Die kleine Pension im Weinberg - Barbara Erlenkamp - E-Book
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Die kleine Pension im Weinberg E-Book

Barbara Erlenkamp

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Beschreibung

Ein neuer Anfang zwischen Moseltal und Weinbergen

Katie ist eine wahre Weltenbummlerin. Doch vor ein paar Monaten hat sie an der Mosel einen alten Gutshof inmitten von Weinbergen erworben und in dem schönen Gebäude die kleine Pension "Gutshof Moselthal" eröffnet. Weder die Wünsche der Gäste noch die manchmal recht eigenwilligen und doch liebenswerten Dorfbewohner von Wümmerscheid-Sollensbach können Katie aus der Ruhe bringen. Zu ihrem Glück fehlt eigentlich nur noch ein eigener Garten, in dem sie Schnittblumen fürs Haus ziehen möchte. Die passende Fläche hat sie auch schnell gefunden, lediglich eine alte Hütte mit einem Haufen Schrott muss noch entfernt werden. Doch da hat sie die Rechnung ohne den benachbarten Winzer Oliver gemacht. Denn der legt Katie nicht nur so manche Steine in den Weg, sondern trifft sie auch mitten ins Herz ...

Der erste Band der neuen herzerwärmenden Feel-Good-Reihe von der Erfolgsautorin der »Das kleine Café an der Mühle«-Romane. Ein kurzweiliges Leseerlebnis in den romantischen Weinbergen an der Mosel - für eine kleine Auszeit vom Alltag!

Die Moselpension-Reihe ist in sich abgeschlossen und für sich lesbar. Fans der Café-Liebesromane von Barbara Erlenkamp können sich aber auf ein Wiedersehen in Wümmerscheid-Sollensbach freuen und werden vielen liebgewonnenen Figuren begegnen.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Zitat

Prolog

Grasgrün – wenige Monate später

Gutshof Moselthal, Montag, 11. April

Gut ein Jahr später, im Frühsommer

Vorbereitungen

Die Eröffnung

Franziska

Teambesprechung

Kevin

Gutshof Moselthal, Dienstag, 20. Juni

Nenn mich Vin

Mutter mit vier Kindern

Nehmt das, ihr Säcke!

Kosenamen zum Frühstück

Das große Aufräumen

Schicht im Schacht

Tafelspitz

Wie bei den Messies

Viel mehr Zeit

Es regnet

Die Saison ist vorbei

Smile

Ich will nicht wieder nach Hause

Gutshof Moselthal, Mittwoch, 28. Juni

Kevin rennt

Kümmert euch mal

Dat Leben is kein Wunschkonzert

Keiner versteht Kevin

Diese Briefe

Der glückliche Gärtner

Milde Gaben

Das Jauchefass

Trübe Gedanken

Vater und Sohn

Was war das denn?

Ein Plan

Operation Weinberg

Feine Leberwurst mit Kräutern

Fragen an Katie

Nimm es an, für deine Kinder

Sauerbraten und eine Idee

Zum Vertrauen gehören zwei

Eine Einladung zum Gespräch

Tausche Wiese gegen Weinberg

Unerwartete Hilfe

Gartenparty mit Feuerwerk

Anhang: Katies Gartentipps für einen Schnittblumengarten

Danksagungen

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Leseprobe

Impressum

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Über dieses Buch

Katie ist eine wahre Weltenbummlerin. Doch vor ein paar Monaten hat sie an der Mosel einen alten Gutshof inmitten von Weinbergen erworben und in dem schönen Gebäude die kleine Pension »Gutshof Moselthal« eröffnet. Weder die Wünsche der Gäste noch die manchmal recht eigenwilligen und doch liebenswerten Dorfbewohner von Wümmerscheid-Sollensbach können Katie aus der Ruhe bringen. Zu ihrem Glück fehlt eigentlich nur noch ein eigener Garten, in dem sie Schnittblumen fürs Haus ziehen möchte. Die passende Fläche hat sie auch schnell gefunden, lediglich eine alte Hütte mit einem Haufen Schrott muss noch entfernt werden. Doch da hat sie die Rechnung ohne den benachbarten Winzer Oliver gemacht. Denn der legt Katie nicht nur so manche Steine in den Weg, sondern trifft sie auch mitten ins Herz ...

Barbara Erlenkamp

Die kleine Pension im Weinberg

Für Anna

Eine gute Pension ist einfach zu definieren:

Wenn der Gast das Haus glücklicher verlässt, als er gekommen ist.

Unbekannt

Prolog   

»Fünf, vier, drei, zwei, eins ... Prosit Neujahr!«

Alle redeten durcheinander, der große Wohnraum im Gutshof war ein einziger Klangteppich aus Geräuschen. Es war das, was Katie Sheridan insgeheim ihren Silvester-Soundtrack nannte: Menschen, die miteinander lachten. Das Klirren von Gläsern, Neujahrswünsche, ferne Kirchenglocken und natürlich das beginnende Feuerwerk am Nachthimmel.

Es hatte Jahre gegeben, da hatte sie diesen Soundtrack nicht ertragen können, da war Silvester einer der Abende im Jahr gewesen, die sie am liebsten im Bett mit einem Kissen über dem Kopf verbracht hatte. Ja, es hatte Jahre gegeben, in denen sie nicht hatte glauben können, dass andere Menschen einfach nur unbeschwert glücklich und fröhlich sein konnten. Doch diese Jahre lagen hinter ihr. Die Erinnerungen daran hatte sie tief in sich vergraben, und sie war fest entschlossen, sie nie wieder ans Tageslicht zu holen.

»Ein frohes neues Jahr, Katie.«

Eine Frau mit langen braunen Haaren und einem sympathischen, warmherzigen Lächeln im Gesicht trat neben sie und drückte ihr ein Glas Rieslingsekt in die Hand. Katie nahm das Glas und stieß mit ihrer Freundin an.

»Und, hast du dir deine Silvesterfeier in Deutschland so vorgestellt?«, fragte Sophie nach dem ersten Schluck.

