Omaha Beach - Helmut K von Keusgen - E-Book

Omaha Beach E-Book

Helmut K von Keusgen

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Beschreibung

Omaha Beach – ein militärisches Desaster Normandie, 6. Juni 1944: D-Day! Die Alliierten wagen den Sturm auf die "Festung Europa". Die Landung in der Normandie gilt als eine der größten Militäroperationen der Menschheitsgeschichte. Untrennbar mit ihr verknüpft sind menschliche Tragödien, militärische Fehlschläge, schier unglaubliche Einzelschicksale und abenteuerliche Geheimnisse … Der renommierte D-Day-Experte und Historiker Helmut Konrad Freiherr von Keusgen, bekannt aus einschlägigen Print-, Radio- und TV-Dokumentationen zum D-Day, ist weltweit geschätzt für seine in ihrer Art einzigartigen Aufarbeitung der historisch so bedeutsamen großen Invasion in der Normandie. Mit dem vorliegenden Buch "Omaha Beach - Die Tragödie des 6. Juni 1944" liefert der Autor eine detaillierte Gesamtdarstellung des militärischen Desasters ab, das sich an diesem Strandabschnitt zutrug, als tausende US-Soldaten direkt in das Abwehrfeuer der deutschen Verteidiger hineinrannten. Profitieren Sie von der jahrzehntelangen, gründlichen Recherche des Autors. Von Keusgen hat unzählige Unterlagen und Pläne ausgewertet und mit zahllosen Veteranen beider Seiten gesprochen. Auf dieser Grundlage erarbeitete er die vermutlich umfangreichste Gesamtdarstellung über die komplexen Kampfhandlungen und das militärische Desaster im US-Landeabschnitt Omaha an der Küste der Normandie. Der Autor ergänzt seine Darstellungen des für beide Seiten grauenhaften Kampfes durch zahllose Berichte amerikanischer, deutscher und französischer Zeitzeugen. Ihre schonungslosen Erzählungen werden Sie direkt in die Ereignisse hineinsaugen und nicht mehr loslassen. In seinem Buch malt von Keusgen in unverhohlener Offenheit ein äußerst realistisches und höchst eindrucksvolles Bild des Krieges direkt vor Ihren Augen – ein grausames, blutiges Bild menschlicher Tragödien und Verzweiflung. Die ausführlichen Beschreibungen der verworrenen Kampfhandlungen um den berühmt-berüchtigten Omaha Beach sind einmalig in der deutschen Militärliteratur. Auf dem schmalen Strandstreifen vor der Calvados-Küste ereignete sich am ersten Invasionstag ein beispielloses Gemetzel … Gerade die Zeitzeugenberichte aus erster Hand und die zahlreichen Fotos und Karten lassen Sie hautnah eintauchen in die geschichtsträchtigen Ereignisse während der Landung. Sichern Sie sich jetzt dieses einzigartige Werk über die brutalen Kämpfe am "Omaha Beach"!

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Helmut Konrad von Keusgen

Omaha Beach

Die Tragödie des 6. Juni 1944

DerD-Daywar ein Tag, den niemand, der dabei gewesen war, vergessen konnte… Kein Soldat, der an der Schlacht am Omaha Beach teilgenommen hat, könnte jemandem erklären, wie es wirklich war – nur wenn man ihr Trauma kennt, lassen sich die wahren Ausmaße der Apokalypse, in der sich diese Menschen damals befanden, ahnen…

Foto: von Keusgen 1973 / Omaha Beach,1944 Sektor Dog White

Hinweis:

Bei diesem Buch handelt es sich um eine überarbeitete Neuauflage des Buchs „Omaha Beach“, geschrieben von Helmut Konrad Freiherr von Keusgen, seines Zeichens international anerkannter D-Day-Experte und bekannt durch seine umfassende Arbeit zu der alliierten Landung in der Normandie sowie aus einschlägigen Dokumentationen, Büchern und Berichten.

Der Autor hat durch jahrzehntelange, akribische Recherchen bereits manches Rätsel um die Invasion gelöst und maßgeblich dazu beigetragen, dass uns heute ein recht vollständiges Bild über den Verlauf der berühmten Invasion vorliegt. Er gilt als einer der Topexperten zur Landung in der Normandie.

Auf Wunsch des Autors folgt diese Neuauflage wie auch der Originaltext den Regeln der alten Rechtschreibung.

Lieber Leser,

da es technisch nicht möglich ist, Ihnen die detaillierten Karten und Abbildungen hochaufgelöst in diesem E-Book zur Verfügung zu stellen, möchten wir Sie herzlich einladen, die PDF unter untenstehendem Link herunterzuladen. Diese enthält alle Karten und Abbildungen hochaufgelöst.

https://bit.ly/3pcWdFj

Inhaltsverzeichnis

Teil 1: Friedhof auf dem Meeresgrund

Begegnung mit der Vergangenheit

Jacques Lemonchois

Omaha Beach – blutiger Meilenstein der Weltgeschichte

Teil 2: Vorbereitungen auf eine Invasion

Bis die Deutschen kamen…

Noch viele Unzulänglichkeiten…

Spione am Strand

Die Planung der Landung

Es lag etwas in der Luft…

Teil 3: In der Hölle von Omaha

Die Invasion ist da!

Schwimmpanzer – die nicht schwimmen konnten…

Fahrt in die Hölle

Die erste Angriffswelle

Eskalation

Konfusion

Der Durchbruch

Teil 4: Danach

Kampf oder Gefangenschaft

Großprojekte und Naturgewalten

Not und Leid

Schrotthalde Omaha Beach

Gedenkstätten und Museen

Epilog – Das Phänomen

Weitere Informationen

Quellenverzeichnis

Bildnachweis

Danksagungen

Impressum

Teil 2: Vorbereitungen auf eine Invasion

Das deutsche Widerstandsnest 60 …

… befand sich an der östlichen Flanke des Omaha Beach und auf seiner höchsten Küstenerhebung – 64 Meter über dem Meer.

