Die Katastrophengangster - Günter Dönges - E-Book

Die Katastrophengangster E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Darf ich mir erlauben, meine Herren, meiner zart aufkeimenden Irritation andeutungsweise Ausdruck zu verleihen?« erkundigte sich Josuah Parker in seiner überaus höflichen Art und lüftete die schwarze Melone. Er stand einer Gruppe von Soldaten gegenüber, die Gewehre und diverse Maschinenpistolen trugen. Einige dieser Männer schienen darüber hinaus bereit zu sein, Eierhandgranaten zu werfen. Diese Soldaten mußten bereits einiges hinter sich haben. Ihre Uniformen waren lehmverschmiert und eingerissen. Parker entdeckte einige frische Verbände, die offenkundig durchblutet waren. Die Gesichter der Soldaten waren rußgeschwärzt und wirkten ausgezehrt. »Was machen Sie denn hier?« fragte ein Sergeant und runzelte die Stirn, »haben Sie überhaupt 'ne Ahnung, was hier gleich los sein wird?« »Ich darf davon ausgehen, daß Sie meine Wenigkeit umgehend informieren werden«, gab Josuah Parker zurück. »Hier bricht gleich die Hölle los«, meinte der Sergeant, »verschwinden Sie möglichst schnell, bevor es sie erwischt.« »Läge es im Bereich Ihrer Möglichkeiten, meiner Wenigkeit den richtigen Weg zu zeigen?« fragte Parker, »ich dürfte wohl durch eine Verkettung unglücklicher Umstände in die letzte Woche des zweiten Weltkrieges geraten sein.« »Und wie!« Schräg hinter dem Butler erschien ein Offizier der deutschen Wehrmacht, der dem englischen Sergeant grüßend zunickte. »Beeilen Sie sich, Mann!« Der deutsche Offizier hielt eine Panzerfaust in der linken Hand.

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Butler Parker – 150 –

Die Katastrophengangster

Günter Dönges

»Darf ich mir erlauben, meine Herren, meiner zart aufkeimenden Irritation andeutungsweise Ausdruck zu verleihen?« erkundigte sich Josuah Parker in seiner überaus höflichen Art und lüftete die schwarze Melone. Er stand einer Gruppe von Soldaten gegenüber, die Gewehre und diverse Maschinenpistolen trugen. Einige dieser Männer schienen darüber hinaus bereit zu sein, Eierhandgranaten zu werfen.

Diese Soldaten mußten bereits einiges hinter sich haben. Ihre Uniformen waren lehmverschmiert und eingerissen. Parker entdeckte einige frische Verbände, die offenkundig durchblutet waren. Die Gesichter der Soldaten waren rußgeschwärzt und wirkten ausgezehrt.

»Was machen Sie denn hier?« fragte ein Sergeant und runzelte die Stirn, »haben Sie überhaupt ’ne Ahnung, was hier gleich los sein wird?«

»Ich darf davon ausgehen, daß Sie meine Wenigkeit umgehend informieren werden«, gab Josuah Parker zurück.

»Hier bricht gleich die Hölle los«, meinte der Sergeant, »verschwinden Sie möglichst schnell, bevor es sie erwischt.«

»Läge es im Bereich Ihrer Möglichkeiten, meiner Wenigkeit den richtigen Weg zu zeigen?« fragte Parker, »ich dürfte wohl durch eine Verkettung unglücklicher Umstände in die letzte Woche des zweiten Weltkrieges geraten sein.«

»Und wie!« Schräg hinter dem Butler erschien ein Offizier der deutschen Wehrmacht, der dem englischen Sergeant grüßend zunickte. »Beeilen Sie sich, Mann!«

Der deutsche Offizier hielt eine Panzerfaust in der linken Hand. Seine Brust war mit Orden geschmückt. Er wandte sich um und winkte einigen Soldaten zu, die ebenfalls deutsche Uniformen trugen. Sie mühten sich mit einem Granatwerfer ab, den sie ein wenig umständlich in Stellung zu bringen versuchten.

»Kommen Sie, ich bringe sie in Sicherheit«, schlug der englische Sergeant vor und deutete mit dem Lauf seiner Maschinenpistole auf eine schmale Gasse, die von zwei fast zerstörten Häusern gebildet wurden. Durch die leeren Fensterhöhlen quoll schwarzer Rauch.

