Der leidenschaftliche Highlander - Monica McCarty - E-Book

Der leidenschaftliche Highlander E-Book

Monica McCarty

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Beschreibung

Das Herz dieser Frau ist nicht mit Waffen zu erobern!

Kenneth Sutherland ist feurig, aggressiv und mutig. Doch kurz vor den Highland-Spielen, die ihm einen Platz in der geheimen Armee des Königs sichern sollen, bringt ihn ausgerechnet die Haarsträhne einer Frau aus dem Gleichgewicht – Marys unschuldige Erregung und ihr schamloser Hunger nach Leidenschaft lassen sein Blut brodeln. Jedoch hat sich Mary geschworen, durch nichts und niemanden ihre hart erkämpfte Unabhängigkeit wieder aufzugeben. Aber mit jeder sanften Berührung und jedem unvergesslichen Kuss will sie mehr von Kenneth. Und er will Marys Herz. Aber ist der entschlossene Krieger bereit, alles für die Liebe aufs Spiel zu setzen?

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Buch

Kenneth Sutherland ist feurig, aggressiv und mutig, ein wahrer Sieger – vor allem weil er jede Waffe beherrscht und jeden Sieg klar vor Augen hat. Seine größte Herausforderung steht ihm allerdings noch bevor: der geheimen Armee des Königs beizutreten, um unter den Besten der Besten zu kämpfen. Um sich diese Ehre zu sichern, muss er die Highland-Spiele gewinnen. Und obwohl Kenneth fokussiert und gut vorbereitet ist, bringt ihn ausgerechnet die Haarsträhne einer Frau aus dem Gleichgewicht. Marys unschuldige Erregung und ihr schamloser Hunger nach Leidenschaft bringen sein Blut zum Brodeln.

Doch Mary gelobt, dass ihre Hingabe lediglich der Lust diene – keine Versprechen, kein Herzschmerz, nur eine Nacht hingebungsvoller Leidenschaft. Nichts und niemand wird sie dazu bringen, ihre hart erkämpfte Unabhängigkeit aufzugeben, um ihr Schicksal in die Hände des nächsten machthungrigen Mannes zu geben. Doch mit jeder sanften Berührung und jedem unvergesslichen Kuss will sie mehr von Kenneth. Und er will Marys Herz. Aber ist der entschlossene Kämpfer bereit, alles für die Liebe aufs Spiel zu setzen?

Autorin

Monica McCarty studierte Jura an der Stanford Law School. Während dieser Zeit entstand ihre Leidenschaft für die Highlands und deren Clans. Sie arbeitete dennoch mehrere Jahre als Anwältin, bevor sie dieser Leidenschaft nachgab und zu schreiben anfing. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren Kindern in Minnesota.

Von Monica McCarty bei Blanvalet lieferbar:

Der geheimnisvolle Highlander · Der verbannte HighlanderMein geliebter Highlander · Der Highlander, der mein Herz stahlMein verführerischer Highlander · Die Geliebte des HighlandersDer Kuss des Highlanders

Monica McCarty

Der leidenschaftlicheHighlander

Roman

Aus dem Amerikanischenvon Anke Koerten

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Die Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel »The Recruit« bei Ballantine Books, an Imprint of The Random House Publishing Group, a division of Random House, Inc., New York.

1. AuflageDeutsche Erstausgabe Januar 2016bei Blanvalet Verlag, einem Unternehmen derVerlagsgruppe Random House GmbH, MünchenCopyright © 2012 by Monica McCartyThis translation published by arrangement with Ballantine Books,an imprint of the Random House Publishing Group, a division of Random House, Inc.Copyright © 2016 für die deutschsprachige Ausgabeby Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, MünchenUmschlaggestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesignUmschlagmotiv: Chris CocozzaRedaktion: Margit von Cossartue · Herstellung: samSatz: DTP Service Apel, HannoverISBN: 978-3-641-16562-8Besuchen Sie uns auch auf www.facebook.com/blanvalet undwww.twitter.com/BlanvaletVerlag.www.blanvalet.de

Vorwort

Im Jahr des Herrn 1309

Drei Jahre zuvor war der Kampf von Robert the Bruce um Schottlands Thron so gut wie verloren, die Fackel des schottischen Freiheitskampfes erloschen. Trotz nahezu unüberwindlicher Hindernisse und mithilfe seiner als Highland-Garde bekannten Elitetruppe gelingt ihm jedoch ein in der Geschichte einzigartiges Comeback – er gewinnt sein Herrschaftsgebiet zurück. Im März beruft der gerade gekrönte König Robert sein erstes Parlament ein und genießt während eines dringend benötigten Waffenstillstands eine kurze Atempause.

Er kann nicht damit rechnen, dass die Konflikte König Edwards I. mit seinen Baronen ewig anhalten werden. Die Waffenruhe wird zwar zweimal verlängert, schließlich aber ergeht der Befehl, sich in Berwick-upon-Tweed zu sammeln und gegen die aufrührerischen Schotten ins Feld zu ziehen.

Die bevorstehende englische Invasion und der drohende Krieg stellen für Bruce’ junges Königtum die erste Bewährungsprobe dar, und wieder muss er sich auf die außergewöhnlichen Fähigkeiten seiner Hihgland-Garde stützen, um seine Feinde, Engländer wie Schotten, in die Knie zu zwingen. Bruce’ Griff nach der Krone hat die Nation gespalten, dennoch hofft er, alle Schotten – auch jene, die noch immer aufseiten der Engländer stehen – unter seinem Banner zu vereinen. Ihre Loyalität zu gewinnen könnte zu seiner größten Herausforderung werden.