Foto: von Keusgen 2003

Bis die Deutschen kamen…

Côte de Nacre (Perlmutt-Küste) wird jener Küstenstreifen in der rund einhundert Kilometer breiten Seine-Bucht genannt, an dem sich auch ein ganz besonderer, sechs Kilometer langer Strand in Ost-West-Richtung erstreckt. Flankiert wird dieser, in einer sichelförmigen Bucht liegende Strand von den beiden kleinen, sich nur bis zu wenigen hundert Metern ins Land erstreckenden Ortschaften Colleville (an der östlichen Flanke) und Vierville (an der westlichen, mit dem benachbarten, bis zu 29 Meter hohen, vorspringenden Kliff des Pointe et Raz de la Percée). Die beiden Jahrhunderte alten Orte tragen wegen ihrer küstennahen Lage den Namenszusatz „sur Mer“ (am Meer). So auch das ebenfalls zu Beginn der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts nur annähernd dreihundert Einwohner zählende Saint-Laurent-sur-Mer, das zwischen Colleville-sur-Mer und Vierville-sur-Mer liegt. Colleville war ein reines Bauerndorf, St. Laurent und Vierville hingegen wurden als Seebäder von den wohlhabenden Franzosen aus dem Inland in der Sommer-Saison gern besucht – immerhin hatte der nur sehr sanft zum Meer abfallende, feinsandige Strand folglich auch eine außergewöhnliche Breite, die, entsprechend der Mondphase und dem damit verbundenen Tide-Koeffizienten, bis zu fünfhundert Metern betragen kann. Der rotgoldfarbene Sand des Strandes (einer der schönsten Europas) brachte ihm auch seinen Namen ein: Plage d’Or (Gold-Strand). An seinen beiden Flanken steigen die Gestade wieder zur Steilküste an, die bis zu 61 Meter Höhe an der östlichen Flanke, und bis zu 29 Meter an der westlichen erreicht. Hinter dem Plage d’Or steigt der durchschnittlich 105 Meter zurückliegende Küstenhang in schrägem Winkel bis auf 24 Meter an.

Karte der Plage-d´Or-Bucht sowie dem küstennahen Hinterland aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg und der Besatzung durch deutscheTruppen.

Bis 1930 fuhr eine Kleinbahn vom romantischen Bahnhof Littry, unweit der historischen, zehn Kilometer hinter der Küste liegenden Normannen-Stadt Bayeux, die Touristen aus dem Hinterland zur Küste. Doch das sich immer mehr durchsetzende schnellere Automobil und die großräumigeren Busse ließen die Kleinbahn unrentabel werden.

Die Dünen, die sich vom Tal Le Ruquet bei St. Laurent bis zum Tal vor Colleville ziehen (im Vordergrund der rostige Rest eines der ehemaligen stählernen Strandhindernisse – einem ”Tschechenigel”.)

Foto: von Keusgen 2006

In den normannischen Seebädern gab sich die gehobene französische Gesellschaft die Ehre – auch am Plage d’Or. In Vierville waren bereits im 19. Jahrhundert in direkter Strandnähe ein großes Casino mit einem exklusiven Restaurant und ein elegantes, 3-etagiges Hotel errichtet worden. Entlang einer befestigten Strandpromenade, die St. Laurent und Vierville verband, waren viele hübsche Villen entstanden, bis westlich des dreihundert Meter breiten Taleingangs vor Colleville. An der östlichen Flanke dieses Tals war seit Ende des 19. Jahrhunderts eine kleine Feriensiedlung mit dem Namen St. Claire Belvédère im Entstehen (heute Village de Vacance).

Strand-Idylle an der westlichen Seite der Plage-d´Or-Bucht, vor dem Tal von Vierville. Das große Strandhotel der Familie Legallois, umgeben von Villen, Wochenendhäusern, Umkleidekabinen und einem Casino.

Die sechs Kilometer breite Bucht wurde von einigen besonderen topographischen Eigenarten entlang des Strandes geprägt: Über eine Länge von 2.100 Metern führt die Promenade vom westlichen Taleinschnitt der Steilküste, von Vierville kommend, bis zum nächsten, Les Moulins genannten Tal bei St. Laurent. Diese Promenade trennte den Strand vom Vorstrand. Von ihr aus führten etliche fast einen Meter hohe Molen aus in den Strand gerammten Baumstämmen als Wellenbrecher ins Meer. Zwischen Les Moulins und dem nächsten Landeinschnitt, in dem ein steiler Weg in einem schmalen Tal namens Le Ruquet auf die Küstenanhöhe ansteigt, erstreckten sich über 1.400 Meter Länge Wiesen bis zum Strand. Vor Le Ruquet zog sich ein 400 Meter langes Sumpfgebiet, dessen hohe Schilfgewächse sich bis an den Strand ausgebreitet hatten. Von Le Ruquet bis zum 320 Meter breiten und 1.500 Meter entfernten Tal Vallée du Ruisseau des Moulins trennen bis zu viereinhalb Meter hohe Dünen aus fast weißem Sand den Strand vom Vorstrand. Bis zu weiteren 500 Metern Länge erstreckte sich der Sumpf auch noch hinter diese Dünen. An die Dünen anschließend zogen sich über eine Länge von 1.000 Meter die Wiesen längs des Meeres, bis zu einer einen bis eineinhalb Meter steil zum Strand abfallenden Böschung. Danach steigt die Küste wieder an, und ihr Kliff fällt fast senkrecht zum Strand ab. An jener Stelle, an der die Küste wieder anzusteigen beginnt, führt ein schmaler Weg in leichten Windungen den Hang hinauf ins Hinterland. Von demselben Entstehungsort dieses Weges zweigt noch ein weiterer schmaler Weg ab, der sich noch 380 Meter am Meer entlang zieht, aber bereits mit der ansteigenden Steilküste und in einem engen, La Révolution genannten Tal stark bergauf und landeinwärts führt. Vor dem gesamten Vorstrand bildete ein aus hellen, bis zu handflächengroßen Kieseln bestehender und durchschnittlich zwanzig Meter breiter Saum eine natürliche, aber rutschige Barriere zum Strand (heute nur noch wenige Meter breit). Aber gerade dieses abwechslungsreiche Gestade verleiht der Bucht ihren attraktiven Charme. Auch gab es auf dem 24 Meter hohen Plateau, das sich, bis fast einhundert Meter zurückgelegen, parallel zum Strand erstreckt, schmale Wanderwege, von denen aus man das wunderbare Meerespanorama visuell genießen konnte. Diese weite Bucht mit ihrem breiten, rotgoldenen Strand, den drei kleinen, romantischen Ortschaften und den bunten Villen war für die Touristen ein besonders attraktiver Anziehungspunkt an der normannischen Calvados-Küste – bis die Deutschen kamen…

Die von St. Laurent zum Taleingang vor Vierville führende Strand-Promenade (im Hintergrund das Hotel Legallois).