»Achtung, Schienen«, meinte der Sergeant und wies auf den Boden. Zwischen Schutt und Ziegelsteintrümmern entdeckte der Butler ein schmales Gleispaar, das keineswegs verrostet war. Parker lüftete erneut seine schwarze Melone und machte sich auf den Weg, das Trümmer- und Kampfgelände zu verlassen. Als er die Schienen überquerte, erklang hinter ihm ein ohrenbetäubendes Krachen.

»Deckung«, rief der deutsche Offizier und warf sich zusammen mit dem Sergeant der englischen Armee in den Schutt. Josuah Parker wandte sich um und musterte den Einschlag, der offensichtlich das erste Stockwerk des Hauses hinter ihm getroffen hatte. Kleinere Steintrümmer sirrten durch die Gegend, dichter Rauch quoll aus der Wand.

»Hauen Sie doch endlich ab«, schrie der Sergeant ihm zu, »Mann, Sie vermiesen die ganze Aufnahme.«

»Wie Sie wünschen.« Parker schritt gemessen weiter und brachte sich im Flur eines gegenüberliegenden Hauses erst mal in Sicherheit. Er beobachtete die gegnerischen Gruppen, die sich voneinander trennten und Position bezogen. Sie verschwanden in den Trümmern der Häuserzeile.

Parker wurde abgelenkt.

Links von ihm an der Straßenecke erschien ein Patton-Panzer, dessen Ketten bedrohlich quietschten. Die Kuppel schwenkte herum, das Geschützrohr zeigte auf eine kleine Barrikade, hinter der einige Soldaten zu erkennen waren.

Parallel zu diesem Panzer fuhr eine Art Draisine auf den Schienen. Auf der Plattform stand eine mächtige Kamera und bewegten sich Männer, die Jeans und Parkas trugen. Zwei gleißende Scheinwerfer, die auf der Draisine montiert waren, strahlten den Panzer an, dessen Luke sich öffnete. Kopf und Oberkörper des Kommandanten wurden sichtbar. Dieser Mann, dessen Gesicht von kleinen Blutfäden gezeichnet war, hielt eine Maschinenpistole in Händen und richtete sie auf die Barrikade. Im gleichen Moment stieg vor dem Bug des Panzers eine Erdfontäne zum Himmel, die giftig gelb eingefärbt war. Der Panzer hielt ruckartig. Der Kommandant des stählernen Ungetüms ließ sich aus der Luke rollen, fiel auf die Wanne des Panzers und landete schließlich auf dem schuttbedeckten Boden.

»Sehr schön«, dröhnte eine leicht verzerrte, überlaute Stimme, »das war’s. Gestorben. Wir drehen noch mal zur Sicherheit.«

Der Kommandant des Panzers stand auf und ging zu den deutschen Soldaten hinüber. Der Leutnant reichte seinem Gegner eine Zigarette. Der englische Sergeant erschien vor der Barrikade und trank aus einer Cola-Flasche. Man schien sich ausgezeichnet zu verstehen.

Josuah Parker wollte sich diskret vom Schauplatz der Ereignisse entfernen, als er plötzlich hinter sich ein scharrendes Geräusch vernahm. Er drehte sich um und sah sich einem englischen Soldaten gegenüber, der eine Maschinenpistole in Händen hielt.

»Keine Mätzchen«, sagte dieser Soldat, dessen Gesicht rußgeschwärzt war, »das Ding hier ist scharf geladen, wetten?«

»Meine Wenigkeit wettet recht selten«, erwiderte Josuah Parker in seiner höflichen Art, »darf man fragen, was Sie unter dem Vulgärbegriff Mätzchen verstehen?«

»Na, eben so, Tricks und Maschen«, antwortete der Soldat, »bei mir aber nicht, ist das klar?«

»Sie drückten sich zwar immer noch vage aus«, gab Josuah Parker zurück, »doch ich kann mir in etwa vorstellen, was Sie meinen.«

»Okay, dann kommen Sie mit«, forderte der Soldat auf, »und wie gesagt, ich habe scharf geladen. Los, gehen Sie vor, gehen Sie da ’rüber zu dem Bunker! Klar?«

»Ihr dringender Wunsch wird mir Befehl sein«, erwiderte der Butler, »darf man damit rechnen, daß Sie mir zu einem späteren Zeitpunkt erklären werden, was dieser Überfall zu bedeuten hat?«

»Lassen Sie sich überraschen«, sagte der Soldat und grinste in einer Art, die Parker insgeheim als tückisch bezeichnete. Parker setzte sich in Marsch und schritt in die Tiefe des Hauses, die allerdings keine war.

