Weihnachten im kleinen Café an der Mühle - Barbara Erlenkamp - E-Book
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Weihnachten im kleinen Café an der Mühle E-Book

Barbara Erlenkamp

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Beschreibung

Ein ganzes Eifel-Dorf im Winterzauber!

Kurz vor dem Fest hängt bei Peter und Sophie der Haussegen gehörig schief. Dabei wollten sie beide doch nur das Beste. Sophie hat sich Hals über Kopf in ein neues Café-Projekt gestürzt. Und Peter möchte Sophie überraschen und nimmt heimlich Tanzstunden - mit ungeahnten Folgen. Währenddessen ist ganz Wümmerscheid-Sollensbach im Weihnachtsfieber. Eine Besuchergruppe aus der englischen Partnerstadt hat sich angekündigt, um die wahre "German Weihnacht" zu erleben. Klar, dass sich alle Dorfbewohner bei den Vorbereitungen kräftig ins Zeug legen. Schließlich hat man einen Ruf als Weihnachtsdorf zu verteidigen. Doch in all dem Trubel fängt plötzlich eins der Gestecke im Bistro Feuer ...

Der neue herzerwärmende Weihnachtsroman von Barbara Erlenkamp, der Bestsellerautorin von DAS KLEINE CAFÉ AN DER MÜHLE.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Zitat

Vorwort: Willkommen in Wümmerscheid-Sollensbach

Prolog

Picknick mit Mischka

Pokerrunde

Englisch wird überbewertet

Henrys wunderbare Welt des Trödels

Mitglied in Abwesenheit

Und kauf dir Tanzschuhe

Wer hat die eigentlich eingeladen?

Ein rotes Notizbuch

Sophies Tagebuch – Dienstag, 16. November

Henrys Onlineshop

Perfekte Planung

Freundinnen unter sich

Walzer mit einem R am Ende

Sophies Tagebuch – Donnerstag, 18. November

Weihnachten kannst du dieses Jahr vergessen

Marie rettet Weihnachten

Der Weihnachtsmarkt wird eröffnet

Waschen, schneiden, föhnen

Stallgebäude trifft Tearoom

Trotz und Tränen

Eine geplatzte Verabredung

Ganz anders

Sophies Tagebuch – Sonntag, 5. Dezember, nachts

Immer diese Unordnung

Die Engländer kommen!

Zufälle des Lebens

Nächtliche Krisensitzung

Backen mit Hindernissen

Lügen haben kurze Beine

Sophies Tagebuch – Samstag, 11. Dezember

Das Wiedersehen

Glühwein und Sausage Rolls

Die Weihnachtsmaus

Feuer

Glück im Unglück

Freunde in der Not

Sophies Tagebuch – Montag, 13. Dezember

Lebe wild und gefährlich

Blonde Haare

Ein letzter Cha-Cha-Cha

Aber ich liebe dich doch

Stille Nacht, heilige Nacht

Rezepte

Oreschki (»Nüsse«), Russisches Gebäck

Mincemeat

Mince Pies

Sausage Rolls

Weiße Winter-Kaffeeküsse

Nachwort und Danksagung

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

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Viel Freude beim Lesen und Verlieben!

Über dieses Buch

Kurz vor dem Fest hängt bei Peter und Sophie der Haussegen gehörig schief. Dabei wollten sie beide doch nur das Beste. Sophie hat sich Hals über Kopf in ein neues Café-Projekt gestürzt. Und Peter möchte Sophie überraschen und nimmt heimlich Tanzstunden – mit ungeahnten Folgen. Währenddessen ist ganz Wümmerscheid-Sollensbach im Weihnachtsfieber. Eine Besuchergruppe aus der englischen Partnerstadt hat sich angekündigt, um die wahre „German Weihnacht“ zu erleben. Klar, dass sich alle Dorfbewohner bei den Vorbereitungen kräftig ins Zeug legen. Schließlich hat man einen Ruf als Weihnachtsdorf zu verteidigen. Doch in all dem Trubel fängt plötzlich eins der Gestecke im Bistro Feuer ...

Barbara Erlenkamp

Für alle, mit denen wir sieben Jahre lang durch die Wochen getanzt sind, bis wir es konnten ...

Und ganz besonders für Sibylle.

Man muss das Leben tanzen.

