Die Kanonen von Saint Marcouf - Helmut K von Keusgen - E-Book

Die Kanonen von Saint Marcouf E-Book

Helmut K von Keusgen

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Beschreibung

Am D-Day, dem 6. Juni 1944, stellten die Kanonen von Saint Marcouf für die am „Utah Beach“ landenden Amerikaner das größte Hindernis dar – auch auf dem folgenden Vormarsch in die Normandie und für die anschließende Einnahme der Cotentin-Halbinsel.

Helmut Konrad Freiherr von Keusgen berichtet hier vom Entstehen der beiden Küsten-Batterien Azeville und Crisbecq, nahe Saint Marcouf, von 1942 bis zu ihrer Kapitulation im Juni 1944. In der für ihn typischen und untendenziösen aber spannenden Schreibweise schildert er ausführlich die umfangreichen Bauarbeiten der großen Bunkeranlagen, schreibt von der Lebensfreude und dem Leid der deutschen Batteriebesatzungen und läßt in seiner umfassenden Darstellung weder die amerikanischen Soldaten noch die französische Zivilbevölkerung unberücksichtigt.

Was von Keusgens Dokumentationen so anschaulich macht, ist nicht nur das Resümee seiner jahrzehntelangen Studien vor Ort und die Masse akribisch zusammengetragener Fakten, sondern auch die Erlebnisberichte vom Krieg betroff ener Personen, die er immer wieder geschickt in die Handlung einfl echtet. Außerdem werden seine sachlichen aber äußerst plastischen Darstellungen noch durch erhebliche Mengen spektakulären Bildmaterials hervorragend veranschaulicht.

In diesem Buch, das einen weiteren ganz speziellen Beitrag zum Thema D-Day 1944 darstellt, berichtet Helmut Konrad von Keusgen nicht nur vom tatsächlichen Ablauf der Geschehnisse am Fuß der normannischen Cotentin-Halbinsel, sondern er führt Personen an, die im Laufe der Zeit und bis zum Erscheinen dieser Publikation längst „verlorengegangen“ waren, wie den Chef der Heeres-Küsten-Batterie Azeville, Hauptmann Dr.Treiber.

Von Keusgens Schilderungen gehen auch in diesem Bericht wieder weit über nüchterne Fakten anderer Autoren hinaus und stellen viele seit Jahrzehnten von ihnen falsch oder nur mangelhaft übermittelte Informationen richtig – mehr noch, er bietet viele neue Informationen und einmal mehr einen ausführlichen Einblick in das Leben der beschriebenen Personen.

Als sensationell kann man die Masse noch nie veröff entlichter Fotos bezeichnen, insbesondere vom Batteriechef Hauptmann Dr.Treiber und seinem Stützpunktführer, Oberleutnant Kattnig.

Hier ein weiteres höchst gelungenes Werk des international bekannten Schriftstellers für Militärgeschichte mit einem Portrait seiner Person.

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Helmut Konrad von Keusgen

Die Kanonen von Saint Marcouf

Deutsche Küsten-Batterien Azeville und Crisbecq

Dieses Buch widme ich einem mir namentlich unbekannten Mann, dem ich nur ein einziges Mal und für einen kurzen Moment in meinem Leben begegnete: Im Jahr 1973 auf dem Terrain der ehemaligen Marine-Küsten-Batterie bei Saint Marcouf. Er war einer von 19 Millionen deutscher Soldaten des Zweiten Weltkrieges – und einer von Millionen Traumatisierter.

Diese Neuauflage obliegt dem Originaltext mit der alten deutschen Rechtschreibung.

