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Sophie im Glück! Ihr Leben läuft gerade einfach großartig - in Peter hat sie ihren Traummann gefunden und mit Tante Dottis Bistro konnte sie einen Traum verwirklichen. Die bevorstehende Adventszeit verspricht stressig zu werden, aber Sophie ist zuversichtlich, dass sie alles im Griff haben wird. Doch weit gefehlt: Ausgerechnet kurz vor Weihnachten kommt es zu einem großen Streit mit Peter, und Sophies Leben steht plötzlich Kopf. Zu allem Überfluss melden sich beide Dörfer, Wümmerscheid und Sollensbach, zum großen Wettbewerb "Das schönste Weihnachtsdorf" an und beginnen einen unerbittlichen Kleinkrieg - und Sophie steckt mittendrin.
Die winterliche Fortsetzung des Erfolgsromans "Das kleine Café an der Mühle" - mit allen kauzigen und liebgewonnen Bewohnern von Wümmerscheid-Sollensbach. eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
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Seitenzahl: 301
Cover
Weitere Titel der Autorin
Über dieses Buch
Über die Autorin
Titel
Impressum
Widmung
Zitat
Ein ganz normaler Novembermorgen
Dienstag, 20. November, irgendwann vor Mitternacht
Hochbetrieb
Eine Weihnachtsfeier kommt selten allein
Endlich Feierabend!
Eine Idee
Rita
Ein neuer Kaminofen
Zwei Vereine – ein Plan
Ein Stall wird verschönert
Samstag, 24. November
Der Überraschungsbesuch
Eine Bitte, die man nicht abschlagen kann
Wo die Weihnachtsbäume sind
Zwei, die alles im Griff haben
Zimmer frei
Der Brief
Unterschiedliche Ansichten
Leonie kommt an
Im Mühlenhof
Willkommen in Wümmerscheid-Sollensbach
Ein Abend unter Freunden
Will ich das wissen?
Von wegen Freizeit
L’amour
Am Abend
Samstag, 1. Dezember
Der Kampf um die Goldene Weihnachtskerze
Rachegelüste
Marie macht Weihnachtsstimmung
Es brodelt ...
Leonie schmiedet Pläne
Revanche
Telefonat mit Peter
München ist nicht Wümmerscheid-Sollensbach
Heiße Schokolade mit Rum
Positiv, was heißt hier positiv?!
Donnerstag, 13. Dezember
Und bringen Sie etwas Zeit mit
Einkäufe
Ein Machtwort
Sonntag, 16. Dezember, abends
Etwas fürs Familienalbum
Rückfahrt
Falsch gedacht
Dienstag, 18. Dezember
Katerstimmung
Heidi braucht einen Schutzengel
Jean-Pierre schlägt Alarm
Rettung
Marie
Die Suche
Im Weihnachtsdorf
O du fröhliche
Epilog
Danksagung
Rezepte
Weihnachtsküsse von Karin Faber-Robenek
Engelshaufen und fabelhafte Schokomakronen von Matthias Schulte
Engelsaugen von Florian Schulte
Schmalzplätzchen von Ulrike Neubert
Gewürzprinten von Susanne Amft
Weihnachtsküsse à la AnkerBuch
Das kleine Café an der Mühle
Frühlingsglück im kleine Café an der Mühle
Sommerzauber auf der kleinen Insel
Sophie im Glück! Ihr Leben läuft gerade einfach großartig – in Peter hat sie ihren Traummann gefunden und mit Tante Dottis Bistro konnte sie einen Traum verwirklichen. Die bevorstehende Adventszeit verspricht stressig zu werden, aber Sophie ist zuversichtlich, dass sie alles im Griff haben wird. Doch weit gefehlt: Ausgerechnet kurz vor Weihnachten kommt es zu einem großen Streit mit Peter, und Sophies Leben steht plötzlich Kopf. Zu allem Überfluss melden sich beide Dörfer, Wümmerscheid und Sollensbach, zum großen Wettbewerb »Das schönste Weihnachtsdorf« an und beginnen einen unerbittlichen Kleinkrieg – und Sophie steckt mittendrin.
Andreas J. Schulte ist freier Journalist und Autor. Christine Schulte hat bereits in ihrer Schulzeit zusammen mit einer Freundin ihren ersten Roman verfasst und arbeitet heute als technische Redakteurin. Das Ehepaar lebt mit seinen beiden Söhnen seit 25 Jahren in einer alten Scheune zwischen Andernach und Maria Laach. Unter dem Pseudonym Barbara Erlenkamp schreiben sie zusammen moderne, humorvolle Frauen- und Unterhaltungsromane. 2018 ist ihr erster Roman −Das kleine Café an der Mühle« erschienen.
Barbara Erlenkamp
beHEARTBEAT
Originalausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Clarissa Czöppan
Lektorat/Projektmanagement: Anna-Lena Meyhöfer
Covergestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de
Unter Verwendung von Motiven von © iStockphoto: Borchee | Iryna Shkrabaliuk | zeremski | Smileus
eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 978-3-7325-7425-4
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
Für unsere Freundinnen und Freunde.
Ihr seid großartig.
In guten Zeiten Händchen halten können wir alle. In schlechten Zeiten nicht mehr loslassen, ist das, was wichtig ist.
(Unbekannter Autor)
Träge und grau erwachte der Tag. Ein trüber Novembermorgen, der es auf keine Bildpostkarte geschafft hätte. Doch trotz der Nebelschwaden, die es der aufgehenden Sonne schwer machten, und selbst im milchigen Licht des frühen Morgens sah der Mühlenhof wunderschön aus. Die alten Steine des Hauses strahlten eine bemerkenswerte Ruhe aus, der goldene Lichtschimmer hinter den halb zugezogenen Vorhängen versprach eine wohlige Wärme. Zufrieden seufzte Sophie leise und schmiegte sich noch tiefer in Peters Umarmung.
»Ist dir kalt, Schatz?«, fragte Peter.
