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Wie üblich schließt dieser 6. Band zeitlich nahtlos an den Vorgängerband an. Die behandelte Zeitspanne beginnt mit dem Westfälischen Frieden 1648 und endet mit den Befreiungskriegen 1815. Für die Harzregion zählten diese 167 Jahre wohl zu den friedlichsten, die sie bis dahin durchlebt hatte. Zwar war insbesondere das Fürstentum Halberstadt stark vom Siebenjährigen Krieg betroffen, Opfer gab es jedoch nur wenige. Das Buch ist bebildert mit 12 farbigen und 55 schwarz/weiß Abbildungen (Fotos, Burgen-Rekonstruktionen, Stiche und Gemälde) sowie mit 19 geschichtlichen Karten, darunter 10 farbige Karten.
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Seitenzahl: 166
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Einführung
Das Preußische Fürstentum Halberstadt
Die Freie Reichsstadt Goslar
Das Fürstentum Grubenhagen
Das Fürstentum Wolfenbüttel
Das Fürstentum Anhalt-Bernburg
Das Stift Quedlinburg
Die Grafschaft Mansfeld
Die Pest der Jahre 1680 bis 1683 in der Harzregion
Das Preußische Infanterie-Regiment in Halberstadt
Die Grafschaft Stolberg-Wernigerode und Friedrich der Große
Der Rechtszustand des Bauernstandes in der Harzregion
Der Pietismus in der Harzregion
Die Napoleonischen Kriege
Literaturverzeichnis
Der Dreißigjährige Krieg war zu Ende! Er hatte ganz Europa stark in Mitleidenschaft gezogen. Die dreißig Jahre andauernde Kriegskatastrophe hatte große Teile Europas verwüstet und ganze Landstriche entvölkert. Der Westfälische Friede kam nur zustande, weil die Kriegsparteien kriegsmüde und alle Ressourcen erschöpft waren. Eine Weiterführung der Kampfhandlungen versprach keiner Partei mehr Gewinne. Daher wurde ein politischer Kompromiss ausgehandelt, der es allen beteiligten Parteien ermöglichte ihr Gesicht zu wahren, die bestehenden Probleme jedoch nicht löste, sondern nur aufschob und verlagerte.
Dennoch hatte dieses umfangreiche Vertrags- und Regelwerk, das als Westfälischer Friede in die Geschichtsbücher einging, zukunftsweisende Bedeutung für Europa. Nach heutigem Verständnis wird der Westfälische Friede als historischer Beitrag zu einer europäischen Friedensordnung gleichberechtigter Staaten und als Beitrag zum friedlichen Miteinander der Konfessionen gewertet. Die diplomatischen Verhandlungen zum Westfälischen Friede bildeten den Beginn einer Entwicklung, in deren Verlauf sich das moderne Völkerrecht herausbildete, wodurch die Grundlagen für das Entstehen souveräner Nationalstaaten geschaffen wurden. Auch wurde der Friede von Münster, Osnabrück und Nürnberg für nachfolgende Generation zum Vorbild für Friedenskonferenzen. Sein Prinzip der Gleichberechtigung aller Staaten, unabhängig von ihrer Größe und Macht, hat in der Diplomatie bis heute seinen Platz.
Für Deutschland – dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation – war von besonderer Bedeutung, dass auch die kirchliche Frage nachdrücklich und endgültig gelöst wurde, indem durch den Westfälischen Friede auch der Augsburger Religionsfrieden vom 25. September 1555 bestätigt wurde. Diese Rechtsstellung der Konfessionsfreiheit hatte Gesetzescharakter erlangt und war besonders für Nord- und Mitteldeutschland von erheblicher Bedeutung, denn dort war der Protestantismus vorherrschend geworden.