Lieber Leser,

da es technisch nicht möglich ist, Ihnen die detaillierten Karten und Abbildungen hochaufgelöst in diesem E-Book zur Verfügung zu stellen, möchten wir Sie herzlich einladen, die PDF unter untenstehendem Link herunterzuladen. Diese enthält alle Karten und Abbildungen hochaufgelöst.

https://www.ek2-publishing.com/kanonen_von_st_marcouf_booklet

Inhaltsverzeichnis

Karte: Normandie D-Day 6. Juni 1944

Portrait: Helmut Konrad von Keusgen – ein Leben gegen den Krieg

Plan des Landeunternehmens der Alliierten am 6. Juni 1944und die Positionen der deutschen Divisionen

Vorwort

Plan der schweren Heeres-Küsten-Batterie Azeville

Die schwere Heeres-Küsten-Batterie Azeville

Erklärungen zum Plan (Stand vom 6. Juni 1944)

Die schwere Marine-Küsten-Batterie Marcouf

Nächtlicher Überfall

Das große Ringen

Danach…

Dr. Hugo Treiber, Hans Kattnig und Walter Ohmsen – ihre Schicksale bis zum Ende des Krieges und danach

Die Freilicht-Museen der Batterien Azeville und Crisbecq

Nachwort

Quellenverzeichnis

Bildnachweis

Danksagungen

Impressum

Karte: Normandie D-Day 6. Juni 1944

Ausblick vom Terrain des ehemaligen Stützpunktes der Marine-Küsten-Batterie Marcouf auf das 2.800 Meter entfernte Meer mit jenem Strand, den die Amerikaner am 6. Juni 1944 als ihren Landeabschnitt ”Utah” bezeichneten. In Strandnähe liegt die Ortschaft Les Gougins.

Foto: von Keusgen 2004

Portrait: Helmut Konrad von Keusgen – ein Leben gegen den Krieg

von Volker Gremler

Helmut Konrad von Keusgen im Jahr 2018 – seit 45 Jahren auf den Spuren der großen Invasion in der Normandie.

Foto: Elodie

Inspiriert und motiviert durch die eindrucksvollen Berichte seines Großvaters von der Westfront des Ersten Weltkriegs und seines Vaters von der Ostfront des Zweiten Weltkriegs sowie dem Kriegstrauma aller seiner Familienangehörigen widmete der 1948 in Hannover geborene Helmut Konrad von Keusgen sich seit seiner Jugend der Spurensuche menschlicher Kriegsschicksale. Sein Weg führte ihn über viele Schlachtfelder Europas. Als er bereits als 21-jähriger 1969 mit der Taucherei begann, faszinierte ihn der Atlantik. Von Calais die nordfranzösische Küste hinab führte der Weg den gelernten Plakatmaler, Grafiker und späteren Werbeunternehmer bis zum Utah Beach.

Erst das väterliche, dann das eigene Werbegeschäft ermöglichten ihm die notwendige Unabhängigkeit für seine häufigen Exkursionen. Seit einer für ihn äußerst eindrucksvollen Begegnung im Jahr 1973 mit einem Veteranen auf dem Gelände der ehemaligen Marine-Küsten-Batterie Marcouf sowie dem ersten Treffen mit dem damaligen Kartenzeichner aus Rommels Stab begann von Keusgen mit ernsthaften Recherchen zum Thema D-Day 1944. Und noch etwas, das er zur selben Zeit erlebte, hatte ihn dazu bewogen: Ein Tauchgang am Omaha Beach zu einem der am 6. Juni 1944 während der Landung versunkenen Sherman-Panzer. In ihm fand von Keusgen die Überreste der einstigen Besatzung.

Ein interessanter Tauchgang vor dem ehemaligen amerikanischen Landeabschnitt „Omaha Beach“: Von Keusgen 1973 an einem Sherman-Panzer, der 1944 während der Landung in den Fluten versunken war.

1. Foto: J. Lemonchois2. Foto: M. Schnüll 1973

Bereits in den 80er und 90er Jahren erschienen mehrere Bücher von ihm zu anderen Themen. Doch erst ein besonderes Ereignis war es, das von Keusgen veranlaßte, 1993 trotz nicht unerheblicher wirtschaftlicher Erfolge aus seinem Werbegeschäft auszusteigen und sich gänzlich der Militär-Historie zuzuwenden. Ausschlaggebend für diese konsequente Entscheidung war die schicksalhafte Begegnung mit einer 77-jährigen Französin in Ste.-Mère-Église in der Normandie. Sie vermittelte ihm durch ihre eigenen Kriegserlebnisse ein eindrucksvolles Beispiel der Völkerverständigung und Völkerfreundschaft zwischen Franzosen und Deutschen.

