Flucht aus Griechenland

Gestrandet an der Seine

Louises spätes Glück

Kapitel 5 – »Es ist ziemlich besorgniserregend« – Alice in der Psychiatrie

»Schule der Weisheit«

Towards Disaster – mitten hinein in die Katastrophe

»Die ganze Familie ist besorgt«

Im Sanatorium in Berlin-Tegel

Ohne Hoffnung auf Heilung

Dr. Simmels Diagnose

Verzweiflung und Ratlosigkeit

Entführung nach Kreuzlingen

Hochzeit der Töchter

In der Bellevue-Klinik Kreuzlingen

Eine Krankheit »zum Wohle der Menschheit«

Päckchen mit »geheimen Botschaften«

Unverstanden und alleingelassen

»Freiheit auf Probe«

Kapitel 6 – Endlich frei! – Ein Leben als »bürgerliche Untermieterin«

Neubeginn in Köln

Louis und Edwina

Umzug ins Bergische Land

Sehnsucht nach Griechenland

Ein schreckliches Flugunglück

Einer ungewissen Zukunft entgegen

Kapitel 7 – In Opposition zu den deutschen Besatzern – Kriegsjahre in Griechenland

Enttäuschte Hoffnungen

Einsatz für die hungernde Bevölkerung

Die Wannseekonferenz zur »Endlösung der Judenfrage«

Das Schicksal der jüdischen Gemeinde Thessaloniki

Selbstlose Hilfe für die Familie Cohen

»Gerechte unter den Völkern«

Stille Trauer um Andreas

Kapitel 8 – »Angenehm, aber seltsam, absolut seltsam« – die Schwiegermutter der Queen

Ein »bürgerlicher« Prinz

»Jetzt wird sie Nonne!« – Gründung einer karitativen Schwesternschaft

Krönungsfeierlichkeiten in London

Einsam in Athen

Einladung nach Indien

»Manchmal macht sie merkwürdige Dinge« – Alice in Indien

Zwischen London und Athen

Skandal in der griechischen Hauptstadt

Das Ende der Monarchie in Griechenland

Die letzten Jahre im Londoner Buckingham-Palast

Nachwort

Dank

Anhang

Quellen und Literatur

Stammbäume

Die Battenbergs

Die griechische Königsfamilie

Das Haus Hessen-Darmstadt

Die englische Königsfamilie

Zeittafel

Bildteil

Bildnachweis

Vorwort: Ein unkonventionelles Leben

Die Krönungszeremonie Elizabeths II., die am 2. Juni 1953 in Westminster Abbey stattfand, war ein glamouröses Ereignis, dessen Bilder rund um die Welt gingen. Dem aufmerksamen Beobachter fiel vielleicht eine ältere Dame auf, die sich grundlegend von den anderen, elegant gekleideten Gästen unterschied: Sie trug nur eine schlichte graue Nonnentracht mit weißem Schleier. Wer war das? Kaum zu glauben, aber es handelte sich tatsächlich um die Schwiegermutter der Queen, die 68-jährige Alice von Battenberg. Wie war das bloß möglich? Diese Frage stellte sich später auch ihr deutscher Enkel, der 1949 geborene Georg von Hannover: »Wieso ist meine Großmutter Nonne? Sind Nonnen nicht normalerweise kinderlos?«

Alice von Battenberg hatte fünf Kinder, vier Töchter und einen Sohn: Philip, Ehemann von Elizabeth II. Und um gleich die Frage zu beantworten, die sich der kleine Georg nicht zu stellen traute: Alice war in Wirklichkeit gar keine Nonne. Aber sie hatte in Griechenland eine karitative Schwesternschaft gegründet und ihre zivile Kleidung vor einigen Jahren freiwillig abgelegt, auch als Ausdruck persönlicher Entsagung und Bescheidenheit.

Dabei hätte Alices Leben kaum glanzvoller beginnen können, denn als Urenkelin von Queen Victoria kam sie am 25. Februar 1885 auf Schloss Windsor zur Welt. Ihr Vater Ludwig (Louis) von Battenberg war allerdings »nur« der Spross einer morganatischen, also nicht standesgemäßen Ehe. Gleichwohl hatte er mit Viktoria von Hessen-Darmstadt, einer Enkelin der Queen, ins englische Königshaus eingeheiratet. Ihre Kindheit und Jugendzeit verbrachte Alice teils in England, teils in der hessischen Heimat ihres Vaters, bevor sie mit 18 Jahren den griechischen Prinzen Andreas heiratete und mit ihm nach Athen ging.

Doch schon das Leben in Griechenland war von wenig royalem Glanz geprägt, wenngleich die Ehe zunächst sehr glücklich war. Aber die politisch unruhigen Zeiten zwangen Alice und ihre Familie vorübergehend ins Exil, bevor sie schließlich ganz aus dem Land vertrieben wurden. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion musste Alice ihre lieb gewordene griechische Heimat verlassen und in Frankreich ein neues Leben mit ungewisser Zukunft beginnen. Diesen Belastungen war ihre Ehe auf Dauer nicht gewachsen.

Alice litt aber nicht nur unter der zunehmenden Entfremdung von ihrem Ehemann, ebenso belastete sie das grausame Schicksal ihrer beiden Tanten, Zarin Alexandra und deren Schwester Ella, die während der Oktoberrevolution von den Bolschewiken ermordet worden waren. Gerade mit Ella hatte sich Alice stets besonders verbunden gefühlt. Vielleicht waren es diese seelischen Qualen, die zu einer schweren psychischen Krise führten, die Alice in den 1930er-Jahren zwang, längere Zeit in sogenannten Sanatorien zu verbringen. Als sie endlich entlassen wurde, lag ihr altes Leben in Trümmern, und es gab kein Zuhause mehr, in das sie hätte zurückkehren können. Andreas hatte sie verlassen, die Töchter waren verheiratet, und Philip besuchte ein englisches Internat.