Im Westfälischen Friede waren jedoch auch Bestimmungen getroffen worden, die in Mittel- und Norddeutschland erhebliche territoriale Veränderungen mit sich brachten. Das HRR war der Verlierer des Dreißigjährigen Krieges, was dazu führte, dass es Zugeständnisse an Frankreich und Schweden machen musste. Dementsprechend wurde vereinbart, dass Schweden neben einer Kriegsentschädigung von 5 Millionen Talern auch ganz Vorpommern, die Insel Rügen, das Gebiet der Odermündung, die Stadt Wismar sowie die Bistümer Bremen und Verden erhielt. Diese deutschen Territorien sollten jedoch nicht schwedisch werden, sondern deutsches Reichslehen bleiben. Schweden sollte diese Gebiete als deutscher Reichsstand mit Sitz und Stimme auf den deutschen Reichs- und Kreistagen besitzen.
Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der zu Gunsten der Schweden auf seinen rechtmäßigen Besitz von Vorpommern verzichten musste, erhielt als Ausgleich die Bistümer Halberstadt, Minden und Cammin, sowie die Anwartschaft auf das Erzbistum Magdeburg. Dazu wurden im Jahr 1648 die drei Bistümer säkularisiert und als Fürstentümer mit dem Kurfürstentum Brandenburg vereinigt. Das Erzbistum Magdeburg blieb jedoch bis 1680 im Besitz des damaligen Administrators, des sächsischen Prinzen August, und wurde erst danach dem Kurfürstentum Brandenburg zugeschlagen.
Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg-Schwerin hatte Wismar an die Schweden abtreten müssen. Er erhielt dafür die Territorien der Bistümer Schwerin und Ratzeburg, die zuvor ebenfalls säkularisiert worden waren.
Auch dem Herzogtum Braunschweig-Lüneburg, das Territorium abtreten musste, wurde ein Ausgleich gewährt. Gemäß den Bestimmungen nach Artikel XIII des Westfälischen Friedensvertrages wurde in einer „immerwährenden Kapitulation“ die Landesherrschaft des Stiftes Osnabrück von einem katholischen Bischof, der vom Domkapitel gewählt wurde, und einem protestantischen Bischof aus Braunschweig-Lüneburgischem Hause, abwechselnd wahrgenommen. Hatte ein lutherischer Bischof die Osnabrücker Regentschaft inne, so lag die Leitung über die katholische Gemeinschaft des Hochstiftes beim Erzbischof von Köln. Das Hochstift Osnabrück zählte damit zu den wenigen Territorien das Alten Reiches ohne konfessionelle Festlegung.
Außerdem wurden dem Herzogtum Braunschweig-Lüneburg die Klöster Walkenried und Gröningen überlassen.
Die Landgrafschaft Hessen-Kassel erhielt die gefürstete Abtei Hersfeld und einen Teil der ehemaligen Grafschaft Schaumburg.
Der Westfälische Friede vom 24. Oktober 1648 - Friedensvertrag von Osnabrück, Ausfertigung von 1649 für den Kurfürsten Maximilian I. von Bayern. Siegel der kaiserlichen und der schwedischen Gesandten sowie des Mainzer Gesandten. München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Kurbayern Urk. 1698
Der Vertrag des Westfälischen Friede‘s beendete den Streit über die kirchlichen Stifte und Güter, der als eine Ursache für die lange Dauer des Dreißigjährigen Krieg angesehen werden kann, endgültig. Das Restitutionsedikt von 1629, das ohne Einverständnis der evangelischen Reichsstände den Status quo des geistlichen Besitzstands im Reich wieder auf den Stand des Jahres 1552 bringen sollte, wurde aufgehoben. Es wurde vereinbart, dass der evangelische wie auch der katholische Besitzstand so bleiben oder wiederhergestellt werden sollte, wie er am 1. Januar 1624 gewesen war. Die königlichen Erblande wurden von dieser Vereinbarung jedoch ausgenommen. Zudem wurde die Territorialhoheit der deutschen Reichsstände ohne Einschränkungen anerkannt.
Sie konnten uneingeschränkt das Recht wahrnehmen, zu ihrem Erhalt sowie zu ihrer Sicherheit untereinander sowie mit ausländischen Mächten Bündnisse einzugehen, diese durften jedoch nicht gegen den König oder das Reich gerichtet sein.
