Die großen Laien im Neuen Testament - Ronald Lutter - E-Book

Die großen Laien im Neuen Testament E-Book

Ronald Lutter

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Beschreibung

Die Gnade geht der Freiheit voraus, aber sie hebt sie nicht auf. Unsere Antworten auf Gott sind entscheidend. Maria und Petrus haben es vorgemacht und viele. Doch andere, die keine Jünger sind, geben ebenso bedeutungsvolle Antworten, die gültig bleiben.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I Mutige Antworten

II Mutiges Handeln

III Die demütigen Antworten der Heiden

IV Die verfehlten Antworten der Laien

V. Der Mitgekreuzigte

VI Mut und Demut

Impressum

Vorwort

Die Antwort als Teilhabe am Wort

I mutige Antworten

1 „Mir geschehe nach deinem Wort“

2 „Du bist der Messias.“

Die Psychologie der Unfreiheit

II mutiges Handeln

3 „Hört auf“

4 „Sie hat das Bessere erwählt“

III die demütigen Antworten der Laien

5 Die kanaanäische Frau

6 Der Hauptmann von Kafarnaum

IV die verfehlten Antworten der Laien

7 Er war es

8 Die weinenden Frauen von Jerusalem

V der Mitgekreuzigte

VI Mut und Demut

VII Impressum

Vorwort

Die Antwort als Teilhabe am Wort

Alles ist Beziehung. Die Elementarteilchen zueinander, die Kräfte des Weltalls, die Pflanzen und das Licht, das biologische Leben überhaupt und die Menschen miteinander. Vor allem aber die Beziehung zwischen Gott und Mensch.

Ohne Gott bleibt der Mensch einsam. Wärme, Schutz, Geborgenheit bei anderen suchend, die aber ebenso verloren scheinen im Leben, das kurz genug ist, um als flüchtig zu gelten. Im Wasser Treibende, die bewusst große Einheiten bilden, in der Hoffnung, Gefahren so besser begegnen zu können. Wirkliche Sicherheit gibt es nicht.

Der halb unbewusst lebende heidnische Mensch, mag sich in der Natur heimisch gefühlt haben, trotz vieler Bedrohungen; für den modernen Menschen, der sich der Natur entfremdet hat, ist das nicht möglich.

Und Gott? Interessiert er sich für den Menschen? Ja, das ist allen Religionen gemeinsam. Bereits die heidnischen Götter interessieren sich für die Menschen, nehmen Anteil an seinem Leben, zumindest an dem Geschick herausragender Einzelner, wie Achilles oder Odysseus; aber die Anteilnahme ist willkürlich und spielerisch. Hinter den Göttern selbst steht das Schicksal, teils vom höchsten Gott bestimmt, teils selbst ihn verpflichtend.

Beruhigender sind da die monotheistischen Religionen. Gott kümmert sich, sorgt sich um den Menschen, schließt sogar einen Vertrag mit Ihnen wie im Judentum. Im Monotheismus gibt es Geborgenheit, Vertrauen und eine berechtigte Hoffnung für alle. Das Heidentum ehrt im Grunde nur den Helden, die Heldin.

Dennoch bleibt eine gewisse Ohnmacht des Menschen gegenüber dem Allmächtigen, wenn auch barmherzigen Gott, die im Islam besonders durch den Niederfall deutlich wird, der Ausdruck völliger, im Grunde sklavischer Abhängigkeit ist. Der allmächtige Schöpfergott, auch wenn er den Menschen Bund und Hilfe anbietet - ist er nicht so absolut, dass es sinnlos ist, von Freiheit zu sprechen oder zu träumen?

Freiheit scheint für den Menschen unmöglich. Wir sind begrenzt vom Raum, ein Gefangener der Zeit und an die Kette der Kausalität geschmiedet. Jede Wirkung hat eine Ursache und wir entkommen dem innerweltlich nicht. Nur Gott steht seinem Wesen nach jenseits von Raum, Zeit und Kausalität. Als Schöpfer von allem steht er darin und zugleich jenseits davon. Völlig souverän.