»Nein ... nicht wirklich.« Sophie zog ihren kuscheligen dunkelblauen Wollschal fester. »Gut, ich hätte nichts gegen einen großen Milchkaffee, aber dafür ist gleich noch Zeit. Ich will das hier noch kurz genießen. Schau doch nur, wie einladend mein Haus aussieht. Genau die Sorte Haus, die man im Vorbeigehen sieht und sich wünscht, man könne hineingehen.«
Peters Hund war ein Stückchen vorgelaufen, wieder zu dem stehenden Paar zurückgekehrt, wartete ungeduldig, um sich dann erneut in Bewegung zu setzen. Stehen zu bleiben und den Anblick eines erleuchteten Hauses zu genießen war für einen Labradoodle, der noch kein Frühstück bekommen hatte, keine Option.
Sophie hatte ein Einsehen. »Komm, wir gehen weiter. Herr Württemberg will sein Morgenfressen, und ich freu mich auf einen Kaffee.«
Die beiden schlenderten den Kiesweg zum Mühlenhof entlang. Das anheimelnde alte Haus lag weit oberhalb der beiden Dörfer und hatte in Sophies Augen den Charme eines englischen Cottages. Selbst jetzt, kurz nach sieben Uhr, an einem grauen Morgen, durchströmte sie beim Anblick des Hauses ein unbändiges Glücksgefühl. Oder war es Peters Nähe, seine Wärme? Wahrscheinlich beides, dachte Sophie.
»Du hast in den letzten Monaten Unglaubliches geleistet«, riss Peter sie aus ihren Gedanken. »Eigentlich müsstest du dir eine Auszeit nehmen.«
»Ja, schön wäre es, aber jetzt beginnt die Vorweihnachtszeit, da kann ich unmöglich das Bistro schließen.«
»Da hast du wahrscheinlich recht. Und ich muss zu dieser blöden Konferenz nach München. Am liebsten würde ich hierbleiben und dir helfen.«
Sophie schaute Peter an. Mit seinem Dreitagebart und dem vollen braunen Haar erinnerte er sie immer ein wenig an Ryan Reynolds. In seinen Augen schimmerte aufrichtige Besorgnis. Besorgnis, Zärtlichkeit und Fürsorge, verbesserte sich Sophie im Stillen. Laut sagte sie: »Fahr du nur. Ich werde mir hier mit Herrn Württemberg ein paar nette Tage machen.« Beim Klang seines Namens kläffte der Hund einmal leise. »Ich bin nur ein bisschen müde, das geht doch jedem so im November. Und was das Bistro angeht, wird schon nichts Außergewöhnliches passieren, das habe ich im Griff.« Selbst in ihren eigenen Ohren klang das fast ein wenig trotzig und nach Pfeifen im Walde, fand Sophie. Aber im Grunde stimmte es. Sie hatte das Bistro gegen alle Widerstände zum Erfolg geführt, und so würde sie auch weitermachen.
»Nichts anderes hatte ich erwartet, Schatz«, sagte Peter mit einem Lächeln in der Stimme und küsste sie sanft.
»Apropos Herr Württemberg, wo steckt der Kerl eigentlich wieder? Gerade eben war er doch noch da.« Peter pfiff einmal laut, und aus einem entfernten Gebüsch kam als Antwort ein vergnügtes Bellen. Der Labradoodle hatte seine ganz eigene Vorstellung von einem Morgenspaziergang, kam aber gehorsam angerannt und ließ sich freudig hechelnd von Peter den Kopf kraulen.
»Schön, dass du so früh mit mir aufgestanden bist, Sophie. Ich fahr dann auch gleich los, damit ich rechtzeitig das Flugzeug erwische. Lass uns telefonieren, ja? Ich bin auf jeden Fall am Samstag zurück.«
Sophie blickte zu Peter hoch, der einen guten halben Kopf größer als sie war, reckte sich und küsste ihn leidenschaftlich. »Damit du nicht vergisst, was dich hier bei deiner Rückkehr erwartet«, erklärte sie lächelnd.
»Wir könnte ich das je vergessen.« Peter zog Sophie an sich und hielt sie fest umarmt. »Pass auf dich auf, Sophie«, murmelte er in ihr Haar, bevor er die Umarmung löste und in sein Auto einstieg. Mit einem kurzen Hupen rollte der Wagen durch die Einfahrt in der Bruchsteinmauer. Herr Württemberg lief noch ein kurzes Stück hinter dem Wagen her, bevor er ein empörtes Jaulen ausstieß, weil er nicht mitgenommen worden war.
»Nun komm schon her. Peter ist ja nur eine knappe Woche unterwegs. Na komm, Herr Württemberg, es wird Zeit für ein Frühstück«, rief Sophie. Der Hund gehorchte ihr aufs Wort, rannte hechelnd zu ihr zurück.
Als Sophie die Haustür aufschloss, drehte sie sich noch einmal um und sog das Bild dieses frühen Morgens in sich auf. Sophie hätte in diesem Moment mit niemandem auf der Welt tauschen mögen.
Wümmerscheid-Sollensbach! Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal hier landen würde.
Seit mehr als einem Jahr bin ich nun hier. Tschüs, Hamburg, willkommen, Wümmerscheid-Sollensbach. War das wirklich erst im Spätsommer letzten Jahres? Mir kommt mein altes Leben in Hamburg so unendlich fern vor. Es scheint eine Ewigkeit zurückzuliegen. Okay, das mit dem Willkommen kann man wohl getrost für die ersten Monate streichen.
Selbst heute, nach mehr als einem Jahr, staune ich über die Sturheit, mit der die Wümmerscheider und die Sollensbacher auf ihren jeweiligen Dorftraditionen beharren. Dabei sind das Nachbarn! Und Zugezogene werden auch nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Was es da in manchen Köpfen an Vorurteilen gibt, geht auf keine Kuhhaut. Zum Glück ist Peter da anders.
Ach, Peter fehlt mir. Peter ist auf einer Tagung in München. Er kommt erst am Wochenende zurück. Wir haben uns gerade am Telefon Gute Nacht gesagt, aber ich kann noch nicht einschlafen.