Doch Alice fand schließlich die Kraft zu einem eindrucksvollen Neubeginn. Ende 1938 kehrte sie nach Griechenland zurück und widmete ihr Leben künftig karitativen Aufgaben. Während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg kümmerte sie sich um hungernde Kinder und rettete mehreren Mitgliedern einer jüdischen Familie das Leben, indem sie sie monatelang in ihrer Athener Wohnung versteckte. 1948 gründete sie – nach dem Vorbild ihrer ermordeten Tante Ella – dann die wohltätige Schwesternschaft, die sich aber nicht wirklich etablieren konnte. Nichtsdestotrotz trug Alice bis zu ihrem Lebensende die schlichte Nonnentracht.

Griechenland blieb Alices Heimat, bis der Militärputsch 1967 sie zwang, das Land erneut zu verlassen, diesmal endgültig. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie auf Einladung der Queen im Londoner Buckingham-Palast, wo sie 1969 im Alter von 84 Jahren starb. Zu diesem Zeitpunkt war die bescheidene Schwiegermutter der Queen in der Öffentlichkeit längst in Vergessenheit geraten. Und doch wurde ihr posthum eine ganz besondere Auszeichnung zuteil, denn die jüdische Gedenkstätte Yad Vashem ehrte sie 1993 mit dem Titel »Gerechte unter den Völkern«. Allein aus diesem Grund sollte die Erinnerung an Alice von Battenberg niemals verblassen. Heute ist es gerade bei den jüngeren Royals üblich, sich mit sozialem Engagement medien- und publikumswirksam in Szene zu setzen. Das hat Alice nie gewollt. Sie wirkte lieber bescheiden im Hintergrund, was natürlich auch dazu führte, dass ihr humanitärer Einsatz vor der Öffentlichkeit verborgen blieb. Das zu ändern war einer der Beweggründe für dieses Buch.

Kapitel 1 – Kosmopoliten aus der hessischen Provinz – die Battenbergs

Alice, Mutter von Prinz Philip und Urenkelin Queen Victorias

Als junger Prinzgemahl hatte es Philip, Herzog von Edinburgh, am englischen Königshof keineswegs leicht. Nach der Thronbesteigung Elizabeths II. 1952 musste er seine erfolgreiche Karriere bei der Royal Navy vorzeitig beenden, um künftig nur noch »der Mann an ihrer Seite« zu sein. Das höfische Protokoll schrieb ihm vor, stets zwei, drei Schritte hinter seiner Frau zu gehen, was er jahrzehntelang mit der ihm eigenen Souveränität tat, bis er im August 2017 in den offiziellen »Ruhestand« trat. Zu diesem Zeitpunkt war Prinz Philip 96 Jahre alt und zählte zu den fleißigsten und beliebtesten Mitgliedern des englischen Königshauses.

Das war nicht immer so gewesen, zumindest was seine Beliebtheit betrifft. Anfangs galt Philip sowohl am Hof als auch beim englischen Adel als bürgerlicher Außenseiter, noch dazu mit deutschen Wurzeln, was seine Position in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg zusätzlich erschwerte. Selbst das Dienstpersonal schien ihm mitunter den nötigen Respekt zu versagen. Wer war er schon, dieser Philip Mountbatten, dessen Vorfahren mütterlicherseits noch bis 1917 den deutschen Namen Battenberg getragen hatten und irgendwo aus der hessischen Provinz stammten?

Nach der Krönung Elizabeths II. im Sommer 1953 musste sich Prinz Philip sogar von einem hochnäsigen Höfling belehren lassen: »Sie werden Schloss Windsor lieben, wenn Sie es erst einmal kennengelernt haben.« Philips lässige Antwort wird den Bediensteten wohl sprachlos gemacht haben: »Ja, ich weiß, meine Mutter wurde hier geboren.« Ob der Bedienstete das geglaubt hat? Wieso sollte die Mutter des Prinzgemahls ausgerechnet auf Schloss Windsor das Licht der Welt erblickt haben, mag er sich wohl gefragt haben. Vielleicht hatte er ja die Krönungsfeierlichkeiten im Fernsehen verfolgt und sich über die merkwürdige ältere Dame gewundert, die mit ihrer schlichten grauen Nonnentracht einen außergewöhnlichen Kontrast zu den übrigen, glamourös gekleideten Gästen bildete. Ob er wohl wusste, dass es sich um die Schwiegermutter der Queen handelte, Philips Mutter Alice von Battenberg?

Tatsächlich kam Alice von Battenberg am 25. Februar 1885 in Anwesenheit von Queen Victoria (1819–1901) auf Schloss Windsor zur Welt. Schließlich war ihre Mutter, die 1863 ebenfalls hier geboren wurde, deren Enkelin und trug zudem den gleichen Namen: Viktoria. Auch die neugeborene Prinzessin wurde nach ihrer Großmutter mütterlicherseits Alice gerufen (Taufname: Victoria Alice Elisabeth Julia Marie), doch diese, Viktorias Mutter, die zweitälteste Tochter der Queen, war tragischerweise schon 1878 verstorben.

Die früh verstorbene Großmutter Alice von Hessen-Darmstadt

Nach der Geburt von Viktoria, genannt »Vicky«, 1840 und des späteren englischen Königs Edward VII. im Jahr darauf kam Alice 1843 als drittes Kind von Queen Victoria und ihrem deutschen Gemahl Albert von Sachsen-Coburg und Gotha (1819–1861) auf die Welt. Mit 19 Jahren heiratete sie den späteren (1877) Großherzog Ludwig IV. von Hessen und bei Rhein (1837–1892) und folgte ihrem Ehemann in die hessische Residenzstadt Darmstadt.

Das Großherzogtum Hessen-Darmstadt war damals noch vergleichsweise jung. In der Zeit der Napoleonischen Kriege war Ludwig X. (1753–1830), Landgraf von Hessen-Darmstadt, ein enger Verbündeter von Napoleon Bonaparte gewesen, Gründungsmitglied des unter französischem Protektorat stehenden Rheinbunds, der sich im August 1806 formell vom Heiligen Römischen Reich losgesagt und damit dessen Ende beschleunigt hatte. Als Dankeschön des Kaisers der Franzosen erhielt der Landgraf eine fürstliche Standeserhöhung und durfte sich seitdem Ludwig I., Großherzog von Hessen und bei Rhein, nennen.