Folglich hängt unsere Freiheit von unserer Beziehung zu Gott ab. Hat die Seele ihren Ursprung in Gott, hat sie ihrer Natur nach Anteil an der Freiheit von Raum, Zeit und Kausalität, einfach, weil sie ewig ist. Das gehört zu ihrem Wesen. Nur in ihr kann im Grunde Freiheit begründet sein, alles andere mag lediglich den Schein von Unabhängigkeit haben.

Im Christentum kommt im Vergleich zum Judentum und Islam etwas Einzigartiges hinzu: Gott wird Mensch. Als hilfebedürftiges Kind tritt er in seine Schöpfung ein. Damit beginnt das Abenteuer der menschlichen Freiheit. Nun befiehlt Gott nicht allein, er bittet auch. Er schützt nicht nur, er braucht auch Schutz. Und wenn Gott bittet, sich freiwillig seiner Macht entäußert, ist damit nicht die Freiheit des Menschen im Tiefsten begründet?

Man hat die Wahl, Gott in seiner Schwachheit anzunehmen oder nicht. Das neugeborene Kind anzubeten, wie die drei Weisen aus dem Morgenland oder es zu verfolgen wie Herodes. Gott verzichtet auf seine Allmacht und liefert sich den Menschen aus. Nun hat die freie Antwort des Menschen einen Sinn und wird ein Teil der Gestaltungskraft und Schöpferkraft des wahren Wortes, das von Anfang an bei Gott war.

Das Christentum ehrt das Wort. Es heißt ja im Prolog des Johannesevangeliums: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ (Joh 1, 1)

Die Kraft des Wortes wirkt in Christus, der selbst das Wort ist, und es wirkt in der Kirche, die kraft des Wortes von Christus, durch das Wort schöpferisch ist. Am deutlichsten bei der Wandlung von Brot und Wein zu Fleisch und Blut. Es ist das ausgesprochene Wort, das wandelt und die Realität verändert. Es reicht nicht, dass der Priester es denkt. Es muss ausgesprochen werden, ähnlich einer Liebeserklärung.

Und so wie es ein zweifaches Liebesgebot gibt, ‚Gott zu lieben und seinen Nächsten wie sich selbst‘, so hat auch das Wort eine zweifache Beziehung: als Wort und als Antwort. Das Wort ist das Erste, denn es geht von Gott aus; aber das zweite ist ihm vergleichbar: die Antwort des Menschen, ausgesprochen oder durch eine Handlung erkennbar.

Es sind nicht allein die Jünger Jesu, die antworten und handeln. Vieles im Neuen Testament geht von Nicht-Jüngern aus, die ich der Einfachheit halber und um des Bezuges zu unserer Zeit willen Laien nenne. Das sind Juden, das sind Heiden, das sind Römer, Arme und Reiche, Mächtige und Ohnmächtige, die auf ihre Weise bedeutungsvolle und wirkmächtige Antworten auf Christus geben. Ihre Antworten sind oft großartig in ihrer Einfachheit; sie überraschen Jesus. Und sie bewirken Veränderung.

Davon handelt dieses Büchlein. Es ist ein Buch eines Laien für Laien.

Man mag einwenden, dass ein Laie, der Theologie nicht studiert hat, wohl schwerlich etwas Richtiges oder Hilfreiches sagen kann über wesentliche Aspekte der Evangelien. Dazu ist vor allem zu erwidern, dass die eigentliche Lehrmeisterin nicht die Theologie der Universitäten ist, sondern die Kirche selbst. Der Gottesdienst, die Predigt ist der vornehmliche Ort der Lehre. Dort spricht der Priester in ‚Persona Christi‘, dort wirkt der Heilige Geist, dort besteht ein lebendiger Zusammenhang zwischen Gemeinschaft und Evangelium, Auslegung und Eucharistie.

Es geht nicht darum die Bedeutung der Priester kleinzureden. Im Gegenteil. Die Einzigartigkeit der Laien geht gerade im Neuen Testament aus der besonderen Leistung und Verantwortung der Apostel hervor. Versteht man recht, wie groß die Antworten von Maria und Petrus sind, erkennt man den unschätzbaren Wert der Antworten der Laien besser.