Aber zum Glück gibt es nicht nur Peter, sondern auch noch Heidi, Karin und Rita. Ja, Dotti, mit diesen drei Frauen hast du mir deine besten Freundinnen vermacht, und sie sind alle drei auch meine Freundinnen geworden, trotz des Altersunterschieds. Manchmal glaube ich fast, dass ich für die drei so etwas wie eine Ersatztochter bin, die sie beschützen müssen.
Und nun sitze ich hier und wundere mich darüber, dass ich in den letzten Monaten kaum noch etwas in dieses Tagebuch geschrieben habe. Aber wie hätte ich das auch schaffen sollen! Wir haben im Bistro so viel zu tun, dass ich froh bin, am Ende eines Abends die Beine hochlegen zu können. In den letzten Tagen war es besonders schlimm, am liebsten hätte ich mich mittags für ein kurzes Schläfchen verzogen. Es wäre wohl besser, mal einen Gang runterzuschalten, mir eine kleine Auszeit zu gönnen. Aber dann sehe ich wieder, was noch alles getan werden muss, und ich freue mich über den Zuspruch und die vielen Gäste. Da kann ich doch nicht einfach Pause machen. Genau für diesen Erfolg habe ich schließlich monatelang gekämpft.
Mir geht heute Abend so vieles durch den Kopf. Ich bin total müde nach der Arbeit, und trotzdem finde ich noch keine Ruhe. Wenn ich meine Gedanken aufschreibe, werden sie immer gleich ein bisschen klarer. Irgendwie habe ich dann das Gefühl, dass ich sie mit dir teile. Nicht wahr, Dotti, das spürst du doch auch?
Ach Dotti, hast du dir das so vorgestellt, als du mir deinen Mühlenhof und das Café vererbt hast? Du wolltest, dass ich das Café mindestens fünf Jahre lang betreibe. Fünf Jahre, wahrscheinlich war das in deinen Augen der kürzeste Zeitraum, um hier überhaupt ... na ja, sagen wir mal, Fuß zu fassen.
Dotti, du fehlst uns allen schrecklich. Bald beginnt die Adventszeit. Wenn es draußen stürmt oder regnet, stehe ich am liebsten in der Küche und backe eines deiner Kaffeekuss-Rezepte nach. Dann zieht der warme Duft von Teig und heißer Schokolade durch das Haus – herrlich. Das waren immer die Tage, die du am meisten mochtest. Tage voller Gemütlichkeit hast du sie immer genannt, weißt du noch? Manchmal habe ich das Gefühl, du sitzt bei mir in der Küche und lächelst glücklich. Gut, dass ich das nur aufschreibe und keinem erzähle ... Jetzt fallen mir doch die Augen zu.
Gute Nacht, Dotti, wo immer du gerade bist.
»Ja, den Lauch für den Flammkuchen schneiden wir immer in feine Ringe.«
Sophie unterdrückte ihre Ungeduld und versuchte, das Mikrofon, das knapp über ihrer Nase baumelte, zu ignorieren.
»Pardon, Monsieur, ich müsste kurz an den Herd da vorne.«
Louis Garbon rückte seine weiße Kochmütze gerade und schob sich an dem Kameramann vorbei. Die Küche im Mühlenhof bot eigentlich genug Platz. Zumindest hatte Sophie das bisher immer gedacht, aber das vierköpfige Fernsehteam stand unweigerlich immer am falschen Platz und wollte natürlich auch einen optimalen Blickwinkel auf das jeweilige Geschehen haben.
»Oh, merde, so viel Salz ... jetzt muss ich die Eiersahne noch einmal anrühren.«
»Sorry, ich wollte Sie nicht anrempeln.«
»Sophie, bitte, ich muss die Gerichte für heute Mittag kochen. Aber so werde ich unmöglich fertig.«
Sebastian Krüger, der bekannte Fernsehmoderator, lächelte milde, als er Louis‹ Klage hörte.
»Ich denke, wir können das Schlussinterview auch draußen vor dem Haus aufzeichnen, Frau von Metten. Kommt, Jungs, wir lassen Monsieur Garbon jetzt mal in Ruhe.«
Sophie verdrehte hinter dem Rücken des TV-Moderators die Augen und lächelte Louis aufmunternd zu. »Wir sind draußen, du hast die Küche wieder für dich.«
***
»Kamera?«
»Läuft!«
»Ton?«
»Glasklar, Basti.«
»Abschlussaufsager, Tante Dottis Bistro, die Erste. Und bitte, Basti.«
»Tante Dottis Bistro ist eine Offenbarung für alle, die die französische Landküche lieben. Doch was die junge Besitzerin, Sophie von Metten, ihren Gästen bietet, ist mehr als nur das, was man bei unseren französischen Nachbarn in den kleinen Landgasthöfen so schätzt. Frau von Metten, wie kamen Sie auf dieses Konzept?«
»Das Konzept habe ich zusammen mit Heidi Schwarzbeck entwickelt.«
»Eine der Spitzenköchinnen in Deutschland, die sich allerdings aus dem Rummel rund um die Sterneküche zurückgezogen hat, wenn ich das kurz anmerken darf.«
»Genau. Heidi war eine gute Freundin meiner verstorbenen Tante, der Vorbesitzerin des Mühlenhofes. Meine Tante hat hier früher ein Café betrieben.«
»Doch damals war das nur ein kleines Café, nicht wahr? Erzählen Sie doch mal.«
»Nun, eigentlich gibt es da nicht viel zu erzählen. Ich habe den Mühlenhof letztes Jahr geerbt, und ich habe mich nach einigem Nachdenken entschieden, das Erbe anzunehmen. Heidi Schwarzbeck hat dann einen guten Freund gebeten, mir zu helfen. Gemeinsam haben wir den französischen Koch Jean-Pierre Garbon hierher an die Mosel holen können, der mir in den ersten Monaten zur Seite stand. Heute arbeitet sein Neffe Louis bei mir in der Küche.«
»Gut, dass Sie das ansprechen, Frau von Metten, Jean-Piere Garbon ist ja nicht irgendein Koch, er betreibt in unserem Nachbarland zahlreiche Bistros und hat bereits für den Staatspräsidenten gekocht.«
»Ja, umso überraschter war ich, als Jean-Pierre sich für mich Zeit genommen hat. Drüben in Frankreich kennt ihn fast jedes Kind, weil er auch Koch der Fußballnationalmannschaft gewesen ist und mehrere Jahre lang eine eigene Fernsehsendung hatte.«
Die Antworten kamen Sophie flüssig über die Lippen, aber sie musste sich sehr konzentrieren. Bei einem Zeitungsinterview konnte man wenn nötig kurz innehalten, doch das hier war etwas anderes. Schon der ganze Vormittag war anstrengend gewesen. Dieses Abschlussinterview setzte allem die Krone auf. Sophie fand es stressig, spontan auf Fragen zu antworten. Unpassenderweise schoss ihr während der Aufzeichnung durch den Kopf, ob sie nicht vielleicht doch die Stehkragenbluse mit den kleinen Punkten hätte anziehen sollen, aber jetzt war es für alle Kleidungsfragen ja längst zu spät. Was man aber nicht vergessen durfte: Kulinarisch unterwegs wurde landesweit ausgestrahlt, das würde eine wunderbare Werbung für das Bistro sein. Sophie riss sich zusammen und achtete auf die nächste Frage.