Die Highland-Garde

Tor MacLeod: Führer der Kampftruppe und Meister im Schwertkampf, genannt Chief (Anführer)

Erik MacSorley: Seemann und Schwimmer, genannt Hawk (Falke)

Lachlan MacRuairi: Experte für heimliches Eindringen, genannt Viper (Giftschlange)

Arthur Campbell: Späher und Kundschafter, genannt Ranger (Waldhüter)

Gregor MacGregor: meisterlicher Bogenschütze, genannt Arrow (Pfeil)

Magnus MacKay: Überlebensexperte und Waffenschmied, genannt Saint (Heiliger)

Eoin MacLean: Stratege der Seeräuberkampfweise, genannt Striker (Faustkämpfer)

Ewen Lamont: Fährtenleser und Menschenjäger, genannt Hunter (Jäger)

Robert Boyd: Meister im Einzelkampf, genannt Raider (Angreifer)

Alex Seton: Meister im Dolch- und Nahkampf, genannt Dragon (Drache)

PROLOG

Ponteland Castle, NorthumberlandSeptember 1306

O Gott, wer mochte das sein? Um diese späte Stunde?

Mary schlug das Herz bis zum Hals, als sie über die vom Fackelschein erhellte Treppe hinuntereilte, den Gürtel des samtenen Morgenmantels, den sie über ihr Nachthemd geworfen hatte, eilig zusammenraffend. Da ihr Mann von den Häschern des mächtigen englischen Königs gejagt wurde, war es verständlich, dass sie in Panik geriet, wenn mitten in der Nacht gemeldet wurde, jemand sei an der Pforte. Als Mary die Halle betrat, drehte sich die Person, die auf sie wartete, um und schob die vom Regen durchtränkte Kapuze ihres wollenen Umhangs ein Stück zurück.

Mary blieb das Herz stehen. Trotz der Kopfbedeckung, die das lange goldblonde Haar verbarg, und der Schmutzspuren auf den feinen Zügen erkannte Mary sofort, wer da vor ihr stand. Entsetzt starrte sie in das Antlitz, das ihrem eigenen so sehr glich.

»Janet, was machst du hier? Du hättest nicht kommen sollen!«

England war kein Boden für einen Schotten – ob Mann oder Frau – mit Verbindungen zu Robert the Bruce. Und Janet war wie Mary mit ihm verschwägert. So war ihre älteste Schwester Roberts erste Gemahlin gewesen, während ihr ältester Bruder Roberts Schwester geehelicht hatte. Marys kleiner Neffe, der gegenwärtige Earl of Mar, war zusammen mit Roberts Königin auf der Flucht, und ihre Nichte war Roberts einzige Erbin. Nichts wäre König Edward von England gelegener gekommen, als eine weitere Mar-Tochter in seine Gewalt zu bringen.

Auf Marys tadelnden Ton hin stützte ihre um zwei Minuten jüngere Zwillingsschwester die Hände energisch in die Hüften und lächelte alles andere als schuldbewusst.

»Ein schöner Empfang ist das, nachdem ich ganz Schottland umsegelt habe und fast zehn Meilen auf einem störrischen alten Gaul durch strömenden Regen …«

»Janet!«, unterbrach ihre Schwester sie ungeduldig.

War Janet sich der Gefahr offenbar nicht bewusst, so war Mary es umso mehr. Während sich Mary der Realität lieber offenen Auges stellte, glitt Janet locker darüber hinweg und hoffte, die Wirklichkeit würde sie nie einholen.

Janet verzog den Mund wie immer, wenn Mary sie zu zügeln versuchte. »Ich bin natürlich gekommen, um dich nach Hause zu bringen!«

Nach Hause. Nach Schottland. Marys Herz zog sich zusammen. O Gott, wenn das so einfach wäre. »Weiß Walter, dass du hier bist?« Sie konnte nicht glauben, dass ihr Bruder eine so gefahrvolle Reise gebilligt hätte. »Und was trägst du da, um Himmels willen?«

Mary hätte wissen müssen, dass sie nicht zwei Fragen zugleich stellen durfte, da sie ihrer Schwester damit die Chance gab, die unangenehmere zu übergehen. Wieder lächelte Janet, öffnete ihren dunklen wollenen Umhang und gab den Blick auf ein braunes Kleid aus grobem Wollstoff preis – so stolz, als wäre es aus feinster Seide. In Anbetracht ihrer Vorliebe für feine Garderobe war ihre Kleiderwahl ausgesprochen bemerkenswert.

»Gefalle ich dir?«

»Natürlich nicht. Dieses Kleid ist schrecklich.« Mary, die die Passion ihrer Schwester für schöne Garderobe teilte, rümpfte die Nase. Waren das etwa Mottenlöcher? »Mit diesem altmodischen Brusttuch siehst du aus wie eine Nonne – eine armselige.«

Offenbar war dies die richtige Antwort. Janets Augen leuchteten auf. »Meinst du? Ich habe mein Bestes getan, aber viel hatte ich nicht zur Verfügung …«

»Janet!« Mary fiel ihr erneut ins Wort. O Gott, wie schön es war, sie zu sehen! Ihre Blicke trafen sich, die Kehle wurde ihr eng. »Du solltet nicht … nicht hier sein.«

Die Stimme gehorchte ihr nicht mehr, und nun war auch Janets gespielte gute Laune verflogen. Im nächsten Moment lag Mary in den Armen ihrer Schwester. Jetzt konnte sie den Tränen, die sich aufgestaut hatten, seit sie von ihrem Mann in diesem Albtraum hilflos zurückgelassen worden war, freien Lauf lassen. Hier bist du in Sicherheit, hatte er wie nebenbei gesagt, in Gedanken schon bei dem bevorstehenden Kampf. Ein halbes Jahr war das nun her.

John Strathbogie, der Earl of Atholl, hatte sich für diesen Weg entschieden, und würde sich durch nichts davon abbringen lassen. Und schon gar nicht von ihr. Von der Kinderbraut, die er nie gewollt, der Ehefrau, der er kaum Beachtung geschenkt hatte. Sie hatte den Rest an Stolz hinuntergeschluckt, den sie noch besaß, und hatte gefragt, warum sie und ihr Sohn nicht mitkommen könnten. Er hatte die Stirn gerunzelt und ihr sein hübsches Gesicht, das ihr Jungmädchenherz gewonnen hatte, ungeduldig zugewandt. Ich tue alles, um dich und David zu schützen, hatte er geantwortet, obwohl ihm sein Sohn fast so fremd war wie seine Frau. Ihre Miene hatte ihm ein Seufzen entlockt, und er hatte versprochen, sie zu holen, wenn es sich einrichten ließe. In England bist du bis auf Weiteres sicherer, hatte John sie zu beruhigen versucht. Edward wird keinen Grund haben, dich zur Rechenschaft zu ziehen, falls die Dinge eine ungünstige Wendung nehmen sollten.