Katie lachte und schüttelte den Kopf. »O nein, es ist noch viel schöner, als ich es mir vorgestellt habe. Aber das liegt vor allen Dingen daran, dass ich dieses Silvesterfest mit euch hier feiern kann. Du weißt doch: Eigentlich wollten wir mit der Partnergemeinde nur kurz für ein paar Tage die wirkliche German Weihnacht erleben.«

Jetzt stimmte auch Sophie in das Lachen mit ein. »Wir haben uns für euch richtig ins Zeug gelegt, das kannst du mir glauben. Und ich bin wirklich, wirklich froh, dass wir dich überzeugen konnten, noch ein paar Tage länger als die anderen aus der Reisegruppe zu bleiben.«

»Wie hätte ich Nein sagen können? Dass Heidi und Jean-Pierre ausgerechnet hier in Wümmerscheid-Sollensbach wohnen, hätte ich nie vermutet.«

»Und ja, die Welt ist ein Dorf.«

»Wenn es ein Dorf wie eures wäre, dann wäre es eine schöne Welt.«

Sophie verschluckte sich hustend an ihrem Sekt. »Lass das bloß nicht die Vorsitzenden unseres Dorfvereins hören, die ernennen dich sofort zum Ehrenmitglied.«

»Aber es ist doch wahr: Ich habe hier in den letzten Wochen nur nette und freundliche Menschen getroffen, dein Bistro und das kleine Café sind ein Traum. Sophie, ich denke, ich habe für mich eine Entscheidung getroffen.«

Bei ihrem letzten Satz klang Katie plötzlich so ernst, dass Sophie ihre englische Freundin neugierig musterte. Katie sah die Frage in Sophies Blick und flüsterte: »Gib mir noch ein paar Tage, dann verrate ich es dir.«

»Du machst es ja spannend. Aber ganz wie du willst. Henry Ford soll mal gesagt haben: Es hängt von dir selbst ab, ob du das neue Jahr als Bremse oder als Motor benutzen willst. Also, in diesem Sinne, liebe Katie. Komm, die anderen gehen schon raus, um sich das Feuerwerk über dem Moseltal anzusehen.«

Sophie zog ihre Freundin am Arm, und gemeinsam betraten die beiden Frauen die große Terrasse, die einen weiten Blick über einen alten Weinberg und das Moseltal erlaubte. Ein Tal, auf dessen nachtschwarzem Himmel Hunderte von Feuerwerksblumen in allen Regenbogenfarben erblühten.

***

Als Katie am nächsten Morgen erwachte, fragte sie sich für ein paar Atemzüge, wo sie war. Das war nicht das vertraute Bett im Gästezimmer von Sophie und Peter. Sie setzte sich schlaftrunken auf. Natürlich, sie war in dem kleinen Gästezimmer, das Heidi, die Gastgeberin des Silvesterabends, für sie hergerichtet hatte. Katie gähnte herzhaft und lauschte auf Stimmen und Schritte im Haus, aber alles war still. Sie angelte vom Fußboden ihre Armbanduhr. Gerade mal zehn Uhr morgens. Sie hatten bis kurz nach drei Uhr am Morgen gefeiert, dann noch Geschirr und Gläser in die Küche geräumt, und gegen vier war sie ins Bett gegangen. Sechs Stunden Schlaf – na ja, besser als nichts, und sie war von alleine aufgewacht. Offenbar wollte ihr ihr Körper mitteilen, dass er in den letzten Tagen genug Zeit zum Ausruhen und Entspannen gehabt hatte. Katie stand auf und schob den Vorhang zur Seite. Vor ein paar Tagen hatte es geschneit, und die Temperaturen blieben deutlich im Minusbereich. Die Folge: Alle Bäume, die Sträucher und Zäune waren weiß bedeckt und boten einen glitzernden Kontrast zu dem strahlend blauen Winterhimmel. Das Sonnenlicht ließ die Eiskristalle funkeln. Mit einem Mal spürte Katie eine unbändige Lust, nach draußen zu gehen und sich in die Sonne zu setzen. Wahrscheinlich lag die Temperatur draußen im zweistelligen Minusbereich, egal. Sie nahm sich die Zeit für eine kurze heiße Dusche und zog sich dann schnell an. Jeans, T-Shirt, schließlich einen dicken wollweißen Rollkragenpullover, den sie vor Jahren auf den Aran-Inseln in einer kleinen Boutique gekauft hatte und der sie seitdem bei jeder Winterreise begleitete. Mit beiden Händen wuschelte sie sich durch die kurzen blonden Haare. Hairstyling abgeschlossen. Sie liebte diesen Haarschnitt, dem konnte auch eine Wintermütze nichts anhaben. Entschlossen holte sie ihre feuerrote Beanie-Mütze aus der Reisetasche und zog sie tief in die Stirn und über die Ohren. Um ihr Make-up konnte sie sich später kümmern, jetzt wollte sie nur an die frische Luft. Die dick gefütterten Boots und eine Daunenjacke vervollständigten ihr Winteroutfit.

Während sie die breite, geschwungene Steintreppe nach unten in die Halle ging, horchte sie weiter auf Anzeichen, dass noch jemand von den übrigen Gästen und Hausbewohnern schon auf den Beinen war, aber bis auf das gleichmäßige Ticken der Standuhr in der großen Eingangshalle war nichts zu hören. Katie ging in die Küche und schaltete den Wasserkocher ein. Ein starker schwarzer Tee mit Milch wäre jetzt genau das Richtige.

Wenige Minuten später trat sie mit einem dampfenden Becher hinaus auf die Terrasse des Hauses. Vom Vortag wusste sie, dass in der Truhe neben der Tür wasserfeste Thermokissen bereitlagen. In der einen Hand den Tee, in der anderen ein Kissen, ging Katie über die schneebedeckte Wiese, die sich in Richtung Moseltal erstreckte. Ihr Atem bildete kleine Wölkchen vor ihrem Gesicht, und die Wangen brannten in der Kälte. Ihre Stiefel versanken fast bis zum Knöchel im Schnee. Tausende von Eiskristallen funkelten in der Sonne, als hätte jemand kleine Edelsteine auf der sanft geschwungenen Fläche verstreut.

Katies Ziel war eine alte Eichenbank, die sie schon von einem früheren Besuch kannte. Sie wischte den Schnee von der Sitzfläche, setzte sich auf ihr Kissen und legte beide Hände um den Teebecher. Von hier oben konnte man die Weinberge am gegenüberliegenden Ufer sehen, der Fluss lag tief unten im Tal wie ein bleigraues langes Band. Und über allem spannte sich ein Neujahrsmorgen-Panorama-Himmel.