Daneben gab es noch ein zweites hessisches Territorium, Hessen-Kassel; beide waren 1567 durch Erbteilung entstanden. Landgraf Philipp I. (1504–1567), von dem später noch die Rede sein wird, hatte das hessische Territorium seinen vier Söhnen vermacht, von denen zwei frühzeitig starben. So entstanden damals der nördliche Teil Hessen-Kassel und die südliche Landgrafschaft Hessen-Darmstadt.

Das Haus Hessen-Darmstadt war eng mit den großen europäischen Höfen verbunden. Wilhelmine (1755–1776), eine Tochter Ludwigs IX. und der »Großen Landgräfin« Caroline, hatte den russischen Zaren Paul I. geheiratet, den Sohn Katharinas der Großen, während ihre Schwester Friederike Luise (1751–1805) an der Seite Friedrich Wilhelms II. preußische Königin wurde. 1841 vermählte sich schließlich Marie, die Tochter des hessischen Großherzogs Ludwig II. (1777–1848) und Wilhelmines von Baden (1788–1836), mit dem späteren Zaren Alexander II. – ein Umstand, der einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Entstehungsgeschichte der Battenbergs hatte. Doch dazu später mehr.

Hatte sich das Haus Hessen-Darmstadt hinsichtlich seiner Eheschließungen bislang auf Russland und Preußen beschränkt, so kam es 1862 erstmals zu einer Verbindung mit dem englischen Königshaus. Auf Wunsch seiner Mutter Elisabeth, Nichte des Preußenkönigs Friedrich Wilhelms III., war der junge Ludwig von Hessen-Darmstadt, der nachmalige Großherzog Ludwig IV., seinerzeit in preußische Dienste eingetreten und hatte in Berlin das spätere Kronprinzenpaar kennengelernt, Friedrich Wilhelm, genannt Fritz, und seine Frau Vicky, die älteste Tochter der Queen. Die sich daraus entwickelnde Freundschaft hatte zur Folge, dass Ludwig nach England eingeladen wurde, wo er schließlich Vickys Schwester, Prinzessin Alice, kennen und lieben lernte. Nach der Hochzeit, die 1862 auf Wunsch der Queen auf der Isle auf Wight gefeiert wurde, blieb die Verbindung mit London auch weiterhin sehr eng.

Das erste der sieben Kinder des Paars kam daher auf Schloss Windsor zur Welt, die am 5. April 1863 geborene Viktoria. Es folgten Elisabeth »Ella« (1864–1918), Irene (1866–1953) und Ernst Ludwig (1868–1937), der letzte Großherzog von Hessen-Darmstadt, schließlich vervollständigten Friedrich »Frittie« (1870–1873), Alix (1872–1918) und Marie (1874–1878) die Familie.

Alice von Hessen-Darmstadt war eine begeisterte Mutter, die sich liebevoll um ihre Kinder kümmerte – und die Queen selbstverständlich über deren unterschiedliche Entwicklung auf dem Laufenden hielt: »Ella ist so ein witziges Kind, aber keineswegs leicht im Umgang«, schrieb sie am 6. Dezember 1867 nach London. »Ganz im Gegensatz zu Viktoria, die ein sehr folgsames Kind ist … Sie kann sogar schon ein paar Wörter lesen.« Am 24. Juni 1872 gab sie auch Auskunft über den etwas ungewöhnlichen Namen Alix, den sie ihrer zweitjüngsten Tochter, der späteren Zarin Alexandra, gegeben hatten: »Wir haben uns für ›Alix‹ statt ›Alice‹ entschieden, weil sie hier meinen Namen immer falsch aussprechen und ›Aliicé‹ sagen, ›Alix‹ wird sicher einfacher sein.«

Zunächst schien das Familienglück perfekt. Die Ehe mit Ludwig war allem Anschein nach sehr glücklich, und auch von der hessischen Bevölkerung wurde Alice geliebt und verehrt. Das lag nicht zuletzt an ihrem sozialen Engagement, ihrem unermüdlichen Einsatz für die Verbesserung des öffentlichen Gesundheitswesens, vor allem für bessere hygienische Verhältnisse auf den Wöchnerinnenstationen. Nach wie vor starben zahlreiche Frauen am Kindbettfieber, obwohl der ungarische Gynäkologe Ignaz Semmelweis (1818–1865) von allen Ärzten gefordert hatte, sich vor dem Kontakt mit den jungen Müttern gründlich die Hände zu desinfizieren. Doch bei den meisten seiner Kollegen war er damit nur auf Spott und Unverständnis gestoßen.

Erst allmählich setzten sich die neuen Hygienemaßnahmen durch, zumal auch Alice energisch auf deren Einhaltung drängte. Das Wohlergehen ihrer Mitmenschen lag ihr ehrlich am Herzen. Der 1867 unter ihrem Vorsitz gegründete Alice-Frauenverein entwickelte unter maßgeblicher Beteiligung sachkundiger Ärzte ein neues Konzept der Krankenpflege und führte zur Gründung des Darmstädter Alice-Hospitals, das bis heute existiert. Im Deutsch-Französischen Krieg, der 1871 zur Gründung des Deutschen Kaiserreichs führte, betreute Alice verschiedene Lazarette, kümmerte sich persönlich um die Verwundeten und stand ihnen in schweren Stunden zur Seite. Überglücklich schrieb sie ihrer Mutter am 19. Dezember 1870, dass einer ihrer Schützlinge, der bereits dem Tode geweiht gewesen zu sein schien, sich nun auf dem Weg der Besserung befand: »Ich habe selten eine so große Befriedigung empfunden wie bei der Gewissheit, dass sich dieser junge Mann wieder erholt, und die Ärzte meinen sogar, ich hätte ihm das Leben gerettet.« Diese Empathie für leidende Menschen hat die Großherzogin von Hessen-Darmstadt nicht nur an ihre Tochter Ella weitervererbt, auch eine ihrer Enkelinnen, die sie leider nicht mehr kennengelernt hat, würde viele Jahre später darin ihre Lebensaufgabe finden: Alice von Battenberg.