Friedrich Nietzsche

Vorwort: Willkommen in Wümmerscheid-Sollensbach

Wo ist Wümmerscheid-Sollensbach? Das sind wir schon oft gefragt worden. Die Antwort ist: Der kleine Ort liegt irgendwo oberhalb von Cochem, zwischen Mosel und Eifel. Genauer können wir es leider nicht sagen, denn dieses Doppeldorf mit seinen charmanten Bewohnern ist frei erfunden.

Es ist ohne weiteres möglich, den fünften Band Weihnachten im kleinen Café an der Mühle zu lesen, ohne die Vorgeschichte zu kennen. Allen, die es etwas genauer wissen wollen, stellen wir hier die wichtigsten Personen kurz vor.

Sophie von Metten hat das kleine Café an der Mühle von ihrer Tante Dotti geerbt und betreibt es jetzt mit riesigem Erfolg als Tante Dottis Bistro. Mit ihrer freundlichen, zupackenden Art und vielen kreativen Einfällen hat sie die Herzen der Dorfbewohner erobert und ist aus ihrer Mitte längst nicht mehr wegzudenken. Vor fast drei Jahren haben sie und Peter geheiratet. Ihre Tochter Lisa ist etwas über zwei Jahre alt.

Peter von Metten ist Sophies Ehemann. Hand in Hand mit seinem Beruf als Marketingfachmann geht seine Vorliebe dafür, sich kreative Überraschungen für andere auszudenken – nicht immer mit dem erwarteten Ergebnis. Herrn Württemberg, den süßen, braun gelockten Labradoodle, hat er mit in die Ehe gebracht.

Rita, fröhliche Society-Lady, Heidi, früher eine berühmte Sterneköchin, und Karin, eine ruhige, herzliche Bankerin, treffen sich regelmäßig zur Pokerrunde in Tante Dottis Bistro. Alle drei sind um die sechzig und waren mit Dotti eng befreundet. Nach Dottis Tod sind sie für Sophie wie eine zweite Familie geworden.

Henry, Trödelhändler und Lebenskünstler, ist immer da, wenn jemand auf der Suche nach besonderen Möbelstücken und Dekorationen ist. Woher er kommt und wie es um sein Privatleben bestellt ist, weiß in Wümmerscheid-Sollensbach niemand so genau.

Leonie ist Heidis erwachsene Tochter. Sie hat lange in Frankreich gelebt, bis sie vor einigen Jahren mit ihrer kleinen Tochter Marie nach Wümmerscheid-Sollensbach gezogen ist. Leonie und Sophie sind längst beste Freundinnen geworden.

Tante Dottis Bistro wäre nicht dasselbe ohne Sophies treue Mitarbeiter. Igor ist der schweigsame, aber liebenswerte Chefkoch. Unterstützt wird er von Melanie, der Jungköchin. Im Service hat sich Sarah als ein wahrer Glückstreffer erwiesen. Dann sind da noch die charmanten, wenn auch manchmal etwas schrulligen Dorfbewohner von Wümmerscheid und Sollensbach. Immer wieder begegnen wir Tischlermeister Hermann Weibold mit seiner Frau Else und dem Metzger-Ehepaar Hetti und Johannes Braubart. Und natürlich all den anderen, die dieses Doppeldorf so liebenswert machen.

Prolog

Der Pianist spielte leichte Jazzvariationen bekannter amerikanischer Weihnachtslieder. Die Töne perlten durch den hohen Spiegelsaal des barocken Lustschlösschens. Das letzte Abendlicht tauchte den Raum in einen wunderbaren goldenen Schein.

Peter führte Sophie zurück an den kleinen runden Tisch, wo die beiden und ihre Freunde Leonie und Jan die Getränke stehen hatten.

Die vier waren zum Tanztee ins barocke Lustschlösschen gefahren, das auf dem Gelände der alten Abtei Brennerbach stand. Lisa, die zweijährige Tochter von Sophie und Peter, war in guten Händen bei ihrer Babysitterin.