Fotos: Archiv von Keusgen

Nach der Kapitulation Frankreichs (Vertragsunterzeichnung am 22. Juni 1940 in Compiègne) trafen bereits am 19. Juni 1940 auch in Colleville, St. Laurent und Vierville die ersten deutschen Soldaten ein, die von den Ortskommandanturen in etlichen Häusern der französischen Bevölkerung einquartiert wurden. Außerdem mußten sich die Franzosen von nun an den von den Deutschen erlassenen Verordnungen unterwerfen. Jeglicher Waffen- und Munitionsbesitz wurde verboten, eine nächtliche Ausgangssperre verhängt, Fotoapparate und Radios mußten abgegeben werden, und noch vieles mehr wurde reglementiert. Auch hatte man sich von den Kommandanturen der jeweiligen Ortschaften Passierscheine ausstellen zu lassen, wenn man von einem Ort in einen anderen gehen oder fahren wollten. Diese Passierscheine mußten ständig bei sich getragen werden und hatten immer nur für zwei Tage Gültigkeit.

Das Sumpfgebiet nahe des Tals Le Ruquet, das sich bis hinter die Dünen und über eine Länge von annähernd einen Kilometer erstreckt.

Foto: US National Archiv

Im Frühjahr 1941 entstanden dann erste, nur provisorisch eingezäunte und noch völlig unbefestigte Verteidigungsanlagen, auf denen, sofern dort keine Häuser standen, kleine Holzbaracken den meistens nur wenigen auf dem Terrain stationierten Soldaten als Unterkünfte dienten. Im Verlauf des Jahres 1942 wurden diese Anlagen erweitert, personell verstärkt, und man begann mit ersten Befestigungsarbeiten. Die im November 1942 mit dem Ausbau des vom Nordkap bis an die Pyrenäen reichenden sogenannten Atlantikwalls beauftragte Organisation Todt errichtete zwar auch an der normannischen Küste viele Bunkeranlagen, vorerst jedoch noch nicht in der sechs Kilometer langen Bucht des Plage d’Or zwischen Colleville und Vierville.

Feriensiedlung nahe westlich des Tals vor Colleville – Häuser, die, wie viele andere auch, von der deutschen Besatzung ab 1943 abgerissen wurden. (Im Hintergrund die Steilküste mit dem markanten, 29 Meter hohen Kliff der Pointe et Raz de la Percée.)

Foto: Archiv von Keusgen

Im Verlauf des Jahres 1943 trafen immer mehr deutsche Soldaten in der Normandie ein – ältere Männer und junge Rekruten. Unter ihnen war auch der 18-jährige Kurt Karl Keller aus Homburg an der Saar. Wie alle jungen Soldaten hatte er nach der Hitler-Jugend den drei Monate dauernden Reichsarbeitsdienst absolviert und mußte am 8. April 1943 seinen Militärdienst bei der Aufklärungsabteilung 6 der Stammschwadron in Darmstadt antreten. Die jungen Rekruten wurden dann nach Breda in den Niederlanden verlegt, um dort als Aufklärer ausgebildet zu werden. Nach drei Monaten erfolgte die Verlegung der neu Ausgebildeten mit dem Zug in die Normandie und zur 352. Infanterie-Division. Kurt Keller sagte über diese erste Zeit, in der seine Schwadron 12 Kilometer hinter der Plage-d’Or-Bucht stationiert war:

Bei aufgelaufener Flut bleibt von dem breiten Kieswall nur ein schmaler Saum (Vergleich siehe Seite 15)

Vorstrandwall an der Ost-Flanke der Bucht.

Fotos: von Keusgen 2006

„Anfang Juli kamen wir in die Normandie, diesem gesegneten Land, in dem Milch und Honig fließen. In kleinen, verträumten Dörfern bezogen wir Privatquartiere, um ein Leben wie Gott in Frankreich zu führen. Nur die ständigen Übungsalarme bei Tag und Nacht erinnerten uns daran, daß man auf eine Invasion der West-Alliierten vorbereitet sein mußte. Vom General bis zum Landser hoffte jeder, daß diese an einer anderen Stelle des Kanals stattfinden würde.

Verordnungsblatt der Militärbefehlshaber in Frankreich, das gleichermaßen in deutschem wie französischem Text ausgehängt wurde. Textauszug: „Wer Dienstoder Sachleistungen, die ihm vom Militärbefehlshaber in Frankreich oder einer von diesem hierzu ermächtigten Stelle auferlegt sind, nicht oder in einer Weise erfüllt, die den Zweck der Leistung vereiteln oder gefährden kann, wird mit Zuchthaus, Gefängnis oder Geldstrafe bestraft. In schweren Fällen kann auch auf Todesstrafe erkannt werden.

Auf dem Gelände, auf dem sich vor Vierville das große Strandhotel (1) und das Casino (2) befanden, wurde ab 1943 das Widerstandsnest 72 errichtet – auf der Anhöhe gegenüber (3) das WN 71.

Abbildung & Fotos: Archiv von Keusgen

Am 12. Dezember fuhr ich für zwei Wochen in den Heimat-Urlaub. Als ich am Heiligen Abend meine Rückreise antreten mußte, konnte ich meine weinende Mutter und den besorgten Vater beruhigen, indem ich erklärte, daß in der Normandie alles ganz friedlich sei…

Kurt Karl Keller aus Homburg an der Saar, Jahrgang 1925, Soldat seit April 1943.

Foto: Kollektion K. K. Keller

Nach meiner Rückehr zur Aufklärungsabteilung erfuhr ich am 25. Dezember, daß ich inzwischen zum Gefreiten befördert worden war. Dann wurden wir im Angreifen von Panzern mit Tellerminen ausgebildet. Auch übten wir mit lautem Geschrei den Nahkampf, oder wir jagten im Zuge einer Übung einen imaginären gelandeten Feind zurück ins Meer. Doch allmählich nahmen diese Übungen ab und machten einem geruhsamen Leben Platz…“

Ferienhäuser und Umkleidekabinen an der Promenade, die von St. Laurent in östliche Richtung zum Tal Le Ruquet führt (Foto aus den 30er Jahren).

Foto: Archiv von Keusgen

Kurt Keller mit Kameraden seiner Gruppe der 3. Kompanie des Füsilier-Bataillons (Aufklärungsabteilung) des Grenadier-Regiments 915 (am D-Day der Kampfgruppe Meyer unterstellt).