Von Keusgens Taucheinsatz anläßlich an den Senkkästen der von Großbritannien herübergebrachten Hafenanlage vor Arromanches.

Lampenkorb der Steuerbord-Positionslampe des 1944 vor „Utah“ infolge Seeminenkontaktes gesunkenen US-Zerstörers „Corry“ – 1973 durch von Keusgen demontiert.

Von Keusgen in einer der Kasematten der Marine-Küsten-Batterie Longues: Munitionsfund.

Nach 30 Jahren intensiver Recherchen begann von Keusgen 1999 mit den ersten Publikationen zu diesem Thema. Rein autodidaktisch und nie geschult, gelang es ihm inzwischen, einen ganz eigenen, neuen Stil der Berichterstattung militärischer Ereignisse zu entwickeln – sensibler, akribischer und vordergründig menschliche Schicksale vermittelnd. Außerdem ist von Keusgens Schreibweise völlig unparteiisch und unpathetisch. Er beschreibt nicht nur die kriegführenden Parteien ausführlich, sondern beschäftigt sich auch eingehend mit den Erlebnissen der vom Krieg betroffenen Franzosen. Als Grafiker gestaltet er sämtliche Pläne für seine Bücher, die bereits in vier Sprachen weltweit vertrieben werden, selbst. Von Keusgen läßt nichts unbeachtet, beschreibt ebenso detail liert militärische Anlagen, Waffentechnik und Kampfhandlungen, wie die Schicksale der in das Kriegsgeschehen geratenen Menschen und läßt keine Fragen offen. Mit dem Gespür eines Detektivs und der Akribie eines Forschers verfolgt er jede Spur, rekonstruiert die Ereignisse anhand vieler Zeugenaussagen, Korrespondenzen, offizieller Dokumente und historischen Bildmaterials. Er vermittelt dem Leser somit genauste und höchst komplexe Informationen. Von Keusgen schließt Lücken und korrigiert bisher bestehender nüchterner und von Publikation zu Publikation weitergegebener, nicht selten fehlerhafter Fakten und Darstellungen mit einer Masse höchst interessanter Details. So gelingt es ihm, seinem ursprünglichen Beruf folgend, vor den Augen seiner Leser „Bilder zu malen“ – höchst anschauliche und beeindruckende Bilder, die eine unmittelbare Teilnahme an den Geschehnissen von damals vermitteln. Seine Publikationen finden international höchst positive Resonanzen.

Granatenfund an einer ehemaligen deutschen Hinterhangstellung.

Fotos: M. Schnüll 1973

Von Keusgens ausführliche Schilderungen, zu denen er auch militärische Berater und Informationen offizieller behördlicher Stellen hinzuzieht, basieren auf seinem Vorteil, sich seit fünf Jahrzehnten mit dem D-Day-Thema beschäftigt zu haben. In dieser Zeit befragte er nachweislich 446 von Veteranen aller beteiligten Nationen. Begünstigend kommt noch hinzu, daß sich der Schriftsteller, dessen Familie ihren Ursprung in Belgien fand, den damaligen Südlichen Niederlanden, und der sich diesem Land sowie Nordfrankreich besonders verbunden fühlt und sich seit 1990 auch in der Normandie etabliert hat. Seinen komplexen, auf die Historie bezogenen Ausarbeitungen kann man nichts mehr hinzufügen. Eine der Besonderheiten seiner Bücher besteht darin, daß von Keusgen immer wieder Bildmaterial von Personen publiziert, das noch niemals veröffentlicht wurde, und wichtige Persönlichkeiten benennt, deren Existenz längst in Vergessenheit geraten war. Spätere Historiker-Generationen können nur noch von ihm abschreiben…

Anläßlich seiner alljährlich mehrmaligen Exkursionen entlang der normannischen Küste, besuchte von Keusgen sämtliche von der Invasion betroffenen Stätten.

Der große Beobachtungsbunker der damaligen Marine-Küsten-Batterie Longues auf den Klippen vor Longues-sur-Mer.