»Das ist genau richtig«, sagte Sophie und ließ sich mit einem Aufatmen auf ihren Stuhl sinken. »Eine Pause kann ich jetzt gut gebrauchen. Und die Musik ... hört mal ... jetzt spielt er Rudolph, The Red-Nosed Reindeer. Nicht zu feierlich für den November, aber doch schon ein bisschen wie Weihnachten. Ich mag das.«

»Ja«, pflichtete Leonie ihr bei, »die Vorweihnachtszeit ist so kurz, da kann es nicht schaden, schon ein bisschen früher mit der Vorfreude anzufangen. Wie schön sie den Spiegelsaal dekoriert haben.«

Sophie nickte zustimmend und ließ ihren Blick durch den Saal wandern. Die uralten Kronleuchter funkelten. Ihr Licht spiegelte sich in dem polierten Parkettboden. Die goldgerahmten Spiegel auf der einen Seite des großen Raumes hatte man mit Tannengirlanden geschmückt. Auf der anderen Seite hing mitten in jedem der bodentiefen Fenster ein zarter durchsichtiger Stern aus Glas, während an der Oberkante dicht an dicht in einer Reihe mundgeblasene Glasornamente hingen, die an Eiszapfen erinnerten. Mit einer Hand griff Sophie nach Peters Arm und wies mit der anderen nach oben zu den Fenstern, um ihm zu zeigen, wie schön das Licht in den Eiszapfen glitzerte.

Ein plötzlicher Wechsel in der Musik riss sie aus ihren Betrachtungen.

»Und nun, liebe Tänzerinnen und Tänzer, starten wir in den zweiten Teil unseres Tanztees heute im Spiegelsaal des Lustschlösschens ...« Ohne auf die Tasten zu schauen, spielte der Pianist ein verträumtes Musikstück und sprach währenddessen in das Mikrofon, das auf einem Ständer neben dem Flügel aufgebaut war.

»Oh, das kenne ich«, sagte Sophie mit einem Lächeln. »Das ist die Filmmusik zu Drei Haselnüsse für Aschenbrödel. Den Film habe ich schon als Kind jedes Jahr zu Weihnachten zusammen mit meinen Eltern angesehen ...«, ihre Augen verdunkelten sich ein wenig, bevor sie mit einem Seufzen hinzusetzte: »... als sie noch gelebt haben.«

Seit Sophies Eltern vor mehr als zehn Jahren bei einem Autounfall gestorben waren, während sie noch mitten im Studium gesteckt hatte, gab es immer wieder solche Momente – Augenblicke voller Wehmut, Augenblicke, in denen sie sich schmerzlich nach den beiden sehnte. Peter legte ihr einen Arm um die Schultern und drückte sie sanft an sich. Er wusste genau, woran sie gerade dachte. Sophie ließ den rechten Arm sinken, mit dem sie gerade noch auf die gläsernen Eiszapfen auf der Fensterseite gezeigt hatte.

»Wunderbar, wir haben zwei Freiwillige gefunden.« Der Pianist hatte sich von seiner Klavierbank erhoben und wies in einer großen Geste in Richtung des Tisches, an dem Sophie und Peter saßen. »Bitte einen Applaus für die beiden, die jetzt den zweiten Teil des Nachmittags mit einem Wiener Walzer eröffnen werden. Bitte sehr, das ist eure Ehrenrunde.« Er setzte sich wieder auf die Klavierbank und stimmte noch einmal die ersten Takte des Walzers aus Drei Haselnüsse für Aschenbrödel an.

Verwirrt schaute Sophie Peter an, er blickte zu ihr zurück. Leonie war es, die Sophie antippte und die beiden damit aus ihrer Erstarrung löste. »Los, ihr zwei, Sophie hat doch gerade die Hand gehoben, als der Moderator gefragt hat, wer mit einer Ehrenrunde beim Wiener Walzer den Anfang machen möchte.«

Den Mund zu einem leichten staunenden »O« geöffnet, saß Sophie da, während die Einleitungstakte weiter erklangen. Ausgerechnet ein Wiener Walzer! Würden sie den hinbekommen? Gleichzeitig stiegen vor ihrem inneren Auge wunderbare Bilder von der Ballkönigin auf, die in einem weißen, goldverzierten Kleid in den Armen ihres Prinzen im Dreivierteltakt durch den Saal schwebte und anmutig ihre Kreise drehte.

Sie erhob sich von ihrem Stuhl, und Peter blieb nichts anderes übrig, als ihr zögernd auf die Tanzfläche zu folgen. »Aber ich kann nicht ...« Sein leiser Protest blieb ungehört. Erwartungsvoll blieb Sophie stehen, die Arme schon in Tanzhaltung. Gut zwanzig Paare applaudierten wohlwollend, während Peter und Sophie die erste halbe Runde tanzten.

