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Ein bewegender Roman über Familie und Vergebung England in den 20ern: In ihrem Townhouse in Richmond sind Ishbel Christina Camberwell, genannt Blue, und ihre Familie glücklich - zumindest an der Oberfläche. Aber als Blue die junge, mittellose Delphine aufnimmt, um diese vor ihrem gewalttätigen Ehemann zu schützen, gerät Blues Familie ins Wanken. Die junge Frau erobert Blues Herz im Sturm, sie werden enge Freundinnen. Doch Delphine sorgt unbeabsichtigt dafür, dass ein gut gehütetes Geheimnis der Familie ans Licht kommt. Ist die Freundschaft der beiden unterschiedlichen Frauen stark genug für die Wahrheit? "Tracy Rees ist die herausragendste Autorin historischer Romane." Lucinda Riley
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Die Frauen von Richmond Castle
Tracy Rees studierte in Cambridge und hat acht Jahre in einem Sachbuchverlag gearbeitet. Ihr Debütroman Die Reise der Amy Snow wurde aus über tausend Einsendungen in einem Schreibwettbewerb als Gewinner ausgewählt. Sie lebt in South Wales, England.Von Tracy Rees sind in unserem Hause bereits erschienen: Die Reise der Amy Snow · Die zwei Leben der Florence Grace · Die Sonnenschwestern
Blue Camberwell und Delphine Foley kommen aus zwei grundverschiedenen Welten. Blue lebt wohlbehütet mit ihrer Familie in Richmond Castle und träumt von einem Leben als Schriftstellerin. Delphine stammt aus einfachen Verhältnissen und ist in der Ehe mit ihrem gewalttätigen Mann gefangen.Als Delphine die Flucht gelingt, landet sie ungeplant in Richmond. Blue und ihre Familie nehmen sie auf. Schnell werden Blue und Delphine enge Freundinnen, und Delphine wird zum Mitglied der Familie. Doch dann wird ein streng gehütetes Familiengeheimnis gelüftet, und Blues heile Welt gerät ins Wanken. Wird Blues Familie diese Enthüllung verkraften? Und was hält die Zukunft für Delphine bereit?
Tracy Rees
Roman
Aus dem Englischen von Elfriede Peschel
Ullstein
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Deutsche Erstausgabe im Ullstein Taschenbuch1. Auflage Februar 2020© für die deutsche AusgabeUllstein Buchverlage GmbH, Berlin 2020© 2018 by Tracy ReesTitel der englischen Originalausgabe:Darling Blue (Quercus Editions Limited, London)Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®, München (Himmel); © Sandra Cunningham / Trevillion Images (Haus und Tor); © Rekha / arcangel images (Frau); © Dennis Osipov / Getty Images (Bäume); © Getty Images / E+ / stock_colors (Rock)E-Book-Konvertierung powered by pepyrus.comAlle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-8437-2145-5
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Titelei
Die Autorin / Das Buch
Titelseite
Impressum
TEIL EINS
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
TEIL ZWEI
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
KAPITEL ACHTUNDZWANZIG
KAPITEL NEUNUNDZWANZIG
KAPITEL DREISSIG
KAPITEL EINUNDDREISSIG
TEIL DREI
KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG
KAPITEL DREIUNDDREISSIG
KAPITEL VIERUNDDREISSIG
KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG
KAPITEL SECHSUNDDREISSIG
KAPITEL SIEBENUNDDREISSIG
KAPITEL ACHTUNDDREISSIG
KAPITEL NEUNUNDDREISSIG
KAPITEL VIERZIG
KAPITEL EINUNDVIERZIG
KAPITEL ZWEIUNDVIERZIG
KAPITEL DREIUNDVIERZIG
KAPITEL VIERUNDVIERZIG
KAPITEL FÜNFUNDVIERZIG
KAPITEL SECHSUNDVIERZIG
KAPITEL SIEBENUNDVIERZIG
KAPITEL ACHTUNDVIERZIG
TEIL VIER
KAPITEL NEUNUNDVIERZIG
KAPITEL FÜNFZIG
KAPITEL EINUNDFÜNFZIG
KAPITEL ZWEIUNDFÜNFZIG
KAPITEL DREIUNDFÜNFZIG
KAPITEL VIERUNDFÜNFZIG
KAPITEL FÜNFUNDFÜNFZIG
KAPITEL SECHSUNDFÜNFZIG
KAPITEL SIEBENUNDFÜNFZIG
KAPITEL ACHTUNDFÜNFZIG
KAPITEL NEUNUNDFÜNFZIG
KAPITEL SECHZIG
KAPITEL EINUNDSECHZIG
KAPITEL ZWEIUNDSECHZIG
KAPITEL DREIUNDSECHZIG
KAPITEL VIERUNDSECHZIG
KAPITEL FÜNFUNDSECHZIG
KAPITEL SECHSUNDSECHZIG
KAPITEL SIEBENUNDSECHZIG
KAPITEL ACHTUNDSECHZIG
KAPITEL NEUNUNDSECHZIG
TEIL FÜNF
KAPITEL SIEBZIG
KAPITEL EINUNDSIEBZIG
KAPITEL ZWEIUNDSIEBZIG
KAPITEL DREIUNDSIEBZIG
KAPITEL VIERUNDSIEBZIG
KAPITEL FÜNFUNDSIEBZIG
KAPITEL SECHSUNDSIEBZIG
KAPITEL SIEBENUNDSIEBZIG
KAPITEL ACHTUNDSIEBZIG
KAPITEL NEUNUNDSIEBZIG
KAPITEL ACHTZIG
KAPITEL EINUNDACHTZIG
Anhang
DANKSAGUNG
BIBLIOGRAFIE
LEKTÜREEMPFEHLUNGEN AUF DEUTSCH
Empfehlungen
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Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
TEIL EINS
Für die fröhlichen Eltern, wie immer voller Liebe.Ihr seid die Besten!
Die Fotografie im ovalen Silberrahmen zeigte Margaret Fawcett am zehnten Dezember 1920, dem Tag, als sie Midge Camberwell wurde. Damals eine Frau von neununddreißig Jahren, hochgewachsen und knochig, war sie – bis vor Kurzem – absolut berechtigt, das jungfräuliche Weiß zu tragen, in dem man sie sah. Ihr Schleier hing hübsch gebogt von einem tief sitzenden Stirnband, und dies drei oder vier Jahre bevor Stirnbänder der letzte Schrei wurden. Kenneths Mädchen – nunmehr ihre Mädchen! – hatten darauf bestanden.
Offensichtlich entsprach sie dem Modeideal. Als sie Midge Camberwell wurde, erfand sie sich auf wunderbare Weise neu. Ihr hochgewachsener, nicht gerade üppig ausgestatteter Körper wurde plötzlich beneidenswert, weil sie ihn mit einer Reihe äußerst modischer Kleider schmücken konnte. Diese besaß sie nun zum ersten Mal in Hülle und Fülle, obwohl sie auch jetzt noch, nach fünf Jahren, Mühe hatte, ihre Figur als Aktivposten und nicht als Bürde anzusehen.
Da sah man sie also an ihrem Hochzeitstag mit besorgt dreinblickenden braunen Augen und einer Nase, so schmal, als hätte ein Künstler sie mit einem einzigen rasch hingeworfenen Strich skizziert. Und umklammerte die Hand ihres neuen Bräutigams wie eine Fünfjährige und nicht wie eine Frau in mittleren Jahren. Und er so gut aussehend, so eindrucksvoll, ein mehr als attraktiver Mann …
Seufzend stellte Midge das Foto zurück auf das Pianoforte und wandte sich wieder den Lilien zu, die sie in einer Vase arrangierte. Als Paar waren sie und Kenneth schon eine ungewöhnliche Erscheinung. Wie ausgerechnet sie es geschafft hatte, Kenneth Camberwell an Land zu ziehen, war eins der freudigen und glücklichen Geheimnisse des Lebens, und ihr war bewusst, dass alle anderen Frauen von Richmond nicht weniger erstaunt waren als sie. Es gab nur ein Problem bei einem derart großartigen Glückstreffer: Man wurde schwindelig davon und verlor das Gleichgewicht, sodass man nie voll und ganz darauf vertrauen konnte. Sondern in ständiger Furcht lebte, er könnte einem wieder genommen werden. Schleichende, chronische, alles durchdringende Furcht nistete sich im Inneren ein und grub unsichtbare Krallen in die Seele … trieb einen zu schrecklichen Gedanken. Schlimmer noch: trieb einen zu schrecklichen Taten.
Die Lilie zitterte in ihrer Hand, und es regnete gelbbraune Pollen auf das Klavier. Rasch steckte Midge sie in die Vase, schlang ihre Arme um den Leib, trat ans Fenster und holte tief Luft.
»Midge?«
Sie wirbelte herum, als Kenneths Stimme sie erreichte, der in der Tür stand. In seinem hellen Leinenanzug und der blauen Satinweste wirkte er besonders elegant. Seine Augen strahlten, und Midges Herz begann zu flattern, obwohl sie eigentlich zu alt und zu vernünftig für Herzflattern war und das auch wusste.