Foto: Kollektion K. K. Keller

Ausbau der Verteidigungsanlagen

Als Generalfeldmarschall Erwin Rommel, der „Wüstenfuchs“ von Nordafrika, im November 1943 von Hitler zum Befehlshaber der Heeresgruppe B und somit zum Chef über die nordfranzösische Atlantikküste ernannt wurde, gab es so etwas wie einen einigermaßen durchgängigen Atlantikwall noch nicht (nur an der engsten, 32 Kilometer breiten Stelle des Ärmelkanals, am Pas-de-Calais, weil man dort am ehesten mit einer Invasion rechnete – obwohl man bei klarer Sicht von Frankreich aus die englische Küste, mit einem konventionellen Fernglas sogar Verkehrsbewegungen erkennen kann). Der restliche Küstenschutz bestand aus überwiegend unzusammenhängenden, weitläufig und bis zu fünf Kilometer voneinander entfernten, oft noch in langwierigem Ausbau befindlichen, mehr oder weniger großen Verteidigungsanlagen. Die meisten schweren Batterien waren unausreichend bestückt, häufig nur mit Beutegeschützen kleineren Kalibers und ohne Feuerleiteinrichtungen ausgestattet und somit für bewegliche Schiffsziele völlig untauglich.

Generalfeldmarschall Erwin Rommel – Befehlshaber der Heeresgruppe B und somit über die nordfranzösische Küste des Ärmelkanals.

Foto: Kollektion R. Munninger

Im Januar 1944 unternahm Rommel seine erste Inspektionstour in die Normandie, um sich auch dort einen Überblick über den Ausbau des Atlantikwalls zu verschaffen. Es gab aber viele für die Verteidigungsanlagen zuständige Offiziere, die ihm, aus Sorge, sich vor dem Feldmarschall für die personelle Schwäche verantworten zu müssen, täglich die in den Nächten zuvor heimlich vorverlegten Mannschaften auf anderen Anlagen wieder vorführten. Dennoch hatte Rommel den Eindruck, daß alle Widerstandsnester nur mangelhaft besetzt waren und kritisierte deren schwache Bewaffnung. Außerdem waren sämtliche Anlagen in keiner Weise gegen Bomben und Schiffsartillerie geschützt. Selbst die Soldaten betrachteten ihre jeweiligen Widerstandsnester nicht als ernstzunehmende militärische Anlagen. Der Feldmarschall war empört. Rolf Munninger, Wachtmeister und Gefechtsschreiber in Rommels Stab, erklärte betreffs der ersten Inspektionsreise des Generalfeldmarschalls:

„Sein erstes Urteil war vernichtend. Er hat als erstes festgestellt, daß der Strand völlig unbefestigt war; es gab keine Hindernisse. Wenn zu dieser Zeit die Landungsboote gekommen wären, hätten sie direkt bis an die Bunker heranfahren können…“

Rolf Munninger – Gefechtsschreiber in Rommels Stab (hier noch als Unteroffizier).

Foto: Kollektion R. Munninger

Am 29. Januar inspizierte Rommel zum ersten Mal die Bucht zwischen Colleville und Vierville. Er erkannte sofort die für ein Landeunternehmen wichtigen Strandausgänge, die mit nur leichten Steigungen direkt ins Hinterland führten und somit für einen raschen Angriff die besten Bedingungen boten. Mit ihrem leicht geschwungenen, flachen und folglich breiten Sandstrand erinnerte ihn die Plage-d’Or-Bucht an die Bucht von Salerno in Italien, in der Truppen der West-Alliierten (Verbände der 5. US-Armee) erst viereinhalb Monate zuvor gelandet waren (am 9. September 1943). Als Rommel seine Inspektion abgeschlossen hatte, war er der sicheren Überzeugung, daß die Alliierten in der Normandie und nicht am Pas-de-Calais angreifen würden. An einige Offiziere gewandt sagte der Generalfeldmarschall:

„Diese Bucht muß schnellstens gegen Landeversuche der Alliierten gesichert werden – denn hier wird sich das Schicksal Europas entscheiden…“

Eine getarnte Kanone am Strand. Bis Anfang 1944 bestanden die Verteidigungsanlagen an der Küste der Normandie lediglich aus meist weit voneinander entfernten kleinen Widerstandsnestern ohne direkte Verbindung zueinander, waren selten eingezäunt und mit nur unzureichender Bewaffnung ausgestattet.

Foto: Kollektion E. Müller

Rommel rechnete mit einem Landeunternehmen größten Ausmaßes. Aus seinen Erfahrungen in Nordafrika wußte er, daß sich die zweifellos absolute Luftüberlegenheit der Alliierten fatal auf die deutschen Bodentruppen auswirken würde. Folglich stellte für ihn der Strand die Hauptkampflinie dar – der Gegner sollte erst gar nicht Fuß fassen können. Rommel sagte:

„Wenn der Gegner landet, befindet er sich im schwächsten Moment; die Männer sind unsicher, womöglich seekrank. Das Gelände ist ihnen unbekannt. Schwere Waffen sind noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden. In diesem Augenblick muß ich sie schlagen…“

Der 51-jährige Generalfeldmarschall war der Meinung, daß der Gegner beim ersten Schritt an Land, wenn möglich, sogar noch auf dem Meer, getroffen werden sollte. Wenn es den Alliierten erst gelang, an Land zu gehen, war der Krieg für Deutschland verloren – die Überlegenheit an Truppen und Material war zu groß. Rommel wollte deshalb einen durchgehenden Verteidigungsgürtel direkt an der Küste. Das gesamte schwere Gerät und Waffen sollten für den ersten Abwehrschlag dort installiert werden. Auch verlangte er, daß die im Hinterland stehenden Panzer-Divisionen ebenfalls an der Küste aufgestellt werden, um damit die Abwehrkräfte zu unterstützen – doch blieben die drei in der Normandie befindlichen Panzer-Divisionen Rommels Oberbefehl entzogen und wurden auch nicht so nah an der Küste stationiert, wie es der Generalfeldmarschall für nötig hielt (am „D-Day“ standen sie südöstlich Caen, 45 bis 95 Kilometer von der Küste entfernt). Rommel wußte, daß es in der Normandie keine zweite, rückwärtige Verteidigungslinie gab und äußerte gegenüber seinem Adjutanten, Hauptmann Lang, seine Meinung:

Ein als „Tschechenigel“ bezeichnetes Strandhindernis. Nahe des Vorstrandes aufgestellt, bildete es eine äußerst wirkungsvolle Panzer-Barriere.