Die Ballkönigin und der Prinz, die anmutig durch den Saal schwebten ... von dieser Vorstellung musste sich Sophie schon nach wenigen Sekunden verabschieden. Es fiel Peter nach jeder Drehung offenbar schwerer, den Takt zu halten, und dann ...

»Aua! Mensch, Peter, du führst so sch...« Sophie blieb mitten in der Drehung stehen und rieb sich mit schmerzerfülltem Blick den Fuß. Der letzte Tanzschritt ihres Gatten hatte sie mit Schwung und Elan getroffen, genau auf den Fußrücken, da, wo es am meisten wehtat.

Leider hatte sich Sophie für ihren Kommentar ausgerechnet die kurze Pause ausgesucht, als die Musik für einen effektvollen Moment leiser wurde, bevor das Hauptthema wieder einsetzen würde. Interessierte Blicke richteten sich wie auf Kommando von allen Seiten auf Sophie und Peter. Etliche Gesichter verzogen sich zu einem spöttischen Grinsen.

»Äh, du führst so schrecklich«, setzte sie etwas lahm hinterher. Sophie wurde rot vor Verlegenheit. Nur für Peter hörbar flüsterte sie: »Sorry, Peter, aber das hat echt wehgetan.«

»Es tut mir leid, ich ... ich habe einfach nicht aufgepasst«, flüsterte Peter zurück. Zum Glück setzte der Pianist mit einem neuen Stück ein, er hatte die Situation mit einem Blick erfasst. Die Aufmerksamkeit der Paare konzentrierte sich wieder auf die Musik, und alle strömten auf die Tanzfläche. Peter führte währenddessen mit feuerrotem Kopf Sophie zurück zum Tisch, und ihm entgingen nicht die abfälligen und überheblichen Mienen einiger Paare, die an ihnen vorbeitanzten.

Insgeheim musste er zugeben, dass es mit seinen Tanzkünsten nicht weit her war. Seinen ersten und letzten Kurs hatte er mit siebzehn absolviert, und heute Nachmittag war er Sophie mehr als einmal sehr unsanft auf die Zehen getreten.

Ich werde das ändern, schwor er sich. Ganz gleich, was es kostet und wie lange es dauert, ich lerne richtig tanzen, und ich verrate es Sophie erst, wenn ich so weit bin. Sie wird staunen. Schon bei dem Gedanken an diese Überraschung breitete sich ein warmes Gefühl in seinem Bauch aus. Währenddessen erklangen die ersten Takte von You Are So Beautiful in der Version von Joe Cocker. Für einen kurzen Moment dachte Peter nach. »Darauf könnten wir eine Rumba tanzen, dabei kann ja nicht viel schiefgehen. Komm, willst du es noch mal mit mir versuchen?« Er reichte Sophie, die sich gesetzt hatte, die Hand.

»Aber ich sitze doch erst seit einer Sekunde hier.«

»Frau von Metten, hier geht es um die Ehre Ihres Gatten«, erklärte Peter würdevoll.

Sophie kicherte. »Ja, wenn das so ist, Herr von Metten. Versöhnungs-Rumba, hat meine Tanzlehrerin immer gesagt. Ja, der Tanz ist so langsam, den kriegen wir hin. Wenigstens den Grundschritt.«

Lächelnd führte Peter sie zurück auf die Tanzfläche. Sie begannen zu tanzen. Diesmal achtete er höllisch darauf, wohin er trat. Sein Entschluss war gefasst: Ich werde richtig tanzen lernen.

Er spürte ihren Körper in seinen Armen, sah das verliebte Glitzern in ihren Augen und wünschte, dieser eine Tanz würde nicht enden.