»Warum bist du noch nicht fertig, Liebling? In fünf Minuten müssen wir los.«
Midges Herz hörte zu flattern auf. Wurde schwer. Das Geburtstagsfrühstück zu Roberta Gradys Fünfzigstem. Schon lange im Voraus gefürchtet, unerklärlicherweise heute vergessen, plötzlich da wie eine Seuche. »Oh nein. Es tut mir so leid, Kenneth, das hatte ich völlig vergessen.«
Er sah sie fassungslos an. Kenneth vergaß nie eine gesellschaftliche Verpflichtung. »Liebster Schatz, ich weiß nicht, wie du das machst. Nun musst du dich rasch umziehen. Wir dürfen nicht zu spät kommen.«
Midge verzog das Gesicht. »Muss ich denn mitkommen? Könntest du dieses eine Mal nicht ohne mich gehen und mich wegen Kopfschmerzen oder so entschuldigen? Ich schaffe es unmöglich, mich rechtzeitig hübsch zu machen, und freue mich nicht im Geringsten darauf.«
Er bekam große Augen. »Warum denn nicht?«
»Nun, erstens kenne ich sie noch immer nicht richtig. Und diese Meute kann ein wenig …« Kritisierend. Überlegen. Einschüchternd. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass keine der Frauen einem Flirt mit ihrem Ehemann abgeneigt war.
»Ach, die sind doch ganz in Ordnung. Und du bist immer schön. Streif einfach ein Kleid über, und lass uns schnell aufbrechen, Midge!«
»O Kenneth, ich finde wirklich …«
Aber er hatte schon den Raum durchquert, hielt ihre Hände und lächelte auf sie herab. »Bitte, Liebling. Mir zuliebe?«
Und Midge war machtlos dagegen. »Dann also in fünf Minuten«, willigte sie ein und wurde mit einem strahlenden Blick belohnt. »Nur …?« Sie hielt inne. Wie sollte sie diese Bitte anbringen, ohne sich wie eine Fünfjährige anzuhören? »Du wirst mir doch … Gesellschaft leisten?«
»Dir Gesellschaft leisten? Wir werden dort mit über dreißig Leuten zusammen sein!«
»Ich weiß. Aber wenn wir dort sind und alle mit dir reden wollen, … behalte mich einfach ein wenig im Auge, versprichst du mir das?«
»Natürlich, Liebling! Ich möchte nichts lieber, als dass du dich dort wohlfühlst! Die alte Bobbie hat was von einem Drachen, das stimmt, aber die anderen sind ganz in Ordnung, und sicherlich erwartet uns ein Festmahl.«
Midge widerstand dem Drang, schlurfenden Schritts den Raum zu verlassen. Oben warf sie sich ein eierschalenfarbenes wadenlanges Seidenkleid über, dessen Oberteil mit winzigen kleinen Perlen übersät war. Ihr Haar sah Gott sei Dank ganz ordentlich aus, aber von einer Frisur konnte man wegen der Länge nicht mehr sprechen, und so würden Modebewusste und Traditionalisten gleichermaßen die Nase rümpfen. Nun, für einen Haarschnitt bliebe jedenfalls keine Zeit mehr! Sie tupfte mit der Fingerspitze ein wenig Rot auf ihre Lippen, wischte es dann aber wieder ab – nach Make-up stand ihr noch immer nicht der Sinn – und fertig war sie!
Das Frühstück fand im Peach Tree statt, einem beliebten Restaurant im Zentrum von Richmond mit einem riesigen Speisesaal. Als Erstes sah Midge beim Überschreiten der Schwelle zwei gewaltige Brüste, äußerst notdürftig in Smaragdgrün gehüllt. Hinter den Brüsten stand Roberta und zielte mit ihrem leicht animalischen Grinsen auf Kenneth.
»Kenneth, Liebling!«, rief sie und stakste auf sie zu. »Da bist du ja! Jetzt kann die Party richtig losgehen! Ich habe extra für dich was von deinem Lieblingsgin eingeschmuggelt. Gib dem Geburtstagskind einen Kuss!«
Es war ein Befehl, und Kenneth gehorchte, zielte auf ihre Wange. Er wurde überrumpelt, als sie plötzlich ihren Kopf drehte und er auf ihren glitschigen roten Lippen landete. »Bobbie, du hinterhältiges Geschöpf!«, schalt er sie, rieb sich die Lippen und betrachtete verdutzt den leuchtenden Schmierfleck auf seinem Handrücken. »Alles Gute zum Geburtstag, altes Mädchen. Du siehst zauberhaft aus.«
Das war sehr ritterlich von ihm. Eine Eigenschaft, die Midge gefiel. Und sie genoss es, Roberta Grady dabei zu beobachten, wie sie ihren Ehemann küsste und ihre Brust an seine drückte, während sie ihm etwas ins Ohr murmelte, wie das wohl jede heißblütige Frau tun würde. Aber zauberhaft sah sie nicht aus! Ihr Haar war um einige Nuancen schwärzer als bei ihrer letzten Begegnung. Gekleidet war sie wie eine … nun, Midge dachte diesen Gedanken nicht zu Ende. Das wäre gemein. Roberta konnte nichts für ihr Aussehen. Für ihr Auftreten jedoch konnte sie sehr wohl etwas, und das war leider viel schlimmer. Jetzt hatte sie Midge den Rücken zugekehrt und umgarnte ihn mit einem langen intimen Monolog, den sie mit Sätzen würzte wie: »Und erinnerst du dich noch an damals, als wir …«
Midge war höchst entzückt, als Kenneth seinen Arm ausstreckte und sie an sich zog. »Und Midge ist auch da!«, gab er ihr zu verstehen. Er würde sich tatsächlich um sie kümmern!
»Oh ja«, sagte Roberta mit leerem Blick, obwohl sie sich schon mehrmals gesehen hatten und sie auch auf ihrer Hochzeit gewesen war. »Hallo.«
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Bobbie«, sagte Midge warmherzig. »Kaum zu glauben, dass du fünfzig bist.« Das stimmte. Denn sie sah keinen Tag jünger als sechzig aus. »Ich freue mich, mit dir zu feiern.«
»Wunderbar«, sagte Roberta und sah sich um. »Ah, sieh nur, da sind Evaline Robinson und Millie Cuthbert. Du wirst sie mögen.«
Midge folgte ihrem Blick und sah zwei tadellos gekleidete Frauen, deren Köpfe sich wie Weiden einander zuneigten und tuschelnd Klatsch austauschten. »Schön«, erwiderte sie höflich. »Du musst uns vorstellen, wenn wir Platz genommen haben.«
»Meine Güte, du bist so altmodisch, Midge! Hier braucht keiner vorgestellt zu werden, wir geben nichts auf Zeremoniell. Spazier einfach rüber, und sag ihnen, wer du bist! Komm mit mir, Kenneth, Schatz. Midge wird sich mit den Mädels amüsieren. Und ich werde für dein Wohl sorgen …«, und dabei schleppte sie ihn regelrecht ab, wie einen Sack Mehl.
Midge sah ihnen mit offenem Mund hinterher. Mit Frauen wie Bobbie hatte sie noch nie was anfangen können. Sie selbst hätte sich niemals auf derart dreiste Weise gebärden können. Der Blick, den Kenneth ihr über die Schulter zuwarf, war gleichermaßen entschuldigend wie eine Grimasse aus Angst und Amüsement. Und Midge stand allein da. Sie zögerte. Ungeachtet der Worte von Bobbie machten Evaline und Millie keineswegs den Eindruck, als würden sie eine Unterbrechung begrüßen. Als ihr Blick über die Menge schweifte, warf ihr ein älterer Herr mit einem angegrauten Schnurrbart, der sie an den Dachshaar-Rasierpinsel von Kenneth erinnerte, einen Mantel zu. Sie gehorchte dem Reflex, ihn aufzufangen, starrte ihn aber verdutzt an.
»Nun steh nicht einfach da, Mädel!«, blaffte er sie an. »Bring ihn in die Garderobe.«
Midge zog die Stirn kraus. »Ich arbeite nicht hier, Sir«, erwiderte sie. »Ich bin Gast hier.«
»Tatsächlich? Hol’s der Teufel«, stotterte er, puterrot vor Verlegenheit, schnappte sich den Mantel und eilte davon.
Na wunderbar. Als ein vorbeikommender Kellner Midge ein Glas Schampus anbot, nahm sie es, obwohl sie sich nicht viel aus Alkohol machte. Außerdem war es gerade mal halb elf Uhr vormittags. Sie ging damit in eine stille Ecke, von wo aus sie nach vertrauten Gesichtern Ausschau halten, auf Kenneth warten und über ihr Schicksal nachdenken wollte. Von außen betrachtet gab es nur wenige Frauen, die sich glücklicher schätzen konnten als Midge Camberwell. Das Glück war ihr erst relativ spät im Leben zuteilgeworden, lange nachdem sie aufgehört hatte, auf etwas Derartiges zu hoffen, wodurch es nur umso kostbarer wurde. Aber dasselbe sagten die Leute auch über Blue – ein zauberhaftes Leben und so –, und doch war es nicht so einfach. Blue war mit vielem gesegnet, gewiss, aber sie trug auch ihre Wunden mit sich herum, und das in jungen Jahren.