Der Friedensvertrag von Westfalen wurde in der Folge, neben der Goldenen Bulle (Modalitäten der Wahl und der Krönung der römischdeutschen Könige durch die Kurfürsten), zu einem der wichtigsten Dokumente der staatsrechtlichen Ordnung im HRR bis zu dessen Erlöschen am 6. August 1806.
Für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war der Friedensvertrag zum einen eine Erlösung, weil die Kriegshandlungen ein Ende hatten. Zum anderen war das Reich jedoch strukturell für lange Zeit stark geschwächt. Zu dieser Schwächung und Zersplitterung trugen sowohl die territoriale Integrität der deutschen Reichsstände wie auch die Integration ausländischer Staaten als Reichsstände bei. Diese Konstellation führte dazu, dass das HRR nach 1648 strukturell wie auch politisch zur offensiven Kriegsführung, Machtausdehnung und Expansion handlungsunfähig war. Nunmehr war das Reich nur noch Bewahrer von Recht und Frieden. Dabei lag der Schwerpunkt der Politik auf der Herbeiführung diplomatischer Lösungen, sowohl für den inneren wie auch den äußeren Frieden. Dazu sollten machtdynamische Abläufe abgeschwächt und eingedämmt werden, Ruhe, Stabilität, Frieden und Rechtsschutz sollten oberste Priorität haben.
Der Dreißigjährige Krieg hatte große Teile Europas, darunter auch ganz besonders Deutschland, ausgeblutet. Genaue Zahlen zu den Opfern und den Schäden wurden nie ermittelt, die Menschen hatten Wichtigeres zu tun. Daher sind nur Schätzungen möglich. Für 1618 wird von einer Einwohnerzahl von etwa 17,1 Millionen Einwohnern in Deutschland ausgegangen. Es wird angenommen, dass etwa ein Drittel der Menschen durch direkte oder indirekte Kriegsauswirkungen ihr Leben verloren, das wären dann etwa 5,643 Millionen Todesopfer.
Zwar wurden die verschiedenen Regionen in Deutschland unterschiedlich stark vom Krieg und seinen Auswirkungen in Mitleidenschaft gezogen, die Harzregion war jedoch sehr stark betroffen. Dennoch wären Opferzahlen an dieser Stelle reine Spekulation.
Es dauerte etwa zwei Generationen, bis die Bevölkerungszahlen den Stand von vor dem Krieg wieder erreicht hatten. Die fehlende Bevölkerung, besonders viele Männer waren auf den Schlachtfeldern geblieben, machte es zusätzlich schwer die Dörfer, die Städte und die Infrastrukturen wieder aufzubauen. Auch konnten die Felder nicht ausreichend bewirtschaftet werden: Hunger war die Folge.
Dennoch war es eine vergleichsweise ruhige Zeit, denn über hundert Jahre wurde die Harzregion vom Krieg verschont. Das war für die damalige Zeit eine enorm lange Friedensperiode.
1756 war es dann vorbei mit dem Frieden. Der Siebenjährige Krieg, in dem auch Preußen eine Kriegspartei war, brachte neues Elend über das Land. Besonders betroffen war das Fürstentum Halberstadt, das immer auf das Neue von französischen Truppen heimgesucht wurde. Die Kriegskontributionen und -steuern belasteten die Region aufs Äußerste. Schon damals bildete sich auf Grund dessen eine tiefe Abneigung gegenüber den Franzosen heraus.
Vor dem Siebenjährigen Krieg – auch Dritter Schlesischer Krieg genannt – fanden 1740/42 und 1744/45 zwar schon zwei Schlesische Kriege statt, die jedoch an der Harzregion ohne größere Auswirkungen vorübergingen. Jedoch war eine der Kriegsparteien das Preußische Königreich, das gegen die Habsburger Monarchie Erbfolgekriege geführt hatte.
Nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 zogen erstmals wieder für eine Generation Ruhe und Frieden ein. Die Französische Revolution 1789, der Kampf gegen den Feudalismus, die Errichtung der konstitutionellen Monarchie und letztlich die Flucht des Königs erschütterten ganz Europa. Zudem begann sich die Revolution auf andere Länder, wie Österreich und die Niederlande, auszuwirken. Das stellte für alle anderen europäischen Herrscher eine Gefahr dar, die man nicht hinnehmen wollte.
