Die Geliebte des Highlanders - Monica McCarty - E-Book

Die Geliebte des Highlanders E-Book

Monica McCarty

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Beschreibung

Ein stürmischer Krieger kämpft um sein Land … und die Liebe!

Lady Bella McDuff hat viel riskiert – und viel verloren. Ihre Unterstützung für Robert Bruce, den wahren König Schottlands, hätte sie fast das Leben gekostet, doch in letzter Minute konnte sie gerettet werden. Auf dem Weg zu Roberts Krönung wird sie von Lachlan »Viper« MacRuairi begleitet, einem Söldner, der niemandem traut. Doch der Mann mit den Augen aus Stahl berührt das Herz der schönen jungen Frau. Auch Lachlan fühlt sich von Bella angezogen, doch einst schwor er, niemals wieder einer Frau zu verfallen. Wird Bella diesen Vorsatz zum Schwanken bringen?

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Buch

Lady Bella McDuff hat viel riskiert – und viel verloren. Ihre Unterstützung für Robert Bruce, den wahren König Schottlands, hätte sie fast das Leben gekostet. Sie wurde gefangen genommen und eingesperrt, doch in letzter Minute konnte sie gerettet werden. Ihre Tochter hingegen scheint sie für immer verloren zu haben. Auf dem Weg zu Roberts Krönung wird sie von Lachlan »Viper« MacRuairi begleitet, einem Söldner, der niemandem traut. Er soll Bella beschützen. Der Mann mit den Augen aus Stahl berührt das Herz der schönen jungen Frau. Auch Lachlan fühlt sich von Bella angezogen, doch einst schwor er, niemals wieder einer Frau zu verfallen. Wird Bella diesen Vorsatz zum Schwanken bringen? Und können sie gemeinsam Bellas Tochter retten?

Autorin

Monica McCarty studierte Jura an der Stanford Law School. Während dieser Zeit entstand ihre Leidenschaft für die Highlands und deren Clans. Sie arbeitete dennoch mehrere Jahre als Anwältin, bevor sie dieser Leidenschaft nachgab und zu schreiben anfing. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren Kindern in Minnesota.

Von Monica McCarty bei Blanvalet lieferbar:

Der geheimnisvolle Highlander · Mit Stolz und Leidenschaft · Der verbannte Highlander · Mein geliebter Highlander ·Der Highlander, der mein Herz stahl ·Mein verführerischer Highlander

Monica McCarty

Die Geliebtedes Highlanders

Roman

Aus dem Amerikanischenvon Anke Koerten

Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel »The Viper« bei Ballantine Books, an Imprint of The Random HousePublishing Group, a division of Random House, Inc., New York

1. AuflageDeutsche Erstausgabe November 2014bei Blanvalet Verlag, einem Unternehmen derVerlagsgruppe Random House GmbH, MünchenCopyright © 2011 by Monica McCartyCopyright © 2014 für die deutsche Ausgabeby Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House, MünchenThis translation published by arrangement with Ballantine Books, an imprint of The Random House Publishing Group,a division of Random House, Inc.Umschlaggestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign,unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.comund einer Illustration von © Chris CocozzaRedaktion: Margit von CossartLH · Herstellung: cbSatz: DTP Service Apel, HannoverISBN: 978-3-641-14457-9www.blanvalet.de

Vorwort

In der Zeit zwischen März 1306, als Robert the Bruce einen verzweifelten Versuch unternimmt, die schottische Krone zu erringen, und seinem Sieg über die MacDougalls im Spätsommer 1308, kommt es zu einem an Dramatik nicht zu überbietenden, in der Geschichte einzigartigen Absturz und darauf folgenden Aufstieg.

Im September 1306, ein halbes Jahr, nachdem Bruce in Scone von Isabella MacDuff, Countess of Buchan, gekrönt wurde, ist seine Sache so gut wie verloren. Er ist zur Flucht aus seinem Königreich gezwungen und muss in den dunklen Nebeln der Western Isles, der Äußeren Hebriden, Zuflucht suchen. Mithilfe seiner geheimen, als Highland-Garde bekannten Elitetruppe entgeht Bruce der Schmach einer sicheren Niederlage und kehrt sechs Monate später zurück, um nicht nur die Engländer, sondern auch diejenigen unter den schottischen Edlen zu bezwingen, die ihm feindlich gesinnt waren.

Doch dies ist nur die halbe Geschichte. Nicht alle von Bruce’ Anhängern können dem Zorn des mächtigen Edward Plantagenet, König von England, des selbst ernannten »Hammer der Schotten« entgehen. Viele müssen den höchsten Preis bezahlen, andere in Verliesen schmachten.

In diesen grausamen Zeiten, in denen die Grenze zwischen Leben und Tod nur ein Schatten ist, ruft Bruce wieder die legendären Krieger seiner Highland-Garde zur Befreiung der Getreuen zu Hilfe.

Die Highland-Garde

Tor MacLeod: Führer der Kampftruppe und Meister im Schwertkampf, genannt Chief (Anführer)

Erik MacSorley: Seemann und Schwimmer, genannt Hawk (Falke)

Lachlan MacRuairi: Experte für heimliches Eindringen, genannt Viper (Giftschlange)

Arthur Campbell: Späher und Kundschafter, genannt Ranger (Waldhüter)

Gregor MacGregor: meisterlicher Bogenschütze, genannt Arrow (Pfeil)

Magnus MacKay: Überlebensexperte und Waffenschmied, genannt Saint (Heiliger)

William Gordon: Experte für Alchemie und Sprengkörper, genannt Templar (Tempelritter)

Eoin MacLean: Stratege der Seeräuberkampfweise, genannt Striker (Faustkämpfer)

Ewen Lamont: Fährtenleser und Menschenjäger, genannt Hunter (Jäger)

Robert Boyd: Meister im Einzelkampf, genannt Raider (Angreifer)

Alex Seton: Meister im Dolch- und Nahkampf, genannt Dragon (Drache)

Prolog

Da sie nicht das Schwert führte, soll sie nicht durch das Schwert sterben, doch soll sie wegen der von ihr vorgenommenen ungesetzlichen Krönung eingekerkert werden auf engstem Raum, zwischen Wänden aus Stein und Eisen in Kreuzform, in freier Luft zu Berwick hängend, auf dass sie im Leben und nach ihrem Tod allen als ewige Warnung diene.«

Befehl Edwards I. zur EinkerkerungIsabella MacDuffs, Countess of Buchan

Berwick Castle, Berwick-upon-TweedSeptember 1306

Man kam, um sie zu holen.

Isabellahörte, wie die Tür geöffnet wurde, und sah den Burgvogt in Begleitung einiger Wachen, aber noch immer weigerte sich ihr Verstand, die Wahrheit zu akzeptieren.

Dies alles geschah nicht wirklich, konnte nicht geschehen.

In den Wochen, die es gedauert hatte, diesen speziellen Kerker für sie zu bauen, hatte sie sich eingeredet, jemand würde sich für sie verwenden. Jemand würde dieser als Gerechtigkeit getarnten Barbarei ein Ende bereiten. Jemand würde ihr helfen.

Ob Edward sich so gnädig zeigen würde wie bei Robert the Bruce’ Tochter und Gemahlin und sie in ein Kloster verbannte? Oder würde Isabellas einstiger Gemahl, der Earl of Buchan, seinen Hass bezwingen und für sie um Gnade bitten?

Wenn ihre Feinde nichts unternahmen, war doch gewiss Verlass auf ihre Freunde? Ihr Bruder konnte vielleicht seinen Einfluss als Günstling des Königssohnes geltend machen, oder Robert … Robert musste etwastun. Nach allem, was sie riskiert hatte, um ihn zum König zu krönen, konnte er sie nicht vergessen.

In ihren schwächeren Momenten redete Isabella sich sogar ein, sie hätte sich vielleicht in Lachlan MacRuairi getäuscht. Wenn ihm zu Ohren kam, was Edward mit ihr vorhatte, würde er herbeieilen und einen Weg finden, sie zu befreien.

Immer wieder tröstete sie sich damit, dass man etwas unternehmen und sie nicht diesem schrecklichen Schicksal überlassen würde. Aber niemand war gekommen, um sie zu befreien. Niemand hatte sich für sie eingesetzt. Edward wollte an ihr ein Exempel statuieren. Ihr Gemahl verabscheute sie. Ihr Bruder war ein Gefangener, wenn auch ein privilegierter. Bruce kämpfte um sein Leben. Und Lachlan … er war es, der sie hierhergebracht hatte.

Sie war allein bis auf ihre Cousine Margaret, die ihr als Stütze und Gesellschafterin dienen würde. Es war das einzige Zugeständnis Edwards an ihre edle Abkunft.