Erst hatte der Krieg Blues Mädchenjahren seinen Stempel aufgedrückt, dann war ihre Mutter gestorben und hatte die kleine Familie auf dem Hügel zerstört. Und dank dieses schrecklichen und tragischen Ereignisses hatte Midge ihr eigenes großes Glück finden können.
Würde Audra noch leben, wäre Kenneth noch immer der glücklichste aller Ehemänner und Hals über Kopf in sie verliebt. Merrigan und Blue hätten ihre Mutter, Elf seine liebe alte Freundin, und Midge wäre noch immer Margaret und würde zusammen mit ihrer Mutter in East Dulwich ein Leben in manierlicher Mittelmäßigkeit und erdrückender Keuschheit führen. Wäre Kenneth nicht vor Kummer fassungslos gewesen, hätte er keinen zweiten Blick an sie verschwendet. Sie war gewöhnlich, er attraktiv. Sie war mittelmäßig, er vollkommen. Ihr Leben war farblos gewesen, seins war strahlend.
Und dennoch bedurfte es nur eines einzigen auf der gleichen Party verbrachten Abends, um das alles zu ändern. Man hatte sie als entfernte Bekannte der Gastgeberin eingeladen, um die Geschlechterbalance herzustellen, er war auf Drängen des Gastgebers gekommen. Selbst der verwitwete, gebrochene und ziellose Kenneth verlieh allen gesellschaftlichen Ereignissen seinen Glanz. Sie trafen sich auf dem Balkon, wo sie trotz der Kälte im selben Moment Zuflucht vor dem Gedränge suchten. Er fand in ihr eine mitfühlende Zuhörerin, und ein Band wurde geschmiedet. Später meinte er, sie habe sich mit ihrer absichtslosen Freundlichkeit auf erfrischende Weise von all den anderen Frauen abgehoben, die vorgaben, sich für seine Misere zu interessieren, während sie in Wirklichkeit nur darauf warteten, bei ihm punkten zu können, wenn sie hartnäckig blieben. Frauen wie Roberta. Und Midges Anteilnahme war tatsächlich selbstlos gewesen – niemals hätte sie sich Chancen bei Kenneth Camberwell ausgerechnet. Ein so hohes Ziel hätte sie sich selbst dann nicht gesteckt, wenn sie sich nicht ohnehin schon längst damit abgefunden gehabt hätte, ehelos zu bleiben.
Aus der Freundschaft, die sich daraus entwickelte, wurde bald mehr. Doch selbst, als er mit ihr ins Bett ging, verfolgte sie damit keinerlei Absichten, wie es so schön heißt. Sie gab sich nicht der schmeichelhaften Vorstellung hin, er könnte sie schön finden. Machte sich keine Illusionen, von ihm geliebt zu werden. Sah darin nichts weiter als das Bedürfnis, nach so lange zölibatär verbrachter Zeit körperliche Geborgenheit zu finden, mit emotionaler Nähe den dunklen Graben zu füllen, den Audras Verlust aufgerissen hatte. Mehr war das nicht.
Margaret war ein altmodisches Mädchen. Frau. Für eine sinnliche Tändelei war sie weder aufgrund ihres Temperaments noch ihrer Erziehung geschaffen. Doch genau danach stand ihr der Sinn, denn sie liebte Kenneth so sehr. Außerdem war sie die eisige Last ihrer Jungfräulichkeit leid und wollte sie keinen Moment länger mehr ertragen. Oftmals sind es die atypischen Entscheidungen, die uns die Quintessenz dessen, was wir sind, vor Augen führen, die Schatten, vor denen sich das Licht abhebt und umso heller strahlt. Ja, Margaret Fawcett war mustergültig, tugendhaft und durch und durch Dame. Aber in jener Nacht, als Kenneth sich ihr zuwandte, das schöne Gesicht tränenüberströmt, die Hände linkisch in seiner Bedürftigkeit, entschied sie sich dafür, Ja zu sagen, denn sie wusste, sie würde es für den Rest ihres Lebens bereuen, wenn sie es nicht täte.
Mehr als diese eine Nacht wollte sie sich nicht erhoffen. Während sie die Nadeln aus ihren Haaren zog, ermahnte sie sich streng: Selbst wenn morgen das Leben wieder zur Normalität zurückkehrt, kannst du dich glücklich schätzen, denn das kann dir keiner mehr nehmen. Einmal nicht vernünftig, sondern lustbetont. Eine über sich hinauswachsende Margaret, begehrt, wenn auch nur vorübergehend, von einem Frauenschwarm wie Kenneth Camberwell. Eine Margaret, die auf unkonventionelle Weise Beistand leistete, anstatt nur den Erwartungen zu entsprechen. Dieses neue Selbstgefühl war so berauschend wie seine Hände, die ihr die Strümpfe abstreiften, so aufregend wie sein Atem auf ihren Lippen. Und das Leben kehrte nie wieder zur Normalität zurück.
Am folgenden Morgen brach sie sofort den mit sich geschlossenen Pakt und sehnte sich nach mehr. Glücklich fühlte sie sich nicht – vielmehr wütend, dass sie darauf neununddreißig Jahre hatte warten müssen, dass das Leben es ihr bis jetzt vorenthalten hatte.
Vom Kennenlernen bis zur Heirat brauchten Kenneth und Midge gerade mal zehn Monate. Als er um ihre Hand anhielt, versuchte sie, es ihm auszureden. Sie liebte ihn zu sehr, als ihn in der Falle seines Anstands gefangen sehen zu wollen, dazu war sie zu stolz. Aber er bestand darauf.
Und ihr Leben wurde völlig umgekrempelt. Auf einmal hatte sie nicht nur einen Ehemann, sondern zwei wunderbare Stieftöchter. Sie lebte in einem Haus, das für sie der Inbegriff von Luxus war. Sie befand sich im Zentrum von gesellschaftlichen Kreisen, denen anzugehören sie früher erstrebenswert gefunden hätte, wenn sie sich denn getraut hätte. Selbst jetzt, mittendrin, fühlte sie sich wie ein Fisch auf dem Trockenen.
Eine Klingel ertönte, und das ungezwungene Plaudern vor dem Brunch fand ein Ende. Erleichtert bewegte Midge sich auf den Tisch zu; wenigstens würde sie nun für ein paar Stunden neben Kenneth sitzen. Sie sah ihn von der anderen Seite der Bar näher kommen, am Arm nicht Roberta, sondern die schöne Cassandra Tilley. Also war es ihm gelungen, sich den Fängen der gefürchteten Bobbie zu entziehen, aber dennoch hatte er keine Anstalten unternommen, sie zu suchen. Midge seufzte. Sorgen machte sie sich keine, denn Kenneth war ein Ehrenmann und Cassandra im selben Alter wie Blue. Aber ärgerlich fand sie es, wie sehr er die ihm entgegengebrachte Aufmerksamkeit genoss.
Am Tisch wartete die nächste Enttäuschung auf sie: Es gab eine Sitzordnung, und man hatte Midge zwischen zwei Männer gesetzt, die sie kaum kannte. Und natürlich wird Bobbie neben meinem Ehemann sitzen, wettete sie, als sie wütend ihren Platz einnahm. Bobbie war es nicht, aber es hätte auch so kaum schlimmer kommen können. Kenneth saß am Kopf des Tisches, hatte also vor aller Augen den Vorsitz über dieses Ereignis inne, als spielte er in Bobbies Leben eine besondere Rolle. Und Kenneth genoss es zu präsidieren! Also tat er es und brachte das Kopfende des Tisches zum Lachen. Midge saß zu weit weg, um seine Scherze hören zu können. Sie hatte das Gefühl, an einem kühlen Platz zu sitzen, den die Sonne nicht erreichte.
Nun, es war nur für ein Frühstück, nur für einen Morgen. Midge fand sich damit ab und unterhielt sich höflich mit ihren Tischnachbarn, ohne dass dabei Begeisterung aufkam. Tatsächlich waren sie aber alle absolut freundlich. Doch aus dem Augenwinkel bemerkte Midge, dass auf dem Sitz neben Kenneth offenbar ein fliegender Wechsel stattfand. Jedes Mal, wenn ihr Blick darauf fiel, hatte eine andere Frau ihn in Beschlag genommen.
Endlich war es vorbei. Endlich kam Kenneth zu ihr, in Hochstimmung.
»Ich habe dich so vermisst, Midgey«, strahlte er und schlang einen Arm um ihre Taille. »Hast du dich gut amüsiert? Hab ich nicht gesagt, es würde ein Riesenspaß werden?« Er tätschelte ihren Hals.