»Nun erzählen Sie uns doch mal, wo lagen für Sie die größten Herausforderungen? Ist alles von Anfang an glattgelaufen?«
»Na ja«, Sophie lachte leise. »Der Anfang war ein bisschen holprig. Sehen Sie, mein Mühlenhof liegt genau zwischen den Dörfern Wümmerscheid und Sollensbach, beide Dörfer bestehen auf ihrer ... ähm ... Eigenständigkeit, auch wenn sie offiziell ein Ort sind. Daher gab es am Anfang nur wenige Gäste, aber zum Glück änderte sich das nach einer Weile.«
»Und wie ist es heute?«
»Heute habe ich fast täglich Mittagsgäste aus dem Brennerbacher Seminarzentrum des Bistums Trier, und auch abends sind wir an vielen Tagen so gut wie ausgebucht. Jetzt, Ende November, haben wir viele Anfragen von Vereinen und Betrieben. Die denken schon an ihre Weihnachtsfeiern. Ich bin sehr froh und dankbar, dass Tante Dottis Bistro zwischen Mosel und Eifel eine feste Größe geworden ist.«
»Herzlichen Dank, Frau von Metten. Nun, liebe Zuschauer, unser Fazit: Man kann Sophie von Metten für das, was sie mit Tante Dottis Bistro auf die Beine gestellt hat, nur Respekt zollen. Hier wird die neue deutsch-französische Landküche zelebriert. Wir vergeben fünf von fünf goldenen Kochlöffeln.« Der Moderator wandte sich lächelnd zur Kamera. »Und damit verabschiede ich mich für heute von Ihnen. Kulinarisch unterwegs ist in zwei Wochen in der Eifel, genauer gesagt in der Nähe von Monschau, zu Gast. Mehr verrate ich Ihnen noch nicht. Mein Name ist Sebastian Krüger – machen Sie es gut und genießen Sie den Tag.«
»Und Cut!«
»Okay, Jungs, alles im Kasten. Oder soll ich den Schluss noch mal machen, nur so zur Sicherheit?«
»Nee, Basti, war gut. Ton war klasse.«
»Bild auch. Ich filme gleich noch ein paar Schnittbilder vom Haus und der Umgebung, aber dann sind wir durch.«
»Fein.« Sebastian Krüger drehte sich zu Sophie um. »Sehen Sie, Frau von Metten, das ging doch ganz fix, und Sie müssen zugeben, Sie haben kaum bemerkt, dass wir da waren.«
Sophie lächelte höflich und atmete unmerklich auf. »Fix« und »kaum bemerkt, dass wir da waren« waren die Untertreibungen des Jahres. Während der letzten drei Stunden war der bekannte Fernsehmoderator nicht von ihrer Seite gewichen. An normale Arbeit war gar nicht zu denken gewesen, obwohl die Fernsehleute genau das hatten miterleben wollen. Aber wie sollte man in aller Ruhe Gemüse putzen, wenn die ganze Zeit eine Kamera jeden Handgriff aufzeichnete? Und wenn die Kamera gerade einmal nicht gelaufen war, hatte Sebastian Krüger weiterhin unaufhörlich Fragen gestellt – »off record«, wie er es genannt hatte, aus reiner Neugierde. Das war zwar nicht mitgeschnitten worden, hatte aber trotzdem abgelenkt.
»Meinen Sie wirklich, meine Antworten waren ausreichend?«, fragte Sophie mit einem Anflug von Selbstzweifel.
Sebastian Krüger breitete lächelnd die Arme aus: »Aber natürlich, Frau von Metten, Sie waren großartig. Die Kamera liebt Sie, nicht wahr, Dennis?«
Dennis, ein bärtiger Mittdreißiger, der den ganzen Vormittag über kaum mehr als vier Sätze gebrummelt hatte, schaute von seinem Ausrüstungskoffer hoch.