Der Vogt von Berwick Castle, Sir John de Seagrave, einer von Edwards Befehlshabern im Feldzug gegen Schottland, räusperte sich sichtlich unbehaglich und wich ihrem Blick aus. Offenbar fand die »Rechtsprechung« seines Königs heute nicht einmal die Billigung von Edwards getreuem Diener.

»Es ist Zeit, Mylady.«

Die Panikattacke kam so heftig und jäh, dass ihr Herzschlag aussetzte. Isabella erstarrte wie ein Stück Wild im Visier des Jägers. Dann aber setzte ihr Instinkt wieder ein, und ihr Puls schlug auf einmal rasend schnell. Sie spürte den überwältigenden Drang zu laufen, zu fliehen, sich vor dem auf ihr Herz gerichteten Pfeil zu retten.

Einer ihrer Bewacher, der offenbar ihre Gedanken erriet, trat vor und ergriff ihren Arm. Es war Sir Simon Fitzhugh, der grausame Oberst der Garde. Sein gerötetes, verschwitztes Gesicht, sein übel stinkender Atem und die lüsternen Blicke ließen sie erschaudern. Als er sie zur Tür zerren wollte, leistete ihr Körper spontan Widerstand. Isabella stemmte sich gegen den Zwang und rührte sich nicht vom Fleck.

Bis sie sein Lächeln sah.

Das erregte Funkeln in Fitzhughs Augen verriet ihr, dass er genau dies bezweckte. Er wollte, dass sie sich wehrte, wollte ihre Angst spüren. Er wollte sie vor den vielen Gaffern über den Burghof zerren und sie gedemütigt und erniedrigt sehen.

Die Starre wich jäh aus ihren Gliedern. »Hände weg«, stieß sie mit eisigem Blick hervor.

Die Verachtung, die in ihrer Stimme mitschwang, jagte ihm Zornesröte ins Gesicht, und Isabella wusste sofort, dass es ein Fehler gewesen war, ihn zu reizen. Später, wenn sie ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war, würde sie für ihre Worte büßen müssen. Er würde sie nicht körperlich misshandeln. Obschon als Rebellin gebrandmarkt und des Hochverrats für schuldig befunden, war sie noch immer eine Countess. Aber er würde unzählige andere Möglichkeiten finden, sie zu quälen und ihr das Leben so schwer wie nur möglich zu machen, und das für die nächsten …

Ihr Herzschlag stockte. Tage? Monate? Sie schluckte schwer.

Gott stehe mir bei … doch nicht etwa Jahre?

Isabella unterdrückte den Brechreiz, den sie jäh verspürte, doch ihr Magen krampfte sich zusammen, als sie dem Burgvogt folgend den kleinen Raum im Wachpostenhaus verließ, in dem sie vorübergehend eingesperrt gewesen war.

Als sie nach über einem Monat Haft ins Freie trat, war es zunächst nicht das helle Tageslicht, das sie wahrnahm, nicht die frische Luft oder die riesige Menschenmenge, die sich eingefunden hatte, um ihre Pein mit anzusehen, es waren der scharfe Wind und die durchdringende, klirrende Kälte. Der wollene Umhang, in den sie sich vorsorglich gehüllt hatte, fühlte sich so dünn an wie das feine Leinen ihres Hemdes. Es hatte gefroren, und das im September. Wie würde es erst im Dezember oder gar im Januar sein, wenn sie hoch oben auf dem Turm nur durch die Eisenstäbe ihres Käfigs vom eisigen Ostwind geschützt wurde? Wieder überlief sie ein Schauder.

Ihrem Kerkermeister entging es nicht. »Sieht nach einem frühen Winter aus, nicht, Countess?« Fitzhugh, der das letzte Wort höhnisch betonte, deutete zum Turm hinauf. »Ich frage mich, wie behaglich Euer Käfig bei Regen und Schnee sein mag.« Er drängte sich so nah an sie heran, dass sein fauliger Atem heiß ihre Haut traf. »Ich könnte Euch Wärme verschaffen, wenn Ihr sehr nett darum bitten würdet.«

Er senkte den Blick anstößig auf ihre Brüste. Obschon bis zum Hals in ihren Umhang gehüllt, fühlte Isabella sich beschmutzt. Als hätte die Lüsternheit in seinen Augen sie besudelt und würde sich auch nicht durch viel Wasser abwaschen lassen.

Angeekelt schüttelte sie sich, das Verlangen unterdrückend, nach oben zu schauen.

Nicht hinsehen …

Sie konnte nicht hinsehen. Sah sie jetzt zum Käfig, würde sie nie imstande sein, auch nur einen Schritt weiterzutun. Man würde sie über den Hof zerren müssen.

Sie schluckte ihre Angst hinunter – er sollte nicht merken, wie tief er sie getroffen hatte. »Lieber erfriere ich.«

Die Wahrheit, die aus ihren Worten sprach, ließ das Feuer in seinen Augen auflodern. Er spuckte auf den Boden, knapp neben den goldbestickten Saum ihres feinen Gewandes. »Hochmütiges Luder! Dir wird dein Stolz schon noch vergehen.«

Er irrte sich.

Stolz ist das Einzige, was mir geblieben ist. Stolz wird mir helfen zu überleben.

Als eine MacDuff aus der uralten Linie der Mormaers of Fife, der ranghöchsten aller schottischen Adelsfamilien, war sie Tochter und Schwester von Earls und getrennte Gemahlin des Earls of Buchan. Ein englischer König hatte nicht das Recht, ein Urteil über sie zu fällen.

Und doch hatte er es getan, auf besonders barbarische Weise. Sie sollte das abschreckende Beispiel für die Rebellen sein, die es gewagt hatten, für Robert the Bruce’ Ansprüche auf den schottischen Thron einzutreten. Ihr edles Blut hatte sie ebenso wenig gerettet wie ihr Geschlecht. Edward Plantagenet, König von England, kümmerte es nicht, dass sie eine Frau war. Da sie gewagt hatte, einen Rebellenkönig zu krönen, sollte sie in einem Käfig vom höchsten Turm von Berwick Castle hängen, den Elementen ausgesetzt, zur Warnung für alle.

Nie hätte Isabella sich vorstellen können, welchen Preis sie für ihre kühne Tat bezahlen würde. Die Krönung hatte sie ihre Tochter und ihre Freiheit gekostet.

Und jetzt … dies. Unfassbar.

Sie hatte etwas Bedeutendes tun wollen. Hatte ihrem Land dienen wollen. Nie hatte sie ein Symbol werden wollen.

So hätte es nicht kommen sollen.

O Gott, was für eine dumme Idealistin sie gewesen war. Lachlan hatte sie der Torheit beschuldigt. Wie selbstzufrieden sie gewesen war. Wie selbstsicher. Überzeugt, dass sie recht hatte.

Nein! Er hatte nicht recht. Nein. Es durfte nicht sein. Sonst wäre alles umsonst gewesen.

Sie durfte nicht an den Briganten denken. Nicht jetzt. Es schmerzte zu stark. Wie hatte er das tun können?

Später würde sie jede Menge Zeit haben, Lachlan MacRuairi zum Teufel zu wünschen, dem Teufel, der ihn gezeugt hatte.

Isabella ballte die Hände zu Fäusten und nahm ihre ganze Kraft zusammen. Sie würde keine Angst zeigen. Sie würde sich von niemandem in die Knie zwingen lassen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie langsam über den Burghof schritt.

Es dauerte einen Moment, bis sie merkte, dass etwas nicht stimmte. Die Menge, die herbeigeströmt war, um ihre Demütigung mit anzusehen, hätte grölen, brüllen, sie verhöhnen und mit Schimpfnamen belegen müssen. Sie hatte erwartet, mit faulen Äpfeln und Abfällen beworfen zu werden, doch es herrschte Totenstille.

Die Bewohner von Schottlands einst größter Marktstadt hatten die Grausamkeit des englischen Königs am eigenen Leib schmerzlich zu spüren bekommen. Zehn Jahre zuvor war Berwick zerstört worden und seine Bürger waren einem Massaker zum Opfer gefallen, das zu den abscheulichsten Gräueltaten des langen und vernichtenden Krieges zwischen Schottland und England zählte. Frauen, Kinder – niemand war während des zwei lange, blutige Tage währenden Wütens, das Tausende Menschenleben gefordert hatte, verschont worden.

Das Schweigen der Menge war ein stummer Protest, der König Edward an das damals begangene ungeheuerliche Unrecht gemahnen sollte.

Eine Flut von Emotionen überwältigte die junge Frau. Heiße Tränen brannten in ihren Augen. Die seidenen Fäden, an denen ihr Stolz hing, drohten unter dieser unerwarteten Bezeugung von Mitgefühl zu zerreißen.