Aber sie entzog sich ihm. Sie war nicht in der Stimmung. Sie holten ihre Mäntel, wurden auf ihrem Weg nach draußen jedoch ständig aufgehalten, weil sich jemand verabschieden wollte. Midge platzte vor Ungeduld. Auf dem Heimweg gab Kenneth all den Klatsch von seinem Ende des Tisches zum Besten, und Midge hörte zähneknirschend zu. Vielleicht hätte sie etwas sagen sollen, aber Frauen ihres Alters waren dazu erzogen, ihre Ehemänner nicht zu kritisieren. Außerdem war Midge inzwischen sehr geübt darin, ihre Zunge im Zaum zu halten. Davon hing schließlich alles ab.
Die Rückkehr zum Richmond Castle war wie ein Zurückkommen in eine Welt, in der alles einen Sinn ergab. Midges sicherer Hafen. Schon vom ersten Tag an hatte sie das Gefühl, hierher zu gehören, obwohl Audra vor ihr hier Hausherrin gewesen war. Midge hatte sich über beide Ohren in Kenneth verliebt, und dann war es ihr mit diesem Haus genauso ergangen.
Nie mehr wollte sie es verlassen, genauso wenig wie Kenneth und die Mädchen. So irrational das auch war, fürchtete sie doch ständig, eines Tages hinausgeworfen zu werden. Diese Furcht war so stark, dass sie ihre Tage trübte, einen Schatten warf, der sie verfolgte. Und er wog überraschend schwer für etwas derart Substanzloses. Wie ihn tragen, ohne ins Straucheln zu geraten?
An der Richmond Station hatte Delphine eine Glückssträhne – ihre erste seit Langem. Der Kontrolleur war in einen langen und hitzigen Disput mit einer molligen Dame in lavendelblauer Bluse verstrickt und winkte alle anderen ungeduldig durch. Und so fand sie sich unter den Reisenden wieder, die den Bahnhof verließen, und gelangte, indem sie der Menge folgte, schon bald in eine hübsche Nebenstraße mit Juwelierläden und Hutgeschäften und einer Süßwarenhandlung … alles schöne Luxusartikel, die sie sich niemals würde leisten können. Viel zu lange verweilte sie vor den hübschen Auslagen, und als sie sich endlich losriss, entdeckte sie eine weitere Augenweide: eine sonnenbeschienene Grünfläche, umgeben von hübschen alten Backsteinhäusern, die ein Flor violetter Blüten überzog. Männer in Weiß spielten Kricket, und die Luft schwang mit, wenn der Schläger mit einem vornehmen Klacken den Ball traf.
Als sie ein Café entdeckte, trat sie ein und gönnte sich eine Tasse Tee mit Gebäck, obwohl sie dazu etwas von ihrem mühsam Ersparten hergeben musste, das sie für … nun, für ihr Leben brauchte. Doch sie empfand diese kurze Verschnaufpause, in der sie ihre Ängste, wenn auch nur für eine Stunde, ablegte, als unaussprechlichen Luxus, einen Luxus, den sie sich leisten konnte. Auf der Flucht zu sein hatte eine gefährlich euphorische Wirkung.
Hier war es ihr auch möglich, sich ein wenig zu sammeln. Sie war vom Kurs abgekommen. Ein Blick auf den Plan der Londoner U-Bahn zeigte ihr, wie das passieren konnte. Sie hätte an der Victoria Station aussteigen müssen, war aber offenbar eingeschlafen und hatte die Haltestelle verpasst. Überraschend war das nicht: Seit Jahren hatte sie nicht mehr richtig geschlafen. Es schien an der Erleichterung gelegen zu haben, weg von Foley und diesem Haus zu sein. Doch sie konnte es sich nicht erlauben, jetzt schon unachtsam zu werden.
Sie warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. Es war noch früh am Tag, noch würde Muriel sich nicht fragen, wo sie blieb. Und noch war es nicht zu spät, ihren ursprünglichen Plan zu verfolgen, der vorsah, dass sie an der Victoria Station in den Zug nach Sussex stieg, wo eine alte Schulfreundin von ihr wohnte. Eine so langjährige Freundin sogar, dass sie ihren Namen Foley gegenüber nie erwähnt hatte, und das war gut so. Zwar hatte sie von Betty seit Jahren nichts mehr gehört, den Namen des Dorfs, in dem sie lebte, aber nie vergessen, weshalb sie sich vorgenommen hatte, dorthin zu fahren und Nachforschungen anzustellen. Betty hatte immer engen Kontakt zu ihrer Familie unterhalten und dürfte sich deshalb nicht weit von ihr entfernt haben – hoffte Delphine. Sofern sie Betty finden konnte, wäre sie bestimmt in Sicherheit. Foley war gewieft und resolut, aber wenn sie London erst mal hinter sich gelassen hatte, wie konnte er da wissen, wo sie war? Da könnte er auch einfach einen Namen aus einem Hut ziehen. Dass Betty ihr helfen würde, stand für sie außer Frage. Schließlich waren sie früher mal gute Freundinnen gewesen.
Dieser Umweg jedoch hatte eine ganz unerwartete Wirkung auf sie. Nie hätte sie gedacht, so empfänglich für Schönheit und Wohlstand zu sein – immerhin hatte sie achtundzwanzig Jahre vollkommen ohne verbracht! Und der törichte Wunsch, hierbleiben zu können, schlich sich ein, doch sie musste sich unbedingt an ihren Plan halten. Noch immer könnte sie um die Mittagszeit im Zug nach Sussex sitzen, während Muriel den Pflaumenkuchen aufschnitt und jeden Moment mit ihr rechnete.
»Sind Sie für einen Tagesausflug hier, Miss?«, erkundigte sich die Bedienung, als sie Delphine die Rechnung brachte.
Natürlich sah man ihr an, dass sie keine Einheimische war. Delphine nickte.
»Dann geht es als Nächstes wohl zum Fluss?«, meinte das fröhliche Mädchen, als wäre es für Besucher das Nächstliegende.
»W…w…?«
»Wo der ist? Gehen Sie einfach geradeaus über die Grünfläche, und folgen Sie dem Weg. Sind höchstens fünf Minuten.«
Der Einfachheit halber nickte Delphine wieder und kramte ein paar Münzen hervor. »D…d…danke«, sagte sie, als sie aufbrach.
»Ach, die Arme!«, rief die Kellnerin, noch bevor Delphine ganz außer Hörweite war. Sie spürte die in eine Gesichtshälfte einschießende Röte.
Sie sollte auf direktem Weg zurück zum Bahnhof gehen. Um vernünftigerweise so schnell wie möglich weit weg von Foley zu kommen. Aber sie wollte den Fluss sehen. Wollte wissen, ob er hier in Richmond irgendwie anders war, so wie die Häuser, die Menschen, die Luft. Der Flussabschnitt der Themse, den Delphine am besten kannte, in der Nähe des Hauses ihrer Mutter in Aldgate, war ein brauner, schlickiger träger Wurm, der sich unter der Tower Bridge durchschlängelte.
Er war tatsächlich anders. Sie gelangte auf einen breiten, von der Sonne bestrahlten Spazierweg, eingefasst von großen weißen Gebäuden, die unglaublich vornehm wirkten. Hier war der Fluss grün. Einige Brücken überspannten ihn, und seine Ufer säumten Weiden. Ein Fischreiher, ein schiefergraues Wesen wie aus einer anderen Zeit, schwang sich vom Blätterdach auf und glitt flussabwärts. Enten quakten, und Schwäne trompeteten einfach so zum Zeitvertreib. Es war wunderschön. Bis jetzt hatte Delphine keine Ahnung gehabt, wie sehr es sie nach Schönheit verlangte. Und nur der Himmel wusste, wie wenig ihr davon bisher zuteilgeworden war.
Sie zog sich den Schal ums Gesicht, um es zu verstecken. Es war kein Schalwetter, aber sie hatte ein paar zusätzliche Kleidungsstücke angezogen, die keinen Platz mehr in ihren Taschen fanden. Es war fürchterlich heiß, doch sie zog es vor, bedeckt zu bleiben.
Nachdem sie den Fluss nun gesehen hatte, wäre es an der Zeit, wieder zu gehen, aber sie verweilte. Wie muss es sein, hier zu leben? Welche Auswirkung hatte es auf das Leben, hier jeden Morgen in so viel Schönheit aufzuwachen, umgeben von Hebewerken und Palästen, von Weiden und verträumten Wasserläufen?
Also gestattete sie sich einen letzten Luxus. Sie würde einen kurzen Spaziergang entlang des Flusses machen, nur bis zu jener anmutigen weißen Brücke, und dann umkehren und zurückgehen. Dabei wollte sie sich so langsam wie möglich bewegen und sich mit ihrem ganzen Sein auf jeden Schritt konzentrieren. So würde dieser Ort sich womöglich für immer in ihr einprägen. Und auf diese Weise würde sie ihn nie mehr vergessen. Und vielleicht hinterließe auch sie eine Spur an diesem Ort … und dieser gegenseitige Eindruck würde sie dann eines Tages, wenn alles anders war, wieder hierher zurückbringen. Wie von Zauberhand. Aber damit das geschehen konnte, war volle Konzentration von ihr gefordert.