Katie trank einen Schluck Tee, genoss seine Wärme. Mit einem wohligen Seufzen legte sie den Kopf in den Nacken und ließ sich die Morgensonne ins Gesicht scheinen. Hinter ihr knirschten Schritte im Schnee. Neugierig wendete Katie den Kopf. Heidi Schwarzbeck trat mit einem Lächeln und einem Kaffeebecher in der Hand an die Bank. Da hatte jemand denselben Gedanken gehabt wie sie.

»Guten Morgen, Katie. Von der Küche aus habe ich dich hier sitzen gesehen und sofort Lust bekommen, mich dazuzusetzen – zumindest für einen kurzen Moment. Die Sonne scheint so schön. Ich hoffe, ich störe dich nicht?«

»Guten Morgen, Heidi, du musst dich nicht entschuldigen. Das hier ist deine Bank. Und nebenbei bemerkt: Ich beneide dich um den Ausblick von hier oben.«

Heidi zog ihren dicken Daunenmantel fest um sich und setzte sich neben Katie. »Ja, du hast recht. Aber soll ich dir was verraten? In den letzten Monaten war es so hektisch, dass ich nicht ein einziges Mal die Zeit und Ruhe gefunden habe, diesen Ausblick zu genießen. Ich werde die Bank vermissen.«

Katie schaute Heidi von der Seite an und hob fragend eine Augenbraue. Heidi lachte leise auf. »Nun schau mich nicht so kritisch an. Mir ist in den letzten Wochen klar geworden, dass dieser Gutshof einfach zu groß ist. Für Jean-Pierre und mich würde das ehemalige Kellermeisterhaus drüben am Haupttor mehr als ausreichen. Viele Monate im Jahr sind wir zusammen in Frankreich, meine Tochter wird nicht bei mir einziehen, und ich erwarte auch keine dreißigköpfige Gästegruppe. Was soll ich mit all den Räumen? Ein neues Jahr ist auch ein neuer Anfang: Ich werde mir einen Makler suchen und alles verkaufen.«

»Ich glaube, das musst du gar nicht«, erwiderte Katie.

Jetzt war es Heidi, die die Jüngere überrascht ansah. »Was muss ich nicht?«

»Ich habe auch nachgedacht, ziemlich lange sogar. Du musst dir keinen Makler suchen. Sophie hatte schon kurz vor Weihnachten einmal erwähnt, dass dir dieses Haus zu groß ist ... also ... ich, ich hätte es sowieso in den nächsten Tagen angesprochen. Um es kurz zu machen: Ich würde den Gutshof gerne kaufen.«

»Du? Dieses riesige Haus? Aber ... aber du lebst doch allein ...«

»Ich möchte wieder nach Deutschland ziehen, ich habe Geld gespart und muss mit meiner Bank über den Kredit verhandeln, aber das sollte grundsätzlich kein Problem sein. Schließlich ist Brian, mein Ex-Mann, Banker und überaus erfolgreich. Ich habe bereits vor ein paar Tagen mit ihm telefoniert. Nenn mir deinen Preis, und ich denke, wir werden uns da schon einig. Ich würde dir den Gutshof gerne abkaufen.«

»Und was willst du mit den Gebäuden anfangen?«

Katie lächelte triumphierend. »Das, was ich gelernt habe, unter anderem auch von dir. Ich habe so viele Jahre in der Gastronomie und in Hotels gearbeitet, diese Arbeiten könnte ich fast im Schlaf erledigen. Ich möchte es aber eine Nummer kleiner. Kein Riesen-Hotel, keine Sterneküche.«

»Was denn dann?«

»Ich eröffne die Pension Gutshof Moselthal. Eine kleine Pension oberhalb der Weinberge, ein Ort, wo man gerne auf einer Bank sitzt, um den Ausblick zu genießen.«

Heidi dachte kurz nach, dann prostete sie Katie mit ihrem Kaffee zu. »Abgemacht, meine Liebe. Ich erhebe meinen Becher auf die kleine Pension im Weinberg.«

Grasgrün – wenige Monate später   

»Bist du sicher?« Heidis Blick streifte Katies Kleidung und blieb bei den grasgrünen Stiefeln hängen.

»Aber ja, die passen genau zu meinem neuen grünen Mantel, schau mal.« Zum Beweis hielt Katie einen Fuß hoch. »Ich habe ewig gesucht, bis ich endlich genau den gleichen Farbton gefunden habe. Du weißt doch, dass ich gerne bunte Sachen trage.«

Heidi lachte. »Ja, die Farbe ist super. Ich meinte eher, ob du in denen laufen kannst? Immerhin haben wir uns verabredet, damit wir zusammen über das Grundstück spazieren. Ich zeige dir heute dein neues Reich, bis in die letzte Ecke, bevor du den Kaufvertrag unterschreibst. Und dabei sind die ...« Wieder wanderte ihr Blick zu Katies Stiefeln, die nicht nur einen etwa zehn Zentimeter hohen Absatz aufwiesen, sondern vorne an den Zehen auch nadelspitz zuliefen. »Deine Schuhe sind vielleicht nicht so gut fürs Gelände geeignet.«

»Das ist überhaupt kein Problem«, versicherte Katie. »Mit so einem Blockabsatz sind sogar mehrere Stunden Shoppingtour kein Thema, habe ich letztes Wochenende noch in London gemacht. Ich bin das gewohnt.«

»Na ja, wenn du meinst.« Heidi setzte sich auf die Bank in der Eingangshalle, um ihre flachen dunkelblauen Sneakers noch fester zuzuschnüren. Sie trug wie fast immer eine blaue Jeans und eine schlichte weiße Hemdbluse unter ihrer Fleecejacke. »Shopping in London. Das hört sich irgendwie ... so weltgewandt an. Du führst ein aufregendes Leben, meine Liebe. Wir dagegen ...«

»Ach, hör auf.« Katie winkte ab. »Ich habe einfach etwas zum Anziehen gebraucht. Und was mein aufregendes Leben angeht – davon habe ich geradezu die Nase voll. So viel Abwechslung braucht kein Mensch. Weißt du, wie oft ich in den letzten Monaten zwischen St.-Nicholas-on-Sea und Wümmerscheid-Sollensbach hin und her gependelt bin? Ich nicht. Ich habe irgendwann aufgehört mitzuzählen. Ich bin zwar schon öfter in ein anderes Land umgezogen, und ich wusste, was mich erwartet, aber es ist doch jedes Mal noch mehr zu erledigen, als man denkt.« Sie setzte sich neben Heidi und begann, an den Fingern aufzuzählen. »Ich habe mich von Freunden verabschiedet, mein Haus ist so gut wie verkauft, meine Arbeitsstelle gekündigt, währenddessen hier den Hauskauf vorbereitet, die Renovierung geplant, Genehmigungen eingeholt, Anträge ausgefüllt, Versicherungen, Steuer ... die Liste ist endlos. Ich kann es gar nicht abwarten, mit allem fertig zu sein und hier richtig anzukommen. Alles, was ich mir wünsche, ist ein Zuhause. Ein Ort, wo ich hingehöre.«