Sie war nicht von allen verlassen.

Plötzlich erhaschte Isabella aus dem Augenwinkel eine jähe Bewegung. Sie zuckte instinktiv zusammen, in der Meinung, jemand habe schließlich doch etwas nach ihr geworfen, doch als sie zu Boden blickte, sah sie anstatt eines faulen Apfels eine vollkommene rosafarbene Rosenblüte.

Einer der Wachleute wollte sie daran hindern, sich nach der Blüte zu bücken, sie aber wehrte ihn ab. »Es ist nur eine Rose«, ließ sie vernehmen. »Fürchtet Edwards Armee etwa Blumen?«

Die Menge verstand diese Spitze sehr wohl. Beifällige Zurufe und wieherndes Gelächter waren zu hören. Edwards Krieger galten als Vorbild des Rittertums, doch was heute hier geschah, widersprach allen ritterlichen Tugenden.

Simon Fitzhugh hätte ihr die Blume aus der Hand geschlagen, wäre er nicht von Sir John daran gehindert worden. »Lasst sie ihr. Um Himmels willen, was kann das schon schaden?«

Isabella steckte die Rose in die MacDuff-Schließe, die ihren pelzgefütterten Umhang zusammenhielt. Dann neigte sie in stummer Anerkennung das Haupt vor der Menge. Die Rosenknospe – mochte sie auch unbedeutend erscheinen – verlieh ihr Kraft. Sie war nicht von allen vergessen. Ihre Landsleute litten mit ihr.

Als die junge Frau den Turm betrat, tat sie es allein. Die plötzliche Dunkelheit umgab sie wie eine Gruft. Gedanken an das, was sie erwartete, stürmten auf sie ein. Jeder Schritt die Treppe hinauf wurde langsamer, schwerer, mühsamer. Ihr war, als würde sie immer tiefer in einen Sumpf geraten, aus dem es kein Entrinnen gab.

Isabella versuchte, die Angst zu verdrängen, die ihr wie ein Rudel hungriger Wölfe dicht auf den Fersen war. Irgendwie schaffte sie es bis ganz nach oben. Sie blieb auf der Treppe stehen, auf der sich ihre Bewacher drängten, während sich der Burgvogt an dem neuen Türschloss des Turmes zu schaffen machte. Zur Sicherheit würde man eine Wache davor postieren, um jede Fluchtmöglichkeit auszuschließen.

Schließlich schwang die Tür auf. Der jähe Windstoß ließ Isabella zurücktaumeln.

O Gott!

Es war noch viel kälter, als sie befürchtet hatte. Instinktiv wich sie zurück, doch drängten die Wachen hinter ihr nach und zwangen sie hinaus auf das Dach. Der Wind riss an ihrem Umhang. Sie raffte ihn zusammen, hielt ihn ganz fest und folgte den Wachen hinaus auf die Wehranlage.

Als sie stehen blieben, wusste sie, dass der Zeitpunkt gekommen war. Es gab kein Entrinnen.

Langsam hob Isabella den Blick. Ein Aufschrei kam ihr über die Lippen. Sie hatte gewusst, was sie erwartete, dennoch gaben ihre Knie nach. Ein Käfig in Kreuzform. Ihre Gedanken galten nicht der christlichen Symbolik, als sie diese Monstrosität anstarrte, sondern der Größe. Der Käfig war ein mit Eisenstäben verstärktes in die Wehrmauer eingebautes Holzgestell, klein und beengt, keine zwei Quadratmeter groß. Man konnte sich darin kaum rühren. Nicht einmal eine Schlafstatt gab es. Sie musste sich mit einem Strohsack begnügen. Die kleine Glutpfanne würde gegen die bittere Kälte wenig ausrichten. In einer Ecke war eine derbe Bank eingebaut, in einer anderen stand eine merkwürdige Kiste … Isabella wurde übel, als ihr aufging, was das war. Nicht einmal zur Verrichtung ihrer Notdurft würde sie den Käfig verlassen dürfen. Die Kiste ersetzte einen Abtritt.

Von Entsetzen und Angst übermannt wich sie zurück, nicht einmal ihr starker Wille vermochte dagegen anzugehen.

Ihr Kerkermeister ließ sich nicht beeindrucken. »Nun, regt sich jetzt Reue, Countess? Dafür ist es zu spät. Ihr hättet Euch eben nicht gegen den mächtigsten König der Christenheit stellen dürfen.«

Isabella gestand sich beschämt ein, dass er vielleicht recht hatte. Wann würde sie hier wieder herauskommen?

Vielleicht niemals …

Ihr Glaube, ihre Überzeugung, das Richtige getan zu haben, geriet unter der Wucht der Angst ins Wanken.

Aber nur einen Moment.

Es war lediglich ein Käfig. Sie hatte schon Schlimmeres überstanden. Anklagen und Verdächtigungen ihres Mannes. Die Hetzjagd quer durch ganz Schottland. Verrat durch einen Mann, dem sie nie hätte trauen dürfen. Und das Allerschlimmste – die Trennung von ihrer Tochter. Ihre Tochter würde ihr Kraft verleihen. Sie musste überleben, um Joan wiederzusehen.

Sie schaute dem elenden Unmenschen direkt in die Augen. »Mein König ist er nicht.«

Mit diesen Worten durchschritt Isabella MacDuff, Countess of Buchan, hoch erhobenen Hauptes die eiserne Tür des Käfigs.

1

Balvenie Castle, MorayMärz 1306

Isabella wusste nicht, wo ihr der Kopf stand, da es vor der Abreise noch so viele Dinge zu erledigen gab. Die Schließe! Sie durfte die MacDuff-Schließe für die feierliche Zeremonie nicht vergessen.

Dass der Wachposten nicht vor ihrer Tür stand, fiel ihr erst auf, als es zu spät war. Ein Mann überrumpelte sie und packte sie von hinten, als sie ihr Gemach betreten wollte.

Das Herz schlug ihr in panischem Entsetzen bis zum Hals, sie spürte sofort die Gefahr, die von dem Endringling ausging. Er war groß und stark und unnachgiebig wie ein Fels.

Aber kampflos wollte sie sich nicht ergeben. Isabella holte aus, versuchte sich loszureißen und erreichte nur, dass er sie umso fester umfasste. Als sie zu schreien versuchte, erstickte seine Hand jeden Laut.

»Ruhig«, flüsterte eine raue Stimme ihr ins Ohr. »Ich tue Euch nichts. Ich bringe Euch nach Scone.«

Sie verharrte reglos, als seine Worte den Nebel der Angst durchdrangen. Scone? Aber sie wollte am kommenden Morgen nach Scone aufbrechen. Roberts Leute sollten sie auf dem Rückweg vom Kirchgang im Wald abholen und nicht in der Burg.

Ihr Herz pochte heftig, als sie versuchte zu überlegen, sich darüber klar zu werden, ob sie ihm glauben konnte, während sie sich die ganze Zeit über der stählernen Kraft seines von Leder umhüllten Armes bewusst war, der ihre Brust eng umfangen hielt. Guter Gott, dieses Ungeheuer konnte sie in zwei Teile brechen, wenn es nur einmal fest zudrückte!

So standen sie eine Weile reglos im Halbdunkel, reglos, während er wartete, dass sie seine Worte erfasste.

»Habt Ihr verstanden?«

Seine heisere Stimme trug nicht dazu bei, sie zu beruhigen, aber was blieb ihr anderes übrig, als ihm zu gehorchen? Sie bekam keine Luft, solange seine Hand so fest auf ihrem Mund lag. Überdies hätte er sie schon getötet, wenn es seine Absicht gewesen wäre.

Erleichtert ob dieser einigermaßen ermutigenden Aussicht, nickte sie. Langsam und vorsichtig ließ er sie los.

Kaum hatte Isabella wieder Luft in der Lunge, fuhr sie zornig und entrüstet herum. »Was soll das? Wer …?«

Diesmal war es sein Anblick, der ihr den Atem raubte. Obschon durch das Turmfenster nur wenig Licht eindrang und es schon fast Nacht war, konnte sie doch sehen, dass ihre Befürchtungen berechtigt gewesen waren. Er war nicht der Typ Mann, mit dem eine Frau in der Finsternis gern zusammen war – nicht mal am helllichten Tag –, und ihr Herz zog sich unwillkürlich zusammen.

Gott im Himmel, hat Robert mir wirklich diesen Mann geschickt?

Groß, breitschultrig und muskulös war er, und er sah furchterregend aus. Jeder Zoll der mächtige Krieger: unerschütterlich, stark und tödlich.