*

Schon nach wenigen Schritten stand Parker wieder im Freien. Es zeigte sich, daß dieses angebrannte und zerstörte Haus nichts anderes war als eine Fassade. Mächtige, schräg stehende Stützbalken hielten die überaus echt und kompakt aussehende Vorderfront. Hier hinter dieser Fassade gab es Bretterstapel, Balken und eine Unmenge von Dekorationsteilen, die man im Augenblick nicht brauchte. Dazwischen standen Kriegsfahrzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg, Lastwagen, Jeeps, VW-Kübelwagen und Kettenfahrzeuge. Es gab sogar zwei Panzer, deren Ketten allerdings abmontiert waren.

»Gestatten Sie, daß ich meiner Überraschung nachgebe?« fragte der Butler und blieb kurz stehen.

»Schönes Durcheinander, wie?« Der Mann in englischer Uniform gab dem Wunsch des Butlers nach, drückte aber den Lauf seiner Maschinenpistole gegen Parkers Rückgrat.

»Ein Chaos, das man nur als perfekt bezeichnen kann«, stellte der Butler fest. »Das Drehen einer Serie über den Zweiten Weltkrieg scheint recht kompliziert zu sein, wenn ich so sagen darf.«

»Die Wirklichkeit ist unkomplizierter«, erwiderte der englische Soldat, »weiter, Parker. Ich will Ihnen noch ’ne Menge mehr zeigen.«

»Könnten Sie meiner Wenigkeit wenigstens in groben Zügen verraten, worum es geht?« fragte Josuah Parker. Er schien die Maschinenpistole vergessen zu haben. Parker, etwas über mittelgroß, vollschlank und alterslos erscheinend, trug über seinem schwarzen Zweireiher einen schwarzen Covercoat. Über dem angewinkelten linken Unterarm hing der Bambusgriff seines Universal-Regenschirms.

»Noch ein paar Minuten, Parker, dann wissen Sie genau Bescheid«, lautete die Antwort des Soldaten. »Gehen Sie endlich weiter!«

»Sie würden schießen, wie ich vermute, falls ich mich Ihrem Wunsch widersetze?«

»Darauf können Sie felsenfest bauen, Parker.«

»Was könnte Ihren Willen erregt haben?« fragte der Butler weiter und setzte sich gemessen in Bewegung. Er stieg über einige Panzerfäuste und Maschinengewehre und ließ sich zu einem Bunker dirigieren, der rauchgeschwärzt war und einige schwere Granattreffer aufwies.

»Wir wollen uns mal in aller Ruhe mit Ihnen unterhalten«, gab der englische Soldat zurück, »wir lassen uns nicht gern in die Suppe spucken.«

»Sie vermuten, daß meine Wenigkeit sich eingeschaltet haben könnte, was gewisse Erpressungsversuche betrifft?«

»Sie kommen der Geschichte schon verdammt nahe.«

»Mit dem Ausschalten meiner Wenigkeit wäre Ihr Problem wohl kaum gelöst«, stellte Parker klar und umging einen deutschen Schützenpanzer, der vor einem mächtigen Granattrichter halb umgekippt war.

»Und womit hätten wir nach Ihnen noch zu rechnen?« Der Soldat lachte nach seiner Frage leise und ironisch. Er konzentrierte sich auf seine Waffe und drückte den Lauf nach wie vor gegen Parkers Rücken.

»Sie müßten sich mit Lady Simpson auseinandersetzen«, meinte Parker und blieb vor einem schmalen Schützengraben stehen, »von Mr. Rander und Miß Porter ganz zu schweigen.«

»Machen Sie sich keine Sorgen, Parker, das alles wird bereits abgehakt. Worauf warten Sie noch?«

»Sie überschätzen einen alten, müden und relativ verbrauchten Mann«, erklärte der Butler und deutete mit der rechten, schwarz behandschuhten Hand auf den Schützengraben, »meine körperliche Kondition entspricht nicht der von Ihnen unterstellten Topform.«

»Nun machen Sie schon, Parker«, drängte der Soldat ungeduldig, »in zehn Minuten geht’s da drüben wieder los.«

»Die nächsten Aufnahmen, wie ich vermuten darf?«

»Mit Tieffliegerangriffen«, erläuterte der Soldat, »das wird einen Höllenkrach geben, warten Sie’s ab.«

»Könnten Sie meiner Wenigkeit möglicherweise eine Hilfestellung geben?« bat Parker und deutete noch mal auf den Schützengraben.