Schwimm-Mole des damaligen künstlichen Hafens im britischen Landeabschnitt „Gold Beach“ vor Arromanches.

Fotos: M. Schnüll 1973

Der exzellente Kenner der Normandie und der dortigen örtlichen Verhältnisse führte mehr als zehn Jahre lang alljährlich große Gruppen an der D-Day-Historie Interessierter über die dortigen Kriegsschauplätze. Ihm liegt daran, die ganze und wahre Geschichte zu berichten, so ausführlich wie möglich. Nach von Keusgens bereits veröffentlichen themenbezogenen Büchern, insbesondere nach seinem Bestseller WN 62 – Erinnerungen an Omaha Beach, ein Buch, das er als Ghostwriter für den Veteranen Hein Severloh schrieb, gelang ihm hier mit Die Kanonen von Saint Marcouf ein weiteres Meisterwerk. Was seine Publikationen so besonders macht, ist nicht nur die Fülle an Informationen, sondern die erfreuliche Tatsache, daß seine Bücher über den Krieg in Wahrheit Bücher gegen den Krieg sind.

Volker Gremler,

Waffen-Sachverständiger

und freier Fachautor der Zeitschrift Deutsches Waffenjournal

Plan des Landeunternehmens der Alliierten am 6. Juni 1944und die Positionen der deutschen Divisionen

Die Invasion der Alliierten begann am 6. Juni 1944 in der Seine-Bucht, erfolgte auf einer Frontbreite von 87 Kilometern (zuzüglich zweier Luftlanderäume, total 99 Kilometer) in 5 Landeabschnitten und wurde mit schweren Bombardierungen und diversen Täuschungsmanövern eingeleitet. Ab Mitternacht wurden die Luftlandeunternehmen an den Flanken des Invasionsraums mit sogenannten Pfadfindern begonnen. Sie markierten die Absprungzonen für nachfolgende Fallschirmjäger und die Landeräume für Lastensegler, deren Landungen ab 1:15 Uhr einsetzten. Der erste Soldat der Alliierten landete um 0:11 Uhr auf französischem Boden.

Ab 5:55 Uhr wurde von See her das Trommelfeuer auf die deutschen Küstenbefestigungsanlagen von Kriegsschiffen aus eröffnet. Die maritimen Truppenanlandungen begannen ab 6:32 Uhr. Die beiden Landeabschnitte der Amerikaner trugen die Decknamen Utah und Omaha, die beiden der Briten Gold und Sword, der Abschnitt der Kanadier (und Briten) wurde Juno benannt.

Der Angriff erfolgte mit 5.339 Schiffen und 12.837 Flugzeugen, die am ersten Tag der Invasion 9 Divisionen mit 156.000 Mann, Panzern, Geschützen und Fahrzeugen an der Küste der Normandie an Land brachten. Weitere 2,6 Millionen Mann folgten in den nächsten Tagen und Wochen – insgesamt 37 Divisionen. Am D-Day, dem ersten Tag der Landeoffensive, standen den ersten 10 Divisionen der Alliierten im Invasionsraum nur drei deutsche Divisionen gegenüber.

Vorwort

Im April 1973, fast 29 Jahre nach dem D-Day, der Landung der Alliierten in der Normandie, bereiste ich anläßlich einer meiner ersten Exkursionen auf den Spuren der großen Invasion vom 6. Juni 1944 mit einem ebenfalls an der Historie interessierten Freund die östliche Flanke der normannischen Cotentin-Halbinsel. Ich war damals 24 Jahre alt.