Nachdenklich nickte Heidi. »Ja, ich weiß genau, was du meinst. Ich bin ja früher auch oft im Ausland gewesen, und irgendwann ist es einfach genug.« Mit einem energischen Ruck sprang sie auf und öffnete die Haustür. »Lass uns gehen. Mein lieber Jean-Pierre wollte inzwischen schon mal anfangen, etwas zum Abendessen zu kochen.«

»Aber es ist doch erst halb zwei.«

»Pff, er hat sich aber in den Kopf gesetzt, dass es heute Bœuf Bourguignon sein muss. Das braucht ein paar Stunden, bis es richtig zart ist. Du solltest uns später beim Essen Gesellschaft leisten.« Auf eine Antwort wartete Heidi gar nicht erst, sondern ging mit forschen Schritten voran.

Beim Gedanken an das Abendessen, das der französische Spitzenkoch zaubern würde, lief Katie das Wasser im Mund zusammen. Sie beeilte sich, Heidi auf dem gekiesten Vorplatz einzuholen.

»Was wollen wir uns denn als Erstes ansehen?«, fragte sie.

»Die Obstwiese da vorne wurde schon lange nicht mehr gepflegt. Trotzdem lohnt es sich, ab und zu hinzugehen.« Heidi ging zu einem knorrigen, nicht besonders hohen Baum. »Dieser Apfelbaum ist eine Rote Renette. Der Baum trägt nur alle paar Jahre, aber wenn es so weit ist – herrlich. Ich kenne keinen Apfel, den ich lieber mag.«

Ganz in Gedanken strich Katie über die raue Baumrinde und nahm sich vor, die nächste Ernte auf keinen Fall zu verpassen. Sie hatte Mühe, sich auf Heidis Worte zu konzentrieren, da waren so viele Eindrücke auf einmal.

»Ich setze mich für eine Weile hin.« Mit diesen Worten ließ sich Heidi auf einem dicken Holzstamm nieder, der unter dem Apfelbaum im Gras lag. »Geh du inzwischen ein bisschen herum und mach dich mit deiner neuen Obstwiese vertraut.« Mit geschlossenen Augen drehte sich Heidi so, dass ihr die Sonne genau ins Gesicht schien.

»Gute Idee.« Katie nickte.

Wo sollte sie anfangen? Die Kirschbäume in der Mitte der Wiese standen schon in voller Blüte. Und dieser Anblick war einfach herrlich. Der blaue Frühlingshimmel, die weißen Blüten mit einem Hauch von Rosa, und über allem lag der feine, frische Duft von Gras und Erde. Wenn man ganz still war, konnte man sogar das Summen der Bienen und Hummeln hören. So stand Katie eine Weile einfach nur da und ließ die Stimmung auf sich wirken, bis sie schließlich doch neugierig wurde, was es hier sonst noch zu entdecken gab.

Am Rand der Obstwiese führte rund um das Grundstück ein breiter Feldweg. Auf einer Seite der Wiese gab es einen windschiefen Lattenzaun, auf den drei anderen Seiten war er wohl längst zusammengebrochen. Neben dem Weg wuchs rundherum ein unregelmäßiger Grünstreifen, mal höher, mal niedriger. Darunter befanden sich vermutlich die halb verrotteten Überreste des Zauns. Hüfthohe Brombeerranken wechselten sich mit vertrockneten, fast mannshohen Disteln vom Vorjahr ab. Eine hohe eckige Form an der Längsseite der Wiese entpuppte sich als eine Art Schuppen mit offener Vorderseite. Auf den ersten Blick hatte Katie gar nicht erkannt, dass es sich um ein Gebäude handelte, denn das Innere war mit kahlen, trockenen Ästen vollgestopft, die jemand zu einem wirren Durcheinander aufgestapelt hatte. Wahrscheinlich war der Asthaufen bisher nur deswegen nicht umgestürzt, weil er von den Seitenwänden zusammengehalten wurde. Das verwitterte Holz des Unterstands schien zwar alt zu sein, aber insgesamt noch in Ordnung. Ein Stückchen weiter war etwas zu erahnen, das aussah wie ein alter Erntewagen auf Holzrädern. Das war ja fast wie im Museum! An einigen Stellen war das Gestrüpp so hoch, dass Katie nicht einmal erkennen konnte, ob sich darunter weitere Geräte verbargen.

Sie ließ den Blick ein weiteres Mal über die Obstwiese schweifen. Abgesehen von den Rändern stand das frische Gras ziemlich kurz und gleichmäßig, offenbar war hier gelegentlich gemäht worden. Überall im Gras waren gelbe Löwenzahnblüten wie hingetupft, dazwischen schwebten überall die zarten, weiß-rosa strahlenden Blüten des Wiesenschaumkrauts. Glücklich seufzte Katie. Was für ein zauberhaftes Fleckchen Erde. Schade, dass sich offenbar schon lange niemand mehr so richtig darum gekümmert hatte. Sie nahm sich vor, so bald wie möglich wiederzukommen und das alte Gerümpel neben dem Weg loszuwerden.

In diesem Moment trat Katie auf einen Gegenstand, der im Gras verborgen gelegen hatte. Um ein Haar wäre sie umgeknickt, konnte sich aber noch im letzten Moment fangen. Was lag denn da? Tatsächlich: ein alter Autoreifen. Es war wirklich Zeit zum Aufräumen, so viel stand fest. Vorsichtig stapfte sie zurück zu dem alten Apfelbaum.

Von dem Geräusch der Schritte im Gras aufgeschreckt, blinzelte Heidi träge in der Sonne.