Foto: von Keusgen

„Am Strand wird der Krieg gewonnen oder verloren. Wir haben nur eine Möglichkeit: Den Feind abwehren, solange er noch im Wasser ist und sich ans Ufer kämpfen muß. Unsere Reserven würden gar nicht mehr zum Einsatz kommen – eine unsinnige Idee! Die Hauptkampflinie ist der Strand! Da müssen wir alles zusammenziehen, was wir auf die Beine stellen können. Glauben Sie mir, Lang, die ersten vierundzwanzig Stunden der Invasion sind entscheidend – für die Alliierten wie für Deutschland. Das wird ein langer Tag…“

Generalfeldmarschall Erwin Rommel (zweiter von rechts) anläßlich einer seiner Küsten-Inspektionen (rechts neben ihm Vizeadmiral Friedrich Ruge, der Rommels Stab zugestellt war).

Foto: Kollektion M. Rommel

Rommel ließ, ohne Hitler davon zu informieren, eigenmächtig 46 der wirksamen 8,8-cm-Geschütze aus Nord-Frankreich in den Raum zwischen Bayeux und Isigny verlegen. Auf seine Anweisung hin wurde ab Februar 1944 auch der Ausbau der Verteidigungsanlagen in und an der Plage-d’Or-Bucht betrieben. Die so lange Zeit nur provisorischen Anlagen wurden deutlich erweitert, mit besserer Bewaffnung ausgestattet, durch Minenfelder, Panzergräben und Stacheldraht gesichert, und in der Bucht entstanden die ersten Bunker für Mannschaften und Geschütze. Im nahen Hinterland ließ Rommel den Aure-Bach aufstauen, um weite Wiesenflächen zu überfluten, somit das Terrain für feindliche Luftlandeunternehmen unmöglich zu machen. Auch wurde damit begonnen, den Strand mit Hindernissen und Minen zu verbarrikadieren. Die von Rommel selbst erdachten 150 Meter breiten Säume aus Stahl- und Holzbarrieren, die er überall entlang des Atlantikwalls anlegen ließ, bezeichnete er als „Teufelsgärten“. Wo der Strand an den Vorstrand grenzte, wurden sogenannte Minenfallen gelegt – Granaten und Minen mit Stolperdrahtzündung. Zwischen dem groben Kies unterhalb des Vorstrandes ließ der Generalfeldmarschall einen mehrere Meter breiten Minengürtel legen, davor wurden zur Panzerabwehr „Tschechenigel“ aufgestellt – 1,5 bis 5,0 Meter lange Stahlwinkel, in der Mitte verschraubt und verschweißt. Die nächste Reihe bildeten als „Rollböcke“ bezeichnete, bis drei Meter hohe, mit Minen und groben Sägen bestückte Auflauframpen für Landungsboote. Zwischen alle diese Hindernisse ließ Rommel vier bis fünf Meter lange Baumstämme senkrecht, bis zur Hälfte ihrer Länge, in den Sand des Strandes einspülen. Auf den Spitzen der Pfähle wurden dann noch Tellerminen befestigt. Die vorderste Reihe der Hindernisse bildeten als „Belgische Tore“ bezeichnete breite Stahlgestelle.

Bild oben: Arbeiterkolonnen am Strand bei der Errichtung starker Hindernisse gegen maritime Landeunternehmen. Für diese Hindernisse ließ Rommel Tausende Bäume im küstennahen Hinterland fällen. Das Einbringen der dicken Stämme in den Sand des Strandes wurde unter Zuhilfenahme von Feuerwehrspritzen vorgenommen (Bild unten). Die mittels eines Rohres stark verlängerte Spritze spülte durch den hohen Druck den Sand unmittelbar an dem schweren Baumstamm empor, und er versank in wenigen Augenblicken fast zwei Meter tief im Sand.

Fotos: ecpa>d

Bei aufgelaufener Flut befanden sich sämtliche Hindernisse direkt unter der Wasseroberfläche und waren für die Führer der heranfahrenden Landungsboote nicht zu sehen – und mit einer Landung bei Flut rechnete Rommel, weil die Boote sich somit direkt bis an den Vorstrand nähern könnten und die Infanteristen keinen breiten und für sie deckungslosen Strand überlaufen müßten…

Die als Rollböcke oder Auflauframpen bezeichneten, hohen Hindernisse waren derart konzipiert, daß sie sich bei höchstem Wasserstand dicht unter der Oberfläche befanden und die heranfahrenden Landungsboote darauf auflaufen und kentern sollten.

Foto: US National Archiv

In der Bucht, an ihren Flanken und in den drei Ortschaften wurden innerhalb weniger Monate insgesamt 15 als Widerstandsnester bezeichnete Verteidigungsanlagen ausgebaut oder neu angelegt – von WN 60 bis WN 74. Dennoch gab es zwei von ihnen, deren Bezeichnung Widerstandsnest völlig ungerechtfertigt war: Das aus nur einem einzigen halb unterirdischen, dünnwandigen Betonbunker bestehende und als Bataillons- und Kompaniegefechtsstand dienende WN 63, am nördlichen Ortsrand von Colleville, sowie das WN 69, eine 8,8-cm-Flakstellung an der über einen Kilometer zurückgelegenen Küstenstraße in St. Laurent. Diese Verteidigungsanlagen verfügten weder über eine Umzäunung noch über spezielle Waffen oder befestigte Unterstände. Die anderen 13 Anlagen hingegen wurden innerhalb der nächsten vier Monate immer stärker ausgebaut, bewaffnet, und durch Minenfelder und Panzerabwehrgräben gesichert. Außerdem gab es noch etliche zu den Widerstandsnestern gehörende, separate Material-Depots, die als WN und mit der jeweiligen Nummer sowie einem A oder (sofern überhaupt vorhanden) B bezeichnet wurden (beispielsweise WN 62A oder WN 71B). Außer der Bauarbeiter der Organisation Todt, des für diese Organisation arbeitenden Bauunternehmens Bless und zusätzlicher zwangsverpflichteter Franzosen mußten sogar die Soldaten der Wehrmacht täglich beim Ausbau der Widerstandsnester mithelfen und körperlich schwere Arbeiten verrichten. Kurt Karl Keller, dessen Aufklärungsabteilung noch immer im Hinterland lag, gehörte ebenfalls zu diesen Soldaten:

Die Plage-d´Or-Bucht nach Errichtung der deutschen Widerstandsnester (Stand Ende Mai 1944).