Die Antworten von Maria und Petrus sind und bleiben die mutigsten, weil sie die folgenreichsten sind. Deshalb heißt der erste Abschnitt des Buches: mutige Antworten.

I Mutige Antworten

1 „Mir geschehe“

Gibt es das wirklich, dass Gott bittet? Können wir auch ‚Nein‘ sagen und würde das etwas ändern?

Am Anfang des Evangeliums nach Lukas sendet Gott seinen Engel zu Maria:

„Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe. Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. […] Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. Auch Elisabeth, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich. Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel.“ (Lukas 1, 28-38)

Auf den ersten Blick scheint es klar, dass geschieht, was Gott durch seinen Boten ankündigen lässt. Oft heißt diese Begebenheit daher einfach: ‚Maria Verkündigung‘. Das Wort Verkündigung erinnert an einen Kaiser, der ein Verdikt erlässt. Jede Art von Misstrauen oder Zweifel wäre dann ein Affront.

In der Einheitsübersetzung steht als Überschrift allerdings nicht ‚Verkündigung‘ , sondern ‚Verheißung der Geburt Christi‘ und das öffnet den Blick auf die Schattierungen der Begegnung. Etwas, was verheißen wird, kann ich glauben oder nicht. Das Unabänderliche ist gegenüber dem Wort Verkündigung gemildert. Etwas, was verheißen ist, ist in Aussicht gestellt und das schließt die Möglichkeit ein, dass es unter Umständen nicht geschieht.

Unabhängig von diesen nachträglich beigefügten Überschriften im Evangelium ist, geht es um folgende, nicht unwichtige Frage: Stellt der Engel Gabriel eine Tatsache fest oder wirbt er um Zustimmung, um das ‚Ja-Wort‘ der Braut?

Was würde eigentlich geschehen, wenn Maria beispielsweise zweifelte, Unmut äußerste oder Ausflüchte suchte, wie es ja durchaus in anderen bedeutsamen Begegnungen in der Bibel vorkommt? Bei Moses zum Beispiel, den Gott zum Pharao sendet, oder bei Sarah, der Frau von Abraham, die heimlich lacht, als Gott ihrem Mann die Geburt eines Kindes ankündigt. Und nicht nur das Alte Testament kennt Beispiele mangelnden Glaubens und Zustimmung. Vergleichbar verhält es sich in demselben Evangelium von Lukas, unmittelbar vor dem Besuch des Engels bei Maria.

Dort wird Gabriel zu Zacharias gesandt, um ebenfalls die Geburt eines Sohnes anzukündigen. Aber das Gespräch verläuft nicht ideal. Zacharias kann sich nicht vorstellen, dass er und seine Frau im hohen Alter noch ein Kind bekommen werden. Er drückt seine Zweifel oder sein leises Misstrauen in der Frage aus: „Woran soll ich erkennen, dass das wahr ist?“ Er tut, was viele im Alten Testaments vor ihm getan haben: Angesichts der unvorstellbaren Allmacht Gottes, fordert er ein Zeichen.

Der Engel jedoch ist ungehalten und bestraft ihn mit Stummheit bis zur Geburt des Kindes, bis zur Namensgebung genauer gesagt, bei der Zacharias durch Gestik den von Gott gewählten Namen bestätigt und nun widerspruchslos, die Autorität Gottes anerkennt. Das Kind soll Johannes heißen und es wird als Johannes der Täufer den Weg für Christus bereiten. (Lk 1, 5-22)

Es ist also keineswegs klar, dass die Kommunikation problemlos gelingt zwischen Gott und dem Menschen oder dem von ihn gesandten Engel.

Für Maria war es inhaltlich gesehen, sogar schwerer zu glauben, was ihr durch Gabriel verheißen wurde, als es für Zacharias war. Denn es gab bereits vor Zacharias und seiner Frau Elisabeth, Paare, die im hohen Alter noch ein Kind bekommen hatten, wie Sarah, die Frau von Abraham.