Wie schlimm alles kommen würde, hatte man sich nicht vorstellen können. Voller Zuversicht war er aufgebrochen, überzeugt von der Rechtmäßigkeit seiner Sache. Mit Ungeduld hatte er dem vor ihm liegenden Kampf entgegengesehen. Der Earl of Atholl war ein Held und stets bereit, sein Schwert im Namen der Freiheit zu erheben. In den schon zehn Jahre währenden Kämpfen um Schottlands Unabhängigkeit hatte er in jeder großen Schlacht mitgekämpft. Um der Sache willen war er eingekerkert worden, hatte gezwungenermaßen in Edwards Armee gekämpft, hatte seinen Sohn über acht Jahre lang den Engländern als Geisel überlassen müssen und seine Ländereien beidseits der Grenze verloren (die er schließlich wieder zurückerhielt). Das alles aber hatte ihn nicht daran hindern können, sich wieder in einen Kampf zu stürzen, dieses Mal an der Seite von Robert the Bruce, der nach der schottischen Krone strebte.

Nach zwei verheerenden Niederlagen auf dem Schlachtfeld befand Roberts Armee sich nun auf der Flucht. Als einer von nur drei Earls, die Bruce’ Krönung beigewohnt und sich dem Aufstand des Möchtegernkönigs gegen Edward von England angeschlossen hatten, war Marys Gemahl ein gnadenlos Gejagter. Aber bis jetzt hatte John in einem Punkt recht behalten: Edward hatte seine Rachsucht nicht gegen die Gemahlin und den Sohn des »treulosen« Earl gewendet, die dieser zurückgelassen hatte. Den Sohn, den man ihr mit knapp sechs Monaten genommen hatte, um ihn am englischen Hof zu erziehen, den Sohn, der Anfang dieses Jahres unter der Bedingung zu ihr zurückkehren durfte, dass er englischen Boden nicht verließ.

Aber wie lange würden sie Edwards Zorn noch entgehen können? Wie sollten sie mit dem Makel von Johns Verrat auf Dauer leben? Tag für Tag befürchtete Mary, bei einem Blick aus dem Turmfenster sehen zu müssen, dass die Soldaten des Königs die Burg umzingelten. Wie satt sie es hatte, ständig in Angst zu leben und tapfer sein zu müssen. Nun weinte sie sich an der Schulter ihrer Schwester aus und ließ den Gefühlen, die sie so tapfer zurückgehalten hatte, mit heißen, erstickenden Schluchzern freien Lauf.

»Natürlich musste ich kommen«, sagte Janet, die beruhigend auf sie einredete, bis die Tränen versiegten. Erst dann umfasste sie Marys Schulter und schob sie ein wenig von sich, um sie anzusehen. »Was hast du nur mit dir gemacht? Du bist ja spindeldürr. Wann hast du das letzte Mal gegessen?«

Janet hörte sich an wie ihre fast fünfzehn Jahre zuvor verstorbene Mutter. Beinahe hätte Mary gelächelt. Janet war immer die Beschützerin gewesen. Nach der Enttäuschung und Desillusionierung durch ihre Ehe, nach dem Schmerz, als ihr Sohn ihr genommen wurde, und dem Verlust von Eltern und Geschwistern war es stets Janet gewesen, die Marys Tränen getrocknet hatte. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, wie schrecklich allein sie sich gefühlt hatte, bis sie Janet nun vor dem Feuer stehen sah, total durchnässt und in grotesker Kleidung, doch bei ihr.

Ohne Marys Antwort abzuwarten, ergriff Janet die Initiative. Sie rief nach einer Magd und verlangte Wein, Brot und Käse. Das Mädchen, dessen Blick irritiert zwischen den zwei nahezu identischen Gesichtern hin und her wanderte, zögerte nicht, Janets Aufforderung nachzukommen. Mary konnte nur lächeln, als sie wenig später neben ihrer Schwester saß, vor sich eine große Servierplatte mit den unterschiedlichsten Köstlichkeiten. Janet hatte ihren nassen Umhang abgelegt und zum Trocknen ans Feuer gehängt, musste aber Brusttuch und Schleier, die zusammen mit dem großen Kreuz, das sie an einer Kette um den Hals trug, eine Nonnentracht vortäuschten, noch ablegen.

Wieder sah Mary ihre Schwester an, wieder voller Angst. »Janet, du hättest nicht kommen sollen. Duncan wird außer sich sein, weil du dieses Wagnis eingegangen bist.« Zögernd fragte sie: »Wie hast du es geschafft, ohne seine Hilfe die ganze Strecke von Castle Tioram bis hierher zurückzulegen?«

Janet schmunzelte. »Ich stieß auf geneigtere Ohren.«

Ihre Blicke trafen sich. Es war nicht schwer zu erraten, wen sie meinte. »Lady Christina?«

Ihr Bruder Duncan war mit Christina MacRuairi verheiratet, auch als Lady oft the Isles bekannt, einzige legitime Erbin der Lordship of Garmoran. Als starke Macht aus eigenem Recht würde Christina nicht zögern, ihrem gebieterischen Bruder die Stirn zu bieten, wenn sie an eine Sache glaubte.