Doch das Leben der Darmstädter Familie wurde von mehreren Schicksalsschlägen überschattet. Alice war (wie ihre Töchter Irene und Alix) Überträgerin der Bluterkrankheit, an deren Folgen ihr kleiner Sohn Friedrich 1873 nach einem Sturz aus dem Fenster starb. Die größte Katastrophe aber brach im Spätherbst 1878 über die großherzogliche Familie herein, als sämtliche Kinder außer Ella an Diphtherie erkrankten. Trotz aller Bemühungen und liebevoller Pflege starb Töchterchen Marie am 16. November im Alter von nur vier Jahren. Doch die anderen Kinder wurden wieder gesund. Anfang Dezember, als das Schlimmste überstanden schien, erkrankte Alice selbst. Sie hatte es sich nicht nehmen lassen, ihre kleinen Patienten selbst zu pflegen – ein mütterlicher Liebesdienst, der sie letztlich das Leben kostete. Am 14. Dezember 1878 – dem 17. Todestag ihres Vaters Albert – erlag Alice der hoch ansteckenden Infektionskrankheit. Sie wurde nur 35 Jahre alt.

Die Familie war erschüttert: »Meine Kindheit endete mit ihrem Tod«, bekannte Tochter Viktoria später, »denn ich war die Älteste und am meisten verantwortlich.« Die zu diesem Zeitpunkt 15-jährige Prinzessin wuchs nun in die Rolle der Ersatzmutter hinein, auch um den trauernden Vater zu entlasten, der als amtierender Großherzog ohnehin stark in Anspruch genommen war. Trotz ihres jugendlichen Alters verfügte Viktoria über die nötigen Voraussetzungen für ihre neue Aufgabe, zielstrebig, zupackend und willensstark, wie sie nun einmal war. Später pflegte sie zu sagen: »Ich hätte in unserer Familie der Mann sein sollen.« Natürlich lastete die Fürsorge für die vier jüngeren Geschwister nicht allein auf ihren Schultern. Vater Ludwig war es ganz recht, dass seine Kinder nun überwiegend bei der königlichen Großmutter in England lebten. Und der damals knapp 60-jährigen Queen war die Betreuung der hessischen Enkel nicht nur eine Herzensangelegenheit, sie konnte auf diese Weise auch subtilen Einfluss ausüben und die Lebenswege besonders der Mädchen in ihrem Sinne lenken, vor allem, als die Prinzessinnen ins heiratsfähige Alter kamen.

Es war daher kein Zufall, dass die junge Viktoria ihren zukünftigen Ehemann am Hof der Großmutter kennenlernte: Ludwig – genannt Louis – von Battenberg (1854–1921), ein ebenso charmanter wie gut aussehender Mann, der nur einen kleinen Makel hatte: Er war der Spross einer »Mesalliance« seines Vaters Alexander von Hessen-Darmstadt mit einer nicht standesgemäßen polnischen Gräfin. Es fragt sich daher, warum sich die Queen so vehement für das Zustandekommen dieser Ehe einsetzte, denn eigentlich war es nicht üblich, dass die Enkelinnen »unter ihrem Stand« verheiratet wurden.

Von Darmstadt nach St. Petersburg – die russische Verwandtschaft

Alexander von Hessen-Darmstadt (1823–1888) war der dritte Sohn des Großherzogs Ludwig II. und seiner Gemahlin Wilhelmine von Baden, somit Bruder jener Marie (1824–1880), die 1841 den späteren Zaren Alexander II. heiratete.[1]

Alexander und Marie, die jüngsten Kinder des großherzoglichen Paars, wuchsen überwiegend bei der Mutter auf Schloss Heiligenberg in Jugenheim auf, etwa zwölf Kilometer entfernt von Darmstadt, wo Großherzog Ludwig II. seit 1830 residierte. Die räumliche Trennung der Eltern beflügelte das Gerücht, Alexander und Marie seien keine legitimen Kinder des Großherzogs. Schließlich lagen zwischen der Geburt der älteren Söhne Ludwig (der spätere Ludwig III.) 1806 sowie Karl 1809 und der Ankunft Alexanders mehr als zehn Jahre – ein Umstand, den sich die Darmstädter nur mit zwei verschiedenen Vätern erklären konnten. Wie es hieß, waren Alexander und Marie (sowie zwei weitere, früh verstorbene Kinder) Sprösslinge des Freiherrn August Ludwig von Senarclens-Grancy (1794–1871), des großherzoglichen Kämmerers und mutmaßlichen Liebhabers von Wilhelmine. Tatsächlich lebte der gebürtige Schweizer im alten Pfarrhaus von Jugenheim nur einen Steinwurf vom Wohnsitz der Großherzogin entfernt, was die Gerüchteküche nur noch weiter anheizte.

Trotz des Geredes um die illegitime Abstammung der beiden großherzoglichen Kinder machte Zarewitsch Alexander (1818–1881), genannt Sascha, auch Station in Darmstadt, als er 1839 auf Brautschau durch Deutschland reiste. Er war der älteste Sohn von Zar Nikolaus I. und seiner Gemahlin Alexandra, der gebürtigen Königstochter Charlotte von Preußen, einem Kind der früh verstorbenen Luise und Friedrich Wilhelms III.

Sascha verliebte sich, wie es schien, auf den ersten Blick in die hübsche, erst 15-jährige Marie, und auch die blutjunge Prinzessin hatte wohl nichts gegen die Verbindung einzuwenden. Nach der Verlobung im April 1840 folgte Marie ihrem Sascha nach St. Petersburg, um sich noch vor der Hochzeit in der fremden neuen Heimat ein wenig einzuleben. Auf Wunsch des Zarewitschs sollte sein künftiger Schwager Alexander von Hessen-Darmstadt Marie nach Russland begleiten, damit sie sich in der Ferne nicht ganz so verloren fühlte. Großherzog Ludwig II. und Zar Nikolaus I. hatten nichts dagegen einzuwenden.

Die möglicherweise nicht eheliche Abstammung der Darmstädterin und ihres Bruders spielte in diesem Zusammenhang keine Rolle. Als Graf Orlow versuchte, den Zaren vorsichtig auf die Gerüchte aufmerksam zu machen, beschied der ihn kurz und knapp mit den Worten: »Das mag wohl sein. Aber wer bist du, wer bin ich? Ich wünsche und befehle, dass dieses Gerede ein Ende hat. Ich möchte niemandem raten zu behaupten, der Thronfolger Russlands habe ein nicht eheliches Kind geheiratet.« Damit war das Thema erledigt, und die Hochzeit konnte unbeschwert am 16. April 1841 in der Peter-und-Paul-Kathedrale in St. Petersburg gefeiert werden.