„Mitten in unser geruhsames Leben kam Anfang 1944 Rommels Befehl, sofort alle verfügbaren Truppen zum Ausbau der Küstenbefestigungen einzusetzen. Bei diesen Arbeiten wurden von uns am Strand Minen und andere Sprengkörper gelegt, die dann von den Pionieren scharfgemacht wurden. Wir setzten lange Baumstämme in den Sand, auf deren Spitzen man später Tellerminen befestigte. Auch mußten wir im Hinterland Holzpfähle gegen Luftlandeunternehmen in den Boden rammen. Aus einigen Häusern in St. Laurent mußten wir sämtliches Holz herausreißen, weil es für den Ausbau der Verteidigungsstellungen gebraucht wurde. Kurz darauf wurden diese Häuser alle gesprengt.

Das Tal zum Ort hinauf war völlig vermint, aber niemand hatte es uns vorher gesagt. Es hatte für uns nur geheißen: Los, Häuser abreißen! Schilder, die vor Minen warnten, gab es keine. Da eine große Betonmaumer, die das Herauffahren von Panzern in den Ort verhindern sollte, zu dieser Zeit erst im Bau war, konnten Fahrzeuge noch bis zur Strandpromenade hinunterfahren. Eines Tages kam eine Zugmaschine, die eine 8,8-cm-Kanone zog (zum WN 72), die Straße hinunter. Vom Beben, das die schwere Zugmaschine mit der Kanone verursachte, explodierten einige der Minen; aber zum Glück war niemand verletzt worden.“

Der 17-jährige André Legallois (rechts) als Zwangsverpflichteter während einer Arbeitspause in St. Laurent. (Das Foto war von einem deutschen Soldaten aufgenommen worden, da für die Franzosen der Besitz eines Fotoapparates mit der Todesstrafe geahndet wurde.)

Foto: Kollektion A. Legallois

André Legallois arbeitete schon seit Ende des Jahres 1942 für die Organisation Todt – als Zwangsverpflichteter. Seiner Familie gehörte das alte Anwesen La Sapinière nahe südlich des Ortskerns von St. Laurent. Auch in diesem großen Anwesen waren inzwischen viele deutsche Soldaten einquartiert worden. Über sie sagte André Legallios:

„Sie haben sich immer korrekt benommen. Es waren auch einige Mongolen und 16-jährige Deutsche dabei…“

Auch der erst 16-jährige Edmond Scelles arbeitete neben seiner Tätigkeit auf dem landwirtschaftlichen Anwesen seiner Familie für die Organisation Todt. Er hatte sich allerdings freiwillig dazu gemeldet, um noch etwas Geld zu verdienen.

Foto: Kollektion E. Scelles

Über seine Arbeit bei der Organisation Todt sagte André Legallois:

„Es gab zwei Sorten Menschen bei der OT: Die einen waren sehr freundlich mit uns zwangsverpflichteten Franzosen umgegangen; die andere Sorte war schrecklich, weil sie zur Gestapo gehörte, die in Bayeux stationiert war und alles ganz genau beobachtete. Weil ich einmal nicht genug gearbeitet hatte, wurde ich von einem der Deutschen geschlagen.

Ich habe am Bau der Bunker bei Colleville, St. Laurent und Vierville mitarbeiten müssen; das war sehr schwere Arbeit, und man wurde sehr streng kontrolliert. Aber grundsätzlich wurden wir nicht schlecht behandelt – nur haben wir nicht viel Geld für unsere schwere Arbeit bekommen.

Im Frühjahr 1943 mußte ich zuerst acht Tage lang an der Pointe du Hoc arbeiten; weil aber in St. Laurent zu wenig Arbeiter waren, wurde ich von der Pointe du Hoc wieder abgezogen…“

Das Legallois-Anwesen nahe St. Laurent.

Foto: Kollektion E. Scelles

Auch auf dem großen landwirtschaftlichen Anwesen der Familie Scelles, in St. Laurent, quartierte die Orts-Kommandantur nun deutsche Soldaten ein. Die 40 Deutschen ließen den Scelles nur wenig Platz in den vier zum Anwesen gehörenden Gebäuden und Stallungen. Es blieben ihnen ein Zimmer für die Eltern, ein Zimmer für die Schwester sowie die Küche. Der 16-jährige Edmond mußte im Stall schlafen. Auch Edmond Scelles arbeitete für die Organisation Todt. Er hatte sich freiwillig dazu gemeldet. Allerdings verrichtete er die Arbeit dort nur sporadisch, weil er auch auf dem elterlichen Anwesen tätig sein mußte. Auf den Baustellen rührte Edmond Beton an und half mit, die Bunker zu bauen.

Vom 61 Meter hoch gelegen WN 60 aus war die gesamte Bucht bis zu ihrem von hier aus sechs Kilometer entfernten westlichen Ende zu übersehen.

Foto: von Keusgen 2006

Für seine Arbeit wurde er, wie alle anderen Franzosen auch, in französischen Franc bezahlt – ebenfalls mäßig.

Die Mannschaftsstärken der deutschen Kompanien änderten sich ständig, da andauernd neue Soldaten hinzukamen, andere zur Ostfront abgezogen wurden. Eines Tages erhielten auch drei 20-jährige, auf dem Scelles-Anwesen einquartierte Wehrmachtangehörige ihren Marschbefehl nach Russland. Edmond Scelles beobachtete die tragischen Szenen ihres Abschieds: „Die jungen Soldaten haben geweint, und ihre Kameraden auch; sie hatten Angst, daß es ihnen bald ebenso ergehen könnte. Immer wieder kamen solche Befehle. Es war jedesmal ein Schock für die Männer. Sie sagten, daß sie lieber ins Gefängnis als an die Ostfront gehen würden.“

Die noch immer im Ausbau befindlichen (jedoch bis zum „D-Day“ nicht gänzlich fertiggestellten) und als WN (Widerstandsnester) bezeichneten Verteidigungsanlagen waren folgendermaßen ausgestattet:

Querschnittzeichnung und Grundrißplan einer Sonderkonstruktion für einen MG-Tobruk-Stand mit angebautem Unterstand für 10 Soldaten.