»Kommen Sie mir bloß nicht mit Tricks, Parker«, warnte der Soldat, »wir wissen genau, was Sie davon auf Lager haben.«

»Darf man wenigstens einen kleinen Anlauf nehmen?«

»Also schön, machen Sie endlich!« Der Soldat trat einen Schritt zurück und grinste, als Parker zum Sprung ansetzte. Der Soldat hielt seine Maschinenpistole im Hüftanschlag und ließ den Butler nicht aus den Augen. Man schien ihn eingehend instruiert zu haben.

Josuah Parker setzte sich in Bewegung und ... rutschte auf der anderen Seite der Erdaufschüttung ab. Er strauchelte, ruderte mit den Armen und dem Universal-Regenschirm in der Luft herum und hielt wie durch Zauberei plötzlich einen seiner zahlreichen Patent-Kugelschreiber in der rechten Hand, was der Soldat allerdings nicht sehen konnte.

Dafür spürte der Mann es mehr als deutlich!

*

»Sie konnten sich einen ersten Überblick verschaffen, Mylady?« fragte Fletcher Stalton und sah die ältere Dame erwartungsvoll an. Lady Agatha Simpson hatte das sechzigste Lebensjahr hinter sich und war eine ungemein stattliche Erscheinung mit der Fülle einer gereiften Juno. Sie trug eines ihrer obligaten Tweed-Kostüme, derbe Schuhe und einen Hut, der eine leicht mißglückte Mischung aus einem Napfkuchen und einem Südwester darstellte. Man sah dieser ungewöhnlichen Frau schon auf den ersten Blick an, wie energisch sie war.

»Eine sehr aufwendige Produktion, wie?« gab Lady Agatha zurück, »es kann ja alles nicht teuer genug sein.«

»Wir bemühen uns um Authentizität und Realismus«, versicherte Fletcher Stalton, der Direktor der Produktion. Stalton mochte etwa fünfzig sein, war untersetzt und ein wenig korpulent. Er hatte schnelle, wachsame Augen.

»Ihre Fernsehserie behandelt die letzten Kriegstage?« schaltete Mike Rander sich ein. Der etwa vierzigjährige, große und schlanke Anwalt erinnerte an einen bekannten James-Bond-Darsteller, trug einen lässig geschnittenen Sportanzug und wirkte stets ein wenig phlegmatisch.

»Arnheim und die Folgen«, antwortete Fletcher Stalton, »wir wollen die Sinnlosigkeit dieser Aktion rekonstruieren.«

»Hoffentlich wird man diese Sinnlosigkeit auch später deutlich erkennen, junger Mann«, bemerkte Agatha Simpson bissig, »ich fürchte, man wird wieder den Heldentod verherrlichen. Man kennt das ja.«

»In diesem Fall wird es keine Glorifizierungen geben«, versicherte der Direktor der Produktion, »und wir werden auch unsere damaligen Feinde nicht als Bestien zeigen. Dafür garantiere ich.«

»Womit wir bereits beim Thema sind, junger Mann«, schickte Lady Agatha voraus, »Sie werden also erpreßt?«

»Massiv sogar, Mylady«, erwiderte Stalton, »aber wollen wir nicht hinüber ins Casino gehen? Ich habe einen kleinen Imbiß vorbereiten lassen.«

»Was verstehen Sie unter einem kleinen Imbiß?« Agatha Simpson zeigte sofort Interesse. »Ich lebe zwar streng nach Diät, doch ich höre immer wieder gern, was Köche sich so alles einfallen lassen.«

»Roastbeef, Remouladensauce, schottischer Schinken, Lachs und sicher auch Lamm-Medaillons«, lieferte Stalton gleich eine exquisite Speisekarte.