Der 18-jährige Alexander von Hessen-Darmstadt fühlte sich an der Newa so wohl, dass er schon bald beschloss, längerfristig dortzubleiben und in russische Dienste einzutreten. Eine maßgebliche Rolle spielte wohl auch die Tatsache, dass der Prinz hier ständig von gut aussehenden jungen Damen umgeben war, sodass erst gar kein Heimweh aufkommen konnte. Obwohl er nur ein recht unbedeutender Prinz aus der hessischen Provinz war, litt er keineswegs unter Minderwertigkeitskomplexen. Er wusste schließlich genau, dass er bei der St. Petersburger Damenwelt nicht nur mit seinem guten Aussehen, sondern auch mit Charme, Intelligenz und Humor punkten konnte. Dass er das Herz seiner attraktiven Schwägerin Großfürstin Olga nicht gewann, hat ihn nur kurze Zeit bekümmert.

»Die kleine polnische Waise«

Inzwischen war Alexander 25 Jahre alt, aber noch immer auf der Suche nach der Dame seines Herzens. Als er sich wieder einmal auf einem der opulenten St. Petersburger Hoffeste mit einer attraktiven Gräfin amüsierte, trat eine junge Frau auf ihn zu, in der er eine der Hofdamen seiner Schwester Marie erkannte. Sie überreichte ihm ein Billett, das Alexander vermutlich ein wenig verärgert haben dürfte. Die Mutter einer seiner Angebeteten, Gräfin Schuwalow, hielt sein Verhalten in Liebesdingen für rufschädigend und forderte ihn energisch auf, ihre Tochter gefälligst in Ruhe zu lassen. Anderenfalls, so drohte sie, werde sie sich beim Zaren beschweren. Alexander las die Nachricht, wandte sich demonstrativ von seiner Angebeteten ab und eröffnete den nächsten Tanz mit der Botin, die ihm das Billett überreicht hatte.

Die junge Frau scheint Alexander mehr beschäftigt zu haben, als er sich zunächst eingestehen mochte. Er erinnerte sich jetzt auch wieder an ihren Namen: Julie von Haucke (1825–1895), damals 23 Jahre alt, nur knapp 1,60 Meter groß, keine strahlende Schönheit, doch in ihrer stillen Art scheint sie recht anziehend gewirkt zu haben. Am St. Petersburger Hof nannte man sie meist nur »die kleine polnische Waise«.

Julies Eltern waren zu diesem Zeitpunkt schon lange tot. Ihr Vater Moritz von Haucke (1775–1830) hatte in der polnischen Armee gedient und war 1826 von Zar Nikolaus I. zum stellvertretenden Kriegsminister des vom Wiener Kongress 1815 geschaffenen Kongresspolen ernannt worden, das sich ganz unter russischer Kontrolle befand. 1829 machte der Zar Moritz von Haucke zum General und erhob ihn in den Grafenstand.

Nur wenig später, im Revolutionsjahr 1830, erhoben sich die Polen gegen die russische Herrschaft. Die Aufständischen zerrten Haucke aus seinem Warschauer Palais und ermordeten ihn vor den Augen seiner jungen Frau Sophie, die nur wenige Wochen später an »gebrochenem Herzen« starb. Nikolaus I. ordnete daraufhin an, dass die drei Waisenkinder, die sein treuer General hinterlassen hatte, nach St. Petersburg gebracht werden sollten. Hier erhielt die fünfjährige Julie eine ausgezeichnete Erziehung in einer Einrichtung für adlige Mädchen, und weil sie, wie schon ihre Eltern, unter anderem Deutsch sprach, wurde sie 1841 zur Ehrendame der frisch vermählten Marie ernannt, später zu deren Hofdame.

Der Tanz mit Alexander von Hessen-Darmstadt schien zunächst keine weiteren Folgen zu haben. Allen Warnungen zum Trotz flirtete der auch weiterhin mit der jungen Gräfin Sophie Schuwalow, während Julie als Postillion d’Amour fungierte und dem turtelnden Paar heimliche Nachrichten überbrachte. Doch ganz allmählich schien sie sich in den smarten Alexander verliebt zu haben, der sich allerdings zunächst nach Darmstadt aufgemacht hatte. Im Juni 1848 war sein Vater gestorben, und Alexanders ältester Bruder, der schon seit geraumer Zeit als Mitregent fungierte, wurde als Ludwig III. neuer Großherzog von Hessen-Darmstadt. Als Alexander nach den Beisetzungsfeierlichkeiten nach St. Petersburg zurückkehrte, war sein Verhältnis zu Gräfin Schuwalow spürbar abgekühlt, und er wurde erneut auf die »kleine polnische Waise« aufmerksam, die immer so lieb und freundlich zu ihm war. Es dauerte nicht lange, bis beide ein heimliches Liebespaar wurden. Als die Affäre am St. Petersburger Hof publik wurde, gab es jedoch erheblichen Ärger, denn der Zar hatte geplant, Alexander mit seiner Nichte zu verheiraten, der Tochter seines Bruders Michael. Der junge Darmstädter fiel in Ungnade, beschloss, Russland zu verlassen, kehrte dann aber doch wieder zu Julie von Haucke zurück. Inzwischen hatte sich zwischen ihnen eine derart enge Beziehung entwickelt, dass er sie zu seiner Frau machen wollte. Dem stand jedoch eines im Wege: Julie war ein Mündel des Zaren und musste Nikolaus I. daher um eine Heiratserlaubnis bitten. Der verweigerte nicht nur seine Zustimmung, sondern entließ Alexander wegen groben Fehlverhaltens auch noch aus der russischen Armee. Doch solche Widrigkeiten schweißten das Paar nur umso fester zusammen. Anfang Oktober 1851 verließen Julie und Alexander St. Petersburg und reisten nach Breslau, wo sie am 28. Oktober eine morganatische Ehe schlossen.