Foto: von Keusgen 2006

WN 60 lag auf der höchsten, bis 61 Meter hohen Erhebung der Steilküste an der östlichen Flanke der Bucht. Die Anlage war von einem Schützengraben mit Zick-zack-Verlauf umgeben und hatte zwei Etagen mit einem Höhenunterschied von bis zu 10 Metern, der durch schmale Holztreppen überbrückt wurde. Auf ihm befand sich auch die B-Stelle (Beobachtungsstelle für die im nahen Hinterland liegende Artillerie) der 3. Batterie I./352 (I. Abteilung des Artillerie-Regiments 352). Auf dem WN 60 waren 40 Infanteristen der 3./726 (3. Kompanie des Infanterie-Regiments 726) sowie 4 Artilleristen der 3./352 (3. Batterie des Artillerie-Regiments 352). Die Bewaffnung des Widerstandsnestes bestand aus zwei 7,5-cm-Pak (Panzerabwehrkanonen, davon eine nach Nordwesten und auf den Strand ausgerichtet, die andere nach Südwesten auf das schmale Tal La Révolution), einer 2-cm-Flak (Fliegerabwehrkanone) in offener Feldstellung, einem Tobruk-Stand mit einer Renault-Panzerkuppel mit 5-cm-Kanone, zwei Tobruk-Ständen mit 5-cm-Granatwerfern, einem MG-34-Tobruk-Stand, drei Abwehrflammenwerfern (zwei auf den Talaufgang, einer auf den Stützpunkt-Eingang ausgerichtet) und sechs weiteren Maschinengewehren in offenen Stellungen.

Im Inneren der Tobruk-Sonderkonstruktion (in Blickrichtung der MG-Stand mit Sockellafette; rechts vorn der Eingang zur Mannschaftsunterkunft).

Ein in der Luke auf einer Sockellafette installiertes MG 34.

Die für MG-Stände typische runde Luke auf dem WN 60.

Fotos: von Keusgen

WN 61 lag in Strandnähe auf 6 bis 10 Metern Höhe. Vor ihm erstreckte sich ein einfacher Laufgraben und war mit 12 Soldaten der 3./726 besetzt. Die Bewaffnung bestand aus einer 8,8-cm-Kanone in einer Kasematte des Regelbau-Typs H 677 (auf den Strand und nach

Die Kasematte, von der aus einst die 8,8-cm-Kanone den Strand in Richtung Vierville beschoß, dient dem heutigen Grundstückseigentümer nun als Abstellraum – ebenso wie der unweit entfernte Tobruk-Stand, auf dem eine Renault-Panzerkuppel montiert war (Pfeil).

Fotos: von Keusgen 2006 US National Archiv

Westen ausgerichtet), einer 5-cm-Kwk in einem betonierten Ringstand, einem Tobruk-Stand mit einer Renault-Panzerkuppel mit einer 3,7-cm-Kanone, einem Tobruk-Stand für einen 5-cm-Granatwerfer und einem für ein Maschinengewehr. Weiterhin gab es drei Maschinengewehre in offenen Stellungen und einen Abwehrflammenwerfer (auf den Eingang zum Vallée (=Tal) du Ruisseau des Moulins ausgerichtet).

Tobruk-Stand mit Aufhängevorrichtung für den 5-cm-Granatwerfer. An die Innenwand des für Granatwerfer-Stände typischen achteckigen Grubenringes waren die numerierten Grundeinstellungen des Werfers sowie die zu beschießenden Gestade aufgemalt.

Foto: US National Archiv

Grundrißplan der WN-61-Kasematte des Regelbau-Typs H 677.

Querschnittzeichnung und Grundrißplan der Bauform Vf67 (Vf =verstärkt, feldmäßig) für Tobruk-Stände des Typs 67 mit Renault-Panzerkuppeln (siehe Bild unten).

Fotos: V. Gremler 2004

WN 62 war das größte und stärkste Widerstandsnest in der Bucht, unweit des Strandes an einem schrägen Hang von 8 bis 52 Metern Höhe und hinter einem Panzergraben gelegen. Die einzelnen Stellungen waren mit Zick-zack-Laufgräben untereinander verbunden und mit insgesamt 40 Soldaten besetzt (27 Soldaten der 3./726, 4 Kanoniere einer Panzerabwehrkompanie des Grenadier-Regiments 916 und 9 Artilleristen der 1. Batterie I./352). Die Anlage verfügte über zwei tschechische 7,65-cm-Feldkanonen, verbunkert in Kasematten des Regelbau-Typs H 612 (beide nach Nordwesten auf den Strand ausgerichtet, fertiggestellt am 26. März 1944), eine 5-cm-Kwk in einer betonierten, offenen Bettung (nordostwärts auf das Vorfeld des Vallée du Ruisseau des Moulins ausgerichtet), zwei Abwehrflammenwerfer (ebenfalls auf das Terrain vor dem Tal gerichtet), eine 5-cm-Pak (auf den Taleingang zielend), zwei Tobruk-Stände mit 5-cm-Granatwerfern (ein Doppel-Tobruk-Stand für Granatwerfer und ein Maschinengewehr blieb unbestückt), einen MG-Tobruk-Stand und 5 weitere Maschinengewehre in offenen Stellungen (siehe den speziellen Titel dieser Buch-Serie „Stützpunkt WN 62“).

Der in den Erdboden eingelassene Beobachtungsbunker der 1. Batterie I./352.

Die in einer offenen Betonbettung aufgestellte, mit Netzen und Planen getarnte 5-cm-Kampfwagen-Kanone mit Zielrichtung auf das Tal-Vorfeld.

Fotos: US National Archiv

Frontansicht einer der beiden am schrägen Hang übereinander liegenden WN-62-Kasematten des Regelbau-Typs H 612.

Rückseite der Kasematte mit zwei zueinander versetzt vorgebauten Splitterschutzmauern.

Fotos: von Keusgen 2006

Grundrißplan der Kasematte des Regelbau-Typs H612 für eine tschechische 7,65-cm-Feldkanone.

WN 63 befand sich 1.250 Meter vom Strand entfernt, am oberen Ende des Vallée Ruisseau des Moulins und 60 Meter vor dem nördlichen Ortseingang von Colleville. Es bestand lediglich aus einem halb unterirdischen Bunker ohne jede Bewaffnung und diente gleichermaßen als Bataillons-Gefechtsstand des Grenadier-Regiments 915 der 352. Infanteriedivision sowie als Gefechtsstand und Fernmeldezentrale der 3. Kompanie des Grenadier-Regiments 726 der 716. Infanterie-Division.