»Sehr hübsch,«, sagte die ältere Dame und nickte zustimmend, »ich werde ein paar Häppchen versuchen, Stalton. Aber kommen wir zum Erpressungsversuch zurück. Was verlangt man von Ihnen?«

»Fünfhunderttausend Pfund, Mylady, eine Wahnsinnssumme!«

»Und was droht man Ihnen, falls Sie nicht zahlen?« wollte Mike Rander fast desinteressiert wissen. Er sah einigen recht attraktiven Statistinnen nach.

»Man wird scharf schießen«, erklärte Stalton inzwischen und geleitete Lady Agatha in die Kantine, »schlicht und einfach mit scharfer Munition, Mylady. Eine schreckliche Vorstellung! Ich darf gar nicht daran denken!«

»Mr. Rander will Sie etwas fragen«, sagte die passionierte Detektivin und räusperte sich. Der Anwalt wandte sich lächelnd um und nickte.

»Wann wurden Sie informiert, Stalton?«

»Gestern«, lautete die Antwort des Direktors, »es handelte sich zuerst um einen Anruf, eine halbe Stunde später kam dann der Brief, den Sie ja bereits kennen.«

»Das übliche Geschreibsel mit ausgeschnittenen Buchstaben aus einer Zeitung, nicht wahr?« Agatha Simpson machte klar, daß sie sich auskannte.

»Ja, das stimmt«, sagte Fletcher Stalton, »danach kam ein weiterer Anruf. Man teilte mir eindringlich mit, daß es sich auf keinen Fall um einen Scherz handelt.«

»Haben Sie bereits die Polizei verständigt?« schaltete Mike Rander sich ein. Man hatte die Kantine erreicht, betrat sie aber nicht, sondern ging vom Vorraum aus ins Casino, in dem die leitenden Angestellten der Produktion aßen.

»Die Polizei? Um keinen Preis, Mr. Rander«, reagierte Stalton entsetzt, »da würde es doch nur Stunden dauern, bis die Öffentlichkeit Bescheid weiß. Auf Reklame dieser Art können wir gern verzichten. Nein, nein, keine Polizei!«

»Werden Sie zahlen, junger Mann?« fragte die ältere Dame. Sie blieb vor der Glastür stehen und warf einen interessierten Blick in die Kantine. An den Tischen saßen Komparsen der Produktion, ausgemergelt und mitgenommen, Soldaten, hohe Offiziere, Bauern und Stadtvolk. Freund und Gegner waren friedlich vereint am Tisch und unterhielten sich angeregt.

»Ein Blick in eine Zukunft, die es wohl nie geben wird«, orakelte Agatha Simpson.

»Wie meinen Sie, Mylady?« fragte Stalton.

»Soldaten verschiedener Armeen an einem Tisch«, erklärte Lady Agatha, »aber warum beantworten Sie meine Frage nicht?«

»Ob wir zahlen werden, nicht wahr?«

»Sie werden müssen, wenn Ihre Produktion nicht platzen soll«, warf Anwalt Mike Rander ein.

»Falls wir zahlen, platzt sie ebenfalls«, gestand Fletcher Stalton.

»Haben Sie derart knapp kalkuliert?« schien Mike Rander verblüfft.

»Und wie, Mr. Rander! Diese Fernsehserie kostet ein Vermögen. Unsere ganze Hoffnung besteht darin, daß Mylady den Fall rechtzeitig klären wird.«

»Bis wann sollen Sie denn zahlen?« wollte die Detektivin wissen.

»Heute ist Mittwoch«, schickte der Direktor der Produktion voraus, »bis Samstag will der Erpresser das Geld haben, in kleinen Scheinen, versteht sich.«

»Bis Samstag werde ich auch diesen Bagatellfall geklärt haben«, meinte Agatha Simpson, »schließlich besitze ich da einige Erfahrungen, nicht wahr, mein Junge?« Sie sah Mike Rander prüfend an.