Hochzeit »auf hessische Art«

Diese »Mesalliance« löste bei der fürstlichen Verwandtschaft großes Entsetzen aus, doch immerhin gratulierte Alexanders Bruder Ludwig III. dem frisch vermählten Paar herzlich. Eine morganatische Ehe gab es in Adelskreisen schließlich häufiger – und nicht nur das: Sie war rund 300 Jahre zuvor sogar in Hessen »erfunden« worden.

Der Begriff leitet sich vom lateinischen matrimonium morganaticum ab, was so viel bedeutet wie »Ehe auf bloße Morgengabe«. Damit war die Frau in der Regel zu Lebzeiten abgesichert, doch weder sie selbst noch die Kinder, die aus einer solchen Verbindung hervorgingen, konnten irgendwelche Erbansprüche geltend machen. In Deutschland hatte die morganatische Ehe noch bis zum Ersten Weltkrieg Bestand und wurde erst 1919 abgeschafft. Der Volksmund sprach auch von der »Ehe zur linken Hand«, weil die Braut bei der Trauung auf der linken Seite stand.

Hatte es schon im frühen Mittelalter die »Friedelehe« gegeben, die auf der freien Neigung von Mann und Frau beruhte, so war diese Form mit der zunehmenden Verbreitung christlicher Vorstellungen weitestgehend verschwunden – bis sie in der Reformationszeit wieder auflebte. Der hessische Landgraf Philipp I. (1504–1567) war damals seiner ihm rechtlich angetrauten Ehefrau überdrüssig geworden und wollte sich scheiden lassen. Doch die tugendsame Gemahlin lieferte ihm für eine solche Trennung leider keinen Anlass. Nun dachte Philipp vermutlich an Englands König Heinrich VIII., der nach jahrelangen inneren Kämpfen und theologischen Gutachten endlich seine Geliebte Anne Boleyn hatte heiraten können. Doch die Situation des hessischen Landgrafen gestaltete sich anders. Während Heinrich VIII. mit der katholischen Kirche gebrochen hatte, war Philipp Protestant und wollte es auch bleiben. Sein Problem wurde akut, als er sich in die hübsche Hofdame Margarethe von der Saale (1522–1566) verliebte und sie zu seiner Frau machen wollte. Als frommer Mann fragte er die Reformatoren Martin Luther und Philipp Melanchthon persönlich um Rat, wobei er eigentlich gewusst haben dürfte, dass sich Luther seinerzeit bei Heinrich VIII. massiv gegen eine Scheidung ausgesprochen hatte. Als Alternative fiel Luther jetzt nur die Bigamie ein, die dem göttlichen Recht allem Anschein nach nicht widersprach. Schließlich hatte sich schon der alttestamentarische Erzvater Abraham mit Hagar eine Nebenfrau genommen, weil die ihm angetraute Sarah noch keinen Erben zur Welt gebracht hatte. Auf dieser Grundlage gaben Luther und Melanchthon ihren Segen zu der morganatischen Ehe, die Landgraf Philipp I. am 4. März 1540 in Rotenburg mit Margarethe von der Saale schloss. Damit hatte der Hesse einen interessanten Präzedenzfall geschaffen, von dem in den kommenden Jahrhunderten noch zahlreiche adlige Herrschaften Gebrauch machen sollten. So auch Alexander mehr als 300 Jahre später.

Großherzog Ludwig III. nahm seine neue Schwägerin Julie nicht nur freundlich in der Familie auf, er bemühte sich auch, aus der »armen polnischen Waisen« eine richtige deutsche Gräfin zu machen und ihr einen klangvollen Namen zu geben. Es wurde nach verschiedenen Varianten geforscht, bis einer seiner Minister den Vorschlag machte, Julie den Titel Gräfin von Battenberg zu verleihen. Die Battenbergs waren ein hessisches Adelsgeschlecht gewesen, das seinen gleichnamigen Stammsitz im Ederbergland gehabt hatte und bereits 1310 ausgestorben war.

Damit erhielt Julie den Rang und Titel einer Gräfin von Battenberg, und die gleichen Rechte standen auch ihren Nachkommen zu, die jedoch keine Ansprüche auf die hessische Erbfolge erheben konnten. Und noch etwas kam erschwerend hinzu: Alexander und Julie waren zwar als mittelloses Paar auf die finanzielle Unterstützung des Großherzogs angewiesen, konnten aber nicht in Darmstadt bleiben, denn Ludwig III. wollte sein gutes Verhältnis zu Nikolaus I. sowie zu seiner Schwester Marie und Schwager Sascha nicht gefährden.

Die ersten kleinen Battenbergs

Alexander und Julie beschlossen, zunächst nach Straßburg zu gehen. Vielleicht lebten hier Verwandte von Julie, denn ihre Mutter Sophie de la Fontaine war die Tochter eines französischen Arztes gewesen, der sich später im oberschwäbischen Biberach niedergelassen hatte. Finanziert wurde ihr Aufenthalt von Ludwig III., doch auch Marie sorgte mit einer kräftigen Finanzspritze dafür, dass ihr Bruder und ihre frühere Hofdame standesgemäß leben konnten.

Julie war zu diesem Zeitpunkt bereits hochschwanger. In Straßburg brachte sie am 15. Februar 1852 ihr erstes Kind zur Welt, das nach seiner großzügigen Tante Marie genannt wurde. Die Geburt des kleinen Mädchens war – zumindest in den damaligen Kreisen des Hochadels – mit einem zweifachen Makel behaftet: Zum einen war die Mutter »nicht ebenbürtig«, zum anderen lag der Zeugungstermin des Kindes eindeutig mehrere Monate vor der Hochzeit von Julie und Alexander. Letzteres bemühte man sich, so gut es ging, zu vertuschen, sodass im Geburtsprotokoll der Großherzoglichen Hofkirche Darmstadt auch Folgendes zu lesen ist: »Im Jahr 1852, den 15ten Juli morgens um zehn Uhr ist zu Genf in der Schweiz Seiner Großherzoglichen Hoheit, dem Prinzen Alexander von Hessen, von Seiner Frau Gemahlin, Julie, Gräfin von Battenberg, eine Tochter geboren und von dem evangelisch-protestantischen Pfarrer Horning den 10ten August getauft worden, welche in der Heiligen Taufe die Namen Maria Caroline erhalten hat.« Die falsche Geburtsurkunde wurde offenbar von niemandem angezweifelt – bis Historiker in den 1970er-Jahren Maries wirkliches Geburtsdatum nachweisen konnten. Sie selbst hat ihren Geburtstag ein Leben lang am 15. Juli gefeiert, jenem Tag, an dem schon ihr Vater das Licht der Welt erblickt hatte. Auch den tatsächlichen Ort ihrer Geburt hat Marie nie erfahren. Noch in ihren Lebenserinnerungen schrieb sie 1920: »Am Genfer See war es, am weiten, bergbesaumten See, wo einst das kleine Mädchen zur Welt kam, das in diesen Erinnerungsblättern von sich erzählt.«