WN 64 war bisher ein nur schwaches, noch im Anfangsstadium des Ausbaus befindliches Widerstandsnest, der sich vom Plateau der nordwestlichen Ecke der östlichen Anhöhe am Tal Le Ruquet annähernd einhundert Meter den schrägen Hang hinab erstreckte (mit einer ebenfalls am 6. Juni 1944 noch im Bau befindlichen Bunkeranlage, bestehend aus einer Kasematte des Regelbau-Typs H 612 und einem Doppelschartenstand, deren ungewöhnliche Hohlstein-Mauern zwar errichtet, moniert und verschalt, aber noch nicht mit Beton ausgegossen waren, sowie einem Tobruk-Stand für eine Panzerkuppel). Als Bewaffnung befanden sich auf dem Widerstandsnest eine russische 7,62-cm-Infanteriekanonenhaubitze (nordwestlich zum Taleingang von Le Ruquet und auf den Strand ausgerichtet), eine 2-cm-Flak, zwei 5-cm-Granatwerfer in Tobruk-Ständen und drei Maschinengewehre in offenen Feldstellungen innerhalb des Grabensystems. (Noch bis zum 5. Juni 1944 war das Widerstandsnest eine einzige große Baustelle mit 486 Arbeitern.)

Die noch im Bau befindlichen Bunker des WN 64: Eine Kasematte des Regelbau-Typs H 612 (oben) und ein Doppelschartenstand für eine 5-cm-Kwk sowie einem davor befindlichen Tobruk-Stand für eine Panzerkuppel (unten).

Fotos: US National Archiv (Die Fotos entstanden nach dem D-Day)

Die russische 7,62-cm-Infanteriekanonenhaubitze (Modell Polkovaja Pushka, 1927) in ihrer unbefestigten Stellung am Hang des WN 64, mit Zielrichtung auf das Terrain vor dem Tal Le Ruquet. Die Reichweite ihrer 6,4 Kilo schweren Geschosse betrug bis zu 8.850 Meter, die Feuerfolge 14 Schuß pro Minute.

Fotos: US National Archiv (Die Fotos entstanden nach dem D-Day)

WN 65 lag auf der westlichen Seite des Taleingangs von Le Ruquet und reichte den gesamten Abhang hinunter, bis zum Strand. Seine Bewaffnung bildeten eine 7,5-cm-Pak (in offener Feldstellung auf der Anhöhe und auf den Taleingang ausgerichtet), drei 5-cm-Kwk (eine in einer offenen Betonbettung direkt am Strand placiert, die beiden anderen in Kleinstschartenständen des Regelbau-Typs H 667 verbunkert – eine unmittelbar am Strand, die andere am Fuß der Anhöhe gelegenen und in einer auf den Taleingang ausgerichteten Kasematte; beide fertiggestellt am 20. April 1944), zwei 5-cm-Granatwerfer in Tobruk-Ständen (direkt am Strand), eine 3,7-cm-Flak in offener Feldstellung auf der Anhöhe, und vier Maschinengewehre in unbefestigten Positionen.

In direkter Strandnähe befanden sich auf dem WN 65 auch eine (zur Zeit der Aufnahme dieses Fotos bereits teilweise demontierte) 5-cm-Kampfwagenkanone in einer offenen Ringbettung und eine weitere in einem Kleinstunterstand des Regelbau-Typs H 667 (links im Bild).

Foto: E. Scelles 1973

Die 5-cm-Kwk L/42 des WN 65 (Vergleich s. Seite 39)

Foto: Archiv von Keusgen

Querschnitt- und Grundrißplan einer offenen Bettung für eine 5-cm-Kwk mit Sockellafette.

Foto: Archiv von Keusgen

Grundrißplan eines Kleinstunterstandes, Regelbau-Typ H 667

Fotos: Archiv von Keusgen

WN-65-Kleinstunterstand mit 5-cm-Kwk.

Foto: Archiv von Keusgen

Der 5 Meter breite und 2,5 Meter tiefe Panzerabwehrgraben vor dem WN 65; zusätzlich mit einem Stacheldrahtverhau gegen Infanterieangriffe gesichert.

Foto: US National Archives

Tobruk-Stand mit 8-cm-Granatwerfer

WN 66 erstreckte sich an der Nordwest-Spitze des östlichen Plateaus bis zum Fuß des Abhangs am Eingang zum Tal Les Moulins in St. Laurent. Mit seinem Ausbau hatte man erst im April 1944 begonnen, so war auch dieser Stützpunkt noch eine große Baustelle. Dennoch standen auf ihm bereits eine 5-cm-Pak (in offener Feldstellung, nach Nordwesten auf den Taleingang und gleichermaßen auf den Strand ausgerichtet), einem Panzerturm mit 7,5-cm-Kanone auf einem Tobruk-Stand (erst am 5. Juni installiert), zwei 8-cm-Granatwerfer und fünf Maschinengewehre (zwei davon in einem betonierten Doppel-MG-Stand).

Turm eines deutschen Panzer IV (dessen Chassis 30 t wog) mit einer Kampfwagenkanone des Modells 37 mit 7,5-cm-Kaliber sowie einem MG 34, montiert auf einen Stand der Bauform Vf 246.

Nebelwerferrakete (Sprengwurfkörper) in einer Stahlwurfrahmen-Packkiste.

WN 67 bestand zuerst nur aus einer Kompanie-Niederlassung in einem Privathaus in St. Laurent, wurde dann im späten Frühjahr 1944 als Widerstandsnest am Rand des Plateaus ausgebaut, fast in der Mitte zwischen den Anlagen WN 65 und WN 66 (daher die unregelmäßig numerierte Reihenfolge). Es war nur schmal und sich in die Länge ziehend, zur Landseite mit einem überdurchschnittlich breiten Graben gesichert. Auf WN 67 war nur ein kleiner Trupp der Nebelwerfer-Abteilung 84 stationiert. Von einem betonierten Kleinstschartenstand des Regelbau-Typs H 667 (fertiggestellt am 30. April 1944 ) aus, in dem auch eine 5-cm-Kwk installiert war, konnte das Werfer-Feuer beobachtet werden. In einfachen Feldstellungen (in flachen Gruben) waren 28 32-cm-Werfer-Raketen installiert, die direkt aus ihren Transportkisten verschossen wurden. Vier Maschinengewehre sicherten das Widerstandsnest.

Nebelwerfer-(Raketenwerfer-)Batterie des WN 67. Die großkalibrigen Sprengraketen wurden aus nur simplen, schräg in flachen Erdmulden aufgestellten Stahl- oder Holzrahmen abgeschossen und hatten eine Reichweite bis 2.200 Metern.

Fotos: US National Archiv (Die letzten Fotos entstanden nach dem D-Day)