»Mhm. War super!«
»Da hören Sie es. ›War super‹ ist ein großes Lob von Dennis, der ist nicht so geschwätzig wie ich. Was mein Kollege wirklich sagen will, ist, dass wir uns bei Ihnen sehr wohlgefühlt haben. Und diese kleinen gefüllten Teigdinger ...«
»Die Kaffeeküsse?«
»Genau, herrlicher Name. Also, die waren geradezu sensationell.«
»Ein Rezept meiner verstorbenen Tante, Herr Krüger. Freut mich, dass sie Ihnen geschmeckt haben.«
»Ich würde zu einem weiteren Kaffeekuss zusammen mit einem Cappuccino nicht Nein sagen, vor allem, da mein Team noch ein paar Minuten mit dem Einpacken verbringen ...«
»He Sie, gehören Sie zu diesen Fernsehfritzen? Da parkt ein großer Transporter auf meiner Wiese.«
Die keifende Stimme, die von der Durchfahrt in der Bruchsteinmauer bis zu ihnen hinüberschrillte, ließ Sophie aufstöhnen. Es gab keinen Zweifel: Ein kleiner, sehr dicker Mann mit einer abgewetzten Arbeitshose, schweren Gummistiefeln, kariertem Hemd unter der Daunenweste und einem Cordhut auf dem Kopf stapfte den Kiesweg herauf. Erwin Körten-Buschmeier, Nachbar und Meister der miesen Laune, gab sich die Ehre. Zu ihrem Schrecken sah Sophie, dass er eine Schrotflinte in der Armbeuge trug. Das war neu, bislang hatte Körten-Buschmeier immer nur lautstark gegen alles und jeden gewettert.
»Guten Tag, Herr Körten-Buschmeier, die Fernsehleute sind jetzt fertig. Bestimmt werden sie gleich das Auto ...«
»Nix gleich, jetzt, auf der Stelle, aber zackig. Der eine Vorderreifen ist nur so ‘n Stück vom neuen Rasen entfernt, den ich erst im September frisch gesät habe.«
Erwin Körten-Buschmeier zeigte mit Daumen und Zeigefinger eine Entfernung von nicht mal zehn Zentimetern an.
»Hab den Transporter unten an der Straße geparkt, als wir die Totalen von der Umgebung gemacht haben«, erklärte Dennis, der Kameramann.
Das war ja schon fast ein vollständiger, zusammenhängender Satz, dachte Sophie amüsiert. Und was die Beschwerde ihres schrulligen Nachbarn betraf, sie hatte längst aufgehört, sich über ihn zu wundern. Körten-Buschmeier wohnte ein paar hundert Meter weiter unten an der Straße, trotz der Entfernung war er damit sozusagen der nächste Nachbar des Mühlenhofes. Meckern gehörte zu ihm, genau wie sein speckiger Cordhut. In Sollensbach – hatte Sophie erfahren – liefen sogar schon Wetten, ob »der Erwin« den Hut auch im Bett trug. Darüber wollte Sophie allerdings lieber nicht nachdenken.
»Was is‘ jetzt? Habt ihr TV-Heinis vor, hier Wurzeln zu schlagen, oder was?« Drohend hob Körten-Buschmeier die Schrotflinte.
»Hören Sie, guter Mann, mein Kameramann hat unseren Wagen sicher nicht auf Ihrem Rasen geparkt, davon bin ich überzeugt. Dennis?«
»Joh, der Wagen steht am Straßenrand, neben dem Gartenzaun.«
Erwin Körten-Buschmeier schnappte nach Luft. Sein Gesicht verfärbte sich dunkelrot. »Hah, ihr habt ja alle keine Ahnung. Straßenrand? Von wegen, das ist direkt an meiner Grundstücksgrenze!«
»Die wir nicht überschritten haben, Herr Köten-Buch...«
»Körten-Buschmeier, Sie Flimmerkisten-Fatzke. Glauben Sie nicht, ich würd Sie nicht kennen. ›Kulinarisch Dingenskirchen‹, so heißt doch die Sendung. In Wirklichkeit futtern Sie sich doch vor der Kamera nur durch die Speisenkarten, um dann güldene Löffel zu vergeben. Kulinarisch, dass ich nicht lache! TV-Schmarotzer! So, und jetzt ist genug gequatscht, jetzt heißt es Abgang, die Herren.«
Im Angesicht eines Doppellaufs verzichtete Sebastian Krüger auf weitere Diskussionen. Er gab seinen drei Kollegen einen kurzen Wink.
»Ich muss schon sehr bitten. Kulinarisch unterwegs ist eine der renommiertesten Sendereihen ...«
»Ich zähl bis drei. Eins!«
»Nun, wir wollen diesen schlecht gelaunten Herrn doch nicht länger warten lassen«, murmelte der Moderator beschwichtigend in Richtung seiner Begleiter.
»Zwei!«
In diesem Moment hastete ein junger, blonder Polizist die Auffahrt hoch. »Hab ich mir’s doch gedacht«, stieß er schwer atmend hervor. »Sag mal, Erwin, bist du jetzt völlig durchgedreht? Wir haben drei Notrufe bekommen, dass am Mühlenhof ein dicker Mann in Gummistiefeln und mit Cordhut bewaffnet durch die Gegend läuft. Nach den Beschreibungen hab ich gleich gedacht, das klingt nach Erwin. Und als ich dich unten im Haus nicht angetroffen habe, war mir klar, dass du hier stecken musst.« Er beugte sich vor und stützte sich kurz mit den Händen auf den Knien ab, um wieder zu Atem zu kommen.
»So, jetzt geht’s schon wieder. Schluss mit High Noon, und her mit der Schrotflinte! Du kannst froh sein, wenn Sophie dich nicht anzeigt.«
Widerwillig ließ Erwin Körten-Buschmeier das Gewehr sinken. Der Polizist nahm es ihm vorsichtig aus der Hand.
»Ist ja gar nicht geladen,« murmelte Körten-Buschmeier, »ich wollte ja nur, dass die von meinem Rasen verschwinden.«
»Erwin, diesmal hast du es wirklich zu weit getrieben. Das Gewehr behalte ich erst einmal, und über den Rest reden wir später ausführlich. So, Abgang. Sorry, Sophie, ich wollte nicht die Dreharbeiten aufmischen, von denen du vorgestern erzählt hast.«
»Schon gut, Christian. Wir sind eben fertig geworden. Ach, Herr Körten-Buschmeier, ich hoffe, dass Ihr Rasen nichts abbekommen hat.«
Der Angesprochene schaute finster drein und trat mit einem gemurmelten »Pah, Fernsehfritzen« den Rückzug an.