»Er ist natürlich von Foster!«, verkündete Blue ein wenig hitzig, nachdem Merrigan und Tabitha den Brief gelesen und in Gelächter ausgebrochen waren, in das Blue nicht einstimmen konnte. Sie saßen an einem weiteren strahlenden Spätsommermorgen am Fluss. Merrigans kleine Cicely döste wie Moses in einem Körbchen. Weiden ließen schwermütig ihre Zweige ins Wasser hängen, in dem sich Bäume, Himmel und die Ewigkeit spiegelten.
»Ja, das stimmt«, prustete Tabitha, die fast schluchzte vor Lachen. »Das ist tatsächlich seine Handschrift, und das ist mein Briefpapier. Dann hat er also meinen Briefpapiervorrat geplündert? Oh Mann, kleine Brüder sind eine Plage. Seid froh, dass ihr keinen habt … Oh!« Sie richtete sich auf. »Tut mir sehr leid, Mädels. Oh Gott, wie konnte ich nur so was sagen? Ich wollte nicht …«
»Ist ja gut, Tab, wir wissen, wie’s gemeint war«, beruhigte Blue sie. »Hier geht es um deinen Bruder, nicht um unseren. Aber was Foster da getan hat, das ist nicht lustig.«
»Ist es wohl«, widersprach Merrigan.
»Ist es nicht! Der arme Junge! Seine Gefühle! Ich habe es Daddy bereits erzählt. Dank seiner kessen Laune muss das Herz eines guten Freundes Schaden nehmen. Dank Daddy meint nun Gott und die Welt in mich verliebt zu sein, obwohl sie es gar nicht sind!«
»Foster ist siebzehn«, bemerkte Tabitha und kniff die Augen zusammen. »Sein Herz ist nicht das Organ, mit dem er sich beschäftigt!«
»Tab! Du bist schamlos!«
»Stimmt es etwa nicht? Nichts für ungut, meine Liebe, aber wenn du es ihm verklickert hast, findet er bestimmt eine andere, die er anschmachten kann. Davon geht die Welt nicht unter. Er wird wieder auf die Beine kommen.«
Blue musste an den sehnsüchtigen Blick denken, mit dem er sie auf dem Fest angesehen hatte, seinen sich auf und ab bewegenden Adamsapfel, und war sich da nicht so sicher. Sie hoffte, Tab möge recht behalten, aber siebzehn war ein empfindsames Alter, da loderten die Gefühle nur umso heftiger, wenn alle Welt einen missachtete. Es war ihr wichtig, achtsam mit den Menschen umzugehen. Schließlich konnte man nie wissen, womit sie sich gerade herumschlagen mussten.
»Wenn du schon so besorgt um ihn bist, Blue, dann versuch es doch mit ihm!«, schlug Merrigan mit einem boshaften Lächeln vor. »Was er sagt, stimmt ja, er kommt aus einer guten Familie. Und er würde dich arbeiten lassen!«
Nun erlaubte auch Blue sich ein Lächeln. Der Gedanke, dass der linkische, schlaksige Foster, den sie seit Kindheitstagen kannte, sie etwas tunließ, war wirklich amüsant. »Nein«, sagte sie und beobachtete das Ententrio, das auf dem Fluss landete und drei sich überlappende Kielwasserspuren hinter sich herzog.
»Willst du damit sagen, du findest Tabs Bruder nicht attraktiv? Bist du nicht beleidigt, Tab?«, bohrte Merrigan nach, die ungern eine Gelegenheit ausließ, für ein bisschen Stunk zu sorgen.
»Nicht im Geringsten«, erklärte Tabitha und lehnte sich auf ihre Ellbogen gestützt zurück. »Er ist lieb, aber unbedarft. Er hat nicht die Hälfte von meinem Verstand, meinem Aussehen oder Charme – ein Glück, dass der Kuchen zu meinen Gunsten aufgeteilt wurde, kann ich da nur sagen! Und mal ganz ehrlich, er sollte doch um Himmels willen ihre Imagination beflügeln! Wer wirbt denn um ein Mädchen, indem er was von Eutern faselt? Da möchte man sich ja gleich die Hände waschen.«
»Da hast du recht«, gackerte Merrigan und weckte damit Cicely auf, die zu quäken anfing und alle verärgert ansah.
Blue rollte mit den Augen und zeigte ihnen die kalte Schulter. Im Duo waren die beiden umwerfend komisch, aber sehr strapaziös, wenn man mit anderen Dingen beschäftigt war. Sie hatte ihren Vater bereits angewiesen, sich Foster bei der nächsten Gelegenheit zu schnappen und ihm – in aller Deutlichkeit – zu erklären, dass das alles Unsinn war, auf den er sich nicht einlassen sollte. Schließlich hatte Daddy den Schlamassel angerichtet, da konnte er sich auch um dessen Beseitigung kümmern. Und dann auch Schluss damit!, hoffte sie.
Die Vogelwelt zu beobachten bereitete ihr Freude. Schwäne, Gänse und Enten versammelten sich hier zu Dutzenden. Vögel von Rang und Namen, ging ihr durch den Kopf, und sie fischte ihren kleinen Notizblock und den Stift heraus, weil ihr diese Formulierung gefiel. In welchem Zusammenhang diese allerdings passend sein könnte, war schwer vorstellbar. Sie hatte ganze Notizbücher mit solchen Formulierungen – die erst völlig überzeugten, sich aber auf nichts anwenden ließen, wenn es darum ging, etwas Sinnvolles zu schreiben.
»Geschwaderführer Gans!«, pflegte Kenneth zu sagen, als Blue noch klein war und begeistert den über ihr fliegenden Gänsen zuwinkte. Bei dieser Erinnerung musste sie lächeln.
Dann fiel ihr eine Gestalt ins Auge, direkt am Fluss, wo es zur alten viktorianischen Bootsschleuse ging. Es war eine Frau, die auf Blue einen unerträglich einsamen Eindruck machte. Sie setzte sich auf und schirmte ihre Augen ab, um besser sehen zu können. Dass sie ihr auffiel, mochte an ihrem schäbigen Mantel liegen oder vielleicht auch an der Tatsache, dass sie überhaupt einen trug bei diesem Wetter. Und dazu noch die Körperhaltung dieses armen Dings! Sie schlurfte dahin, als koste es sie unüberwindbare Mühe, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Sie ließ den Kopf hängen, und sofern Blue ihren Augen trauen konnte, waren die Schultern in einem merkwürdigen Winkel ausgerichtet. Geknickt,befand Blue, und ihr Herz schwoll vor Mitleid.
»Seht doch nur …«, hob sie an, als plötzlich tumultartiger Lärm ausbrach. Geklapper und Schreie, und dann tauchte tatsächlich ein Pferd auf. Es war Albert, das Molkereipferd, wie sie sofort erkannte an seinem weißen Fell, das vom Schweiß wie geschlagene Sahne aussah. Sein Geschirr und eine gebrochene Deichsel bewegten sich wild fuchtelnd, als er im Galopp auf die Richmond Bridge zupreschte. Kreischen von einigen Spaziergängern und Menschen beim Picknick, die sich vor Albert in Sicherheit brachten. Aber nicht die Fremde. Sie schlurfte weiter, als wäre sie vollkommen taub für den Aufruhr.
»Ist sie betrunken?«, warf Tabitha ein, als sie Blues Blickrichtung folgte. »Warum geht sie nicht zur Seite? Na, so was!«, rief sie und gestikulierte wie wild. Aber die Frau ließ sich nicht beirren in ihrem schwerfälligen Gang, während Albert weitersprengte, obwohl die Hufe auf den Kopfsteinen abglitten und die gesplitterte Deichsel seinen eigenen Beinen gefährlich nahe kam.
»Er wird stürzen«, schrie Blue und sprang auf. »Oder diese Frau über den Haufen rennen.« Sie rannte los und schrie dabei: »Hallo! Weg da! Weg da! Ausgebrochenes Pferd!«
In allerletzter Minute riss die Frau sich aus ihrer Träumerei und machte einen erschrockenen Satz zur Seite. Aber leider in die falsche Richtung, wo sie mit einem heftigen Platsch im Fluss landete.
Blue zögerte. Voll bekleidet ins Wasser zu fallen war nicht ideal, tat aber auch nicht weh, wohingegen Albert jetzt ins Stolpern geriet, weil die lose Deichsel seine überstürzte Flucht ausbremste. Wenn das Pferd auf diesem Kopfsteinpflaster stürzte, wäre es um seine Knie geschehen, und kaputte Knie hatten schon der Karriere von vielen Pferden ein Ende gesetzt. Und man würde Paul, der für die Molkerei arbeitete, für den Verlust zur Verantwortung ziehen. Ohne auf die vage an ihr Ohr dringenden Schreie ihrer Schwester zu achten, die sich irgendwo hinter ihr befand, sprang sie Albert in den Weg und wedelte vor dem schnaubenden Tier entschlossen mit den Armen.