Eher zufällig waren wir, von Sainte-Mère-Église kommend, in Richtung des nur noch 9,5 Kilometer entfernten Meeres gefahren. Gerade erst an einigen gewaltigen Bunkerburgen nahe der kleinen Ortschaft Azeville vorbeigekommen, fesselte ein riesiger Geschützbunker links neben der schmalen Straße zum Dorf Crisbecq unsere Aufmerksamkeit. Das Besondere an diesem Bunker war, daß seine 3,5 Meter dicke und mehr als 1.200 Tonnen schwere Betondecke im hinteren Bereich bis auf den Boden eingestürzt war. Wir konnten uns einer gewissen Faszination betreffs dieses wie getötet anmutenden Betonmonsters nicht erwehren. Wir stiegen aus dem Auto und betraten den mit hohem Brombeergesträuch und jungen Bäumen fast gänzlich zugewachsenen alten Militärstützpunkt. Da und dort ragten im Umfeld des Bunkers noch einige graue Betonwände aus der Erde, halb überwachsen von Gesträuch und Efeu. Das ganze Gelände mutete nicht besonders einladend an, hatte eher etwas Unheimliches, Grausames…

Eine der beiden Kasematten der ehemaligen Küstenbatterie Marcouf mit ihrer eingestürzten 3,5 Meter dicken Abdeckung.

Foto: von Keusgen 1973

Im Moment, da wir gerade einige Fotos von der riesigen Kasematte aufnehmen wollten, stand plötzlich und gänzlich unvermittelt ein Mann direkt neben uns. Wir erschraken, denn wir hatten ihn auf dem unübersichtlichen Gelände nicht kommen sehen – außerdem sah er schrecklich aus; sein ganzes Äußeres war völlig verwahrlost, seine Kleidung verschmutzt, das Gesicht von langen Bartstoppeln verdunkelt und die Haare ungepflegt. Er war hager, ausgezehrt und etwa fünfzig Jahre alt. In einwandfreiem Deutsch mit einem Akzent, der auf eine Herkunft aus Friesland schließen ließ, sprach er uns sofort an, fragte, ob er uns etwas zu dem damaligen deutschen Stützpunkt erzählen sollte. Wir waren über das plötzliche Erscheinen dieses äußerst verstört wirkenden und heruntergekommenen Mannes gleichermaßen erschreckt wie überrascht. Mit hektischen Bewegungen und schnellen, kurzen Schritten ging er dicht an uns vorbei, blieb vor der offenen Scharte des halbzerstörten Betonkolosses stehen und mit heftigen, abrupten Gebärden erklärte er, daß wir uns auf dem Gelände der ehemals schweren deutschen Marine-Küsten-Batterie Marcouf befänden.

Unschwer war zu erkennen, daß es sich bei diesem seltsamen, verwahrlosten Mann um einen psychisch gestörten Menschen handelte. Er war uns unheimlich, als er mit seinen großen dunklen Augen und unstetem, flackernden Blick zu uns sprach – eher vor sich hin redete. Er sprach auf eine Weise, als seien wir für ihn nur imaginär, gar nicht wirklich anwesend. Hektisch, mit kurzen, abgehackten Sätzen, redete er mit seiner tiefen Stimme vor sich hin, erzählte irgend etwas vom Krieg, von damals, und davon, daß er dabei gewesen war. Schreckliches habe sich an diesem Ort zugetragen – und seine Augen nahmen uns nicht wahr, sie blickten nur in die Vergangenheit.

Weil wir mit den zusammenhanglos und verworren erscheinenden Aussagen dieses mysteriösen Menschen nicht viel anfangen konnten und er, je länger er sich in unserer Nähe aufhielt, immer unheimlicher erschien, verabschiedeten wir uns mit knappen Worten, dankten für seine freundlichen Ausführungen und wandten uns ab, um zu meinem nicht weit entfernt geparkten Wagen zurückzukehren.

„He!“ rief er uns nach.

Fast an meinem Fahrzeug angekommen, blickten wir nochmals zurück. Der Mann stand immer noch vor der wie ein zahnloses Riesenmaul anmutenden Scharte der riesigen Kasematte. Mit einer Hand deutete er hinein, dann rief er uns zu: „Da hinten d’rin, wo die Decke eingestürzt ist, da liegen sieben Mann – meine Kameraden!“

Als wir nur wenige Schritte später meinen Wagen erreicht hatten, sahen wir uns ein weiteres Mal um, doch der unheimliche Kriegsveteran war verschwunden.

Rätselhaft erschien uns die Ursache, die diesen mächtigen, aus Stahlbeton gegossenen Geschützbunker zum Einsturz bringen konnte.