Janet nickte. »Meine Verkleidung war ihre Idee. Sie stellte die Männer und das birlinn zur Verfügung.« Natürlich, dachte Mary. Nur die Inselleute Lady Christinas verfügten über das seemännische Geschick, um vor der Nase der Engländer durchzuschlüpfen und ihr Ziel mittels eines Seglers zu erreichen. »Wir gingen ein Stück nördlich von Newcastle upon Tyne an Land. Dort erstand ich ein Pferd. Zwölf Pfund für eine bockige Schindmähre, sicher älter als ich und nicht halb so viel wert! Der Mann wird zur Hölle fahren, weil er eine Nonne übers Ohr gehauen hat.« Janet war so außer sich, dass Mary sich lieber den Einwand verkniff, dass sie ja keine richtige Nonne war. »Ich habe ein paar Stunden länger gebraucht als nötig, aber ich habe es geschafft. Ich passierte eine Abteilung englischer Soldaten, und keiner gönnte mir einen zweiten Blick.«

Mary war froh, dass sie saß. Nur ihre Schwester konnte Hunderte von Meilen durch gefahrvolle Gewässer mitten durch das Herz der englischen Flotte rund um Schottland segeln, zehn Meilen durch vom Krieg verwüstetes Land reiten und dem Feind gegenübertreten, als wäre das gar nichts.

»Bitte, sag jetzt nicht, dass du allein unterwegs warst«, brachte sie atemlos heraus.

Janet sah Mary an, als hätte sie den Verstand verloren. »Natürlich nicht. Ich hatte Cailin bei mir.«

»Oh …«

Mary seufzte resigniert. Cailin, der ehemalige Stallmeister ihres Vaters, der ihr Kindermädchen geheiratet hatte, war mindestens sechzig und hatte sich von Janet seit deren frühester Kindheit um den kleinen Finger wickeln lassen. Er würde sie beide bis zum letzten Atemzug beschützen, war aber kein Krieger.

Janet schmunzelte. »Er war nicht eben erbaut, sich eine Tonsur scheren zu lassen, machte sich aber als Mönch sehr gut. Ich habe ihn in die Küche geschickt. Dort kann er sich trocknen und stärken, während du die Sachen für dich und David packst. Wir sollten möglichst rasch losreiten. Für dich habe ich eine ähnliche Verkleidung vorgesehen, wie ich sie habe. Die Kutte dürfte dir allerdings viel zu groß sein.« Wieder rümpfte sie die Nase über Marys Aussehen. »Beim Himmel Mary, du siehst so jämmerlich aus wie ein halb verhungerter Spatz.« Auf die Taktlosigkeit ihrer Schwester, die nie den Mund halten konnte, war immer Verlass. Mary wusste, dass sie abgenommen hatte, wie dünn sie jedoch tatsächlich war, ging ihr erst auf, als sie die besorgte Miene ihrer Schwester sah. »Wir müssen uns damit begnügen. Für Davey habe ich nur einen Umhang. Für einen Mönch ist er noch zu jung.«

Ihr Sohn war neun Jahre alt, gezeugt in ihrer Hochzeitsnacht, als sie kaum vierzehn gewesen war, und geboren, während ihr Mann nach seiner ersten Rebellion im Tower von London eingekerkert war. Sie hatte ihren Mann nach der Hochzeit fast zwei Jahre lang nicht gesehen. Es war ein böser Vorgeschmack dessen gewesen, was noch kommen sollte.

Mary wünschte sich nichts sehnlicher, als das Angebot ihrer Schwester mit beiden Händen zu ergreifen, und wäre es nur auf sie angekommen, hätte sie es getan. Sie hätte fast alles getan, um nach Schottland zurückzukehren. Aber sie musste an Davids Zukunft denken. Johns Rebellion gegen Edward hatte ihren Sohn seiner Kindheit beraubt. Sie würde nicht zulassen, dass er nun auch um sein väterliches Erbe gebracht wurde. Nicht, wenn es eine Chance gab, diesem Albtraum heil zu entkommen.

Wieder den Tränen nahe schüttelte Mary den Kopf. »Ich kann nicht. Ich möchte ja, wage es aber nicht. Edward wird uns als Verräter brandmarken, wenn wir versuchen, England zu verlassen, und Davids Anspruch auf Titel und Besitz wären verloren. John wird uns holen, wenn es ihm möglich ist.«

Sie musste daran festhalten. Trotz allem, was geschehen war, konnte sie nicht glauben, dass ihr Gemahl sie für immer allein dieser Situation aussetzen würde.

Janet erstarrte. Ihre blauen Augen wurden groß. »Ja, hast du denn nicht davon gehört?«

Der Ton ihrer Schwester alarmierte Mary. Ein Schauer erfasste sie, eine dünne Eisschicht schien ihre Haut zu überziehen. »Was gehört?«

»Robert ist mithilfe unseres Bruders und Lady Christinas auf die Inseln entkommen. Aber die Königin und ihr Gefolge wurden vor einer Woche in Tain gefangen genommen. Der Earl of Ross entweihte das Asylrecht von St. Duthac und ließ sie festnehmen. Deshalb bin ich gekommen.«

Mary stockte der Atem. »Und John?«, fragte sie wie betäubt, obschon sie die Antwort erahnte.

Janet sagte nichts. Es war nicht nötig. Mary wusste, dass ihr Gemahl ein Held war. Vor allem die Frauen beteten ihn an. Aber nun war es damit vorbei. Schottlands Held war in Gefangenschaft geraten. Ihr Herz zog sich zusammen. Nach allen Enttäuschungen und allem Schmerz regten sich in ihr noch Spuren der mädchenhaften Liebe, die sie ihm einst entgegengebracht hatte. Diese Gefühle waren schon vor langer Zeit zerstört worden, doch der Gedanke, dass ihr Gemahl in Ketten lag, weckte die Träume, die ihr geblieben waren, erneut.

Warum, John? Warum musste es so enden?

Sie wusste nicht, ob sie ihre Ehe oder sein Leben meinte. Vermutlich beides.

»Es tut mir leid«, sagte Janet und legte eine Hand auf ihre. Sie hatte Marys Ehemann nie gemocht, konnte aber den Kummer ihrer Schwester nachfühlen. »Ich dachte, du wüsstest es.«

Mary schüttelte den Kopf. »Wir sind hier ganz allein. Sir Adam kommt oft. Aber er wurde vor fast einer Woche an den Hof gerufen …«

Sie verstummte, als ihr klar wurde, dass der Zeitpunkt wohl kein Zufall war. Hatte er es gewusst?