Bei Maria wird das Biologische überhaupt außer Kraft gesetzt. Allein durch den Geist Gottes wird sie schwanger werden. Daher ist die Frage der jungen Frau: „Wie soll das geschehen …?“ sehr verständlich und beinhaltet nicht automatisch einen Zweifel. Und es gibt weitere Unterschiede zwischen den beiden Begegnungen.

Zacharias gehört als Priester dem Alten Bund an. Der Engel zeigt sich ihm im Tempel beim Opfer und die Ankündigung seines Sohnes, der Geburt von Johannes dem Täufer, scheint fast großartiger als die von Jesus bei Maria, zumindest ist sie länger und der Engel gibt bereits viele Details. Doch der Priester Zacharias scheint kein rechtes Vertrauen zu haben. Der Engel zürnt ihm dafür und bestraft ihn. Jede Infragestellung der Allmacht Gottes ist inakzeptabel. Daher erweckt diese Begegnung nicht unbedingt den Eindruck von Freiheit, obwohl die Gebete von Zacharias vom Engel als Ursache der Gnade genannt werden: „Dein Gebet ist erhört worden. (Lk 1, 13)“

Aber es bleibt eine eindeutige Richtung: Der Mensch bittet oder fleht, Gott gewährt. Der Entscheid ist unabänderlich.

Immerhin, kann man sagen, es gibt einen Gott, der wahrhaft erhört, aber es gibt keine Diskussion. Wie eine Petition bei einem Kaiser. Wenn darauf eine Gnade folgt, wer darf es wagen an dieser zu zweifeln?

Die Begegnung des Engels Gabriel mit Maria ist anders. Zunächst grüßt der Engel freundlich (was er bei Zacharias nicht tut) „Sei gegrüßt, du begnadete.“ Er lässt Maria Zeit, sich von dem Schrecken zu erholen und fährt dann fort: „Fürchte dich nicht; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen […] Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden […] und seine Herrschaft wird kein Ende haben.“

Maria fragt erstaunt: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ Und der Engel erklärt: „Der Heilige Geist wird über dich kommen […]. Auch Elisabeth, deine Verwandte (die Frau von Zacharias), hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen […], denn für Gott ist nichts unmöglich.“

Gabriel gibt sich Mühe, etwas Unerwartetes und Überwältigendes so plausibel wie möglich darzustellen. Das erweckt den Eindruck, es liegt ihm an Zustimmung. Er verkündet nicht wie bei Zacharias, er wirbt um Gottes Verheißung. Er wirbt um die Zustimmung der Braut und erhält sie. Die Frage von Maria, die auf den ersten Blick ähnlich der von Zacharias scheint, hat eine andere Intention.

Interessant ist aber auch, dass Gabriel sich bei der Begegnung mit Maria anders verhält als bei Zacharias. Seine souveräne, autoritäre Rede fordert die Frage nach einem Zeichen fast heraus, gerade weil der Anspruch von Allmacht so offen liegt. Was soll der Mensch noch anderes fragen oder erbitten als ein Zeichen, eben dieser Macht? Fast scheint es, menschlich gesprochen, als habe der Engel Gabriel aus dem unbefriedigendem Ergebnis seines ersten Gespräches gelernt. Höflich und sanft tritt er an Maria heran. Er begegnet ihr in ihrem Alltag, nicht im Tempel und das Wunder, aus Sicht des Engels, geschieht. Maria verzichtet auf jegliches Zeichen. Gabriel muss sich nicht ausweisen durch Zeichen von Macht. Maria fragt lediglich, fast neugierig, nach Details, was Glaube an die Richtigkeit des Verheißenen voraussetzt.

Der Engel verlässt sie, mit sich und dem Erfolg seiner Mission sicherlich zufrieden, und ein neues Kapitel der Menschheitsgeschichte beginnt. Stellvertretend durch Maria tritt der Mensch in eine neue Beziehung zu Gott, denn Gott stellt sich mit ihm auf eine Stufe. Er tritt ihm nicht primär als der Allmächtige entgegen, wie zuvor. Er grüßt, erklärt, wartet die Zustimmung ab. So wird Gott Mensch. Und in diesem Abstieg liegt das Geschenk der Freiheit.