Aber ein Ritter war er nicht. Das sah sie auf den ersten Blick. Er sah aus wie der geborene Kämpfer. Nicht einer von denen, die auf einem Schimmel in schimmernder Wehr daherkamen, sondern einer, der mit seinem Widersacher notfalls im Schlamm rang.

Unter den vielen, für eine kleine Armee ausreichenden Waffen, die er am Körper trug, fielen ihr die Griffe zweier auf den Rücken geschnallter Schwerter auf. Er trug keine Rüstung, nur einen schwarzen cotun aus Leder, mit Stahlnieten verstärkte Beinschützer und einen schwarzen Nackenschutz.

Seine Augen waren es, die Isabella innehalten ließen. Unter dem gespenstischen stählernen Nasenhelm wirkten sie unnatürlich lebendig. Noch nie hatte sie solche Augen gesehen.

Ein Schauer lief ihr über den Rücken, breitete sich wie eine prickelnde Eisschicht über ihre ganze Haut aus.

Katzenaugen,dachte sie. Raubtierhafte Katzenaugen. In ihrer Intensität und unleugbaren Wildheit wirkten sie beängstigend.

»Lachlan MacRuairi«, sagte er als Antwort auf ihre unausgesprochene Frage. »Es tut mir leid, dass ich Euch überraschte, aber das war unvermeidlich. Wir haben nicht viel Zeit.«

Zum zweiten Mal an diesem Abend verschlug es Isabella die Sprache. Lachlan MacRuairi? Ihre Augen wurden groß. Daswar der Mann, den Robert ihr geschickt hatte, damit er sie sicher nach Scone geleitete? Ein Söldner? Und nicht nur irgendein Söldner, sondern ein Mann, dessen Heldentaten auf den Western Isles ihn zum berüchtigtsten Krieger Schottlands gemacht hatten. Zum Schrecken der Meere in einem Königreich der Seeräuber.

Es musste sich um einen Irrtum handeln. Lachlan MacRuairi würde seine Mutter an den Höchstbietenden verhökern – falls es denn eine Frau gab, die ihn Sohn nannte. Er war ein Bastard, wenn auch nicht der Herkunft nach; Erbe eines der größten Herrschaftsgebiete der Western Isles. Die Clan-Ländereien waren zwar an seine legitime Halbschwester Christina of the Isles gefallen, doch stand ihm noch immer der Titel eines Anführers zu, obwohl er ohne Rücksicht auf Pflichten und Verantwortung seinen Clan im Stich gelassen hatte, um eigene Ziele zu verfolgen.

Lachlan MacRuairi war ein schwarzhaariger Schurke, auf dem der Verdacht lastete, seine Frau ermordet zu haben.

Isabella war fassungslos. Angesichts des Risikos, das sie auf sich nahm, konnte sie nicht glauben, dass Robert diesen Gesetzlosen geschickt hatte!

Sie spähte in die Finsternis, alle Einzelheiten registrierend, die ihr zuvor entgangen waren. O Gott, wie der Kerl aussah! Wie ein richtiger Seeräuber. Sein Kinn war sicher tagelang weder mit einer Klinge noch mit einem Rasiermesser in Berührung gekommen. Eine schmale Narbe zog sich über die Unterseite einer Wange, sein Blick aus den zusammengekniffenen Augen war messerscharf. Unter dem Helm lugte sein dunkles, zerzaustes Haar hervor.

Was sie von MacRuairis Gesicht sehen konnte, schien aus hartem Granit gehauen. Erstaunt stellte sie fest, dass der Blick unter den gesenkten Lidern, das kantige Kinn, die hohen Backenknochen und der breite Mund als hübsch hätten gelten können – auffallend hübsch sogar –, hätte er nicht so bedrohlich gewirkt. Ein Jammer, dass ein solches Gesicht von einem schwarzen Herzen verdorben wurde.

Ihre Blicke trafen sich, und Isabella wusste, dass nicht sie allein es war, die ihr Gegenüber musterte. Er sah sie mit ähnlichem Interesse an. Sie spürte, wie sein Blick im Halbdunkel über sie glitt. Das plötzliche Aufflammen in seinen Augen bereitete ihr Unbehagen, ohne dass sie einen Grund dafür hätte nennen können.

Isabella war es gewohnt, diesen Funken in Männeraugen zu sehen. Sie war kaum dreizehn gewesen, als es anfing, als ihre Brüste und Hüften sich rundeten und ihr Gesicht seine kindliche Fülle verlor. Seit damals sahen Männer sie anders an. So als wollten sie nur eines von ihr.

Sie hatte gelernt, es zu übersehen. Bei ihm aber war es anders. Es war auf eine Weise bedrohlich, wie sie sie noch nie zuvor erlebt hatte. Ihr Puls schlug höher, eine sonderbare Röte jagte über ihre Haut.

Instinktiv wich sie einen Schritt zurück.

Er bemerkte ihre Reaktion, sein Blick wurde hart. »Lachlan MacRuairi«, wiederholte er, ohne seine Ungeduld zu verbergen. »Bruce hat mich geschickt.«

»Ich weiß, wer Ihr seid«, sagte sie, nicht imstande, ihren Widerwillen zu verbergen.

Sein schmaler Mund wurde noch ein wenig schmaler. »Ihr habt mich heute nicht erwartet, aber die Pläne haben sich geändert.«

Beinahe hätte Isabella über diese Absurdität gelacht. Zu sagen, dass sie ihn nicht erwartet hatte, war untertrieben. Was hatte Robert sich dabei gedacht, als er ihr einen solchen Mann schickte?

Sie riskierte alles, um nach Scone zu gelangen und ihm die Krone auf sein Haupt zu setzen. Damit würde sie anstelle ihres Bruders, der als Gefangener an Edwards englischem Hof weilte, seiner Verpflichtung nachkommen.

Als ihre Mutter Joan de Clare eine Woche zuvor mit diesem Vorschlag zu ihr gekommen war, hatte es Isabella die Sprache verschlagen. Setzte sie Robert the Bruce, einem Rebellen und Ausgestoßenen, die Krone aufs Haupt, forderte sie nicht nur Edward von England, den mächtigsten König der Christenheit, heraus, sondern auch ihren Gemahl.

John Comyn, Earl of Buchan, entstammte einer der mächtigsten Adelsgeschlechter Schottlands, das die erbittertsten Rivalen und Widersacher Bruce’ hervorgebracht hatte. Vor wenigen Wochen war diese Rivalität in tödliche Feindschaft umgeschlagen, als Robert den Vetter ihres Mannes, Lord of Badenoch, vor dem Hochaltar der Abteikirche Greyfriars in Dumfries erstochen hatte.

Im Moment befand ihr Gemahl sich in England und forderte von König Edward Vergeltung für den Tod seines Vetters. Der Earl of Buchan verabscheute Robert und hätte lieber Edward als Robert the Bruce auf dem Thron gesehen. Vernunftgründen gegenüber war er nicht zugänglich. Sein Hass wog mehr als Schottlands Wohl. Krönte sie Bruce, würde ihr Gemahl ihr nie verzeihen. Was für sie eine Verpflichtung war, galt ihm als Verrat. Es bedeutete das endgültige Ende ihrer Ehe.

Aber die MacDuffs besaßen das verbriefte Recht, Schottlands Könige zu inthronisieren, und ohne einen MacDuff bei der Krönung war die Rechtmäßigkeit der Zeremonie infrage gestellt. Roberts Thronanspruch wurde ohnedies von vielen der bedeutenden schottischen Adligen, unter anderem von ihrem Mann, bestritten. Um das Ansehen seiner Königswürde bei allen Schotten zu festigen, würde Bruce sich aller vorhandenen traditionellen Symbole und Gebräuche bedienen müssen.

Auch so war es eine große Herausforderung. Robert stand ein langer und schwieriger Kampf bevor. Seine Sache war alles andere als sicher. Isabella gab sich keinen Illusionen hin. Indem sie öffentlich Bruce’ Partei ergriff, gefährdete sie auch ihre eigene Zukunft. Der englische König, der Schottland für sich beanspruchte, würde sie als Rebellin brandmarken. Wenn Robert verlor und es ihm nicht gelang, unter dem schottischen Adel genug Unterstützung zu finden, hatte er gegen Edward keine Chance. Sich gegen Edward Plantagenet zu wenden, barg ein großes Risiko.

Isabella hatte Halt und Führung bei ihrer Mutter gesucht, die vor nicht allzu langer Zeit einen von Bruce’ Leuten geheiratet hatte. Deswegen allein aber hätte sie ihre Tochter nicht gebeten, Robert zu krönen. Wie Isabella wollte auch Joan de Clare Schottland von englischer Tyrannei befreit sehen, sie setzte ihre ganze Hoffnung auf Robert the Bruce. In ihrer Überzeugung war sie ebenso unbeirrt wie Isabella. Edward Plantagenet drückte mit eiserner Faust Schottlands Hals immer fester zu, und Bruce war wie der letzte Atemzug. Wenn einer es schaffte, dann er.