Picknick mit Mischka

»Hast du alles, Lisa? Komm her und lass mich mal gucken.«

Eifrig nickte Lisa und begann langsam und sorgfältig die drei grauen Steinstufen hinunterzuklettern. Erst den einen Fuß, dann den anderen hinterhersetzen. Dann die nächste Stufe. Sophie wartete geduldig unten vor der Treppe. Neben ihr sprang der Familienhund Herr Württemberg hin und her, bis Sophie ihm energisch befahl, Platz zu machen. Mit ergebenem Blick ließ sich der braun gelockte Labradoodle zu Boden sinken, nur sein aufgeregt hin und her wedelnder Schwanz verriet, dass er darauf brannte loszulaufen. Nach einer gefühlten Ewigkeit war Lisa endlich unten angekommen. Für Sophie war es immer noch ein kleines Wunder, wie schnell ihre Tochter gewachsen war. Gerade eben war sie noch ein winziges Baby gewesen, und nun, wenige Monate nach ihrem zweiten Geburtstag, schon ein fertiger kleiner Mensch, der die Eingangstreppe ganz allein hinabsteigen konnte. Es war allerdings gut, dass sie sich dabei Zeit ließ. Sophie musste sich immer noch zwingen, nicht hinzulaufen und Lisa die Stufen hinunterzutragen. Zu groß war die Sorge, dass ihre Tochter stolpern und die Steinstufen hinunterkullern würde.

In der Nacht hatte es geschneit. Sophie hatte die Stufen schon frühmorgens freigekehrt und gestreut, und inzwischen war auch das letzte Restchen Feuchtigkeit in der Mittagssonne getrocknet. Der frisch gefallene Schnee würde jetzt, Mitte November, wohl nicht lange liegen bleiben, aber heute war der Anblick herrlich.

Leise schnaufend drehte sich Lisa um und legte den Teddybär, den sie bis jetzt im Arm gehalten hatte, auf die unterste Stufe. »So, Mischka.« Mischka hieß er, und er war wahrscheinlich das hässlichste Stofftier der Welt. Aber Lisa liebte ihn heiß und innig. Mischka war es, den sie überallhin mitschleppte und den sie jeden Abend beim Einschlafen fest im Arm hielt. Sophies beste Freundin Leonie hatte ihn gemeinsam mit ihrer Tochter selbst genäht. Dabei hatte die achtjährige Marie den Stoff aussuchen dürfen, daher war dieser Bär leuchtend gelb kariert. Die eine oder andere Naht war ein wenig krumm geraten – Leonie war keine Künstlerin an der Nähmaschine. Die gestickten Augen verliehen Mischka einen leicht schielenden Blick. Aber das alles schmälerte nicht Lisas Liebe zu diesem einzigartigen Teddy.

Ihren rosa Rucksack hatte Lisa auf dem Rücken getragen und setzte ihn nun ab. Auch das konnte sie schon allein, obwohl es ihr nicht leichtfiel, wenn sie die dicke Winterjacke und ihre Handschuhe trug. Sophie öffnete die Klappe des Rucksacks, lockerte die Schnur und kramte mit schnellen geübten Handgriffen durch den Inhalt. »Kakao«, murmelte sie. »Butterbrot. Kekse. Taschentücher. Alles klar, wir können gehen.« Sophie wollte den strahlend sonnigen Wintertag ausnutzen, um zusammen mit Lisa ein kleines Picknick zu machen. Bis zu der Holzbank an der nächsten Weggabelung würden sie laufen und sich dort in die Sonne setzen. Mit einem gut isolierten Sitzkissen ließ es sich dort auch bei kaltem Wetter aushalten, das hatten sie schon mehrmals ausprobiert. Sie nahm ihren eigenen Korb, setzte Lisa den Rucksack wieder auf und hielt ihr die Hand hin. »Komm.«

Doch anstatt wie sonst sofort nach Sophies Hand zu greifen, blieb Lisa wie angewurzelt stehen.

»Mama!«

»Ja? Was ist denn?«

»Papa soll auch mit. Bitte, Mama.«

»Nein, Häschen, das geht nicht. Du weißt doch, dass Papa noch arbeiten muss. Aber heute Abend, wenn ich ins Bistro muss, spielt er mit dir und bringt dich dann ins Bett.«

»Mhm.« Lisa nickte, als hätte Sophie gerade ein großes Rätsel gelöst. Ganze zwei Schritte ging Lisa mit Sophie, bevor sie wieder stehen blieb, ihre Hand aus Sophies löste und sich zum Haus umdrehte. Sie runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach, das konnte man deutlich sehen. Sie suchte nach Worten, zeigte dann auf das Schild, das über dem anderen Hauseingang an zwei Metallhaltern hing. Tante Dottis Bistro stand darauf zu lesen.