»Stopp, Albert!«, schrie sie, als er mit den Hufen klappernd und schlitternd einen halbherzigen Versuch unternahm, sich aufzubäumen. Seine Vorderhufe fuchtelten irgendwo um Blues Gesicht herum, und sie hörte wieder einen Aufschrei von Merrigan, duckte sich aber zwischen seinen Beinen hindurch und rammte ihre Schulter in seine massige Brust. Dann fasste sie die Zügel knapp unter seinem Hals und zog sie kraftvoll nach unten. »Stopp!«, befahl sie erneut und war erleichtert, als sie spürte, dass sein Kampfgeist ihn verließ. »Alles gut, alles gut«, murmelte sie. »Dummerchen. Jetzt bist du sicher. Ganz ruhig, ganz ruhig.«
»Danke, Miss Blue, herzlichen Dank!«, rief Paul, der auf sie und das Pferd zugerannt kam. Blue hielt die Zügel, während er mit den Händen über Alberts Beine strich. »Ich denke, wir sind gut weggekommen, Miss, er scheint in Ordnung zu sein. Das verdanke ich Ihnen …«
»Sie verdanken mir gar nichts, Paul. Ich bin nur froh, dass er nicht gestürzt ist.«
»Ich auch, Miss! Das hätte mich meinen Job kosten können. Und nicht jede junge Dame wäre hier so dazwischengegangen wie Sie.«
Dann wurde Blue von einer schwesterlichen Umarmung erdrückt, und während Merrigan sie fest in den Armen hielt, sagte sie immer wieder »Oh, Blue«.
»Wo ist denn die Frau?«, wunderte sich Tabitha, die Merrigan gefolgt war und den Babykorb schlenkerte, als wollte sie zum Wurf ausholen. »Die in den Fluss gefallen ist?«
»Du lieber Himmel, ja!«, rief Blue und rannte ans Ufer. Einen schrecklichen Moment lang konnte sie außer Booten und Vögeln nichts erkennen und malte sich aus, wie die grünen Fluten sich über dem Kopf der Fremden schlossen. Dann zeigte Merrigan auf etwas, und Blue sah auf dem Wasser einen dunklen, glatten Kopf, dümpelnd wie eine Robbe. Sie hielt sich an der Seite eines Ruderboots fest und machte einen völlig versteinerten Eindruck. Sie musste einen schlimmen Schock erlitten haben.
»Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, rief Blue ihr zu. »Schwimmen Sie rüber! Es ist nicht weit. Wir helfen Ihnen dann raus.«
Die Frau antwortete nicht, hielt sich fest und schaukelte mit den Wellen. »Sie kann nicht schwimmen«, befand Paul. »Da wette ich was. Halten Sie bitte Albert fest, Miss Blue. Ich helfe ihr.«
Er sprang in ein Boot und von dort ins nächste, bis er bei dem angekommen war, an dem sich die Frau festhielt. Als er an Bord kam, begann es zu schaukeln, und die Frau schrie und verlor den Halt. Entsetzt riss Blue die Hände vor den Mund, aber Paul war in Windeseile auf den Knien. Er packte den Mantel der Frau und hielt sie wie ein Kätzchen am Schlafittchen fest. »Nehmen Sie meine Hand, Miss«, hörte sie ihn sagen.
»Oh Mann, wie aufregend«, murmelte Tabitha und ließ den Babykorb auf das Kopfsteinpflaster fallen, um sich besser darauf konzentrieren zu können.
»Das ist mein Kind und kein Eimer«, protestierte Merrigan.
»Dein Kind ist schwer! Sie ist ein kleines Rhinozeros.«
Paul schaffte es irgendwie, die Frau von einem Boot zum nächsten bis zu der Steinmauer zu zerren, wo Blue und die anderen warteten. Mit vereinten Kräften, indem Paul sie von unten anhob und Tabitha und Merrigan an ihren Armen zogen, gelang es ihnen, sie aufs Trockene zu befördern. Dort fiel sie zu einem durchweichten, formlosen Haufen zusammen. Paul zog sich hoch und führte Albert weg, nachdem er sich noch mal bei Blue bedankt hatte.
Blue hockte sich neben die Fremde. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen, meine Liebe? Sie sind jetzt in Sicherheit. Wir werden uns um Sie kümmern. Wie heißen Sie?«
Die Frau setzte sich auf und sah sich um. Sie öffnete mehrmals ihren Mund und schloss ihn wieder, ohne dass ein Laut herauskam. Sprachlos, vermutete Blue. Ihr fielen die durchweichten schweren Kleider ins Auge, die schiefen Schultern und ein großes fast dreieckiges Mal auf ihrer linken Wange – vermutlich ein Geburtsmal. Es verunstaltete ein ansonsten hübsches Gesicht mit langen dunklen Haaren, nun ein nasses Band, und auffällig großen blauen Augen, deren Ausdruck jedoch vermuten ließ, dass sie zu viele schreckliche Dinge gesehen hatten.
»Wie heißen Sie?«, wiederholte Blue sanft ihre Frage. »Ich bin Ishbel Camberwell, aber meine Freunde nennen mich Blue.«
Langsam kam Delphine zu sich. Immerhin hatte sie den Sturz in den Fluss überlebt. Die überstürzte Flucht Richtung Wasser, die Angst zu ertrinken hatten unheimliche Ähnlichkeit mit ihrem Traum vorhin in der U-Bahn. Sie war durchtränkt von schwerem, penetrant riechendem Flusswasser. Eigentlich hatte sie sich ja gewünscht, dass der Ort auf sie abfärbte, einen Eindruck hinterließ, aber das ging nun doch etwas zu weit.
Drei fremde Gesichter, die alle zu schönen, eleganten jungen Frauen gehörten, starrten sie an. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, Überlegungen anzustellen, die Foley ihre »bekloppten Delphine-Gedanken« nannte. Vor allem eine von ihnen – goldblonde Haare, dunkle Augen, blasse Haut – sah sie auf äußerst mitfühlende Art an.
»Meine Freunde nennen mich Blue«, sagte sie.
»D…D…Delphine«, brachte Delphine schließlich doch noch über die Lippen und streckte eine nasse Hand aus. Das goldene Mädchen – Blue – schüttelte sie.
»Was für ein hübscher Name«, sagte sie. »Und so ein fürchterlicher Schreck«, ergänzte sie. »Wohnen Sie hier in der Nähe?«
Welten entfernt. Delphine schüttelte den Kopf.
»Dann müssen Sie mit zu uns nach Hause kommen, um trocken zu werden. So können Sie unmöglich Ihren Weg fortsetzen.«
»Nein!« Die Aussicht, noch mehr Zeit zu verlieren, nachdem sie ohnehin schon zu sehr getrödelt hatte, und sich tropfnass, wie sie war, in das Heim einer Fremden zu begeben, wo sie neugierige Fragen würde abwehren müssen, schockierte sie so sehr, dass sie für einen kurzen Moment ihre Eloquenz zurückgewann. »Es ist warm.« Ihre Erfahrung hatte sie gelehrt, dass kurze einfache Sätze am besten funktionierten. Das machte zwar einen recht ruppigen Eindruck, aber die von ihr eigentlich bevorzugten freundlicheren Formulierungen entglitten ihr immer. »Ich werde trocknen. Aber danke.«
»Unsinn«, sagte eine zweite junge Dame, die der ersten sehr ähnlich sah, wenn auch mit braunen Haaren und stämmigerer Figur und einer Mimik, die Respekt einflößte. »Sie werden sich zwar nicht erkälten, aber sehr unwohl fühlen, feucht und glitschig. Außerdem sehen Sie schlimm aus! Kommen Sie, es ist nicht weit.«
»Genau!«, warf das dritte Mädchen ein – schwarze Locken, Augen so grün wie Gras. »Wo sind eigentlich Ihre Sachen? Delphine, nicht wahr? Hatten Sie keine Tasche oder so dabei? Ich meine … das da gehört nicht zufällig Ihnen?«
Delphine wandte sich um und sah zu ihrem Entsetzen ihre Handtasche den Fluss hinuntertreiben. Und wenn sie sich nicht täuschte, folgte der lange, aalartige Riemen ihrer Schultertasche hinterher. Sie begann zu weinen. Sie konnte nicht anders.
»Oh Gott«, sagte die mit den Grasaugen. »Ich schließe daraus, dass es Ihre sind. Verdammt. Soll ich vielleicht einen der Schiffer fragen, ob sie danach staken können, oder so?«
»Einen Versuch ist es wert«, meinte Merrigan. »Dann flitz mal los, meine Liebe. Aber keine Zeit mit Flirten vergeuden, hörst du!«
Dann waren nur noch zwei da. Schwestern, da war Delphine sich sicher, nicht nur wegen der Ähnlichkeit, sondern wegen ihrer unbefangenen Art, wie sie ohne Absprache die Hände unter ihre Achseln schoben und ihr auf die Beine halfen.
»Nun machen Sie sich keine Sorgen!«, sagte Blue. »Tab wird Ihre Tasche zurückbringen – sie wächst über sich hinaus, wenn sie gefordert ist. Und selbst wenn sie es nicht schaffen sollte, ist das kein Weltuntergang, denn wir können Ihnen einfach Geld leihen, damit Sie wieder nach Hause kommen. Sie können sich ganz sicher fühlen. Wo wohnen Sie denn?«
Sie war ganz im Wortsinn sprachlos.