Sebastian Krüger seufzte erleichtert. »Junge, Junge, hier herrschen ja raue Sitten.«
»Willkommen in Wümmerscheid-Sollensbach«, erwiderte Sophie und lächelte ein wenig gequält. »Holen Sie doch das Auto, ich mache schon mal Cappuccino für alle.«
»Zwei Weißwein, eine Apfelschorle und ein großes Wasser an Tisch zwei. Tisch drei möchte einen Cappuccino, drei große Milchkaffee und die Kuchenkarte.« Sophie klemmte die Zettel mit den Bestellungen an die Magnetleiste und trank einen Schluck Wasser aus ihrem Glas. Melanie begann sofort mit dem Vorbereiten der bestellten Getränke.
»Chefin, kannst du wohl die Milchkaffee übernehmen? Die Flammkuchen für den Fünfertisch sind gleich fertig.«
Sophie stellte das Glas zur Seite. »Klar, lass die bestellten Essen nicht kalt werden, sonst ist Louis wieder todunglücklich.«
Melanie arbeitete jetzt seit vier Monaten bei ihr. Die schlanke 19-Jährige mit der blonden Wuschelmähne und dem Nasenpiercing wartete auf ihren Medizin-Studienplatz und hatte bereits in ein paar Ausflugslokalen unten an der Mosel gejobbt. Sophie wollte sich gar nicht vorstellen, ohne sie auskommen zu müssen. Insgeheim hoffte sie, dass es mit dem Medizinstudium noch eine Weile dauern würde. Das war zwar gegenüber Melanie ungerecht, aber gerade zur Mittagszeit war die zusätzliche Servicekraft eine unglaubliche Erleichterung.
Während der Espresso gurgelnd in die Tassen lief und Sophie Milch aufschäumte, schaute sie sich in ihrer Küche um und warf einen Blick durch die Durchreiche in den Gastraum. Jetzt, wo alle wieder ungestört arbeiten konnten, herrschte hier die Stimmung, die sie so liebte. Es war wie eine gut geölte Maschine, in der die einzelnen Zahnräder exakt ineinandergriffen. Das TV-Team war wie Sand im Getriebe gewesen.
Sophie stellte die Getränke auf ein Tablett und platzierte es vor der Durchreiche.
»Chefin, Telefon!«
Sie eilte aus der Küche und nahm das schnurlose Telefon entgegen. »Melanie, der Cappuccino und die drei Milchkaffee sind fertig«, flüsterte sie, dann sagte sie laut, »Tante Dottis Bistro, Sie sprechen mit Sophie von Metten, guten Tag«.
»Frau von Metten, Johannes Braubart hier.«
»Hallo, Herr Braubart.«
»Ich würde gerne für die Wahren Freunde Wümmerscheids einen Tisch für sechs Personen reservieren. Morgen Abend, um sieben.«
»Die Wahren Freunde Wümmerscheids, Herr Braubart?«
»Ja, von denen müssen Sie doch gehört haben. Das ist unser Dorfverein.«
»Ähm, also ...«
»Ach, ich vergesse immer, dass Sie ja nicht von hier sind. Nichts für ungut, Frau von Metten. Die Wahren Freunde Wümmerscheids, das ist eigentlich quasi die Regierung von Wümmerscheid. Da werden die wirklich wichtigen Sachen entschieden. Zum Beispiel letztes Jahr, als es darum ging, ob das Kopfsteinpflaster in der Marktgasse erneuert werden soll, da haben wir dafür gesorgt, dass die schönen alten Pflastersteine gereinigt und neu verlegt wurden. Wenn es nach den Behörden gegangen wäre, hätte man alles mit Betonsteinen neu gemacht.«
»Verstehe.« Sophie versuchte, das Gespräch wieder auf den eigentlichen Anlass des Anrufs zu lenken. »Und wie kann ich Ihnen helfen, Herr Braubart?«
»Wir brauchen Asyl, Frau von Metten. Will sagen, wir brauchen einen Tisch, um ungestört eine Sondersitzung abzuhalten. Einen Tisch für sechs.«
»Ach so. Warten Sie bitte kurz, Herr Braubart, ich schau gleich nach.« Sophie blätterte im Reservierungsbuch eine Seite weiter. »Neunzehn Uhr sagten Sie? Das passt, ich reserviere Ihnen den Tisch hinten am großen Fenster.«
»Prima! Und da wären wir dann auch unter uns?«
Sophie schloss kurz die Augen. Johannes Braubart, seines Zeichens Metzgermeister in Wümmerscheid, kannte den großen Gastraum des Bistros in- und auswendig. Schließlich hatte im letzten Jahr seine Tochter Jennifer hier ihre Hochzeit gefeiert. Sophie überlegte, wie sie ihm möglichst diplomatisch erklären konnte, dass es in einem Gastraum ohne Stellwände und Nischen schwierig sein würde, mit sechs Personen unter sich zu bleiben.
»Sie müssen nämlich wissen, Frau von Metten, dass wir nicht ohne Grund bei Ihnen zusammenkommen. In Wümmerscheid haben die Wände Ohren, zumindest die Wände im Eichenkrug. Sie verstehen, was ich meine?«
Nein, Sophie verstand nicht, was Braubart da andeutete. Der Gasthof zum Eichenkrug war, wie sie wusste, der traditionelle Treffpunkt aller Vereine.
»Ich freue mich, wenn Sie morgen Abend zu uns kommen. Aber die Abgeschiedenheit eines Hinterzimmers werde ich Ihnen nicht bieten können.«
»Hinterzimmer, höhö, muss ja auch nicht. Ich sag mal, solange der alte Weibold nicht seine neugierige Nase in unsere Tischrunde steckt, ist mir alles recht. Er soll mal schön zu Hause in seiner Tischlerei in Sollensbach bleiben. Pah! Sollensbach! Der alte Hobelkasper, der wird sich noch umgucken. Dann bis morgen Abend. Tschö, Frau von Metten.«
Wenn man bedachte, dass die Familien Braubart und Weibold durch die Heirat ihrer Kinder seit einem Jahr miteinander verbunden waren, klang das Wort »Hobelkasper« in ihren Ohren schon ziemlich abwertend. Andererseits gab es diese tief sitzende Abneigung zwischen den Wümmerscheidern und den Sollensbachern.