»Mama, wie heißt?«

Ratlos schaute Sophie auf das fragende Gesicht ihrer kleinen Tochter herunter. Manchmal blieben Lisas Sätze für sie ein Rätsel. In den meisten Fällen verstand sie Lisa schon sehr gut, aber gelegentlich, so wie in diesem Moment, hatte sie keine Ahnung, was Lisa versuchte, ihr zu sagen. Die wurde schon ganz ungeduldig. »Mama! Dafé. Bisto. Wie heißt?«

Langsam dämmerte Sophie, worauf Lisa hinauswollte. Als sie damals das Haus von ihrer Tante Dotti geerbt hatte, war hier lediglich ein heruntergewirtschaftetes Café gewesen, das Mühlencafé. Sie hatte die Ärmel hochgekrempelt, alles auf Vordermann gebracht und unter dem Namen Tante Dottis Bistro wieder eröffnet. Obwohl das Bistro seit Jahren sehr erfolgreich lief, hatte sich der neue Name hier im Dorf nie so recht durchgesetzt. Viele der Einwohner von Wümmerscheid-Sollensbach sprachen nach wie vor vom Mühlencafé oder einfach von dem kleinen Café.

»Tja«, sagte sie, »es heißt Bistro. Tante Dottis Bistro. Jetzt komm aber.«

Dieses Mal gelangten sie fast bis zu dem Mauerdurchbruch und wollten gerade auf die Straße hinaustreten, als Lisa zum dritten Mal stehen blieb.

»Mischka!«

Natürlich, der lag ja noch auf der untersten Stufe vor der Haustür. »Lauf schnell zurück und hol ihn«, sagte Sophie. »Ich warte hier.«

Dicht gefolgt von Herrn Württemberg, der das alles für einen großen Spaß hielt, rannte Lisa los.

***

Vierhundert Meter waren ein langer Weg, wenn man ihn zu Fuß mit einem zweijährigen Kind zurücklegte. Es gab unterwegs genug zu sehen: einen Zaunpfahl aus Holz, auf dem sich der Schnee wie eine hohe Mütze aufgetürmt hatte, ein Rotkehlchen, das in einem Busch herumhüpfte und die letzten Beeren suchte. Dann war da noch der kleine Schneewall, den der Schneepflug am Straßenrand zusammengeschoben hatte und in den Lisa unbedingt hineinspringen musste. Endlich waren die beiden am Ziel. Sie schoben mit den behandschuhten Händen den Schnee beiseite und ließen sich auf der Bank nieder. Sophie fing an, zwischen sich und ihrer Tochter das Picknick aufzubauen. Für Sophie gab es einen großen Becher heißen Milchkaffee aus der Thermoskanne, für Lisa Kakao und ein Butterbrot. Danach wollten sie noch ein paar von den selbst gebackenen Mandelplätzchen naschen.

Der Schnee dämpfte alle Alltagsgeräusche, ganz still war es rundherum. Vor ihnen lagen die beiden Dörfer Wümmerscheid und Sollensbach. Über viele Jahre hinweg zerstritten, hatten sich die Dorfbewohner endlich zusammengerauft und begannen mehr und mehr an einem Strang zu ziehen. Sichtbares Zeichen dieses neuen Gemeinschaftsgefühls war der jetzt im vierten Jahr stattfindende gemeinsame Weihnachtsmarkt. Sophie freute sich schon auf die kleinen Holzhäuser, die offenen Feuerkörbe, auf den Duft von gerösteten Maronen, gebrannten Mandeln, Glühwein und Weihnachtsgebäck. Für Lisa würde dieses Weihnachtsfest sicher auch etwas Besonderes werden, denn die Kleine begann ihre Umgebung aufmerksam und bewusst wahrzunehmen. Sophie atmete tief durch, während Lisa andächtig ihren Kakao trank. Schön war es hier auf der Bank. Die Tannen, die ganz in der Nähe standen, hatten sich in perfekte kleine Weihnachtsbäume verwandelt. Sophie konnte sich gar nicht daran sattsehen. Zum ersten Mal in diesem Jahr spürte sie so etwas wie Vorfreude auf die bevorstehende Adventszeit. Von ihrem Sitzplatz aus konnten sie in einiger Entfernung den weiß verschneiten Kirchturm der St.-Antonius-Kirche sehen.