Ich bin von zu Hause weggelaufen und kann nicht zurück. Seit fünf Jahren habe ich mich nicht mehr sicher gefühlt. Es ist nicht nur das Geld von heute, es ist mein ganzes Geld. Und es ist wirklich der Weltuntergang … All diese Gedanken schossen Delphine durch den Kopf, aber dort blieben sie auch.
»Macht nichts«, sagte Blue, als sie spürte, dass alles nicht so war, wie es sein sollte. »Wir können Ihnen fürs Erste saubere Kleider und was Heißes zu trinken geben. Tab kann nachkommen. Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.« Das sagte sie mit Nachdruck und hakte Delphine unter, ohne auf den Wasserfleck zu achten, der sich von Delphines Mantel über den Ärmel ihres hübschen zitronengelben Kleides ausbreitete. Dann brachen sie auf, erklommen ein paar Steinstufen, und dann ging es hoch auf einen Hügel.
Das Haus übertraf Delphines Befürchtungen, was heißen sollte, dass es weitaus stattlicher und hübscher war.
»D…da w…wohnen Sie also?«, fragte sie verwundert, als sie die kühle, luftige Diele betraten.
Blue nickte. »Hab ich nicht Glück? Ich sage ich und nicht wir, weil Merrigan jetzt verheiratet ist und nicht mehr hier wohnt. Aber ihr Haus ist gleich um die Ecke. Und das ist Cicely, ihre Tochter.«
Der Babykorb war Delphine bisher nicht aufgefallen. Sie spähte hinein und war so gerührt, dass sie ihre Sprache wiederfand. »Oh! Was für ein süßes kleines Mädchen. Ein Engelchen. D…d…dürfte ich …? Oh, tut mir leid, das geht nicht. Ich bin ja n…nass.«
»Sie im Arm halten?«, fragte Merrigan. »Natürlich dürfen Sie. Nun, wir sollten erst zusehen, dass Sie wieder trocken werden. Aber dann nur zu, sie ist ganz wild auf Liebkosungen.« Sie entfernte sich und rief nach jemand namens Midge.
»Kommen Sie«, sagte Blue und streckte eine Hand aus. Die Geste war so natürlich und geschwisterlich, und all das hatte Delphine so sehr vermisst, dass sie danach griff.
»Das ist mein Zimmer«, erklärte Blue und führte sie in einen Raum von der Farbe taubenblauer Schmetterlingsflügel, eine Schattierung, die Delphine an Paläste und Prinzessinnen und alle möglichen Dinge denken ließ, an die zu denken sie normalerweise keinen Anlass hatte. Weiße Musselinvorhänge hingen vor dem Fenster mit Blick in den Garten. Delphine erkannte ein Stück grünen Rasen und Blätter, die um die Fensterflügel flatterten. Es gab runde Schalen, die von Blumen überquollen – blau, rosa, violett und cremefarben –, und einen Lichtfänger aus Kristalltropfen. Delphine entfuhr ein unfreiwilliger Seufzer. Solche Schönheit war übermächtig, das konnte sie spüren.
»Ich frage mich …?«, überlegte Blue und nahm sie in Augenschein. »Merrigan hat am ehesten Ihre Größe, aber ich denke, ihre Sachen werden an Ihnen schrecklich dranhängen. Sie sind schlank wie Midge und ich, aber wir sind größer. Lassen Sie mich mal kramen.«
Sie öffnete einen großen Schrank, und Delphine konnte nur staunen angesichts der aufscheinenden Farbenpracht.
»Das könnte gehen«, meinte Blue und reichte Delphine ein rosa Kleid. »Und das vielleicht …« Eine cremefarbene Strickjacke folgte. »Unterwäsche …«, murmelte Blue und zog welche heraus, am Ende noch ein flauschiges weißes Handtuch. »Ich lasse Sie jetzt allein. Bedienen Sie sich am Waschstand, und kommen Sie einfach runter, wenn Sie fertig sind. Ich kümmere mich inzwischen um den Tee. Brauchen Sie sonst noch etwas?«
Delphine schüttelte den Kopf. »Sie sind so f…freundlich. Ich m…möchte nicht …«
»Aber Sie müssen.« Blue drückte ihren Arm. »Lassen Sie sich Zeit.« Und sie verschwand.
Allein im blauen Zimmer, stand Delphine völlig neben sich. Dass man ihr so viel Vertrauen entgegenbrachte! Sie war eine völlig Fremde, und es war doch offensichtlich, dass dies nicht ihr gewohntes Milieu war. Halsketten und Ohrringe lagen auf dem Ankleidetisch über der weißen Häkeldecke verstreut, zusammen mit Krimskrams und Büchern und Schals … Was für Versuchungen! Natürlich war Delphine keine Diebin, aber woher sollte Blue das wissen? Es sind nicht alle so wie Foley, sagte sie sich gerührt. Dann zog sie ihre nassen Kleider aus und fing an, sich zu säubern und abzutrocknen.
Was für ein Tag! Als wäre Bobbies Geburtstag nicht schon Aufregung genug gewesen, kamen Midges Stieftöchter, kaum hatte sie sich umgezogen, mit einer Fremden im Schlepptau und der Geschichte von einem durchgegangenen Pferd vom Fluss zurück. So was passiert nur im Richmond Castle, sagte Midge sich liebevoll und ging, um nachzusehen, was getan werden konnte.
Aber als die arme Gestrandete, die von den Mädchen aus dem Fluss gefischt worden war, nach unten kam, sorgte Midge nur für Tee und Crumpets und brachte einen Brandy für den Neuankömmling und ließ sie dann allein. Sie war ein so mitleiderregendes Geschöpf und schien in Blues altem rosafarbenen Kleid fast zu verschwinden, als hätte sie es nicht verdient, es zu tragen. Die arme Frau machte ganz den Eindruck, als würde eine weitere Person, die sich ihrer annahm, ihr noch den Rest geben.
Also kehrte Midge ins Wohnzimmer zurück, wo sie sich erst vor wenigen Stunden um die Lilien gekümmert hatte, und war froh, nach dem aufregenden Vormittag ein wenig Zeit für sich zu haben. Die cremefarbenen Blüten schimmerten in der Nachmittagssonne. Und Audra, die wunderschöne Audra, lächelte aus ihrem Gemälde über dem Kamin und stellte das Hochzeitsfoto von Kenneth und seiner komisch aussehenden zweiten Ehefrau in den Schatten.
Fast andächtig trat Midge vor das Gemälde, wie ein Kirchgänger vor die Bilder des Kreuzwegs. Audra hatte so ein hübsches Gesicht, und ihr großzügiges Lächeln war genauso wie das von Blue. Der Glanz auf ihrem braunen welligen Haar erinnerte an Sonnenlicht auf Kastanien. Sie war absolut der Typ Frau, der Männerherzen bezauberte. Das Dumme war nur, dass Midge sich manchmal wünschte, sie wäre noch immer hier. Natürlich nicht als Kenneths Ehefrau, sondern als Midges Freundin. Viele Freundinnen hatte Midge nie gehabt.
Jetzt hatte sie natürlich Kenneth. Aber es fiel ihr nicht leicht, ihre Verletzlichkeiten oder schwermütigeren Gefühle mit ihm zu teilen. Das war bei Elf schon einfacher. Ihm konnte sie ihre Abgründe anvertrauen, aber er war ein Mann, und das war nicht dasselbe.
Was Merrigan und Blue betraf, so waren sie einfach liebenswert, aber als ihre Stiefmutter hielt Midge es nicht für angebracht, sich an ihren Schultern auszuweinen. Außerdem ging es bei dem, was sie am meisten beunruhigte, meist um Themen, die diesen beiden nie Probleme bereiten dürften. Denn Midge liebte sie – liebte sie von ganzem Herzen.
Vor ihrer ersten Begegnung war sie schrecklich aufgeregt gewesen. Zwei vollkommene, kultivierte junge Damen – wie würde deren Urteil ausfallen? Zwei Mädchen, die ihre Mutter auf tragische Weise in jungen Jahren verloren hatten. Wie würden sie darauf reagieren, wenn sie sich bei ihnen einnistete? Seit Audras Dahinscheiden waren schließlich erst zwei Jahre vergangen.
Aber der warmherzige Empfang, den sie ihr zuteilwerden ließen, überstieg alle Hoffnungen. Sie freuten sich, dass ihr Vater nicht mehr länger allein war, und waren begeistert, sie kennenzulernen, und froh, wieder eine mütterliche Bezugsperson zu haben. Sie waren zudem einfühlsam: Sie erkannten, wie unsicher Midge sich fühlte, und gaben sich große Mühe, ihr zu zeigen, dass sie geschätzt wurde. Jetzt waren sie ein Trio: die Camberwell Girls. Und sie hoffte, dass Audra ihre Freude daran hätte.
Abrupt wandte sie sich ab. Sie verbrachte entschieden zu viel Zeit damit, dieses Gemälde anzustarren. Es war kein Orakel. Rettung konnte es ihr keine bieten.