Sie musste das Risiko eingehen. Auf vielerlei Weise war dies der Moment, auf den sie ihr Leben lang gewartet hatte. Auf die Chance, etwas wirklich Wichtiges zu tun. Eine Chance, für das einzustehen, woran sie glaubte. An Pflicht, an Treue, an den Vorrang des Wohles von Familie und Heimat vor ihren eigenen Bedürfnissen. Es waren nicht leere Worte oder Ideale, sondern etwas Handfestes. Etwas, für das es sich zu kämpfen lohnte.

Pflichtgefühl war es auch, was sie so lange an der Seite ihres Gatten gehalten hatte, doch hatte ihre Loyalität nie wirklich Comyn gehört. Ihrer Tochter zuliebe hatte sie seine Anfälle von eifersüchtigem Zorn, Argwohn und obsessiver Lust ertragen.

Die Sicherheit ihrer Tochter hätte sie vielleicht zögern lassen, hätte ihr Mann nicht erwähnt, dass er das zwölfjährige, nach seiner Großmutter Joan benannte Kind mit einem seiner besten Freunde, einem viermal so alten Mann, zu verheiraten gedenke. Isabella wollte eher sterben, als dies zuzulassen.

Nachdem ihre Mutter ihr versichert hatte, dass Joan sie begleiten könne, hatte Isabella eingewilligt. Beim Anblick des Mannes, den Bruce ihr geschickt hatte, fragte sie sich jedoch, worauf sie sich da eingelassen hatte. Wenn Robert the Bruce sich auf Typen wie Lachlan MacRuairi stützte, war die Rebellion zum Scheitern verurteilt, noch ehe sie begonnen hatte.

Wie hoch war der Preis, den er dafür zahlen musste? Ob man sich die Loyalität eines Briganten wie MacRuairi mit Geld sichern konnte, war natürlich sehr fraglich.

MacRuairi verschränkte die massiven Arme vor der Brust, eine Geste, die bei ihm wie eine Drohgebärde wirkte. Solche Muskeln erwarb man sich auf dem Schlachtfeld. Auf vielen Schlachtfeldern.

»Gibt es ein Problem?«

»Ich erwartete …« Isabella starrte in die Dunkelheit hinter ihm, in der Hoffnung einen Trupp Ritter in schimmernder Wehr aus den Schatten hervorbrechen zu sehen.

MacRuairi kniff die Augen zusammen, als wüsste er genau, was ihr durch den Kopf ging.

»Wo sind die anderen?«, fragte sie.

Ihre Frage schien ihn zu belustigen, falls das Zucken um seine Lippen ein Lächeln war. »Die warten unten.«

»Wie seid Ihr hereingelangt? Was geschah mit dem Wachposten?«

»Den Wachposten«, berichtigte er. Er sah sie hart an. »Ich dachte, der Earl of Buchan hätte keinen Verdacht geschöpft.«

Fast hätte Isabella aufgelacht. Ihr Mann tat nichts anderes, als Verdacht zu schöpfen. Fälschlicherweise – doch das war jetzt unwichtig. Sie wusste, dass MacRuairi auf ihren Plan, Bruce zu krönen, anspielte.

»Nicht aus diesem Grund lässt er mich bewachen.«

Er sah sie fragend an, drang aber nicht weiter in sie. Sie hätte ihm ohnehin keine Fragen beantwortet.

MacRuairi hatte seinen Vorrat an höflichen Floskeln aufgebraucht – falls man von höflich sprechen konnte – und hatte es plötzlich sehr eilig. Er ging ans Fenster und spähte hinunter in den Hof, wobei er darauf achtete, außer Sicht zu bleiben.

»Kommt.« Er nahm ihren Ellbogen, eine Berührung, die ihre Nervenenden entflammte. »Wir müssen fort. Die Zeit drängt. Nehmt Euren Mantel und alles andere, was Ihr mitnehmen wollt. Aber beeilt Euch.«

Was redete er da? Nichts war fertig. Sie war von ihrem Abendessen früher aufgestanden, um zu packen.

Isabella riss sich los. Mit ihm wollte sie nirgendwohin gehen. »Ich gehe erst mit Euch, wenn Ihr mir sagt, was das alles soll.«

Sie hätte nicht gedacht, dass seine Miene noch bedrohlicher werden konnte. Er beugte sich näher zu ihr und nagelte sie mit seinen unheimlichen, durchdringenden Augen fest. Sie waren grün, fiel ihr auf. Seine Augen leuchteten in der Dunkelheit wie zwei goldene Smaragde in der Sonne.

»Was das alles soll?«, wiederholte er, packte sie an den Schultern und stieß sie gegen das Fenster. »Es geht um die Banner dort hinter den Bäumen. In zehn Minuten wird Euer Gemahl mit seinen Männern durch dieses Tor stürmen. An Eurer Stelle würde ich nicht hier sein wollen, wenn er ankommt.«

Ihr Atem stockte, aus ihrem Antlitz wich jede Farbe. Sie suchte den feindseligen, gnadenlosen Blick MacRuairis und las darin die Antwort auf ihre Frage: Ihr Mann wusste es. John Comyn hatte irgendwie von ihren Plänen erfahren.

Gott stehe mir bei, dachte sie, er wird mich töten.

Als Lachlan sah, wie sie erbleichte, hätte er seine barschen Worte beinahe bereut. Aber es traf ihn, wie die hochmütige kleine Countess ihn ansah und wie sie vor seiner Berührung zurückschreckte.

Es hätte ihn nicht treffen sollen.

Argwohn und Verachtung war er weiß Gott gewohnt – sie waren berechtigt. Bastard. Erbarmungslos. Raubtierhaft. Auf seinen Vorteil bedachter Seeräuber. Das waren noch die schmeichelhafteren Bezeichnungen. Fast alles traf zu. Auch die anderen Mitglieder der neu zusammengestellten Highland-Garde begegneten ihm mit Misstrauen.

Ihn kümmerte es keinen Deut, was man von ihm hielt. Meistens. Aber die Verachtung in diesen blauen Augen machte ihn rasend. Tatsächlich machten ihn einige Dinge an Isabella MacDuff rasend.

Herrgott.

Noch immer spürte er den Pfeil der Lust in seinem Körper vibrieren. So hatte er nicht mehr empfunden, seit …

Sein Mund wurde schmal.

… nicht seit seiner ersten Begegnung mit Juliana. Der Gedanke an sein untreues Luder von Frau ließ unweigerlich sein Blut erstarren. Aber Juliana ging ihn gottlob seit acht Jahren nichts mehr an. Sie war dort, wo sie hingehörte: in der Hölle, wo sie jetzt den Teufel quälte.

Eigentlich glich Isabella MacDuff seiner verstorbenen Frau in keiner Weise. Juliana war groß und schlank gewesen, mit Haar, schwarz wie ihr Herz. Die Countess hatte flachsblondes Haar und wirkte kühner. Sie war mittelgroß und wohlgerundet. Sehr wohlgerundet, wenn man ihre Brüste betrachtete.

Beide Frauen waren attraktiv, sogar schön, aber nicht darauf beruhte ihre Ähnlichkeit. Es war jene undefinierbare Eigenschaft, das Je-ne-sais-quoi, wie die Franzosen es nannten, das sein Blut in Wallung brachte. Der schräge Augenschnitt, die Wölbung des Mundes, die Sinnlichkeit, die einen Mann nicht mehr losließ.

Es war jene Sorte Frauen, die Männer lieben wollten.

Hätte er es bei Juliana dabei belassen, wäre ihm viel Ärger erspart geblieben. Aber sein Verlangen hatte ihn blind für ihre Fehler gemacht, bis es zu spät gewesen war. Seine Männlichkeit hatte ihn einmal zum Narren gemacht. Es würde nicht wieder vorkommen.

Seid bei der Countess auf der Hut, hatte Bruce mit rätselhaftem Lächeln gesagt. Sie kann … ablenkend wirken.

Nun begriff er Bruce’ Warnung. Aber der König hatte keinen Grund zur Besorgnis. Verlangen war das Allerletzte, was Lachlan bei einer Mission behindern konnte.