Foto: von Keusgen 1973

Erst im Frühjahr 1978 kam ich wieder zu diesem sonderbaren Ort mit seiner makaber wirkenden Kasematte nahe den Ortschaften St. Marcouf und Crisbecq zurück. Außer daß die ohnehin sehr üppige Vegetation in der Normandie im Laufe der Zeit das Terrain des ehemaligen deutschen Stützpunktes mit seiner großen Batterieanlage noch weiter überwuchert hatte, gab es nichts, das an diesem Ort verändert war. So blieb es auch die vielen Jahre lang, in denen ich das unübersichtliche Terrain noch mehrmals besuchte. Auch hatte ich inzwischen einiges über die Historie dieser Anlage in Erfahrung bringen können, und je mehr ich mich mit der Geschichte der Marine-Küsten-Batterie Marcouf beschäftigte, um so wichtiger erschien mir jener merkwürdige Mann von damals als Informant – doch ich habe ihn nie wieder gesehen.

Am 4. Juni 2004, als ich im Rahmen meiner Recherchen anläßlich der anstehenden Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag des D-Day wieder einmal das Areal nahe Crisbecq besuchte, war ich äußerst überrascht, plötzlich vor einer völlig freigelegten Batterie-Anlage zu stehen. Wo bis vor wenigen Monaten hohe Bäume, dichtes Gebüsch und wucherndes Efeu den alten Stützpunkt verborgen hatten, befand sich nun wieder der nördliche Teil der Anlage der MKB (Marine-Küsten-Batterie) Marcouf in fast genau jenem Zustand, wie in den letzten Tagen vor ihrem Fall – nur ohne Waffen. Als ich dann vor dem von Bäumen und Dickicht befreiten großen Bunker mit der eingestürzten Abdeckung stand, erschien in meiner Erinnerung wieder jener verwirrte Mensch, der im Jahr 1973 davon gesprochen hatte, daß auf diesem Terrain im Krieg Schreckliches geschehen war. Er wollte uns damals die ganze Geschichte erzählen…

Nachdem ich im Verlauf von vielen Jahren etliche andere Informanten getroffen habe, bin nun ich es, der diese Geschichte mitteilt, aber ich glaube, der meinem Freund und mir damals so unheimlich erschienene, verstörte Kriegsveteran hätte sie sicher noch eindrucksvoller erzählt…

Der Autor im Gespräch mit dem Zeitzeugen Bernard Jaunet, dem Bürgermeister des unweit der Marine-Küsten-Batterie Marcouf gelegenen Saint Floxel, auf dem wieder freigelegten Batterie-Terrain nahe des nur aus wenigen Häusern bestehenden Dorfes Crisbecq.

Foto: K. C. Röhrs 2004

Wenn man von der MKB Marcouf (so die offizielle deutsche Bezeichnung) berichten will, ist es unerläßlich, auch die nur zwei Kilometer süd-westlich davon gelegene HKB (Heeres-Küsten-Batterie) bei Azeville zu erwähnen. Da die Amerikaner die MKB Marcouf nach ihrer Einnahme als Batterie Crisbecq benannten (nach dem noch näher an der Batterie gelegenen Ort), und sowohl die MKB wie auch die HKB in der Nähe von St. Marcouf liegen, ich auch nunmehr von beiden berichte, fasse ich sie zusammen unter dem Titel Die Kanonen von Saint Marcouf.

Helmut Konrad von Keusgen

Deutsche Artilleristen bereiten Granaten und Kartuschen (Treibladungen) zum Schießen mit ihrer 10,5-cm-Haubitze vor.

Foto: Archiv Gerstenberg

Plan der schweren Heeres-Küsten-Batterie Azeville

Erklärungen zum Plan (Stand vom 6. Juni 1944)

1. Kasematte Nr. 1 des Regelbau-Typs H 671 (in der Baufolge der errichteten Kasematten war diese die letzte; auf ihrer Abdeckung wurde eine feldmäßige Stellung für ein 3,7-cm-Abwehrgeschütz errichtet heute ist der Bunker als Museum ausgebaut).