Bei seiner Heirat war Alexander erst 28 Jahre alt, also viel zu jung, um dauerhaft ein Leben als Müßiggänger zu führen. Er sehnte sich nach einer verantwortungsvollen Aufgabe. Glücklicherweise hatten sich die Gemüter in Russland inzwischen wieder ein wenig beruhigt, sodass sich Thronfolger Sascha bei Österreichs Kaiser Franz Joseph erfolgreich für seinen Schwager einsetzen konnte. Der sagte zu, Alexander von Hessen-Darmstadt in seine Armee aufzunehmen. Man stationierte ihn als Offizier der K.-u.-k.-Monarchie in Graz, das der kleinen Familie vorübergehend zum neuen Zuhause wurde. Hier erblickte am 24. Mai 1854 Ludwig von Battenberg das Licht der Welt, der 31 Jahre später an der Wiege seiner neugeborenen Tochter Alice stehen würde.

Das Leben im Dienst des Habsburgerkaisers brachte es mit sich, dass die Familie nirgendwo Wurzeln schlagen konnte. Alexander wurde immer wieder versetzt, sodass das nächste Kind, das nach ihm ebenfalls Alexander genannt wurde, am 5. April 1857 in Verona zur Welt kam. Wenig später erfolgte die Versetzung nach Mailand, das zum Geburtsort von Heinrich (5. Oktober 1858) wurde, während der jüngste Sohn Franz Joseph am 24. September 1861 in Padua das Licht der Welt erblickte.

Mittlerweile sehnte sich die Familie nach Ruhe und Beständigkeit, damit die fünf Kinder in einem dauerhaften Zuhause unbeschwert aufwachsen konnten. 1862 quittierte Alexander den Dienst bei der österreichischen Armee und zog mit seiner Familie nach Darmstadt, wo sein Bruder Ludwig III. Julie von Battenberg inzwischen in den Rang einer Prinzessin erhoben hatte. So würde es künftig keine Probleme mit der Etikette geben, wenn sie an einem der europäischen Höfe zu Besuch sein sollte.

Ein Jahr später, 1863, wurden die Weichen für den Aufstieg der Battenbergs in höchste fürstliche Kreise gestellt. Der Anlass war sowohl trauriger als auch heiterer Natur. Großherzog Ludwig III. (1806–1877) trauerte um seine Gemahlin Karoline Mathilde von Bayern, die im Mai 1862 im Alter von 49 Jahren gestorben war. Die Ehe war kinderlos geblieben, sodass der 1837 geborene Ludwig, der älteste Sohn seines Bruders Karl, zum designierten Nachfolger des Großherzogs ernannt wurde. Bekanntlich hatte Ludwig während eines Besuchs am englischen Königshof Alice kennengelernt, die zweitälteste Tochter der Queen, und sich gleich in sie verliebt. Die beiden heirateten am 18. Juli 1862, und ein Jahr später kam auf Schloss Windsor das erste Kind zur Welt, Viktoria, Mutter der Alice von Battenberg.

Zur Taufe des kleinen Mädchens war auch Ludwig III. als Onkel des jungen Vaters nach England eingeladen worden, doch der Großherzog fühlte sich nicht in der Lage, die Reise anzutreten. Vielleicht trauerte er noch immer um seine verstorbene Lebensgefährtin und fühlte sich im Kreis der fröhlichen Taufgesellschaft fehl am Platz. Daher bat er seinen jüngeren Bruder Alexander, der als Privatier über genügend freie Zeit verfügte, ihn bei Viktorias Taufe zu vertreten. Und so brach Alexander nach England auf und traf kurze Zeit später auf Schloss Windsor ein. Das war der Wendepunkt in der noch jungen Geschichte der Battenbergs.

Eine Freundschaft mit weitreichenden Folgen

Am englischen Hof war man von dem charmanten, inzwischen aber gereiften und ernsthaften Alexander nicht weniger begeistert als seinerzeit in St. Petersburg, wo er als junger Prinz reihenweise die Herzen der Damenwelt erobert hatte. Doch seine Playboy-Allüren hatte der 40-Jährige längst abgelegt und genoss jetzt den untadeligen Ruf eines soliden Familienvaters. Das konnte ihn jedoch nicht davon abhalten, Freundschaft mit dem englischen Thronfolger »Bertie« (eigentlich Albert Eduard, 1841–1910) zu schließen, der erst im März 1863 Alexandra von Dänemark (1844–1925) geheiratet hatte, gleichwohl das unbeschwerte Leben eines Junggesellen fortsetzte und viel Zeit in Klubs und Bars verbrachte. Aber auch die übrigen Mitglieder der königlichen Familie mochten Alexander, und niemand rümpfte die Nase wegen seiner nicht standesgemäßen Ehe. Als Großonkel der frisch getauften Viktoria war er ein gern gesehener Gast. Da war allerdings noch nicht abzusehen, wie eng die Verbindung zum englischen Königshaus werden sollte.

Nach der Taufzeremonie kehrte Alexander zurück nach Deutschland und richtete sich mit seiner Familie auf Schloss Heiligenberg ein, wo er schon seine Kinder- und Jugendzeit verlebt hatte. Hier wuchsen die Battenberg-Kinder auf. Tochter Marie entwickelte sich zu einem hübschen jungen Mädchen, das 1871 mit 19 Jahren in Darmstadt den Grafen Gustav-Ernst zu Erbach-Schönberg heiratete und mit ihm drei Kinder bekam. Später machte sie sich einen Namen als Übersetzerin und Verfasserin autobiografischer Werke.