Er hatte ohnehin schon genug Probleme. Ihre an sich einfache Aufgabe hatte eine Stunde zuvor eine komplizierte Wendung genommen, als MacKay zwei von Comyns Wachen abgefangen hatte, die unterwegs zur Burg gewesen waren, um die Ankunft des Earls vorzubereiten. Dessen Rückkehr war nicht das eigentliche Problem. Sie hätten ihren ursprünglichen Plan leicht ausführen können. Es war vorgesehen gewesen, die Countess und ihre Tochter auf dem Rückweg vom Kirchgang, dem einzigen Anlass, zu dem diese die Burg verlassen durften, abzufangen. Aber Lachlan wusste besser als jeder andere, dass Missionen selten nach Plan abliefen. MacKay hatte von den Reitern erfahren, dass der Earl Wind von der Krönung und von der Rolle seiner Frau bei dieser Zeremonie bekommen hatte.

Das änderte alles. War der Earl erst angekommen, würde die Burg so verschlossen sein wie Nonnenschenkel, und es war sehr zweifelhaft, ob die Countess in den nächsten Monaten die Mauern auch nur zu einem Kirchgang würde verlassen dürfen.

MacKay hatte ausgerechnet, dass ihnen eine Stunde blieb.

Lachlan hatte nur eine Viertelstunde gebraucht, um das Burgtor aufzubrechen, und doppelt so lange, um die Countess zu finden. Blieben ihm ungefähr fünf Minuten, bis Gordon ihnen Hilfestellung zu ihrer Flucht leistete. Er hatte also verdammt wenig Zeit, um seiner anmaßenden kleinen Reisegefährtin ihre Bedenken bezüglich seiner Tauglichkeit als Begleiter zu zerstreuen.

Seine barschen Worte aber schienen ihr Benehmen auf wundersame Weise zu verändern. Angst war anscheinend ein starkes Antriebsmittel. Sie rannte zu ihrem Schrank, holte einen dunklen Umhang hervor, den sie hastig um die Schultern warf, und nahm ein kleines, kunstvoll verziertes Kästchen von einem Bord.

Lachlans Vermutung, es handle sich um ihren Schmuck, bestätigte sich, als sie den Deckel öffnete und er einen wahren Kronschatz an Gold und Juwelen erblickte.

Herrgott im Himmel!

Er erwartete, sie würde den Inhalt in ihrer kunstvoll bestickten Tasche an ihrer Taille verstauen, doch nahm sie nur ein einziges Stück an sich, klappte den Deckel zu und stellte das Kästchen wieder auf das Bord.

»Ich bin bereit«, sagte sie und drehte sich zu ihm um.

Lachlans Blick hing an dem Kästchen. »Mehr nehmt Ihr nicht mit?«

Ihre Augen wurden schmal, als erwartete sie, er würde das Kästchen selbst an sich nehmen. Teufel, es juckte ihn in den Fingern. Mit Juwelen wie diesen konnte man einen Haufen Schulden abzahlen.

»Der Rest gehört meinem Mann. Dies ist das einzige Stück, das zählt.«

So konnte nur jemand sprechen, der sein ganzes Leben in Reichtum verbracht hatte. Es war leicht, edelmütig zu handeln, wenn der Wert der Kleidung, die man trug, ausgereicht hätte, ein ganzes Dorf wochenlang mit Nahrung zu versorgen. Sein Blick glitt von dem breiten Goldreif in ihrem langen, dichten Haar zum reich mit Goldstickerei verzierten Gewand, dem pelzgefütterten Mantel, dem schweren Halsschmuck aus Perlen und Saphiren, über die schmalen weißen, mit zahlreichen Ringen geschmückten Finger bis zu den Spitzen ihrer zierlichen Seidenstiefeletten.

Ihr Erröten verriet ihm, dass sie ahnte, was ihm durch den Kopf ging.

Sie hob ihr Kinn. »Wenn Ihr fertig seid, können wir meine Tochter holen.«

Verdammt, er hatte das Gör ganz vergessen. Warum man ein junges Mädchen durch halb Schottland zerren musste, war ihm schleierhaft. Aber es war nicht seine Aufgabe, Fragen zu stellen.

Drei Jahre lang musste er tun, was Bruce von ihm forderte – ob angenehm oder nicht, spielte keine Rolle, wiewohl er argwöhnte, dass es Letzteres war, dank dessen er sich seinen Platz unter den Elitekriegern von Bruce’ Geheimgarde erkämpft hatte. Es gab noch andere Eigenschaften: Er war rücksichtslos im Kampf, führte gekonnt die Klinge und war ein Meister im Einschleichen und ungesehenen Entkommen. Ein Mann mit wenigen Skrupeln genoss im Krieg höchste Wertschätzung.

Er tat alles Nötige, um eine Aufgabe zu erfüllen.

Der Krieg war wie eine große Kloake, von der alle besudelt wurden. Alle. Der einzige Unterschied zwischen ihm und anderen war, dass er es offen aussprach und nicht nach Rechtfertigungen suchte, die er als edle Ziele oder Patriotismus ausgab.

Lachlan hatte mit Politik nichts am Hut. Bei Söldnern hatten Überzeugungen nichts zu suchen. Für den Kampf an Bruce’ Seite hatte er sich aus einem einzigen Grund entschlossen – er musste Schulden zurückzahlen, persönliche und finanzielle. Seine Übereinkunft mit Bruce würde beidem gerecht werden.

Er hatte es satt, für andere Leute die Drecksarbeit zu machen. Ging alles gut, würde er es nicht wieder tun müssen. Er würde seinen Lohn bekommen, seine Schulden begleichen und mit dem Rest des Geldes irgendwohin verschwinden. Vorzugsweise auf eine einsame Insel im Westen. Dort würde er nur sich selbst Rechenschaft schuldig sein.

Aber ehe es dazu kam, musste Bruce König werden. Wenn Isabella MacDuff dazu nötig war, würde Lachlan sie zu ihm bringen. Samt ihrer Tochter.

»Wo ist sie?«, fragte er.

Die Countess biss sich auf die Lippen. Eine harmlose Geste, die aber bei ihr erotisch wirkte.

Herrgott.

Es war nicht der Zeitpunkt, sich diesen weichen rosigen Mund vorzustellen, wie er sich eng um …

Er spürte das Blut in seine Lenden schießen, und riss den Blick los, verärgert über seine Schwäche.

»Ich ließ sie in der Halle zurück.« Ihr Ton verriet ihre wachsende Angst, als sie nach einer Erklärung suchte. »Sie war mit dem Essen noch nicht fertig. Ich wusste ja nicht …« Sie machte eine Pause. »Ich dachte, wir hätten Zeit bis morgen.«

Sie griff nach seinem Arm. Er spannte seine Muskeln an, ihm war, als hätte ihn der Blitz getroffen. Es war das erste Mal, dass sie ihn berührte, doch bezweifelte er, dass sie wusste, was sie tat. Die Angst um ihre Tochter überlagerte alles.

»Ohne sie können wir nicht fort«, erklärte sie, seinem Widerspruch zuvorkommend.

Das Flehen, das aus ihrem schönen Gesicht sprach, blieb nicht ohne Wirkung. Große blaue Augen, dunkle, geschwungene Brauen und lange Wimpern, eine gerade Nase, makellose helle Haut, ein sinnlich geschwungener Mund, um den eine Hure sie beneiden musste … Die meisten Männer hätten nicht widerstehen können.

Aber er war nicht wie die meisten Männer.

Lachlans Blick wurde hart. Er war keiner, der um den heißen Brei herumredete. Er hätte ihr jetzt sagen sollen, dass die Ablenkung, die ihr Entkommen ermöglichte, sich zwischen ihnen und der Halle befand – ihre Chancen, zu dem Mädchen zu gelangen, ehe die Hölle losbrach, standen eins zu zwanzig.

Die Verzweiflung in ihrem Tonfall hielt ihn davon ab.

Isabella MacDuff mochte im Begriff stehen, ihren Mann zu hintergehen, indem sie seinen Rivalen krönte, aber sie liebte ihr Kind. Da er der Allerletzte war, der sich von Gefühlen oder einem hübschen Gesicht und prachtvollen Brüsten rühren ließ, musste es einen anderen Grund dafür geben, dass er den Mund hielt: seine Mission. Instinktiv wusste er, dass es einen Kampf geben würde, wenn er ihr die Wahrheit sagte. Und sie konnten sich die Verzögerung nicht leisten. Nicht die geringste Verzögerung. Ihr Vorsprung war geradezu bedrohlich gering.

»Einer meiner Männer wird sie holen.«

Er wusste noch, wie beklommen sie sich nach jemandem, irgendjemandem umgesehen hatte, der im Dunkel wartete, um sie zu begleiten. Er fragte sich, was sie sagen würde, wenn sie entdeckte, dass sie nur zu dritt waren.

Er hatte vielleicht sogar geglaubt, was er ihr gesagt hatte … einen Moment lang. Aber sie hatten es kaum ins Freie geschafft, als ein Donnerschlag die Abendruhe erschütterte.