Nein, Mary schüttelte den Gedanken ab. Sir Adam Gordon hatte während der vergangenen Monate alles getan, um sie und David zu schützen. Als einer der engsten Freunde Johns hatte er sich sogar als Bürge für Davids Freilassung angeboten. Ihr Mann und Sir Adam hatten gemeinsam bei Dunbar und Falkirk für Schottland gekämpft und nach der Niederlage in Edwards Armee in Flandern gedient. In der Frage von Bruce’ Thronanspruch vertraten sie zwar entgegengesetzte Meinungen, da Sir Adam dem abgesetzten König John Balliol loyal gegenüberstand und mit ihren einstigen englischen Verbündeten gemeinsame Sache gegen Bruce machte, doch wusste sie, dass Sir Adam nach besten Kräften auch weiterhin für ihre Sicherheit sorgen würde.

»Wir dürfen uns nicht verspäten«, drängte Janet. »Christinas Leute warten auf uns. Wir müssen vor Tagesanbruch zur Stelle sein.«

Dennoch zögerte Mary. Die Gefangennahme ihres Mannes John, Earl of Atholl, hatte nichts verändert. Eher war es nun noch wichtiger, dass sie nicht überstürzt handelte. Aber abzuwarten, ob Edwards Zorn sie schließlich doch traf, war so, als beträte man den Käfig eines hungrigen Löwen in der Hoffnung, er würde einen nicht wahrnehmen.

Was sollte sie nur tun? Mary hatte kaum Gelegenheit gehabt, wichtige Entscheidungen zu treffen. Erst hatte ihr Vater und dann ihr Bruder alles für sie entschieden. Sie beneidete ihre Schwester um deren Unabhängigkeit in einer von Männern beherrschten Welt. Janets zwei Verlöbnisse hatte der Tod beendet.

Janet musste ihre Unsicherheit gespürt haben. Sie umfasste die Schultern ihrer Schwester und zwang Mary, sie anzusehen.

»Mary, hier kannst du nicht bleiben. Edward hat den Verstand verloren. Gerüchte besagen …« Sie hielt inne, als wären die Worte zu schmerzlich.

»Was denn?«, fragte Mary.

In die Augen ihrer Schwester traten Tränen. »Gerüchte besagen, dass er befahl, unsere Nichte Marjorie in einen Käfig sperren und diesen an die Spitze des Londoner Tower hängen zu lassen.«

Mary stockte der Atem. In einen Käfig? Das konnte sie nicht glauben, auch nicht von Edward Plantagenet, dem selbst ernannten »Hammer der Schotten« und gnadenlosesten König der Christenheit. Marjorie, Roberts Tochter aus der Ehe mit ihrer verstorbenen Schwester, war noch ein Kind.

»Das kann nicht wahr sein.«

Janet schüttelte den Kopf. »Und Mary Bruce und Isabella MacDuff ebenso.«

Gott im Himmel! Unvorstellbar, diese Barbarei. Mary schluckte, doch der Kloß in ihrer Kehle steckte fest, so groß war ihr Entsetzen.

Plötzlich drehte ihre Schwester sich zum Fenster um. »Hast du gehört?«

Mary nickte, und zum zweiten Mal an diesem Abend schlug ihr das Herz bis zum Hals. »Das ist Hufschlag.«

War es schon zu spät? Waren die Soldaten, die sie so fürchtete, schon da?

Ein Käfig …

Die Frauen liefen ans Fenster des Bergfrieds, eines viereckigen Wohnturmes, wie er im Grenzgebiet häufig anzutreffen war. Es war dunkel, und der Regen hatte nicht nachgelassen, aber Mary konnte drei Reiter ausmachen, die sich der Burg näherten. Erst als diese das von Fackeln beleuchtete Tor erreichten, erkannte sie die vertrauten Wappen und konnte erlöst aufatmen.

»Es ist Sir Adam.«

Marys Erleichterung war nur von kurzer Dauer. Wenn Sir Adam um diese späte Stunde hier auftauchte, musste es einen Grund geben, und in Anbetracht ihrer momentanen Umstände war es vermutlich kein guter.

Der Haushofmeister ihres Gatten ließ den Freund kurz darauf in die Halle ein. Mary wartete kaum ab, bis sich die Tür hinter ihm schloss. Aufgeregt stürzte sie auf ihn zu.

»Stimmt es? Wurde John gefangen genommen?«

Offenbar erstaunt, dass sie es wusste, runzelte Sir Adam die Stirn. Als er Marys Schwester gewahrte, war ihm allerdings alles klar.

»Lady Janet«, sagte er mit einem Kopfnicken, nachdem er Mary begrüßt hatte. »Was führt Euch hierher?«

Ehe ihre Schwester antworten konnte, fragte Mary wieder: »Ist es wahr?«

Sir Adam nickte matt. Er wirkte abgekämpft, obwohl er wie der Earl of Atholl erst vierzig Jahre alt war. Der Krieg hatte ihn wie alle anderen altern lassen. Mit ihren dreiundzwanzig Jahren fühlte Mary sich zuweilen, als wäre sie doppelt so alt.

»Ja, Lady Mary, es stimmt. Er wurde nach Kent gebracht und wird in Canterbury vor Gericht gestellt.«

Mary hielt den Atem an. Mit der Wahl von Kent als Schauplatz des Prozesses ließ König Edward wenig Zweifel am Ausgang des Verfahrens. Wie so viele schottische Edle besaß der Earl of Atholl bedeutende Ländereien in England, darunter ausgedehnte Güter in Kent. Für diesen Landbesitz hatte er Edward den Lehnseid leisten müssen. Man würde den schottischen Earl als englischen Untertan aburteilen.

Mary sackte zusammen. Dieses Mal würde der charmante Earl of Atholl dem Henker nicht entkommen. Sie sah ihre Befürchtung in Sir Adams Miene widergespiegelt. Aber sie sah noch etwas anderes.

»Gibt es noch etwas?«

Sein Blick glitt zu ihrer Schwester. »Ihr solltet nicht hier sein, Lady Janet. Man darf Euch nicht sehen.« Sein Blick wanderte zwischen den Schwestern hin und her. »Würde ich Euch nicht so gut kennen, ich könnte Euch nicht unterscheiden.«

»Wer darf mich nicht sehen?«, fragte Janet und sprach damit Marys Gedanken aus.