Denn was vermag der Mensch gegenüber Gott, dem Schöpfer von allem? Er kann sich nur unterwerfen und anbeten. Das ist die Erfahrung des Buches Hiob. Trotz des Vertrages, den Gott mit dem Volk Israel schließt, trotz seiner Barmherzigkeit, bleibt der Mensch völlig abhängig. Hiob erfüllt alle Gesetze, er verhält sich korrekt, trotzdem trifft ihn schweres Unheil. Die Liebe Gottes erweist sich am Ende darin, dass er Hiob begegnet und mit ihm spricht. Seine Allmacht bleibt davon völlig unberührt und Hiob schickt sich darin. Dann erfährt er wieder irdisches Glück.

Das Neue Testament setzt einen Neuanfang, weil Gott als Mensch in die Welt kommt. Man kann sagen: Die Abhängigkeit des Menschen wird mit der selbst gewählten Abhängigkeit Gottes multipliziert. Zwei Abhängigkeiten treten miteinander in Beziehung und das Ergebnis ist etwas Positives, nämlich Freiheit. Das klingt zunächst absurd, aber es verhält sich ähnlich wie in der Mathematik. Minus mal minus ist plus.

Diese Freiheit, die aus der Verschmelzung zweier Beschränkungen hervorgeht, gilt interessanterweise sowohl für Gott als auch den Menschen. Ja, man kann sagen, dass sie wie bei einer chemischen Reaktion, gewissermaßen als Nebenprodukt entsteht.

Das mag zunächst absurd klingen, aber man erkennt den Sinn davon, wenn man unser Gottesbild mit dem des Islams vergleicht. Im Islam kann und darf der Allmächtige nicht klein werden und Mensch sein. ER ist der Allmächtige und das muss er bleiben. Es ist eine Einschränkung im Gottesbild des Islams, die fundamental ist und die Ablehnung des Christentums beinhaltet. Allah darf nicht Mensch werden, obwohl er der Allerbarmer ist; aber sich so weit erniedrigen, dass er Mensch würde, ist inakzeptabel. Anders gesagt: Im Islam hat Gott nicht die Freiheit sich seiner Allmacht zu entäußern und aus Liebe bei den Menschen zu wohnen.

Deshalb ist es richtig zu sagen, jedenfalls auf das Gottesbild bezogen: Erst wenn Gott Mensch wird, befreit er den Menschen zur Göttlichkeit und sich selber zur Menschlichkeit. Minus mal Minus ist plus. Zwei Mängel multipliziert ergeben Gewinn.

Dieses mathematische Axiom ist eines von 13 Axiomen, die selbst nicht beweisbar sind, weil sie auf nichts anderes mehr zurückzuführen sind. Dennoch bilden sie die Grundlage der mathematischen Beweisführung. Mathematiker können versuchen, sie plausibel zu machen, doch eigentlich beweisen lassen sie sich nicht. Die Erfahrung zeigt aber: Es lässt sich mit ihnen ausgezeichnet rechnen und dass es einem manchmal ein wenig seltsam anmuten mag, wie minus mal minus gleich plus, ändert daran nichts.

Ähnlich ist es in der Religion. Auch bei ihr gibt es Axiome, Dogmen, die im Letzten nicht beweisbar sind. Man kann sie aber anschaulich machen. Man kann zeigen, dass es sinnvoll ist, von Ihnen auszugehen und dass sich aus ihnen ein überzeugendes System bilden lässt. Dazu gehört das Dogma von der jungfräulichen Geburt von Maria, in der sich die Multiplikation, besser die Verschmelzung, der menschlichen mit der göttlichen Unfreiheit vollzieht. (Noch einmal: Die Unfreiheit Gottes liegt gerade in seiner Allmacht. Darf er denn immer nur allmächtig sein?)

Man kann dieses Geschehen der Menschwerdung Gottes in der Jungfrau Maria leugnen, aber schlägt damit das Tor der Freiheit zu, enthebt sich selbst der besten Möglichkeiten.