»Lass uns weitergehen, Heidi. Ich bin schon ganz neugierig, was du mir noch alles zeigen willst.«

Die beiden wanderten weiter. Mit einer weit ausholenden Geste wies Heidi auf eine steil abfallende, von bräunlichem Gestrüpp bedeckte Fläche, die sich unterhalb der Obstwiese bis hinunter zur Mosel erstreckte. »Und das hier«, erklärte sie, »ist sozusagen der Grund, warum der Gutshof ursprünglich erbaut wurde. Riesling. Anfangs war der Gutshof Moselthal ein reines Weingut. Dieser Weinberg gehört immer noch zum Gutshof.«

Mit zweifelndem Blick musterte Katie das Gestrüpp, die vertrockneten Brennnesseln, das steil abfallende, von Bruchsteinmauern unterbrochene Gelände. »Muss ich ...?«

Heidi ahnte wohl, welche Fragen jetzt kommen würden. Sie lachte. »Nein und nein.«

»Woher willst du wissen, was ich als Nächstes frage?«

»Wollen wir doch mal sehen. Deine erste Frage wäre gewesen: Muss ich dann auch Wein anbauen, obwohl ich davon gar nichts verstehe?«

»Stimmt genau.«

»Und die Antwort ist: nein, musst du nicht. In diesem Weinberg ist schon seit vielen Jahren nichts mehr gemacht worden. Es war früher einer der besten. Aber er ist so steil, dass man ihn nur in Handarbeit bewirtschaften kann. Und das ist heutzutage einfach zu teuer.«

»Gut, du hast gewonnen. Aber was ich danach gefragt hätte, kannst du unmöglich wissen.«

»Wetten doch? Du wolltest sagen: Muss ich da etwa runterklettern? In meinen schönen grünen Stiefeln, mit denen ich so super gut laufen kann?«

Darauf gab es nichts zu sagen. Heidi hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.

»Beruhige dich, Katie. Wir klettern nicht. Unser Weg geht da vorne weiter.«

Und schon war Heidi wieder vorausgeeilt. Katie folgte seufzend. Aus den Plänen, die zu den Kaufunterlagen für den Gutshof gehörten, war ihr schon bewusst gewesen, wie groß das Gelände war. Aber es war doch etwas ganz anderes, ob man ein Grundstück auf dem Papier ansah, oder ob man es mit den eigenen Füßen abschritt. In Schuhen, deren Absätze leider immer wieder in dem weichen Gras versanken. Stellenweise war der Boden nach dem Frühlingsregen während der letzten Tage doch sehr schlammig geworden. Katie war bisher immer der Meinung gewesen, dass hohe Blockabsätze für jede Art von Untergrund bestens geeignet waren. Hier wurde sie eines Besseren belehrt. Londoner Asphalt war eben doch nicht dasselbe wie eine von Regenwasser durchtränkte Wiese.

Sie waren an der Rückseite des Haupthauses angekommen. »Hier ist der Eingang zum Gewölbekeller, direkt neben der Küchentür. Warst du schon unten?«

Katie nickte. »Ja, war ich.« Die Tonnengewölbe hatten sie sehr beeindruckt, ebenso wie die alten Weinfässer, die dort unten noch aufbewahrt wurden.

»Gut, dann gehen wir hier entlang weiter. Pass auf, da wachsen Brombeeren am Rand.«

Katie blieb kurz stehen und beugte sich vor, um die Ranken vorsichtig vom Saum ihres Mantels zu lösen. Eines war klar: Das Hauptgebäude war von Heidi gut in Schuss gehalten worden. Sicher, sie hatte einige Renovierungsarbeiten geplant, damit aus dem Gutshof eine gemütliche Pension werden konnte. Ein Architekt und die nötigen Handwerker waren schon gefunden. Aber die Substanz war grundsolide. Die Außenanlagen dagegen ... sie waren nicht ungepflegt, und doch waren Katie während ihres Spaziergangs schon einige Ideen gekommen, was sich hier ändern ließ.

»Und was ist das da drüben?« Katie wies auf ein eingeschossiges, lang gestrecktes Gebäude neben dem Parkplatz. Ockerfarbene Ziegelmauern leuchteten warm in der Nachmittagssonne. Teilweise waren die Mauern von Rankgittern bedeckt, an denen die fast noch kahlen Rosenstöcke darauf warteten, dass der Sommer endlich zurückkehrte.

»Die Kelterhalle. Da ist lauter Gerümpel drin. In den letzten Jahrzehnten ist da wohl alles reingewandert, was nicht mehr gebraucht wurde«, erklärte Heidi. »Sieht von außen besser aus als von innen, das kannst du mir glauben. Bei dem Gebäude da drüben wirst du weniger Arbeit haben, das war die ehemalige Maschinenhalle, aber die ist komplett leer. Das Dach wird man mal kritisch prüfen müssen, mehr aber auch nicht. Ich schlage vor, die beiden Gebäude sehen wir uns morgen in Ruhe an, ich denke, für heute ist es genug.«

»Komm, wir gehen über den Parkplatz zurück zum Haus, das ist der kürzeste Weg. Hak dich am besten bei mir unter.«

Ja, Katie war froh über dieses Angebot. Das uralte Kopfsteinpflaster auf dem Parkplatz war zwar schön anzusehen, aber für modisches Schuhwerk mit hohen Absätzen denkbar ungeeignet.

»Was hältst du davon, wenn du dir eine Pause gönnst? Du legst ein bisschen die Füße hoch, bevor wir essen. Ich werde mal schauen, ob ich Jean-Pierre noch zur Hand gehen kann.« Heidi gluckste, warf einen vielsagenden Blick auf die grünen Stiefel und wandte sich in Richtung Küche.

Mit einem Seufzen ließ sich Katie in den Sessel sinken und zerrte die Stiefel von den Füßen. Sie griff nach ihrem Laptop und gab schnell einen Suchbegriff ein: »Wanderschuhe grün«. Beim Anblick der Suchergebnisse verzog sie ungläubig den Mund, schüttelte den Kopf und sagte: »Nicht euer Ernst.« Nach kurzem Nachdenken tippte sie: »Wanderschuhe grün Damen«. Die Bilder, die nun zu sehen waren, entlockten ihr lediglich ein verächtliches Schnauben. »Nur über meiner Leiche«, murmelte sie. Ein schneller Blick auf die Uhr. Bloß noch eine halbe Stunde, dann wurde sie bei Heidi und Jean-Pierre zum Essen erwartet. Sie schaute wieder auf den Bildschirm und rieb sich dabei gedankenverloren die schmerzenden Zehen. Ein weiteres Mal blätterte sie die Suchergebnisse durch. Diese Schuhe hier würden vielleicht gehen. Interessant. Die waren aus Wolle gemacht und trotzdem für draußen geeignet. Angeblich super bequem und weich. Ist einen Versuch wert, dachte sie, und klickte auf »Bestellen«.