Sir Adam wandte sich seufzend wieder an Mary. »Deshalb bin ich da. Ich ritt voraus, um Euch vorzubereiten. Edward lässt Euch und David holen.«

Mary erstarrte. Nur mit Mühe brachte sie die Worte heraus. »Man wird uns festnehmen?«

»Nein, nein. Es tut mir leid, ich wollte Euch nicht erschrecken. Der König möchte nur sicher sein, dass es Euch und Davey an nichts fehlt.«

Janet gab ein verächtliches Geräusch von sich. »An nichts fehlt? Eine interessante Formulierung. Fehlt es auch unserer Nichte Marjorie an nichts?«

Sir Adam konnte seinen Abscheu nicht verbergen. »Im Moment rast Edward vor Zorn, doch wird er seine Entscheidung überdenken, wenn er sich wieder beruhigt hat. Ich kann nicht glauben, dass er ein junges Mädchen in einen Käfig hat sperren lassen.« Sein Blick fiel auf Mary. »Der König sieht bei Euch und David keine Mitschuld an Johns Taten. Er kennt Euch als getreue Untertanin, und David ist für ihn nach fast acht Jahren in Edwards Haus wie ein Enkelsohn. Ihr und der Knabe seid nicht in Gefahr.«

»Was ist aber, wenn Ihr Euch irrt?«, wollte Janet wissen. »Wollt Ihr das Leben meiner Schwester Edward Plantagenets Wankelmut und Launen ausliefern?« Der König war für seine Wutanfälle – ein Erbe seiner Anjou-Vorfahren, die vom Teufel abstammen sollten – bekannt. Janet schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin gekommen, um sie nach Hause zu bringen.«

Sir Adam sah Mary ungläubig an. »Ist das wahr, Lady Mary? Ihr wollt aus England fliehen?«

Aber Mary ließ seine Frage unbeantwortet. »Hat der König die Absicht, meinen Sohn in einem anderen englischen Haus gefangen zu halten?«

Ihr flehender Blick bat ihn, ihr die Wahrheit zu sagen, doch sie sah Unsicherheit in seinen Augen aufflackern. »Ich weiß es nicht.«

Marys Brust zog sich schmerzhaft zusammen. So viele Jahre waren vergangen, doch es hätte gestern gewesen sein können, so deutlich waren die Erinnerungen an den Moment, als man ihr das Kind aus den Armen gerissen hatte. Rasch traf die junge Frau eine Entscheidung. Sie würde, sie konnte nicht zulassen, dass ihr Sohn ihr wieder genommen wurde. Der Sohn, der jetzt schon mehr Engländer als Schotte war.

»Werdet Ihr uns helfen?«

Sir Adam zögerte. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Sie erbat dies sehr ungern von ihm, da er schon so viel für sie getan hatte, doch blieb ihr nichts anderes übrig, da Edwards Abgesandte ihr auf den Fersen waren.

Sein Zögern verging rasch. »Euer Entschluss steht fest?«

Mary nickte. Ihr Mann konnte nichts mehr für sie tun. Sie musste nun selbst handeln.

Sein Seufzen verriet, dass er ihren Plan nicht billigte, aber wusste, dass Widerspruch zwecklos war. »Dann werde ich die Männer aufhalten, so gut ich kann.« Er wandte sich an Janet. »Ihr habt Pferde?«

Janet nickte. »Ja.«

»Dann holt David und macht Euch auf den Weg. Sie können jeden Moment da sein.«

Mary schlang die Arme um ihn. »Danke«, sagte sie mit feuchten Augen.

»Ich werde alles für Eure Sicherheit tun«, sagte Sir Adam bewegt. Marys Herz schwoll an vor Dankbarkeit. Wenn nur ihr Ehemann so gehandelt hätte … »Ich verdanke dem Earl of Atholl mein Leben.«

Ihr Mann hatte Sir Adam auf dem Schlachtfeld von Dunbar heldenhaft das Entkommen ermöglicht, als Sir Adams Vater gefallen war. Einst war sie auf den Mut und die Kampfkraft ihres Mannes stolz gewesen, doch hatte er sich mit ihrem Stolz nicht zufriedengegeben. Einen Mann wie ihn von Weitem zu bewundern, war etwas anderes, als mit ihm verheiratet zu sein.

Mary schlüpfte in die Sachen, die Janet ihr mitgebracht hatte. Sie waren tatsächlich zu groß und hingen an ihr wie ein Sack. Dann ging sie, um ihren Sohn zu wecken. Falls Janet den skeptischen Blick des Jungen bemerkte, mit dem er seine Mutter ansah, unterließ sie jeden Kommentar. Es braucht seine Zeit, sagte Mary sich. Auch nach drei Monaten scheute David noch immer vor jeder Berührung mit ihr zurück. Vielleicht wäre es weniger schmerzlich, wenn er seinem Vater nicht so ähnlich sähe. Der Junge, der von ihr nur das helle Haar geerbt hatte, war das Ebenbild ihres gut aussehenden Ehemannes.

Zum Glück wehrte David sich nicht, als er, mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen, in einen kratzenden Wollumhang gehüllt und in höchster Eile hinaus in die stürmische Nacht gedrängt wurde. Als Gefangener – wenn auch bevorzugt – in England erzogen, hatte er gelernt, seine Gedanken gut für sich zu behalten. Zu gut. Ihr kleiner Sohn war für Mary noch immer ein Rätsel.

Cailin zog sie in einer herzlichen Umarmung an sich, als er sie erblickte. Sie musste sich ein Lächeln verkneifen. Janet hatte recht. Mit seinem runden, gutmütigen Gesicht und dem ebenso gerundeten Bauch machte er sich als Mönch sehr gut.