Der Siebenjährige Krieg schuf jedoch ein Konfliktpotential zwischen Frankreich und Großbritannien, das auch mit dem Friedensvertrag von 1763 nicht beigelegt worden war und weiter vor sich hin loderte. Auch der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg von 1775 - 1783, in welchen Frankreich immer wieder eingriff, steigerte das Konfliktpotential zwischen Frankreich und Großbritannien entscheidend.
Es folgten ab 1792 bis 1815 die Koalitionskriege zwischen Frankreich und seinen europäischen Machtrivalen. Die Koalitionspartner Frankreichs, besonders nach der Machtergreifung Napoleons, wechselten dabei ständig. Doch der Hauptkriegsgegner Großbritannien blieb Frankreich über die gesamte Kriegsdauer erhalten. Frankreich konnte Großbritannien militärisch auf der Insel nicht gefährlich werden, zu stark war die Seemacht der Briten. Dafür versuchte Frankreich jedoch alles, um einen Handelsboykott gegen Großbritannien durchzusetzen und die Briten damit in die Knie zu zwingen.
Das säkularisierte Bistum Halberstadt war durch die Beschlüsse des Westfälischen Friede‘s an das Kurfürstentum Brandenburg gekommen. Das Halberstädter Territorium war durch die Kriegshandlungen stark in Mitleidenschaft gezogen worden, auch war Halberstadt selbst lange Zeit Standort verschiedener Kriegsparteien. Die schwedischen Truppen, die als Kriegsgewinnler anzusehen sind, zogen jedoch nicht unmittelbar nach der Ratifizierung des Friedensvertrages ab. Sie blieben zum Teil noch mehrere Jahre – genaue Angaben dazu sind kaum überliefert. Dennoch endete eine 800-jährige Geschichte, die des Bistums Halberstadt. Ein weltlicher Landesherr übernahm 1650 das Zepter – Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg.
Am 3. April 1650 huldigten die Halberstädter Stände dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620 - 1688) als ihrem neuen Landesherren, der sich nun zusätzlich auch „Fürst von Halberstadt“ nennen durfte. Das Zentrum des neuen brandenburgischen Fürstentums befand sich in einem traurigen Zustand. Viele Häuser waren verwüstet oder verlassen und die Äcker rund um die Stadt konnten nicht mehr bestellt werden, da die Menschen dazu fehlten. Von den zu Beginn des Krieges 3.000 waffenfähigen Bürgern der Stadt gab es 1648 noch ganze zweihundert. Durch eine Vielzahl von effektiven Maßnahmen begann die Regierung des Kurfürstentums die allgemeinen Lebensverhältnisse allmählich wieder zu verbessern.
Nachfolger des Großen Kurfürsten wurde nach dessen Tod im Jahr 1688 Friedrich III. (1657 - 1713). Er war der noch älteste lebende Sohn Friedrich Wilhelms, aus erster Ehe mit Luise Henriette von Oranien. Bereits am 23. März 1664 bestimmte sein Vater, dass er das Fürstentum Halberstadt als Erbteil erhalten sollte, da sein älterer und vom Kurfürsten bevorzugter Bruder Karl Emil (1655 - 1674) in der Thronfolge zwar vor ihm stand, diese jedoch nicht mehr erlebte. Friedrich III. wurde 1701 durch Selbstkrönung vom Herzog zum König in Preußen und führte fortan den Namen Friedrich I. Nach dem Tode Carls II., des letzten spanischen Königs aus dem Habsburger Hause, am 1. November 1700, hatten sich zuvor in Europa bereits neue Konflikte aufgetan. Da Carl II. ohne Nachfolger war, kam es unter den Habsburgern zu Thronstreitigkeiten, die Friedrichs Ambitionen nach einem Königtum förderten.