»Mylady hat bereits im Umfeld von Film und Bühne gearbeitet«, erklärte der Anwalt, »die jeweiligen Täter hatten nie eine Chance.«

»Ich stelle mein Licht grundsätzlich unter den Scheffel«, behauptete die ältere Dame in einem Anfall von Bescheidenheit, »aber ich war und bin eben sehr erfolgreich. Man muß ein Gespür für den Täter haben, mein lieber Stalton, und solch ein Gespür habe ich nun mal.«

»Hoffentlich schaffen Sie es rechtzeitig«, wiederholte Stalton, »falls nicht, kann die Produktion einpacken. Ich glaube kaum, daß eine Bank einspringen wird, um diesen Verlust abzudecken.«

»Verlassen Sie sich auf mich«, beruhigte die ältere Dame den Direktor, »und sagen Sie diesem Mann, daß er seine Maschinenpistole gefälligst nicht auf mich richten soll.«

Sie deutete mit der linken Hand auf einen deutschen Offizier, hinter dem je ein englischer und amerikanischer Sergeant standen, die ebenfalls mit Maschinenwaffen ausgerüstet waren. Der perlenbestickte Handbeutel am Handgelenk der Lady geriet prompt in leichte Schwingungen.

Fletcher Stalton wandte sich halb zur Seite und schaute verständnislos auf die drei Männer. Mike Rander lächelte abwartend.

»Mitkommen«, sagte der deutsche Offizier in bestem Englisch, »und keine Dummheiten, wenn ich bitten darf, sonst wird scharf geschossen!«

*

Kathy Porter, die Sekretärin und Gesellschafterin Agatha Simpsons, verließ das Büro der Produktion und wollte zur Kantine. Die junge Dame war um die achtundzwanzig, mittelgroß, schlank und hatte die geschmeidigen Bewegungen einer Katze. Die mandelförmig geschnittenen Augen und betonten Wangenknochen verliehen ihr ein etwas exotisches Aussehen. Sie schien sich ihrer Attraktivität überhaupt nicht bewußt zu sein, wirkte zurückhaltend und fast scheu. Doch sie konnte sich, wenn es sein mußte, innerhalb einer Sekunde in eine Pantherkatze verwandeln.

Kathy hatte sich im Produktionsbüro mit einigen Sekretärinnen unterhalten, mit Produktionsassistenten und dem Aufnahmeleiter. Sie hatte keineswegs verschwiegen, wer sie war und nur brennendes Interesse an dieser Fernsehserie gezeigt. Als sie die Steinbaracke verließ, verfügte sie über insgesamt vier Einladungen zum Abendessen.

»Miß Porter?« fragte ein junger Mann, der Jeans, ein kariertes Hemd und eine Lederjacke trug. Er klemmte sich ein Clip-Board unter den Arm und rückte sich seine Eulenbrille zurecht.

»Das bin ich«, bestätigte Kathy Porter.

»Lady Simpson hat mich geschickt«, redete der junge Mann weiter, »Sie möchten zur Bunkerlinie hinüberkommen.«

»Wohin, bitte?« Kathy Porter lächelte neutral.

»Zur Bunkerlinie«, wiederholte der junge Mann, »Lady Simpson will Sie unbedingt sprechen.«

»Und wo finde ich diese Bunkerlinie?«

»Ich werde Sie ’rüberbringen«, schlug der junge Mann vor, »da drüben, hinter den Häuserfassaden liegen die Bunker. Es sind nur ein paar Minuten.«

»Bemühen Sie sich nicht, ich werde schon allein hinfinden«, antwortete Kathy Porter.

»Mir macht das überhaupt nichts, ich muß ja wieder zurück zu diesen Bunkern.«

Er ging einen halben Schritt voraus und wartete, bis Kathy Porter sich in Bewegung gesetzt hatte. Dann blieb er auf ihrer Höhe und erklärte ihr die Kulissen.

»Wir drehen heute noch das Knacken eines Bunkers«, sagte er, »ich denke, die Geschichte wird sehr realistisch aussehen, so mit Flammenwerfern und Nahkampf.«

»Scheußlich«, gab Kathy Porter zurück.

»Was soll man machen, so war’s damals wirklich«, redete der junge Mann weiter, »passen Sie auf den Stacheldraht auf. . . Achtung, da liegen ein paar Tote!«

Kathy entdeckte die »Toten«. Es handelte sich um überzeugend nachgebildete Soldaten in seltsamen Verrenkungen am Rand eines riesigen Bombentrichters. Selbst das Blut wirkte echt.

»Morgen drehen wir den Nahkampf in der Straße dort drüben«, erklärte der junge Mann, »dabei lassen wir einen Panzer in die Luft fliegen. Ich bin mal gespannt, ob die Fassaden das aushalten. Wir haben einen sagenhaft guten Sprengmeister.«