Gutshof Moselthal, Montag, 11. April   

Hello my dear,

was soll ich sagen? Brian hat mir geraten, dass ich dir schreiben soll. Ganz old school: Papier, Füller, keine Textnachrichten, keine Emoticons.

Ich wüsste sowieso nicht, wie ich die Gefühle, die mir das Herz so schwer machen, mit einem winzig kleinen gelben Smiley ausdrücken sollte.

Weißt du, ich habe eine Entscheidung getroffen, ganz für mich: Ich werde zurück nach Deutschland ziehen. Ich habe von Heidi Schwarzbeck einen alten Gutshof gekauft. Das Hauptgebäude würde dir gefallen, es ist weiß verputzt, hat ein graues Dach und hohe Rundbogenfenster. Es gibt sogar einen Anbau, der wie ein kleiner Turm aussieht. Vor der Haustür gibt es eine breite überdachte Steintreppe. Drei Stufen hat sie. Und dann kommst du in die Eingangshalle und siehst die breite, geschwungene Treppe, auch aus Stein. Mein neues Haus ist so schön, fast wie ein winzig kleines Schloss.

Okay, es ein Schloss zu nennen, ist wohl übertrieben. Aber andererseits habe ich in Schottland schon Schlösser kennengelernt, die kleiner als mein Gutshof waren. Jawohl! Bei dem Wort Schloss stellst du dir vielleicht etwas Großartiges oder sogar Protziges vor. So ist es überhaupt nicht. Es gibt hier nur zwei Stockwerke und darüber das hohe, schiefergedeckte Dach mit kleinen Dachluken und Erkern. Man sieht das Gebäude, und es strahlt so etwas Behagliches aus. Ja, genau, stelle dir einfach ein etwas größeres, weiß verputztes Haus mit leuchtend rotem Fachwerk vor, dann hast du ein besseres Bild. Und weißt du was, oben auf dem Dach gibt es sogar ein Storchennest!

Neben dem Hauptgebäude gibt es noch weitere Gebäude, unter anderem den ehemaligen Wirtschaftstrakt, in dem Wein gekeltert wurde, und eine große Halle, in der früher mal Erntemaschinen gestanden haben, und dazu natürlich noch tiefe Gewölbekeller.

Das Ganze liegt außerhalb von Wümmerscheid-Sollensbach, das ist wirklich ein ganz wunderbarer Ort. Du kennst Heidi Schwarzbeck nicht persönlich, sie ist in Deutschland eine berühmte Köchin gewesen. Ich habe bei ihr gelernt und einige Jahre Seite an Seite mit ihr gearbeitet. Wir waren sogar zusammen in Frankreich, damals hatte sie einem Kollegen geholfen, der private Schwierigkeiten nach einer Scheidung hatte. Ohne Heidis Hilfe wäre sein Bistro den Bach runtergegangen, das kannst du mir glauben.

Jetzt kommt aber das wirklich Verrückte: Ausgerechnet in Wümmerscheid-Sollensbach leben Heidi und ihr französischer Kollege, Jean-Pierre Garbon, dem wir damals unter die Arme gegriffen hatten. Jean-Pierre und Heidi sind verlobt. Wahnsinn – oder?

Du siehst, es gibt alte Freunde vor Ort. Vor allem aber habe ich auch neue Freunde gefunden: Sophie und Peter von Metten beispielsweise. Die beiden sind mit Heidi und Jean-Pierre befreundet. Sophie betreibt ein Bistro und ein kleines Café. Die Geschichte, wie Sophie hier an die Mosel gekommen ist und ihr Café eröffnet, wie sie sich in Peter verliebt und Heidi kennengelernt hat, das müsste man mal aufschreiben, das wäre bestimmt ein tolles Buch.

Also bei Sophie und Peter habe ich gewohnt, als ich mit der Reisegruppe aus St.-Nicholas-on-Sea nach Deutschland kam. Eigentlich wollten wir alle nur zehn Tage bleiben, aber mir wurde klar, dass ich hier etwas gefunden habe, was ich in St.-Nicholas-on-Sea nie hatte – Deutschland ist ein Stück Heimat für mich.

Gott, während ich das hier alles aufschreibe, wird mir klar, dass du ja niemals in St.-Nicholas-on-Sea gewesen bist. Tja, dafür ist es jetzt leider zu spät. Ich habe mit Brian über die Finanzierung gesprochen. Der Kaufvertrag ist unterschrieben. Ich schätze, ich werde ungefähr anderthalb Jahre benötigen, um den Umzug aus UK nach Deutschland abzuschließen und den Gutshof in eine Pension umzubauen. Ja, ich werde hier eine Pension eröffnen. Die Gegend ist wundervoll.

Ich denke, mein Leben wird künftig mehr von meinen Gästen bestimmt.

Wie gerne würde ich das alles hier mit dir teilen. Das mit Brian und mir hat nun mal nicht funktioniert. Aber das muss doch nicht für immer zwischen uns stehen. Melde dich, schreib mir zurück und überleg, ob du mich nicht besuchen willst. Du bist hier jederzeit willkommen.

Fühl dich von mir umarmt ...

Mit zitternden Fingern legte Katie den Füller zur Seite, stützte die Ellenbogen auf den Tisch und vergrub ihr Gesicht in beiden Händen. So verharrte sie eine Weile. Schließlich setzte sie sich mit einem Ruck auf, straffte die Schultern, atmete zwei Mal tief durch und sagte mit leiser, brüchiger Stimme: »Ich habe doch getan, was ich konnte. Ich habe keinen anderen Weg für uns gesehen. Ob du mir irgendwann verzeihen wirst, my dear?«

Gut ein Jahr später, im Frühsommer   

Die Schreibtischlampe warf ihren warmen Schein auf den weißen Holztisch. Obwohl es noch früh am Abend war, hatte Katie die alte Bankerlampe mit ihrem grünen Glasschirm eingeschaltet, denn draußen waren dunkle Gewitterwolken am Sommerhimmel aufgezogen, und über dem Moseltal grollte der erste Donner.