Kurz nach dem Tod von König Carl II. kam es zu Geheimverhandlungen, in denen Kaiser Leopold I. im sogenannten Kontraktat dem protestantischen Kurfürsten die Königswürde zusagte, wenn die Krönung nicht innerhalb des Heiligen Römischen Reiches stattfinden würde. Auch durfte der Königstitel nicht auf die zum Reich gehörige Mark Brandenburg, sondern nur auf das jenseits der Reichsgrenzen gelegene Preußen bezogen werden und König in Preußen (nicht von Preußen) lauten. Zudem musste Friedrich III., um die Königswürde zu erlangen, den hohen Preis von 2 Millionen Dukaten an Kaiser Leopold I. und 600.000 Dukaten an den deutschen Klerus zahlen, der Jesuitenorden bekam 20.000 Taler für die Fürsprache von Pater Wolf am Wiener Hof. Zudem musste sich Friedrich III. verpflichten, an dem vom Habsburgischen Kaiser mitgeführten Spanischen Erbfolgekrieg mit 8.000 Soldaten teilzunehmen.
Krönung von Kurfürst Friedrich I. als König Friedrich I. in Preußen, Königsberg 1701. Die Salbung durch die evangelischen Bischöfe Bernhard von Sanden und Benjamin Ursinus nach erfolgter Krönung.
Maler unbekannt,
Das Fürstentum Halberstadt war somit ab 1701 sowohl Territorium des Heiligen Römischen Reiches wie auch des Königreichs Preußen. In der Regierungszeit Friedrichs I. wurde das Fürstentum territorial erweitert. Die Grafschaft Hohnstein, die dem Kurfürstentum Brandenburg bereits im Westfälischen Friede zugesprochen worden war, sich aber noch im Besitz der Grafen von Sayn-Wittgenstein befand, wurde gegen die Zahlung von 100.000 Talern und die Übernahme von Schulden in Höhe von fast 300.000 Talern eingegliedert. Weiterhin fielen an das Fürstentum Halberstadt das Amt Dietenborn und der bisher schwarzburgische Teil der Stadt Benneckenstein, sowie nach dem Aussterben der Herren von Gladebeck deren Güter Nohra, Münchlohra und Woffleben. 1698 übernahm Brandenburg zudem die Schutzgerechtigkeit über das Stift Quedlinburg. 1701 erbte Friedrich I. ferner das Amt Westerburg. Auch löste er das Amt Weferlingen vom Landgrafen von Hessen-Homburg sowie die, an die Herren von Veltheim verpachtete, Herrschaft Derenburg ein.
Aus den Jahren nach dem Westfälischen Friede gibt es jedoch für Halberstadt noch mehr zu berichten. Seit dem Spätmittelalter, vielleicht auch schon zuvor, war die Stadt ein Zentrum für jüdische Siedler. Staatsreligion war jedoch das Christentum, die Juden genossen nur eine gewisse Duldung und mussten sich ihr Bleiberecht erkaufen. 1343 wurden die Halberstädter Juden dennoch von den Grafen von Mansfeld und Regenstein überfallen und mussten aus der Stadt flüchten. Doch bereits ein Jahrzehnt später bildete sich erneut eine Ansiedlung, das sogenannte „Judendorf“; es war die erste geschlossene Judenansiedlung innerhalb der Stadt. Haupterwerbsquelle der Halberstädter Juden war damals der Geldhandel; sie gaben Darlehen auf Pfänder oder Schuldverschreibungen. Nach der Eingliederung Halberstadts in das Kurfürstentum Brandenburg, erließ der Kurfürst Friedrich Wilhelm im Jahre 1650 für die Halberstädter Juden ein „Privilegium“, wonach sie gegen ein jährliches „Geleitgeld“ von acht Talern in der Stadt bleiben konnten.
Ebenfalls im Jahr 1650 – am 2. November – brach am Breiten Weg in Halberstadt ein Brand aus, der sich schnell ausbreitete und 132 Gebäude vernichtete.
Von August 1681 bis August 1682 grassierte im Fürstentum Halberstadt die Pest ganz fürchterlich; für diesen Zeitraum wird die Anzahl der Pestopfer allein für die Stadt mit 2 197 Menschen angegeben.