Die Zeit war abgelaufen.

Isabella verwünschte sich, dass sie Joan in der Halle zurückgelassen hatte, während sie in ihre Gemächer gegangen war, um zu packen. Sie hatte es nicht wissen können, sagte sie sich. Es half aber nicht, die Woge der Angst und Furcht zu bezwingen, die sie nun erfasste.

Sie hatte nicht gewollt, dass ihre naseweise Tochter Fragen stellte. Es war sicherer für Joan – für sie beide – wenn ihre Tochter von den Plänen nichts wusste. Würde ihr unwillkürlich eine Bemerkung entschlüpfen, wäre es eine Katastrophe gewesen.

Die Katastrophe war auch so eingetreten. Wie hatte ihr Mann es entdeckt?

Einerlei. Ausschlaggebend war nur, dass er es entdeckt hatte. Seine Wut würde keine Grenzen kennen. Nach Jahren falscher Anschuldigungen und Verdächtigungen ihrer angeblichen Treulosigkeit wegen hatte sie ihm endlich einen Grund geliefert, der seinen Zorn rechtfertigte.

Unter der plötzlichen Kälte in ihrem Blut fröstelnd, folgte sie Roberts berüchtigtem Söldner über den von Fackeln erhellten Gang zur Turmtreppe und hinaus auf den Hof. Sie fragte nicht, was er mit den Wachen gemacht hatte, die ihr Mann zu ihrer Beobachtung zurückgelassen hatte, da sie es nicht wissen wollte, war aber erleichtert, als sie ohne Zwischenfall ins Freie gelangten.

Kaum aber hatten sie das Kopfsteinpflaster des Hofes betreten, als ein ohrenbetäubender Lärm ertönte, der den Boden unter ihren Füßen erzittern ließ. Gleich darauf erhellte ein Flammeninferno den Himmel. Die Hölle brach los. Menschen stürzten aus den Nebengebäuden der Burg auf den Hof. Frauen schrien, Männer riefen. Der Donner …

»Achtung!«, schrie MacRuairi und riss sie auf die Seite, als einige Pferde rasend vor Angst vorübersprengten.

… rührte von Hufen. Ihr Herz pochte heftig. Sie war nur ganz knapp entkommen.

Die Stallungen, wie sie sofort erkannte. Die Stallungen waren in Brand gesetzt worden. Der Holzbau, in dem das Heu lagerte, brannte wie Zunder. Das Feuer schien die Nacht zu verzehren. Dichter Qualm lag in der Luft.

Joan!

O Gott im Himmel, ihre Tochter!

Isabella wollte zur Halle, Lachlan MacRuairi aber hielt sie zurück.

»Man wird sich um das Mädchen kümmern. Wir müssen fort. Die Wachen lassen sich nicht mehr länger ablenken.«

Panik umfasste ihr Herz mit eisigem Griff. Sie versuchte, sich zu wehren, konnte sich jedoch nicht rühren, da MacRuairi sie ganz fest an sich gedrückt hielt.

»Ohne meine Tochter gehe ich nicht fort.«

Er drehte sie abrupt um, die Lippen fest zusammengepresst. Ihr wurde zum ersten Mal klar, wie gefährlich dieser Mann sein konnte. Er sah genauso bösartig und bedrohlich aus, wie sein Ruf es vermuten ließ.

Sie hätte entsetzt sein müssen, doch verspürte sie ein merkwürdiges Prickeln auf ihrer Haut. Inmitten des allgemeinen Chaos war sie sich seiner Nähe bewusst – ein unwillkommenes Gefühl. Ihr stockte der Atem. Sie roch das Leder seines Wamses, den Wind auf seiner Haut, seinen warmen, würzigen Atem. Vor allem aber spürte sie überdeutlich die Hitze und Kraft seines Körpers. Des Körpers eines Kriegers.

Ein Warnsignal ertönte wie eine Glocke in ihr. Ihre Wangen röteten sich vor Schreck. Was war los mit ihr? War ihr Körper nun nach Jahren der Gefühlsstarre wieder zum Leben erwacht? Auf einen Mann wie diesen zu reagieren war mehr als schändlich.

Seine schneidende Stimme riss sie zurück in die Wirklichkeit.

»Countess, hört gut zu. Wenn Ihr hier entkommen wollt, ehe Euer Gemahl eintrifft, müssen wir sofort los. Eure Tochter ist nicht in Gefahr. Die Flammen können der Halle nichts anhaben. Ich gab meinen Leuten ein Zeichen, als wir den Turm verließen. Sie holen jetzt das Mädchen.«

»Aber …«

Er schnitt ihr das Wort ab. »Entscheidet Euch. Wenn Ihr entkommen wollt, dann jetzt gleich. Wollt Ihr oder nicht?«

Hilflos warf sie einen Blick zurück auf den Hof, von dem Wunsch erfüllt, ihre Tochter würde aus dem Qualm auftauchen. Alle Instinkte drängten sie, sich in das Chaos zu stürzen und Joan zu suchen. Aber nun war die erste Panik verflogen, und sie sah ein, dass er recht hatte. Der Brand war nicht so groß, wie es anfänglich ausgesehen hatte, und vor allem hatten sich die Flammen der Halle nicht genähert.

Sie drehte sich zu ihm um. »Seid Ihr sicher, dass Eure Männer es richtig verstanden haben? Wird jemand sie holen? Wird man sie nicht zurücklassen?«

Seine Miene verhärtete sich. Ungerührt begegnete er ihrem Blick. »Ja.«

Isabella hielt seinen Blick fest, wohl wissend, dass sie keinen Grund hatte, ihm zu trauen. Im Gegenteil, nach allem, was sie von ihm wusste, hatte sie allen Grund, ihm nicht zu trauen. Aber sie hatte keine andere Wahl. Ihre Entscheidung war gefallen, als sie einwilligt hatte, Robert zu krönen.

Isabella nickte in der Hoffnung, dass Gott ihr beistand, sie nickte und hoffte, nicht die falscheste Entscheidung ihres Lebens getroffen zu haben.

Mit dem Strom der anderen verängstigten Zaungäste ließ sie sich mitreißen. Die Torwachen schenkten ihnen keine Beachtung, da die Löscharbeiten sie in Anspruch nahmen und sie die wertvollen Pferde ihres Gemahls einfangen mussten, ehe diese das Weite suchten.

Der Brigant zerrte sie mit sich. Immer wieder blickte sie sich um, versuchte, ihre Tochter in der Menge auszumachen. Joan hatte ein Gewand in sattem Granatrot getragen, mit Goldfäden und Perlen bestickt.

»Wo ist sie?«, fragte sie schließlich. »Ich kann sie nirgends entdecken.«

Er gab keine Antwort, zog sie in Richtung Wald. Bald würde die Burg ihrer Sicht völlig entzogen sein.

»Stehen bleiben«, befahl sie und stemmte die Fersen in den Boden. »Wo sind Eure Leute? Wo ist meine …?«

Ein scharfer Pfiff hinter ihr ließ sie verstummen. Der Highlander antwortete ähnlich, und wenig später tauchten hinter ihnen hoch zu Ross zwei Männer auf, die zwei weitere Pferde mit sich führten. Eines davon erkannte sie als Eigentum ihres Mannes.

»Hast du sie?«, fragte der eine.

Wie MacRuairi waren die zwei Reiter nicht wie Ritter gekleidet. Sie trugen dunkle Nasenhelme, gefütterte, mit Stahlnieten verstärkte Kampfwämser und sonderbar geschnittene dunkle Plaids.

»Ja«, gab MacRuairi zurück.

»Gab es Ärger?«, fragte der andere.

»Nichts, was ich nicht hätte bewältigen können«, sagte MacRuairi, nach den Zügeln eines der Pferde greifend.

Isabella blickte in Erwartung anderer Männer um sich. »Wo ist der Rest?«

Der kleinere der beiden Reiter, derjenige der als Erster gesprochen hatte, grinste. »Wir sind der Rest, Mylady.«

Ihr Blick schoss zu MacRuairi. »Und wer soll meine Tochter holen?«

Seine Miene blieb unbewegt und verriet auch nicht das kleinste Anzeichen von Verlegenheit. Er sah genauso aus wie das, was er war: ein gemeiner, skrupelloser Brigant.

Er zuckte gleichmütig mit den Achseln. »Es war unmöglich. Die Zeit war zu knapp. Seht doch«, sagte er, zur Burg deutend, »dort ist wieder alles unter Kontrolle. Die Wachen haben schon ihren Posten vor den Toren bezogen.«

Aber Isabella wollte nicht hinsehen. Entsetzen drohte sie zu überwältigen, als ihr aufging, was er da sagte. Was er getan hatte. Ihr Blick durchbohrte ihn.