2. Kasematte Nr. 2 des Regelbau-Typs H 671 (in ihr befand sich der Hauptgefechtsstand und die Fernmeldezentrale).

3. (Die Kasematten Nr. 1 und Nr. 2 waren durch Erdaufschüttungen indirekt miteinander verbunden).

4. Kasematte Nr. 3 des Regelbau-Typs H 650

5. Kasematte Nr. 4 des Regelbau-Typs H 650 (auf ihrer Abdeckung wurde im Zuge der Bauarbeiten eine umbaute Stellung für ein 3,7-cm-Fliegerabwehrgeschütz errichtet).

6. (Alle vier Kasematten hatten denselben Grundriß und in ihnen waren 10,5-cm-Geschütze des Typs Schneider K 331 Modell 1936 installiert.)

7. Unterirdischer Unterstand des Typs R (Regelbau) 621 (Unterkunft für 10 Wachsoldaten).

8. Unterirdischer Unterstand des Typs R 134 SK (wurde als Apotheke und Sanitätsstelle sowie für ein Aggregat zur Stromerzeugung genutzt).

9. 2 unterirdische Unterstände des Typs VF 2b (= verstärkter feldmäßiger Unterstand; unbenutzte Munitionslager, von denen der nördliche dann als erster Batteriegefechtsstand diente / Büro Kattnig).

10. Betonierter MG-Stand mit einem Maschinengewehr auf einer Drehlafette.

11. Tobruk-Stand (betonierter 1-Mann-MG-Stand; nach Rommels Idee und ersten Modellen anläßlich des Nordafrika-Feldzugs).

12. 4 kleine, betonierte Unterstände (Beobachtungs- oder MG-Stände, alle verschiedener Ausführung).

13. Offene, feldmäßige MG-Stellung.

14. 2 Bunker für Infanterie-Munition.

15. Betonierter, unterirdischer Tunnel.

16. Improvisierter, unbetonierter, mit Wellblech-Halbschalen überdeckter Tunnel.

17. Betonierter Eingang zur Tunnelanlage.

18. Laufgräben in direktem Verlauf (ohne den sonst üblichen Zick-zack-Splitterschutz-Verlauf).

19. Laufgraben (der nach 45 Metern in nordöstlicher Richtung in eine offene, feldmäßige MG-Stellung mündet).

20. Quelle / artesischer Brunnen (im Tunnel)

21. 2 Brunnen mit Wasserreservoir.

22. Eine von ehemals 4 Betonplattformen, auf denen die 10,5-cm-Geschütze bis zur Fertigstellung der Kasematten platziert waren. Auf dieser letzten stand dann vorübergehend eine 3,7-cm-Fliegerabwehrkanone (die später ein einem speziellen Stand auf der Abdeckung der Kasematte Nr. 4 installiert wurde).

23. Casino-Baracke

24. Löschwasserbecken und Kalvarien-Kreuz

25. Appellplatz

26. Das Haus in Azeville, in dem Batteriechef, Hauptmann Dr. Treiber, einquartiert war.

27. Lagerplatz für Baumaterial.

Das gesamte Terrain des Stützpunktes der HKB Azeville wurde bereits 1944 und kurze Zeit nach den Kampfhandlungen von den Amerikanern mittels Bulldozern eingeebnet. Da es bis dahin keine kartographische Erfassung des Stützpunktes gab, war später das Nachvollziehen aller Laufgräben sowie der Stacheldrahtverhaue (Begrenzung des Stützpunktes) nicht mehr möglich. Außerdem ist davon auszugehen, daß es auf dem Gelände noch weitere offene, feldmäßige Verteidigungsstellungen gab.

Bereits einige Tage vor dem D-Day war eine stärkere Infanterie-Einheit als Eingreifreserve unter strenger Geheimhaltung auf dem Batteriegelände der HKB Azeville stationiert worden, nicht bekannt ist ihre genaue Bezeichnung und ihre personelle Stärke, auch nicht, was während der Kampfhandlungen und danach mit dieser Einheit geschehen war. Da keinerlei diesbezügliche Fakten vorliegen, wird im folgenden Bericht auf diesen Umstand nicht weiter eingegangen.

---ENDE DER LESEPROBE---