Nichts erhebt den Menschen so sehr wie die Menschwerdung Gottes; nichts konstituiert annähernd so überzeugend die oft missbrauchte Würde des Menschen. Wenn der Mensch nur ein flüchtiges Lebewesen unter Milliarden anderen wäre, worin bestünde dann seine Würde? Ebenso, wenn er immer nur abhängig wäre vom Allmächtigen, wo bliebe seine Freiheit? Sie ist dann einfach nur behauptet und darin liegt im Grunde etwas Totalitäres und Unlogisches, wie in der säkularisierten Welt. Viel redet man von Freiheit, aber wo kommt sie eigentlich her?

Sobald aber Gott Mensch wird, hat es Sinn von Freiheit zu sprechen. Es ist zudem klar, dass es dafür bestimmter Voraussetzungen bedarf. Es ist schwer vorstellbar, dass Christus in Maria heranwächst, wenn es nicht in völliger Übereinstimmung geschieht. Dieses vollkommene ‚Ja‘ von Maria kann vorbereitet, aber nicht erzwungen werden.

Die Tatsache, dass die Kirche Maria so hoch ehrt, sie als neue Eva bezeichnet, hängt davon ab, dass es ein freies ‚Ja‘ ist. Genauso wie Evas ‚Nein‘, ein freies ‚Nein‘ war. Sie musste dem Versucher nicht zustimmen. Sie war nicht gezwungen, Gottes Gebot zu missachten. So war auch Maria nicht gezwungen, mit Gott vollkommen übereinzustimmen.

Der Katechismus sagt dazu:

„Die Jungfrau Maria „hat in freiem Glauben und Gehorsam zum Heil der Menschenmitgewirkt“ Sie hat „als Vertreterin der gesamten Menschennatur“ ihr Jawortgesprochen. Durch ihren Gehorsam ist sie zur neuen Eva, zur Mutter der Lebendengeworden.“ (Kurztexte 511)

Das Jawort, das zur Eheschließung gehört,setzt Freiheit voraus. Bei der kirchlichen Trauung fragt der Priester und versichern die Brautleute, dass sie freiwillig zur Eheschließung bereit sind. Niemand darf zur Ehe gezwungen werden. So auch bei Vermählung Gottes mit Maria. Dennoch bleibt der Gehorsam grundlegend.

Bei der Verheißung von Christi Geburt geht es also, um die vollkommene Übereinstimmung des Menschen mit Gott. Deshalb gibt es keine konkrete Frage (willst du …?), sondern es bleibt auf besondere Weise schwebend, wie eine zarte Liebeserklärung.

Erst im nächsten Abschnitt sehen wir, wie eine konkrete Frage Gottes eine eindeutige Antwort heischt.

2 „Du bist der Messias“

Als Jesus zum letzten Mal auf dem Weg nach Jerusalem war, fragte er seine Jünger:

„Für wen halten die Leute den Menschensohn?“ (Matthäus 16, 13)

Unwillkürlich hält man inne. Es ist eine ungewöhnliche Frage für Jesus. Fast klingt es wie ein alternder Schauspieler, der von seiner Umgebung Zuspruch erwartet. Entsprechend unkonkret ist die Antwort der Jünger:

„Sie sagten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten.“ (Mt 16, 14)

Die Zusammenstellung erscheint dabei ein wenig seltsam. Johannes war bereits enthauptet worden und gemeint ist wohl, dass in Jesus der Geist von Johannes gegenwärtig sei. Elija wiederum, war der größte Prophet Israels, der im Feuerwagen zum Himmel auffuhr und von dem man erwartete, dass er vor dem Erscheinen des Messias zurückkehre, um alles zu ordnen. Jeremia kann man wohl als zweitwichtigsten Propheten ansehen, und dann eben „sonst einer der Propheten.“ Das klingt weder konkret noch überzeugend und die Aufzählung ist eindeutig absteigend. Der aktuell große Prophet Johannes der Täufer an erster Stelle, der schlechthin größte Prophet an zweiter, usw. Allen gemeinsam ist, dass sie nicht der erwartete Messias sind, sondern Hinweisende und Vorläufer.