Hoffentlich würde es morgen Mittag nicht regnen. Im Kopf ging Katie die Alternativen durch, sollte der Eröffnungsempfang nicht auf der Terrasse und im Garten stattfinden können. Während der letzten Tage hatte der Juni ihnen angenehme frühsommerliche Temperaturen beschert. Das warme Wetter und die Sonnenstunden waren mehr als willkommen gewesen, die letzten Arbeiten rund ums Haus hatte man problemlos abschließen können. Die Beete waren frisch bepflanzt, eine Malerfirma aus Brennerbach hatte die letzten Fensterrahmen lackiert, Rainer Baumann, Elektromeister aus Wümmerscheid, hatte noch die Außenlampen am Haus und im Garten angeschlossen.

Schwungvoll unterschrieb Katie eine weitere Bestellung. Sie schob die Kappe auf ihren Füller und lehnte sich mit einem leisen Stöhnen zurück. Ihr ganzer Rücken war verspannt.

Sie musste unbedingt wieder mit Yoga anfangen. Yoga, oder überhaupt irgendeine Form von Sport.

Sophie hatte ihr sogar angeboten, sie bei der wöchentlichen Laufrunde mitzunehmen, die sie zusammen mit einer Freundin absolvierte, aber in den zurückliegenden Wochen war für Sport einfach keine Zeit gewesen.

Katie wollte schon zu der Messingkette greifen, mit der man die Schreibtischlampe ausschaltete, als es an der Tür klopfte.

»Herein!«

»Sorry, Katie, ich wollte nur kurz Bescheid sagen, ich bin jetzt mit meinen Sachen durch. Ist bei dir alles in Ordnung?«

Katie nickte lächelnd. »Du meinst, abgesehen von einem Aktenordner voller Rechnungen, einem Stapel Bestellungen, die noch erledigt werden müssen, und Schmetterlingen im Bauch, weil wir morgen eröffnen? Ja, sonst ist alles in Ordnung bei mir, Theo.«

Theo Engels trat näher und klopfte sich die blaue Latzhose ab, bevor er sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch setzte. Mit seinem spitzbübischen Grinsen und den verstrubbelten blonden Haaren wirkte er jünger als Mitte dreißig.

Mit einem abschließenden Blick bedachte Katie den Stapel auf ihrem Schreibtisch. »Wie sehr ich diesen Papierkram hasse.«

»Katie, darf ich dich mal etwas fragen?«

»Klar, schieß los.«

»Was genau hast du eigentlich in deinem vorigen Job gemacht? Du warst ja zuletzt nicht mehr als Köchin tätig, richtig?«

»Stimmt genau. Meine Tätigkeit war davon aber nicht so weit entfernt. Ich hatte einen Job in einer großen Gastronomieschule.«

»Klingt doch perfekt. Hat mit Kochen zu tun, ohne den ganzen Zeitdruck und die anstrengende Arbeit im Stehen.«

»Das war es ja gerade. Es war ein reiner Verwaltungsjob. Ich bin vor Langeweile fast die Wände hochgegangen. Und dann musste ich zusehen, wie andere das gelernt haben, was ich schon konnte. Ich habe das Praktische so sehr vermisst. Selbst mit anzupacken. Die Ärmel hochzukrempeln. Mit Menschen zusammenzuarbeiten.«

Mit einem abgrundtiefen Seufzen schloss Katie kurz die Augen. »Und jetzt ...«

»Also los, Chefin, was bedrückt dein Herz?«

Chefin! Na klar, dachte Katie, ungefähr einen Tag hatte es gedauert, bis sich das klassische Chefin-Angestellten-Verhältnis in Luft aufgelöst hatte. Katie war sowieso keine große Freundin von Hierarchien, die hatte sie schon als Köchin furchtbar gefunden. Ihr war vertrauensvolle Teamarbeit auf Augenhöhe lieber, was viele Chefköche ganz anders sahen. Das war einer der Gründe, warum sie am Ende dann doch nicht weiter unter den großen Namen der internationalen Sterneküche gearbeitet hatte.

Theo war für sie ein wahrer Glücksfall. Katie hatte ein Vierteljahr zuvor, in einem Interview für eines der lokalen Anzeigenblätter, dem Wümmerscheider Boten, über ihre Pensionspläne gesprochen. Dabei hatte sie erwähnt, dass sie natürlich Unterstützung und Angestellte benötige.

Zwei Tage, nachdem der Artikel unter der Schlagzeile Britischer Charme verzaubert Wümmerscheid-Sollensbach erschienen war, hatte sich Theo Engels bei ihr vorgestellt. Katie fand Theo auf Anhieb sympathisch. Vielleicht auch deshalb, weil sein ungewöhnlicher Lebenslauf sie an ihre eigene Vita erinnerte.

Nach seinem Sprachenstudium war Theo zehn Jahre lang durch Europa, die USA und Asien gereist. Der passionierte Handwerker hatte dabei in mehr als einem Dutzend verschiedener Jobs gearbeitet: in Hotels, als Reiseführer, Tauchlehrer, Tischler, Bauarbeiter, als Verpacker in einer Konservenfabrik und Nachrichtensprecher bei einem örtlichen Radiosender.

Zurück in Deutschland hatte Theo zuerst in Köln bei einer Werbeagentur gearbeitet, um schließlich zurück nach Wümmerscheid-Sollensbach zu ziehen und zu heiraten. Theos Frau Martina arbeitete als Lehrerin in Cochem. Seine Gehaltsvorstellungen waren moderat, noch ein Grund mehr, ihn einzustellen. Doch bei aller Sympathie war Katie am Anfang nicht sicher, welche Aufgaben Theo übernehmen sollte. Aber sie wusste, dass sie nicht alles alleine erledigen konnte: Gästebetreuung, Küche, Buchhaltung. Also einigte man sich auf eine eher vage Arbeitsplatzbeschreibung, die irgendwo zwischen Concierge, Haustechniker und Verwalter lag.

Wie sich in den letzten Wochen gezeigt hatte, konnte man dieses weit gefasste Arbeitsfeld auch einfacher zusammenfassen: Theo war zu Katies rechter Hand geworden.

»Was bedrückt mein Herz?«, wiederholte Katie Theos Frage. »Ganz ehrlich, das ist nicht so leicht zu beantworten.«

»Jetzt sag bloß, du hast Lampenfieber, was den morgigen Tag angeht?«, fragte Theo.