Nachdem sie das von Janet erstandene Pferd gegen zwei Tiere aus dem eigenen Stall ausgetauscht hatten – Mary würde mit David reiten, und Janet mit Cailin –, ging es los, der Ostküste entgegen. Auf der vom starken Regen aufgeweichten, schlammigen Straße ging es nur langsam und mühsam voran. Es war zu regnerisch, um Fackeln anzuzünden, sodass auch die Sicht sehr schlecht war. Weit schlimmer aber war die ständige Angst, die aufs Höchste angespannten Sinne und Nerven, das ständige Horchen auf den Hufschlag der Verfolger. Doch mit jeder Meile, die sie zurücklegten, glitt von Marys Angst etwas ab. Sie wusste, dass sie kurz vor dem Ziel waren, als Janet ihre Vermutung bestätigte.

»Wir sind fast da. Das birlinn ist in einer Bucht verborgen. Wir müssen nur noch die Brücke über den Tyne queren.«

Mary konnte es nicht glauben. Sie hatten es beinahe geschafft! Sie war auf dem Weg in die Heimat.

Schottland!

Plötzlich vernahm sie von Weitem ein Geräusch, das sie jäh anhalten ließ. Es war jedoch nicht Hufgetrappel hinter ihr, das sie so sehr fürchtete, sondern Klirren von Metall vor ihr.

Auch Janet verhielt ihr Pferd. Ihre Blicke trafen sich für den Bruchteil einer Sekunde, ehe ihre Schwester einen erstickten Aufschrei von sich gab und dann davonsprengte.

Mary rief ihr nach, sie solle anhalten, aber Janet stürmte mit Cailin hinter sich im Sattel weiter. Ihren vor ihr sitzenden Sohn fester umklammernd galoppierte Mary ihr nach, in die Dunkelheit hinein, während die Kampfgeräusche immer lauter wurden.

»Janet, stehenbleiben!«, rief sie.

Ihre Schwester ritt dem Tod entgegen. Irgendwie mussten die Engländer die Schiffsbesatzung entdeckt haben, die Clan-Leute ihrer Schwägerin schienen um ihr Leben zu kämpfen.

Anstelle Janets, die nicht imstande war, vernünftig zu handeln, tat es zum Glück Cailin, der ihr Pferd zum Anhalten zwang, damit Mary und David sie einholen konnten.

Janet versuchte, dem Alten die Zügel zu entreißen. »Cailin, lass los.« Mary war nun nahe genug, um die Wildheit in den Augen ihrer Schwester zu erkennen. Der Mond, der sich zwischen den Wolken hindurchgeschoben hatte, gab ihnen nun ein wenig Licht. »Ich muss weiter. Ich muss sehen, was da vorgeht.«

»Ihr helft den Männern nicht, wenn Ihr selbst den Tod findet«, sagte Cailin streng, strenger, als Mary ihn je mit ihr hatte reden hören. »Mischt Ihr Euch ein, werden sie Euch und nicht sich selbst verteidigen.«

Janets Augen füllten sich mit Tränen. »Aber es ist meine Schuld.«

»Nein«, widersprach Mary heftig. »Nicht deine, sondern meine.«

Und das stimmte. Sie hätte es nie so weit kommen lassen dürfen. Sie hätte schon vor Monaten fliehen sollen. Als jedoch deutlich geworden war, dass Bruce’ Sache verloren war, hatte sie darauf vertraut, dass ihr Mann sie holen würde. Hatte er in seinem Verlangen nach Ruhm auch nur einen Gedanken auf ihr Schicksal verwendet?

»Wer kämpft dort vor uns, Mutter?«, fragte David.

Mary blickte in das ernste Gesicht ihres Sohnes, der zu ihr aufsah. »Die Männer, die deine Tante uns schickte.«

»Heißt das, dass wir nicht fortgehen?«

Die Andeutung von Erleichterung, die sie aus seinen Worten heraushörte, traf sie mitten ins Herz. Aber konnte man es ihm verdenken, dass er nicht fortwollte? England war ihm zur Heimat geworden, eine andere kannte er nicht. O Gott, wie sehr hatte man ihn im Stich gelassen.

Sie antwortete ihm nicht direkt, sondern sah ihre Schwester an. »Wir müssen zurück, ehe man uns entdeckt.«

Allein auf sich gestellt, würden sie es niemals bis nach Schottland schaffen.

»Nicht aufgeben, Mädchen«, sagte Cailin. »Die MacRuairis wissen zu kämpfen.«

Aber wie lange konnten sie es wagen, hier zu warten?

Augenblicke später fiel für sie die Entscheidung. Der Hufschlag kam näher. Die Engländer ergriffen die Flucht! Pech, dass die Soldaten zur Brücke stürmten, und sie ihnen nun direkt im Weg standen.

»Rasch«, drängte Mary.

Sie preschten zurück zur Brücke, ehe sie zwischen die flüchtenden Engländer und die Inselleute geraten konnten, die nach den Geräuschen zu schließen jene verfolgten.

Eben hatten sie das andere Ende der Brücke erreicht, als Mary hinter sich Janets Aufschrei hörte. Sie blickte sich um und sah Cailin vom Pferd gleiten und mit einem dumpfen Aufprall auf die Holzplanken fallen. Alles schien nun gleichzeitig zu passieren. Janet hielt an und sprang ab, um ihm zu Hilfe zu kommen. Cailin lag mit dem Gesicht nach unten da, ein Pfeil ragte aus seinem Rücken. Mary warf einen Blick hinter ihre Schwester und sah, dass es auf dem Weg, von dem sie eben geflüchtet waren, von Männern wimmelte. Das wilde Kriegsgeschrei der Inselleute durchschnitt die Nachtluft. Die Verfolger hatten ihre Beute eingeholt, das Ufer wurde zum Schlachtfeld.

»Lass ihn! Du musst ihn zurücklassen«, schrie Mary über das Schwertergeklirr ihrer Schwester zu.

Die Engländer, die versuchten den Inselmännern zu entkommen, hielten direkt auf sie zu und drohten Janet niederzutrampeln. Die Blicke der Schwestern trafen sich. Mary wusste, dass Janet Cailin nicht im Stich lassen würde. Sie versuchte, ihn unter den Armen zu fassen und hochzuziehen, hatte aber schwer mit seinem Gewicht zu kämpfen.

Mary wendete ihr Pferd mit der Absicht, ihre Schwester mit Gewalt von der Brücke zu zerren, als sie eine Stimme zu hören glaubte.