Und so war es für Familie Braubart alles andere als einfach gewesen, als sich ihre Tochter Jennifer ausgerechnet in den jungen Tischler Klaus-Jürgen Weibold aus Sollensbach verliebte. Jemanden aus dem ungeliebten anderen Ortsteil in ihrer Familie willkommen zu heißen war der alteingesessenen Wümmerscheider Familie Braubart alles andere als leichtgefallen.
Alles nicht mein Problem, dachte Sophie und notierte die Reservierung für sechs Personen.
***
Ein Blick zur alten Wanduhr: kurz nach drei. Zeit zum Durchatmen. Sophie streckte den Rücken durch. Ihre kurze Pause am Nachmittag brauchte sie ganz dringend. In den letzten Tagen mehr denn je. Möglicherweise erwischte sie diesen Virus, der gerade umging, ja doch noch. Alle redeten von einer fiesen Magen-Darm-Grippe, zuerst würde man sich schlapp, elend und schwindelig fühlen, und dann – schon bei dem Gedanken – wurde ihr ganz mulmig. Sophie nahm sich vor, morgen in der Apotheke vorbeizuschauen und beruhigende Kräutertropfen für den Magen und ein Fläschchen Desinfektionsmittel für die Hände zu kaufen. Dann könnte sie auch unterwegs immer sicher sein, dass sie sich nicht ansteckte. Es hieß doch immer, es sei wichtig, auf die Keime an den Türklinken zu achten. Wäre doch gelacht, wenn sie diesen Infekt nicht noch abwenden könnte. Als sie durch den Flur ging, hob Herr Württemberg erwartungsvoll den Kopf und stieß ein leises Winseln aus. Sophie hockte sich neben ihn und strich dem Labradoodle durch sein hellbraunes lockiges Fell.
»Ja, dir fehlt Peter auch. Nicht wahr, mein Lieber?«
Ein weiteres leises Winseln klang fast wie Zustimmung. »Okay, ich werde gleich was essen, und dann machen wir einen Spaziergang. Das wird uns beide auf andere Gedanken bringen.«
Zu Beginn, als sie Peter gerade erst kennengelernt hatte, hatte Sophie es albern gefunden, sich mit dem Hund zu unterhalten. Aber mittlerweile war sie fest davon überzeugt, dass er sehr genau spürte, in welcher Verfassung man gerade war.
»Sophie, dein Flammkuchen ist fertig. Ich habe ihn gerade aus dem Ofen geholt. Wenn du magst, voilà, kannst du gleich essen. Melanie könnte schon mal den Tisch decken.« Louis schaute lächelnd aus der Küchentür.
»Lieb von dir, Louis, ich komm gleich zu euch. Gebt mir noch zwei Minuten.«
In den letzten Monaten hatte sich eingebürgert, dass sie sich oft mit Melanie und Louis zu einem späten Mittagessen zusammensetzte, wobei sie dann auch gleich die Pläne für den Abend besprachen. Ob ich Peter anrufen soll?, überlegte Sophie, er hat noch gar nicht durchgegeben, wann er am Samstag zurück sein wird. Aber dann verwarf sie den Gedanken wieder. Erstens warteten die anderen schon mit dem Essen auf sie, und zweitens hatte Peter sicher sein Handy ausgeschaltet. Um die Zeit, am Nachmittag, saß er bestimmt noch in einem Meeting. Sophie nahm sich vor, es am frühen Abend zu versuchen.
Sie streichelte noch einmal über den Hundekopf, dann ging sie durch den Gastraum zur Eingangstür. Die Mittagsgäste aus dem Seminarzentrum waren gegangen, Melanie hatte die Tische bereits abgewischt und für das Eindecken vorbereitet. Sie brauchten noch neue Kerzen für die Tische, stellte Sophie fest, als sie sich prüfend umschaute.
Melanie und Louis warteten bereits an dem kleinen Tisch in der Küche auf sie. Der wundervolle Duft von frischem Flammkuchen mit Lauch, geräuchertem Speck und einem Hauch Knoblauch zog ihr verführerisch in die Nase.
»Guten Appetit, ihr beiden. Und danke für das wundervolle Essen und deine Geduld mit den Fernsehleuten, Louis.«
»Ich habe drei Kreuze gemacht, als sie gegangen sind.« Louis hob sein Glas mit einer Weißweinschorle. »À votre santé, Sophie. Melanie!« Sie prosteten einander zu und stießen mit den Gläsern an. Normalerweise tranken sie tagsüber keinen Alkohol, aber Louis war der Überzeugung, dass man einen Flammkuchen nur mit einem Schluck Weißwein richtig genießen konnte. Da war die leichte Schorle sozusagen der Kompromiss.
Mit großem Appetit begann Sophie zu essen, sie hatte bei dem ganzen Betrieb gar nicht bemerkt, wie hungrig sie eigentlich war.
»Louis, das schmeckt köstlich«, lobte sie.
»Ich habe statt Sauerrahm zu nehmen eine Creme aus Ziegenfrischkäse angerührt.«
Sophie schnitt sich gerade ein weiteres Stück ab, als sie hörten, wie die Tür des Gastraums geöffnet wurde. Zögernde Schritte bewegten sich bis zur Mitte des Raums, dann rief eine Männerstimme: »Hallo? Frau von Metten?« Louis hob fragend eine Augenbraue, Melanie wollte schon aufstehen, aber Sophie hielt sie mit einer Handbewegung zurück. »Nein, iss weiter. Ich geh schon.«
Sie tupfte sich den Mund mit ihrer Serviette ab und ging hinüber. Dort stand Hermann Weibold, seines Zeichens Seniorchef der Tischlerei Weibold. Oder, wie es Sophie kurz durch den Kopf schoss: der Hobelkasper.