»Nein, die Eröffnungsfeier haben wir im Griff. Mir ist nur klar geworden, dass nach der Eröffnung das wirkliche Leben beginnen wird. Ich meine, was, wenn keine Gäste kommen, wenn niemand unsere Zimmer bucht? Haben wir genug Werbung gemacht, immerhin ist jetzt schon Juni, und viele werden ihren Urlaub schon geplant haben.«

»Himmel, so viele trübe Gedanken auf einem Haufen.«

»Weißt du, Theo, mir kommen nur immer dann Zweifel, wenn ich die ganzen Rechnungen und Bestellungen sehe.«

Er lachte leise. »Was kannst du dich glücklich schätzen, dass ich in Sydney mal für drei Monate bei einer wirklich sehr netten Psychiaterin gejobbt habe.«

»Herr Engels, du überraschst mich. Ich dachte, deine Jobs wären mehr handfester Natur gewesen. In deinem Lebenslauf stand nichts davon, dass du auch als Psychiater gearbeitet hast.«

Theo grinste über das ganze Gesicht. »Habe ich auch nicht. Ich habe dort die Veranda gestrichen und ein Vordach gebaut«, er hob die Hand, um mögliche Proteste im Keim zu ersticken, »aber die Fenster standen immer offen. Ich konnte gar nicht anders, als so einiges mitanzuhören, und ich hab mir auf diese Art ein profundes Halbwissen angeeignet.«

»Soso. Und was sagt Herr Doktor Theo Engels zu meinen Sorgen?« Katie beugte sich gespannt vor.

»Klarer Fall von kognitiven Dissonanzen. Du hast einen Sack voll Geld ausgegeben, um diese wunderbare Pension zu eröffnen, und natürlich bleibt da die Sorge nicht aus, ob das Geld auch richtig angelegt ist. Aber«, Theos Tonfall glich plötzlich dem von Professor Bömmel in der berühmten Verfilmung der Feuerzangenbowle, »wir fragen uns: Wat is en Pension? Da stelle mer uns janz dumm. Und da sage mer so. En Pension, dat is en wunnerbares jroßes Haus, wo Jäste jederzeit willkommen sind. Und so en Pension, die hat Erfolg, dat is sozusajen en Naturjesetz.«

Katie lachte schallend. »Was war das denn?«

Theo schaute sie verblüfft an und wechselte wieder in seine normale Tonlage. »Das war eine Anspielung auf einen Film. Jetzt sag bloß, du kennst den Filmklassiker Die Feuerzangenbowle mit Heinz Rühmann nicht. Da gibt es diese berühmte Szene, in der Professor Bömmel seinen Schülern die Dampfmaschine erklärt.«

»Nee, der Titel sagt mir was, den Film habe ich aber nie gesehen.«

»Müssen wir nachholen, unbedingt. Setze ich sofort auf meine innere To-do-Liste. Martina hat die DVD im Schrank stehen. Also demnächst Filmabend bei Engels.« Theo griff in die Vordertasche seiner Latzhose und zog einen Packen Briefe heraus. »Weshalb ich aber eigentlich sicher bin, dass deine kognitiven Dissonanzen unbegründet sind, ist das hier. Ich habe unseren Briefkasten geleert und wie vereinbart vorsortiert. Ich denke, du musst dir keine Sorgen machen, wir haben Rückmeldung von dem Reiseveranstalter, mit dem ich diesen Deal eingefädelt hatte. Du erinnerst dich, die sorgen für Werbeanzeigen in der Presse und online, wir stellen kostenlos ein Familienzimmer zur Verfügung.«

»Klar erinnere ich mich. Das hat also geklappt? Super!«

»Und wir haben sechs feste Buchungen, plus ein Dutzend weitere Anfragen, darunter mehrere Reiseveranstalter für Bustouren und ein paar Vereine. Ich habe alles schon im Computer erfasst, kannst du dir morgen ansehen. In den nächsten Wochen bleiben schon mal nicht viele Zimmer frei.«

Katie stieß ein erleichtertes Seufzen aus. »Gott, bin ich froh, dann hat es sich ja doch gelohnt, dass ich nicht alle Eier in einen Korb gelegt habe.«

Theo stutzte. »Was?«

»Ja, das sagt man so in England. Don't put all your eggs in one basket. Sag bloß, so ein Sprichwort gibt es nicht in Deutschland?«

»Ach, du meinst, wir haben nicht alles auf eine Karte gesetzt.«

»Ja, genau.«

Theo stand auf und legte den dicken Stapel Briefe auf den Schreibtisch. »Nicht alle Eier in einen Korb, guter Spruch.« Er grinste. »Ach ja, und dann ist da noch ein Brief, der aus England wieder zurückgekommen ist. Delivery refused steht drauf, das bedeutet doch ›Annahme verweigert‹, nicht wahr?«

Katie warf einen Blick auf den Umschlag und zuckte zusammen, als sie ihre eigene Handschrift auf dem Umschlag erkannte.

»Vielleicht war die Postleitzahl falsch oder so. Soll ich die Adresse mal für dich überprüfen?«, bot Theo an. »Oder es war zu wenig Porto drauf?«

»Nein, nein, lass nur. Danke.« Katie errötete und winkte hastig ab. »Ich kümmere mich selbst darum.«

»Wie du willst.« Gleichmütig zuckte Theo mit den Achseln. Solche Kleinigkeiten konnten ihn nicht aus der Ruhe bringen. »Ich mach jetzt Feierabend. Morgen werde ich übrigens dann mal keine Latzhose anziehen.«

Mit einem dankbaren Lächeln quittierte Katie den Themenwechsel. »Wir fangen um elf Uhr an.«

»Weiß ich doch. Ich bin um acht Uhr hier, dann können wir die letzten Vorbereitungen treffen.« Theo ging zur Tür.

»Ach, Theo?«

»Ja?«

»Danke für alles, auch für die psychologische Hilfe und Professor Bömmel.«

Theo verbeugte sich. »Et is mir ene Ehre, jnädige Frau.«

Vorbereitungen   

Über das Wetter hätte sie sich keine Sorgen zu machen brauchen. Katie war früh aufgewacht, schnell in ihre Jeans und ein T-Shirt geschlüpft und trat nun barfuß nach draußen auf die Terrasse. Prüfend schaute sie sich um und schnupperte. In der Luft lag ein leichter Duft von frisch gemähtem Gras. Irgendwo weit entfernt rief ein Kuckuck. Die schwülwarmen Temperaturen vom Vortag waren mit dem nächtlichen Gewitter verschwunden. Der Himmel spannte sich blau über das Moseltal, ein leichter Wind trieb ein paar Schäfchenwolken über den Himmel, und es war angenehm frisch.