»Ihr habt mich belogen«, spie sie ihm mit vor Zorn bebender Stimme entgegen.

Es ließ ihn ungerührt.

»Ich tat, was ich tun musste, um rechtzeitig zu entkommen.« Keine Entschuldigung, kein Bedauern, nur eine sachliche Erklärung. »Das Mädchen ist in der Burg besser aufgehoben. Wo wir hingehen, wäre es nicht so gut dran.«

Unbeschreibliche Wut kam in ihr hoch. Wie konnte er es wagen! Sie war es, die über die Sicherheit ihrer Tochter zu entscheiden hatte.

»Diese Entscheidung steht Euch nicht zu.«

»In diesem Fall schon. Es ist meine Pflicht, Euch nach Scone zu bringen.«

»Eure Pflicht ist es, mich und meine Tochter nach Scone zu bringen.«

Sein Mund zuckte kaum merklich, ansonsten wirkte er ungerührt, während ihr Herz in unzählige Stücke zersprang.

Ein Blick zurück zeigte ihr, dass das Tor tatsächlich wieder bewacht wurde. Jeder Nerv, jede Faser ihres Seins drängte sie zurückzukehren, mochte es noch so töricht sein.

Joan war für sie der wichtigste Mensch auf der Welt. Sie konnte ohne ihre Tochter nicht sein. Wie hatte sie sie nur zurücklassen können? Es war alles ganz anders geplant gewesen. Nie war es ihre Absicht gewesen …

Sie sah die zwei anderen Männer Hilfe suchend an, las aber nur Mitleid in deren Blicken.

Der Brigant hatte das Warten satt. »Nun, was jetzt, Countess? Reitet Ihr mit uns nach Scone, um Euer Bruce gegebenes Versprechen zu halten, oder kehrt Ihr zu Gemahl und Tochter zurück?«

Ihm war anzusehen, dass ihn ihr Dilemma kalt ließ.

Noch nie hatte Isabella jemanden so verabscheut wie MacRuairi in diesem Moment. Ihr entging die feine Spitze nicht, die seine Worte enthielten. Er wusste, dass sie in der Falle saß. Selbst wenn sie pflichtvergessen handelte und Bruce und ihrem Land den Rücken kehrte, gab es für sie kein Zurück mehr. Wenn sie ihrem Mann in die Hände fiel …

Sie würde ihre Tochter nicht vor dem Tod bewahren können.

Emotionen kamen in ihr hoch und brannten in ihrer Kehle. In ihren Augen. In ihrer Brust. Sie war eine Närrin gewesen, auch nur ein Wort aus Lachlan MacRuairis Mund zu glauben. Sie wollte ihn verfluchen. Ihn schlagen. Wie eine Rasende über ihn herfallen. Am liebsten hätte sie sich zusammengekauert und vor Verzweiflung geweint. Jahrelanges Üben, ihre Gefühle zu beherrschen, kam ihr jetzt zu Hilfe.

Niemals Schwäche zeigen. Niemals jemandem die Macht verleihen, einem Schmerz zuzufügen.

Ihren Zorn bezwingend schwor Isabella sich, eines Tages das höhnische Lächeln aus Lachlan MacRuairis grausamer, unbekümmerter Miene zu fegen.

Wortlos ergriff sie die Zügel, die er ihr nun anbot, und ließ sich von ihm in den Sattel helfen. Als sie losritten, saß sie mit aufrechtem Rücken da. Nichts verriet die verheerenden Emotionen, die ihr Inneres zerrissen.

Es wird nicht lange dauern, tröstete sie sich. War Robert erst König, würde er einen Weg in die Herzen der Menschen finden. So auch in ihres. Und sie würde weder rasten noch ruhen, bis sie ihre Tochter wieder in den Armen halten konnte.

2

Lachlan saß neben Gordon und MacKay auf einem Felsblock und verzehrte ein einfaches Mahl aus Trockenfleisch und Hafermehlfladen mit Würzsoße. Der finstere Blick der Frau, der wie ein Dolch aus dem hinteren Bereich der Höhle seinen Rücken traf, verdarb ihm nicht ein bisschen den Appetit. Ihn kümmerte es einen Dreck, was sie dachte. Er hatte getan, was er hatte tun müssen, um sie herauszuholen. Lügen, betrügen, stehlen – das gehörte zum Krieg. Sie tat gut daran, sich daran zu gewöhnen, wenn sie ihre Absicht in die Tat umsetzen wollte.

Es war ja nicht so, dass sie ihre Lage nicht einschätzen konnte. Immerhin war sie eben durchgebrannt, um dem erbittertsten Rivalen ihres Mannes die Krone aufs Haupt zu setzen.

Wäre der Earl of Buchan nicht ein so unerträgliches Scheusal, hätte Lachlan mit dem armen Teufel Mitleid empfinden können. Er wusste besser als jeder andere, dass man von niemandem Loyalität erwarten durfte, am allerwenigsten von einer Ehefrau. Falls Lachlan noch einen Grund gebraucht hätte, nie wieder zu heiraten, so war dieses abschreckende Beispiel einer.

Zur Hölle mit ihr. Er hatte alles getan, um die Mission zu retten. Es war unmöglich gewesen, ihre Tochter rechtzeitig zu erreichen. Es gab keinen Grund, sich schuldig zu fühlen. Er hatte eine Entscheidung für die Mission getroffen. Sie erfolgreich zu beenden war das Einzige, was zählte.

Er würde es wieder tun. Aber nächstes Mal würde er ihr nicht ins Gesicht sehen. Ihr Stolz hatte den herzzerreißenden Ausdruck in ihren Augen nicht verbergen können, als sie losgeritten waren und sie ihre Tochter hatte zurücklassen müssen …

Er hatte genug Menschen unter der Folter gesehen, um sie zu erkennen. Agonie. Pure Agonie.

Er biss ein Stück Fleisch ab, um sich abzulenken, griff nach seinem Schlauch und nahm einen tiefen Schluck Whisky, um die Beklemmung in der Brust hinunterzuspülen.

Gordon beobachtete ihn. »Stimmt etwas mit deinem Essen nicht?«

»Das verdammte Fleisch ist verdorben.«

»Meines war einwandfrei.«

Achselzuckend gönnte Lachlan sich noch einen Schluck. Das flüssige Feuer überlagerte jeden anderen Geschmack.

Er spürte MacKays Blick auf sich, doch der ungehobelte Highlander sagte kein Wort. Das war auch nicht nötig. Seine Missbilligung war ihm so deutlich anzusehen, als hätte er sie laut geäußert.

Magnus MacKay kam aus dem Bergland des nördlichen Schottland. Er war groß, muskulös und einer der härtesten Burschen, die Lachlan je begegnet waren – fähig, in den verschiedensten Extremsituationen zu überleben. Sein einziger Schwachpunkt war das Reiten. Im schlimmsten Fall musste er sich mit schierer Willenskraft im Sattel halten. Nach dem anstrengenden Nachtritt, der hinter ihnen lag – sie hatten ihn in strömendem Regen zurückgelegt –, war die Countess nicht die Einzige, die eine Ruhepause brauchte.

MacKay konnte ihn, Lachlan, nicht ausstehen, doch war das nicht weiter ungewöhnlich. Solange sie sich nicht in die Quere kamen, war alles in Ordnung. Als Lachlan sich entschlossen hatte, Bruce’ geheimer Armee beizutreten, hatte er ganz sicher keine Kameradschaft gesucht. Es war das verlockende Konzept, das ihn gereizt hatte. Die besten Krieger in jeder Kampfdisziplin zu einer Elitetruppe zusammengefasst.

Inzwischen wusste er aus eigener Erfahrung, was sie vermochten. Aber den Krieg konnten sie allein auf sich gestellt nicht gewinnen, und er war skeptisch, ob Ritter wie Robert the Bruce, einem alten Ehrenkodex verpflichtet, die auf Verstohlenheit und Arglist beruhende Taktik der Highlander billigen würden.

Es waren unbestritten die besten Männer, an deren Seite Lachlan je gekämpft hatte, was aber nicht bedeutete, dass er wollte, dass sie sich auf ihn verließen oder dass er sich auf sie verlassen würde. Die Treulosigkeit seiner Frau hatte seine Gefolgsleute das Leben gekostet. Es war eine bittere Lektion, die ihn ungerechtfertigt seiner Ehre und Besitztümer beraubt hatte. In weiterer Folge hatte er sich an das halten müssen, was ihm geblieben war: ein Leben als kampferprobter Krieger, der durch und für das Schwert lebte.

ENDE DER LESEPROBE