»Guten Tag, Frau von Metten, das ist schön, dass ich Sie antreffe. Ich war gerade auf dem Weg nach Brennerbach, da dachte ich, ich versuch mal mein Glück.«
»Hallo, Herr Weibold, bitte, nehmen Sie doch Platz. Mein Koch hat zwar gerade Pause, aber wenn Sie einen Kaffee möchten?«
»Nein, nein, ich will Sie auch gar nicht lange aufhalten ...« Sophie bemerkte, wie sich Hermann Weibold mit einem schnellen Rundumblick durch den leeren Gastraum vergewisserte, dass sie allein waren. »Aber vielleicht können wir uns kurz unterhalten.«
»Natürlich, Herr Weibold.« Sophie zog einen der Stühle heran. »Wollen wir uns nicht doch setzen?«
Weibold wies auf den Sägestaub auf seiner beigen Latzhose. »Ich mach Ihnen ja alles ganz schmutzig. Else würden mir den Marsch blasen, wenn ich so ins Haus kommen würde.«
»Ach Unsinn, das bisschen Staub macht doch nichts. Diese Holzstühle sind nicht so empfindlich. Ich wusste übrigens gar nicht, dass Sie noch in der Werkstatt arbeiten. Ich dachte, Ihr Sohn hätte das Heft in der Hand.«
»Hat er auch, ich helfe nur aus, weil zwei unserer Leute im Moment mit einer Magen-Darm-Grippe flachliegen. Normalerweise kümmere ich mich ja nur noch um den Papierkram.« Der Tischlermeister blieb unschlüssig stehen. »Also, Frau von Metten, es ist so. Ich bin ja im Vorstand des Sollensbacher Dorfvereins, Sie wissen schon, Mein Herz für Sollensbach, und eigentlich treffen wir uns regelmäßig im Eichenkrug. Der liegt zwar in Wümmerscheid, aber das Bier schmeckt trotzdem. Nun müssen wir aber was besprechen, ohne dass der alte Braubart, dieser Leberwurstkocher, und seine Freunde das mitbekommen. Da dachte ich, Hermann, dachte ich, geh einfach mal ins Bistro.«
»Ähm, ja, das freut mich, aber Sie kennen ja mein Bistro, da gibt es kein Hinterzimmer und auch keinen separaten Gesellschaftsraum.«
»Muss ja auch nicht. Wir würden gerne mit acht Personen morgen bei Ihnen vorbeikommen, so gegen halb acht, wenn es passt. Wichtig ist nur, dass der Johannes Braubart nicht seine neugierige Nase in unsere Angelegenheiten steckt.«
»Ja, morgen wird es vielleicht ... ähm ... schwierig. Übermorgen wäre besser.« Sophie dachte an die Reservierung des Wümmerscheider Vereins.
»Uns läuft die Zeit davon. Übermorgen ist zu spät. Ach kommen Sie, Frau von Metten. Ein Eckchen werden Sie ja wohl noch frei haben.«
»Sicher, daran soll es nicht scheitern, aber ...«
»Prima, dann ist es abgemacht, ich sag gleich den anderen Bescheid. Also, dann bis morgen halb acht.« Hermann Weibold strahlte übers ganze Gesicht. Bevor Sophie noch etwas sagen konnte, hatte Weibold schon mit einem fröhlichen »Tschö, Frau von Metten« die Tür hinter sich zugezogen.
Sophie schloss die Augen und stieß die Luft aus. »Ich dummes Huhn. Warum habe ich ihm nicht gesagt, dass Braubart hier sein wird«, schimpfte sie.
»Chefin, alles in Ordnung?« Melanie kam aus der Küche. »Du solltest dich beeilen, das Essen wird kalt. Was war denn los?«
»Ach, ich hab nicht schnell genug geschaltet. Der Wümmerscheider Dorfverein will morgen Abend kommen. Die wollen unter sich sein und auf keinen Fall von den Sollensbacher Kollegen gesehen werden. Leider haben die gerade ebenfalls einen Tisch reserviert.«
»Hoppla. Können wir nicht noch absagen? Wenn es den Vereinen so wichtig ist, unter sich zu sein, werden sie wohl ihre Gründe haben.«
»Das Problem ist, dass beide Vorsitzende, also Braubart und Weibold, sich wirklich für mich eingesetzt haben, also möchte ich natürlich keinen von beiden vor den Kopf stoßen.«
»Tja, dann müssen die eben damit leben, wie es ist, oder wir finden noch schnell einen zweiten Gastraum. Wenn ich an die ganzen Weihnachtsfeiern denke, die schon angefragt sind, wäre etwas zusätzlicher Platz sowieso klasse.«
Damit war für Melanie offenbar das Thema erledigt, sie drehte sich um und ging zurück in die Küche. Nachdenklich folgte ihr Sophie. Ein zusätzlicher Gastraum ... eigentlich keine schlechte Idee.
Sophie unterdrückte ein Gähnen. Sie saß mit untergeschlagenen Beinen in dem alten Ohrensessel. Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen. Was für ein Tag! Sie freute sich schon auf ihr Bett, aber noch mehr freute sie sich darauf, jetzt gleich Peters Stimme zu hören. Sie brannte darauf, ihm alles zu erzählen, wollte wissen, was er erlebt hatte. Schnell wählte sie Peters Handynummer.
Er nahm den Anruf nach wenigen Sekunden an, offenbar hatte er schon darauf gewartet. »Hi, Schatz, da bist du ja. Schön, dass du dich meldest! Du bist heute ein bisschen früher dran als sonst. Ich war mir nicht sicher, ob du im Bistro schon fertig bist, sonst hätte ich längst angerufen.«
In Sophies Bauch setzte das vertraute Kribbeln ein, sobald sie Peters Stimme hörte. Warm und zärtlich klang sie, mit einem Hauch Sorge. Genau das brauchte sie jetzt. Mit Peter einfach nur über die Kleinigkeiten des Tages zu plaudern war wundervoll.