Wenn man bei dem Vergleich mit dem Schauspieler bleibt, ist das eine unbefriedigende Antwort. Es heißt ja so viel wie: ‚Du bist einer unter anderen.‘

Jesus fragt weiter: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Mt 16, 15)

Diese Frage, wenn sie im Alltag gestellt wird, ist leicht peinlich für die Gefragten. Braucht da jemand Bestätigung? Die Frage selbst ist im Grunde eine Hürde und bewirkt eher betretenes Schweigen. Im Evangelium jedoch fasst sicheiner ein Herz:

„Simon Petrus antwortete: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“

Ein gewaltiges Wort, voller Implikationen für das Leben der Menschen, die Jesus bis dahin gefolgt waren. Alle drei synoptischen Evangelien überliefern diese Antwort. Markus, Matthäus und Lukas. Aber Matthäus berichtet darüber hinaus von der Reaktion des Messias:

„Jesus sagte zu ihm: Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmels geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen, das wird auch im Himmel gelöst sein.“ (Mt 16, 16-18)

Dieser Zusatz bei Matthäus wurde zum Zankapfel zwischen Katholiken und Protestanten. Das Bekenntnis von Petrus wird selbstverständlich von allen anerkannt; die Reaktion von Christus darauf, vor allem seine Verheißungen, werden von der einen Seite vereinnahmt, von der anderen abgelehnt.

Wo ist das Problem? Natürlich in der ungeheuren Macht, die darin liegt, dass Christus Petrus die Schlüssel des Himmels übergibt. Das ist göttliche Vollmacht. Zurecht weisen die Pharisäer an anderer Stelle darauf hin, dass nur Gott Sünden vergeben kann, als beispielsweise Jesus zu einem Gelähmten sagt: „Deine Sünden sind dir vergeben.“ (Lk 5, 20)

Unrecht haben sie nur darin, dass sie nicht erkennen und anerkennen, dass Jesus als Sohn Gottes dieses Vollmacht besitzt und ausüben kann. Und weil sie ihm eigen ist, kann er sie auch weitergeben. Auch das sollte man anerkennen, dankbar, denn es spricht vieles dafür.

Grundsätzlich kommt es beim Verständnis der Schlüsselgabe vor allem auf den Zusammenhang an. Zunächst einmal spricht Jesus Petrus selig.

Das ist eigentlich seltsam. Was ist so Besonderes an dem, was Petrus antwortet? Warum lobt Christus seinen Jünger so außerordentlich und verheißt derart viel, wenn Petrus etwas sagt, was doch irgendwie nahe lag? Die Jünger waren bereits drei Jahre mit Jesus umhergezogen, hatten alles zurückgelassen und wofür denn, wenn sie nicht hofften, dass ihr Meister die Messiaserwartung, die im Volk Israel präsent war, erfüllen könnte? Warum eigentlich konnte Petrus es, laut Jesus, nur erkennen, weil es ihm der Vater im Himmel offenbart hat?

Kehren wir noch einmal zurück zum Anfang des Geschehens.

Zunächst war es verwunderlich, dass Jesus überhaupt fragt. Hat er nicht an anderer Stelle erklärt, er nehme von niemandem Zeugnis an? (Joh 5, 34) Es ist vergleichbar mit einem Kriminalfall. Man fragt sich: Wem nützt das? Wer braucht die Antwort? Die Motivation der Frage von Jesus ist wichtig. Ist es eine Testfrage, wie sie ein Lehrer stellt oder ist es eine echte Frage. Braucht Jesus möglicherweise selbst die Antwort?

Oft scheint es, für die Kirche war immer klar, dass Christus Petrus eine Gelegenheit geben wollte, ihn zu bekennen. Und da Petrus als erster die richtige Antwort gab, hat Jesus ihn besonders hervorgehoben und das Papsttum gegründet und ihm obendrein die unvorstellbare Macht verliehen, den Himmel auf und zuzuschließen. Wenn es aber lediglich um die richtige Antwort einer Testfrage an den Klassenbesten ginge, dann wäre es arg viel, was Christus als Gnadengaben verleiht. Von daher ist der Einspruch protestantischer Christen dagegen sogar verständlich.

---ENDE DER LESEPROBE---