Die Battenbergs pflegten eine enge Beziehung zu dem jungen Erbgroßherzog und seiner Frau Alice. Alice mochte ganz besonders den ältesten Battenberg-Sohn Ludwig, einen ausgesprochen pfiffigen und intelligenten Knaben, dem das Lernen keine Probleme bereitete. Seine Schwester Marie, die ihn in ihren Lebenserinnerungen als »sonniges Wesen« beschrieb, schildert seine vielfachen Begabungen: »Er lernte leicht und spielend. Alle Talente fielen ihm gewissermaßen in den Schoß. Mit vier Jahren fing er schon an zu zeichnen, perspektivische Schwierigkeiten gab es für ihn nicht … Kalligraphie kompliziertester Art lernte er mit derselben Leichtigkeit wie Arithmetik, Mathematik und Geometrie. Auffallend früh entwickelten sich in ihm die Eigenschaften, die ihn später in hervorragender Weise für die Marine befähigten … Ebenso hervorragend war seine Begabung für Sprachen. Er hat öfters bei offiziellen Empfängen, die während der Seereisen vorkamen, dem mangelhaften Französisch und Italienisch seiner Vorgesetzten nachhelfen müssen. Groß war auch sein Talent für Musik und seine Freude an Beethovens Werken … Es war, wie wenn die Natur diesen ihren Liebling überschüttet hätte mit verschwenderischen Gaben, auch äußerer Schönheit. Er sah aus wie Velasques, als er älter wurde, und wie ein Raffael, als er noch ein Knabe war.«

Kein Wunder, dass Alice von Hessen-Darmstadt einen Narren an ihrem begabten Großneffen gefressen hatte. Dass er eines Tages ihr Schwiegersohn werden würde, hat sie leider nicht mehr erlebt. Alice war es auch, von der der Vorschlag kam, Ludwig solle in England ausgebildet werden, dort die Kadettenschule besuchen und anschließend Karriere bei der Marine machen, wie es einer alten Tradition des englischen Königshauses entsprach. Auch Alices Bruder Alfred (1844–1900) hatte bei der Royal Navy gedient, bevor er 1893 regierender Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha wurde, dem Heimatland seines 1861 verstorbenen Vaters.

Vermutlich fiel es Alexander und Julie nicht ganz leicht, den erst 14-jährigen Ludwig ziehen zu lassen, wohl wissend, dass sie ihn künftig nur noch unregelmäßig zu Gesicht bekommen würden, denn die Ausbildung bei der englischen Marine erforderte den vollen Einsatz. Aber was wäre die Alternative gewesen? Der Dienst in der preußischen oder kaiserlichen K.-u.-k.-Armee? Vor allem aber ist anzunehmen, dass es Ludwig selbst in die »große, weite Welt« zog, wo er sich den Wind um die Nase wehen lassen und wohl auch das ein oder andere Abenteuer erleben wollte. Marie beschrieb es folgendermaßen: »In seinem Wesen war er vielleicht der deutscheste von uns allen und hing unsagbar an seiner Heimat. Wie rang er schon mit zwölf Jahren, als die uns anderen unbegreifliche Marinepassion in ihm erwachte … Denn eine deutsche Seeflotte gab es damals noch nicht, und in die englische Marine musste man schon mit vierzehn Jahren eintreten. Das gab schwere Kämpfe, aber die unüberwindliche Passion für die See, die er fast nie gesehen, genährt durch Bücher, die ihm tiefen Eindruck gemacht, und auch bestärkt durch den Einfluss der englischen Prinzessin und ihres Bruders Alfred siegte zuletzt doch.«

1868 verließ Ludwig Schloss Heiligenberg im beschaulichen Jugenheim und begann seine Ausbildung als Marinekadett auf der HMS Victory, die bereits 1805 unter Lord Nelson in der Seeschlacht von Trafalgar erfolgreich im Einsatz gewesen war. Zuvor jedoch musste er die britische Staatsangehörigkeit annehmen und nannte sich künftig nicht mehr Ludwig, sondern Louis von Battenberg. Seine Ausbildung führte den Heranwachsenden in den kommenden fünf Jahren rund um den Erdball und legte den Grundstock zu einer fulminanten Marinekarriere. Zufrieden verfolgte Alice von Darmstadt aus den Werdegang des jungen Mannes und schrieb am 11. April 1874 an die Queen: »Louis Battenberg hat eine erstklassige Prüfung abgelegt. Seine Eltern sind so glücklich und sein vorbildliches Verhalten bleibt nicht ohne Einfluss auf seine jüngeren Brüder, die gerne seinem Beispiel folgen möchten und ihre Eltern um Erlaubnis bitten.« Doch Louis sollte der einzige Battenberg-Sohn bleiben, der in die Royal Navy eintrat. Mit der Zeit wurde er ein »richtiger Engländer«, der nur noch selten nach Deutschland kam.

1882 verbrachte Louis einen langen Heimaturlaub in Darmstadt und Umgebung. Hier traf er häufiger mit Viktoria zusammen, der ältesten Tochter des Großherzogs Ludwig IV. und seiner inzwischen verstorbenen Gemahlin Alice. Die beiden kannten sich bereits vom englischen Königshof, wo Viktoria häufig zu Gast war. Mit der Zeit verwandelten sich die zunächst freundschaftlichen Gefühle in Liebe. Mit 19 Jahren hatte Viktoria inzwischen das heiratsfähige Alter erreicht und war glücklich, als Louis von Battenberg sie bat, seine Frau zu werden. Auch Ludwig IV. war von der Wahl seiner Tochter äußerst angetan und freute sich, dass der Großneffe nun sein Schwiegersohn sein würde. Am 30. April 1884 wurde in Darmstadt Hochzeit gefeiert, und alles, was Rang und Namen hatte, nahm daran teil, darunter fast die vollständige englische Königsfamilie, die deutsche Kronprinzessin Vicky mit ihrem Gemahl Fritz und natürlich sämtliche Battenbergs und Mitglieder des Hauses Hessen-Darmstadt.

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