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts umfasste das Fürstentum Halberstadt etwa folgendes Gebiet: Die Städte Halberstadt, Osterwieck und Aschersleben sowie die sechs Landkreise Halberstadt, Osterwieck, Aschersleben, Emersleben, Westerhausen mit der Grafschaft Regenstein, den Harzkreis mit der Grafschaft Hohnstein. Der erste Beamte des Fürstentums hatte den Titel „Statthalter“, den Landkreisen stand jeweils ein Landrat vor. Im Jahr 1734 wurde die Würde des Statthalters abgeschafft und ein Regierungspräsident leitete die Geschicke des Fürstentums, das vom Königreich Preußen als Provinz betrachtet wurde. Die oberste Verwaltungsbehörde war die Kriegs- und Domänenkammer, die ihren Sitz in den Häusern am Petershof hatte.
Das Fürstentum verfügte über einen eigenen Landtag, in den die vier Stände je einen Vertreter entsandten. Diese vier Stände waren: das Domkapitel, die Kollegiatstifter und Mönchsklöster, die Ritterschaft und die drei Städte Halberstadt, Aschersleben und Osterwieck.
Die Domherren des Domkapitels waren der vornehmste Stand. Bis zur Säkularisierung des Bistums waren sie nach dem Bischof die Mitherren von Bistum und Erzstift. Der König nahm ihnen nun die Herrschaftsrechte und Privilegien, was zu Streitigkeiten und Konflikten führte.
Auch der zweite Landesstand der Kollegiatstifter und Klöster hatte unter den preußischen Königen keinen leichten Stand mehr. Besonders die Bettelmönchsorden stießen bei den Preußen auf wenig Gegenliebe und genossen nur noch den Stand der Duldung.
Über den Bestand der Kollegiatstifter und der Klöster in Halberstadt liegen weder vom Mittelalter noch von der frühen Neuzeit konkrete Daten vor. Jedoch ließ der preußische König im Jahr 1712 eine Bestandsaufnahme machen: Das Liebfrauenstift – das vornehmste von allen – unterhielt elf Stiftsherren sowie acht Vikare, das Moritz- und Bonifatiusstift hingegen, hatte nur acht Stiftsherren sowie vier Vikare. Das Petri- und Paulsstift konnte nur acht Kapitulare und acht Vikare unterhalten. Damals zählte man in den Halberstädter Mönchsklöstern 37 Franziskaner, 24 Dominikaner, 12 Augustiner in St. Johann, sowie 24 Benediktiner auf Kloster Huysburg und 23 in Hamersleben. Die Nonnenklöster zeigten folgenden Personenbestand: Adersleben 22, Badersleben 12, St. Burchard 25, Hedersleben 20, St. Nikolai 12 und im Pfortenkloster 12.
Auch der dritte Landesstand – die Ritterschaft – hatte es schwer unter den Preußischen Königen. Gab es nach Ende des Dreißigjährigen Krieges noch fast in jeder Ortschaft einen Edelmann – geschätzt werden für das Fürstentum Halberstadt etwa 200 Geschlechter –, so schrumpfte der Adelsstand bis zu den Schlesischen Kriegen auf lediglich 16 bis 20 Adelshäuser. Wenig ist uns aus den Quellen aus diesen hundert Jahren (1650 - 1750) ohne Krieg überliefert. Dennoch kennen wir die noch existierenden Adelsgeschlechter aus dem Jahr 1744, die ich nachfolgend zur Kenntnis geben möchte:
von der Asseburg; in Falkenstein, Meisdorf, Neindorf, Beckendorf, Gunsleben
von Bennigsen; in Schneidlingen
von Borsleben; in Schadeleben
von Dankelmann; in Schwanebeck
von Ditfurt; in Wegeleben
von Gustedt; in Deersheim und Eilenstedt
von Hagen (Geist genannt); in Gröningen
von Hammerstein; in Hordorf
von Hoym; in Rhoden
von Hünecke; in Dedeleben
von Knigge; in Thale
von Krebs; in Veltheim
von Marenholtz; in Nienhagen
von Münchhausen; in Wegeleben
von Neindorf, in Hausneindorf, Gröningen und Wegeleben
von Oppen; in Gatersleben
von Preuß; in Eilenstedt
von Rössing; in Berßel und Osterwieck
von Rudophi; in Derenburg und Osterwieck
von der Schulenburg; in Oschersleben und Hornhausen
von Schwerin; in Ermsleben
von Spiegel; in Seggerde
von Stammer, in Westorf
von Stedern, in Emersleben und Halberstadt
von Veltheim; in Aderstedt
von Windheim; in Ermsleben
von Wülffen; in Hausneindorf
von Arnstedt, von Berlepsch, von Burgstorf, von Tettenborn, von Werther, von Worbis und von Wurm in der Grafschaft Hohnstein
Den vierten und letzten Landesstand bildeten die drei Städte Halberstadt, Osterwieck und Aschersleben. Wenig wissen wir über das Aussehen dieser Städte im 18. Jahrhundert.