»Nein, nein!«, hallte es durch die Nacht.

Dann bäumte sich ihr Pferd auf, denn ein furchterregender Knall erschütterte die Umgebung. Mary schrie auf, drückte David an sich und hielt verzweifelt die Zügel fest, um nicht aus dem Sattel zu gleiten. Fast hatte sie das Pferd wieder im Griff, als auf der Brücke vor ihr ein blendend heller Schein aufflammte. Ein Blitz? Ein merkwürdiges Grollen ertönte.

O Gott, Janet!

Entsetzt musste Mary mit ansehen, wie die Brücke zerbarst und ihre Schwester plötzlich in einem Feuerball verschwunden war. Dann stürzte sie rücklings vom Pferd. Es war ihre letzte Erinnerung.

Als Mary Stunden später warm und trocken in ihrem Schlafgemach erwachte, war ihr erster Gedanke, dass alles nur ein böser Traum gewesen war. Aber gleich danach wurde ihr klar, dass der Albtraum erst begonnen hatte.

Cailin war tot und ihre Schwester verschwunden. Sie musste, von der einstürzenden, brennenden Brücke mitgerissen, ums Leben gekommen sein. Sir Adam erzählte ihr später, dass er gerade in dem Augenblick gekommen war, als sie vom Pferd gestürzt war. David war nichts geschehen, während sie selbst mit dem Kopf auf einen Stein gefallen war und das Bewusstsein verloren hatte. Auch ihr Rücken war durch schwere Prellungen in Mitleidenschaft gezogen worden.

Marys Verletzungen waren allerdings die geringsten ihrer Probleme. Wäre da nicht Sir Adam gewesen, hätten die nächsten Wochen für sie sehr gefährlich werden können. Er schützte Mary vor Edwards Zorn mit der Lüge, sie sei von Bruce’ Leuten gewaltsam entführt worden, und bat den König, man möge ihre Genesung abwarten, ehe er ihr die Reise nach London zumutete. So wurde es November, bis sie und David vor dem König erschienen. Ihr waren fast zwei Monate mit ihrem Sohn vergönnt, ehe er ihr wieder genommen wurde.

Mary verließ den Hof und kehrte Mitte November nach Ponteland Castle zurück, wo man ihr zu bleiben befahl. Das war eine Woche, nachdem der Earl of Atholl das erhöhte Galgengerüst bestieg, wie es seinem hohen Stand gebührte – König Edwards grausame Erwiderung darauf, dass ihr Gemahl ihn an ihre Verwandtschaft erinnert hatte. Als sie den Torbogen der London Bridge beim Verlassen der Stadt durchschritt, blickte Mary nicht auf, denn das Haupt ihres Gemahls war neben den Köpfen der anderen schottischen Verräter (oder Helden, je nachdem von welcher Seite man es sah) William Wallace und Simon Fraser auf einen Spieß gepfählt worden.

Der schöne, kühne Ritter hatte sein Schwert für die letzte edle Sache erhoben. Da Mary ihre Liebe – oder war es nur jugendliche Schwärmerei? – zum Earl of Atholl vor langer Zeit hinter sich gelassen hatte, überraschte es sie, wie groß ihr Kummer war, doch mischte sich in diesen Kummer der Zorn wegen all dem, was er ihnen angetan hatte.

Es hieß, dass Mary von Glück reden konnte, weil sie nicht in ein Kloster gesteckt wurde wie die anderen Frauen und Töchter von Verrätern. Ihre »Loyalität«, die Zuneigung des Königs zu ihrem Sohn und Sir Adams Bürgschaft hatten sie gerettet. Wäre da nicht der Schwur gewesen, den sie insgeheim abgelegt hatte, hätte sie die Ruhe und Stille eines Klosters sehr zu schätzen gewusst, fern vom Wüten des Krieges, der ihr den Vater, den Bruder und nun auch ihren Gatten geraubt hatte: Sie wollte dafür sorgen, dass ihrem Sohn der Earl-Titel seines Vaters wieder zuerkannt wurde und dass sie die Suche nach ihrer Schwester nie aufgeben würde, da sie tief in ihrem Herzen nicht glauben wollte, dass sie tot war.

Aber das Leben, das sie kannte, war für Mary endgültig vorbei.

1

Newcastle upon Tyne, NorthumberlandJuli 1309

Mary übergab dem Händler das Bündel mit den Börsen, Bändern und Hauben, die sie in mehr als dreihundert Arbeitsstunden angefertigt hatte, und wartete geduldig, bis er die Handarbeiten mit derselben peniblen Aufmerksamkeit geprüft hatte wie fast drei Jahre zuvor, als sie ihm zum ersten Mal ihre Erzeugnisse vorgelegt hatte. Als er fertig war, verschränkte der alte Mann die Arme und sah sie ernst an.

»Das alles habt Ihr in vier Wochen gefertigt? Ihr solltet Euch eine ganze Schar guter Feen zulegen, die Euch des Nachts helfen, Mylady, weil Ihr mir versprochen habt, Euch in Zukunft zu schonen.«

»Das werde ich nächsten Monat tun«, versicherte sie ihm. »Nach dem Erntejahrmarkt.«

»Und was ist mit dem Michaelstag?«, fragte er, um sie an den großen Markt im September zu erinnern.

Mary lächelte den finster dreinblickenden Mann an, dessen Bemühen, energisch zu erscheinen, wegen seiner Beleibtheit und seines gutmütigen, großväterlichen Gesichtes nicht sehr überzeugend wirkte. »Nach dem Michaelstag werde ich dem Müßiggang so lange frönen, dass ich von Pater Andrew Ablass erbitten muss, damit meine Seele nicht Schaden nimmt.«

Es glückte dem Händler nicht, seine strenge Miene zu wahren, da er lachen musste. Wie ein liebevoller Vater schüttelte er nur den Kopf. »Das möchte ich sehen.«

Er übergab Mary einen Beutel mit Münzen. Sie bedankte sich und steckte ihn in die kleine Tasche, die nun schwer an ihrem Gürtel hing, was ihr ein befriedigendes Gefühl gab.

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