Aber es brachte Midge auf eine Idee. Eine Möglichkeit, alles zu vergessen, was früher geschehen war und sich nicht unmittelbar im Jetzt zutrug. Ein Weg, einen Sinn zu finden, so, wie die jungen Frauen von heute mit ihren Plänen und Ambitionen. Etwas, was nur ihr allein gehörte. Sie sah sich um und überlegte, ob sie den Mut dazu aufbringen würde. Es war ein schöner Raum, unverändert, seit Midge hergekommen war – denn wie sollte man etwas besser machen, das bereits perfekt war? Und dennoch, Veränderungen waren gut, oder nicht? Sie waren die Essenz des Lebens selbst, wie Elf meinte. Ein Projekt täte ihr gut, würde sie voranbringen, ihr vielleicht sogar die Angst nehmen. Ja, ein Projekt. Sie würde renovieren.
»Ich kann nicht nach Hause! Ich kann nicht, ich kann nicht!«, rief Delphine. Sie schwieg erstaunt. Nicht nur hatte sie es ohne Stottern über die Lippen gebracht, sondern eigentlich gar nicht sagen wollen.
Jetzt waren wieder alle drei versammelt. Tabitha Foxton, die Freundin, war mit der Nachricht gekommen, dass Delphines Taschen an die Themse verloren waren. Alle drei bombardierten sie jetzt mit Fragen. Sie kannten ihre Lebensumstände nicht. Für sie war es das Natürlichste auf der Welt, ihr zu helfen, wieder nach Hause zu kommen, als wären damit alle Probleme gelöst.
Sie hatte nicht vorgehabt, es ihnen zu erklären. Die Jahre des Zusammenlebens mit Foley hatten es ihr unmöglich gemacht, überhaupt jemandem zu vertrauen, geschweige denn Fremden. Und sie hatte Angst. Was, wenn man sie in einem Haushalt wie diesem schräg ansehen würde, weil sie ihren Ehemann verlassen hatte? Man lebte zwar in den Zwanzigerjahren, aber die Ehe war den meisten Menschen noch immer heilig. Wenn sie nun darauf bestanden, sie zurückzubringen? Delphine hatte gelernt, dass man nie wissen konnte, woran man war. Aber diese Menschen hier waren auf schonungslose und erschöpfende Weise fürsorglich.
»Haben Sie zu Hause ein Telefon, damit wir Ihren Ehemann anrufen können?«
»Wo wohnen Sie? Wie viel kostet eine Fahrkarte?«
»Möchten Sie, dass jemand von uns Sie begleitet und Ihrem Mann erklärt, dass er sich gut um Sie kümmern muss?«
»Dafür sind Ehemänner doch da!«
»Aber nicht allein dafür, meine Liebe.«
»Tab!«
Am Ende knickte Delphine ein. Und jetzt schuldete sie ihnen Erklärungen. Sie hatte an dem Brandy, den Mrs Camberwell ihr gebracht hatte, nur einmal höflich genippt – sie mochte den Geschmack nicht und hatte nie viel getrunken –, aber jetzt trank sie den Rest wegen der feurigen Kraft, die in ihm steckte. Und stockend berichtete sie ihnen dann die nackten Fakten ihrer Lage. Es zog sich qualvoll in die Länge, aber sie harrten ganz still aus und lauschten mit leicht geöffneten Mündern. Fast hatte sie Mitleid mit ihnen, wenn ein besonders schwieriger Konsonant den Redefluss aufhielt, aber man musste ihnen zugutehalten, dass keine sie unterbrach. Schließlich kam sie zum Ende ihrer Geschichte und nach Richmond und saß dann da und starrte auf ihre Hände.
Im Schweigen, das darauf folgte, blickte sie auf: »W…wenn Sie m…mir Geld l…leihen k…könnten, um nach Sussex zu fahren, v…versp…spreche ich, dass ich es zurückzahle, sobald ich k…kann. Ich b…brauche Arbeit. Aber ich schwöre, ich w…werde es nicht v…vergessen.« Sie wagte kaum zu hoffen.
»Aber ja, selbstverständlich«, sagte Blue sofort. »Und Kleider zum Wechseln. Und ein Buch, das Sie auf der Reise lesen können, und was zu essen und was immer Sie sonst noch benötigen. Nur …«
»Nur was?«, hakte Merrigan nach und sah ihre Schwester an, als würde sie deren Gedanken lesen.
»Gibt es nicht eine andere Möglichkeit, wie wir Ihnen helfen können?« Blue ergriff Delphines Hand. »Die Polizei informieren? Sie unterstützen? Sie hier bei uns wohnen lassen? Ein solcher Mann gehört hinter Gitter!«
»Blue«, warf Merrigan in warnendem Ton ein. Obwohl Blue so freundlich war, hatte Delphine das Gefühl, ihr Rückgrat würde eins mit der Stuhllehne werden. Der bloße Gedanke, Foley zur Rede zu stellen oder jemand Offiziellen darüber zu informieren, was er getan hatte, war so schrecklich, dass sie keine Worte dafür fände. Mochte Blue auch in einer Welt von Richtig und Falsch leben, in der es Gerechtigkeit gab, so war das ganz und gar nicht die Welt, aus der Delphine kam.
»Verzeihung«, sagte Blue. »Ich weiß natürlich viel zu wenig darüber. Mir gefällt nur der Gedanke nicht, dass Sie ganz allein so weit weg sind. Was ist, wenn Sie Ihre Freundin nicht finden? Wenn sie weggezogen ist?«
Darauf hatte Delphine keine Antworten, denn um überhaupt weggehen zu können, hatte sie diese Fragen ignorieren müssen – zusammen mit den anderen Sorgen, ob sie etwa in Bettys neuem Haushalt auch willkommen wäre. Schließlich hatten sie sich sechzehn Jahre lang nicht gesehen. Bestimmt war Betty inzwischen verheiratet. Was würde ihr Ehemann davon halten? Was für ein Mensch wäre er? Gäbe es auch genug Platz, um bei ihnen zu wohnen, und sei es auch nur für ein paar Nächte?
Sie würde sich also vollkommen ihrer Gnade anheimgeben, bis sie Arbeit gefunden hatte, aber in anderen Teilen des Landes war die Arbeitslosigkeit noch viel schlimmer als in London – das war allgemein bekannt. Sie wusste nicht einmal, wie es um Bettys finanzielle Situation bestellt war. Was wäre, wenn sie sich einer ohnehin überlasteten Familie zumutete, die eigentlich Fremde für sie waren? Und sie dann keine Arbeit fände und den Camberwells das Geld nicht zurückzahlen könnte? Was dann?
»Das ist ein wirklich gutes Argument, meine Liebe«, sagte Merrigan weniger schroff als gewohnt. Doch diese liebevollen Worte galten auch nicht Blue, sondern Delphine, was sie überraschte. »Mir ist bewusst, dass dies der beste Plan ist, den Sie hatten, aber narrensicher ist er nicht! Er ist ein wenig löchrig.«
Delphines Augen füllten sich mit Tränen. Ihr wurde plötzlich klar, dass es ein sehr langer Tag gewesen war – und sie hatten gerade mal Mittag. Seitdem sie nach ihrem üblichen unruhigen Schlaf neben Foley aufgewacht und schweigend aufgestanden war, nachdem er sie angerempelt hatte, damit sie ihm das Frühstück machte, bevor er zur Arbeit in den Docks aufbrach, schien ein ganzes Leben vergangen zu sein.
Sie sah sich um im Raum: hohe Fenstertüren, gerahmt von Vorhängen in der Farbe alten Goldes mit breiten Schabracken, ein dicker Teppich auf poliertem Parkett, ein verzierter Kamin mit Marmorsims, auf dem Schmuckobjekte und Fotos und ein paar achtlos hingeworfene Alltagsgegenstände lagen – Schlüssel, Notizen, ein Ohrring. Im Garten zwitscherten Vögel. Eine Standuhr tickte gewichtig. Friedvoll. Sie hatte das Gefühl, meilenweit von zu Hause entfernt zu sein. Aber Foley war nur eine U-Bahn-Fahrt weit weg. Delphine erschauderte.
»Nicht doch. Es war der beste Plan, den Sie hatten«, wiederholte Merrigan. »Ihre einzige Option, wie ich annehme?«
Delphine nickte.
»Aber vielleicht nicht mehr?«
Delphine zögerte. Sie konnte sich nicht vorstellen, was man ihr vorschlagen wollte. Gerade eben noch wäre ihr dies, obwohl sie mit ihnen gekommen war, über die Maßen dreist erschienen. Doch jetzt, da sie hier war, fühlte sie sich sicher, trotz der fremden und beeindruckenden Umgebung. Und da die dürftigen Mittel für ihre Unabhängigkeit die Themse hinuntergeschwommen waren, musste sie von jemandem Hilfe annehmen, wenn sie nicht in eine richtige Zwangslage geraten wollte. Vielleicht waren sie weniger Fremde für sie, als Betty das jetzt wäre.
»Genau!«, sagte Blue und warf ihrer Schwester einen dankbaren Blick zu.
»Nicht mehr.«
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SOMMER
»So heiß wie der Hades, aber viel stickiger …«