Halberstadt: Die Halberstadt umgebenden Hügelketten der Klus-, Spiegels- und Thekenberge waren damals noch unbewaldet. Im Mittelalter noch zum Hopfen- und Weinanbau genutzt, dienten sie im 17. und 18. Jahrhundert als Weideplätze für die Herden der Stadt. Die Stadt hatte in dieser Zeit zwischen 10.000 - 20.000 Einwohner. Noch immer trug sie ihren mittelalterlichen Panzer. Die Ringmauer, mit einer etwa 1,5 m hohen überdachten Brustwehr, war noch vollständig erhalten und man konnte auf ihr die Stadt vollständig umrunden. Der tiefe und breite Wallgraben, der die Stadtmauer geschützt hat, war zwischen Breiten- und Burchardi-Tor mit Wasser gefüllt. Die sieben Ausgänge waren noch durch starke Tore mit Türmen gesichert und geschützt und wurden Tag und Nacht bewacht. Abends wurden die Tore wie eh und je geschlossen und kein Mensch kam mehr herein oder heraus.
Nun möchte ich etwas auf den baulichen Zustand der Stadt Halberstadt gegen Mitte des 18. Jahrhunderts eingehen. Seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges hatte sich in Halberstadt nur wenig verändert: Zerstörte und beschädigte Gebäude waren repariert oder teilweise wiederaufgebaut worden. Neubauten waren in diesen fast hundert Jahren jedoch eher die Ausnahme: die Dechanei des Liebfrauenstifts (1702), Domplatz Nr. 3, die Hofapotheke (1702), die Franzosenkirche (1717) und die Dom-Dechanei (1754) waren die wenigen Neubauten, die nachzuweisen sind.
Die Straßen waren damals noch anders gebaut als heute. In alter Zeit befand sich der Rinnstein in der Straßenmitte, die beiden Straßenhälften liefen mit Gefälle auf ihn zu. Ab 1699 veranlasste der Kurfürst diesen Zustand schrittweise zu beseitigen. Trotzdem war es unmöglich den Straßendamm sauber zu halten, denn es wurden Massen von Erde und Schlamm durch die Acker- und Frachtwagen von den umliegenden unbefestigten Landstraßen und Feldwegen in die Stadt gebracht. Den Rest zum Schmutz trugen die täglich in die Stadt getriebenen Rinder-, Schweine-, Schaf-, Ziegen und Gänseherden bei. Straßenbeleuchtungen gab es vor dem Siebenjährigen Krieg in Halberstadt nicht, nach Sonnenuntergang herrschte tiefste Finsternis in den Straßen.
Zwischen Wehrstedt und Halberstadt lag damals links ein großer Anger, auf dem öffentliche Paraden abgehalten wurden, der jedoch auch Truppen als Lagerplatz diente. Auch zwischen Siechenhof und Bullerberg befand sich eine große Wiese, die Gröper Tie genannt wurde. Auf dieser Wiese, die der einheimischen Jugend zum Maientanz diente, hatten 1631 die Truppen von Pappenheim ihr Lager aufgeschlagen.