Während Sophie noch vorsichtig an ihrem heißen Kaffee nippte, war Lisa längst fertig und sprang schon wieder auf, dicht gefolgt von Herrn Württemberg. Auch in der Umgebung der Holzbank gab es genug zu entdecken. Ein Weilchen schaute sich Lisa das Holzkreuz an, das wohl schon seit Hunderten von Jahren diese Weggabelung kennzeichnete. Direkt daneben befand sich ein großes hölzernes Schild, das, wie Sophie wusste, erst seit drei Jahren dort stand.

»Mama, wie heißt?« Lisa wies mit der Hand, die in einem dicken blauen Fausthandschuh steckte, auf das Schild.

»Willkommen in Wümmerscheid-Sollensbach. Preisträger der Goldenen Weihnachtskerze«, las Sophie vor.

»Terze ...« Lisa runzelte die Stirn. »Mama, noch mal. Wie heißt?«

»Wümmerscheid-Sollensbach«, wiederholte Sophie geduldig.

»So ... bap ... Mama, wie heißt?«

»Wümmerscheid-Sollensbach.« Na, das kann ja heiter werden, dachte Sophie, warum wohnen wir nicht in einem Ort mit einem einfachen Namen, zum Beispiel Bonn? Sie beschloss, das Ganze in ein Frage-und-Antwort-Spiel umzuwandeln.

»Lisa, wo wohnen wir?«

Mit angestrengtem Gesicht versuchte Lisa noch mehrmals, den Ortsnamen auszusprechen, sie sah aus, als würde sie auf den einzelnen Silben herumkauen.

»Wie heißt unser Dorf?«, fragte Sophie schließlich.

Jetzt ging ein Strahlen über Lisas Gesicht, und sie antwortete: »Zu Hause!«

Sichtlich zufrieden mit ihrer Antwort widmete Lisa ihre ganze Aufmerksamkeit einem Stock, mit dem man auf den Schneehaufen neben dem Wegkreuz schlagen konnte. Sophie schloss kurz in der Wintersonne die Augen, sie wusste, dass der Labradoodle dicht bei Lisa bleiben würde, um auf sie achtzugeben.

»Guten Tag, Sophie, ist es nicht ein bisschen früh zum Schlafen, während die eigene Tochter neben einem Kreuz randaliert?«, ertönte genau in diesem Moment eine Stimme hinter ihr.

Sophie öffnete vorsichtig ein Auge. Einen Arm auf die Rückenlehne der Bank gelegt, drehte sie sich um. Erwin Körten-Buschmeier, im Grunde ihr nächster Nachbar, auch wenn er fast einen halben Kilometer weit vom Mühlenhof entfernt wohnte, umrundete die Bank und lüftete kurz seinen speckigen Cordhut. Träge verfolgte Sophie ihn mit den Augen, bis er vor ihr stand.

Aus dem grantigen, stets übel gelaunten Alten war mittlerweile ein sympathischer Nachbar geworden. Viele Jahre hatte er sich von den Dorfgemeinschaften verraten gefühlt, weil sein Haus wie auch der Mühlenhof sozusagen im Niemandsland zwischen Wümmerscheid und Sollensbach lag. Aber dann hatten die beiden Dörfer nicht nur Sophie, sondern eben auch Erwin in ihren Reihen willkommen geheißen, und damit hatte eine Wandlung bei Erwin begonnen, über die Sophie immer noch staunte.

»Onkel Win, guck, Schnee!« Lisa zupfte Erwin Körten-Buschmeier am Hosenbein.

Der Alte bückte sich, formte mit beiden Händen einen Schneeball und warf ihn gegen das geschnitzte Schild, wo der Schneeball mit einem dumpfen »Plopp« zerbarst.

Lisa lachte über das ganze Gesicht und klatschte in die Hände. »Noch mal«, forderte sie strahlend.

»Aber nur noch einen, kleine Maus, ich muss nämlich noch einkaufen gehen«, brummte der Alte und kam dann der Aufforderung nach. Wieder zerplatzte ein Schneeball an der Vorderseite des Holzschilds.

»Soso, meine Tochter randaliert am Kreuz, und mein Nachbar bewirft Gemeindeeigentum.« Sophie lächelte breit. Und Erwin fing schallend an zu lachen.

»Hat keiner gesehen außer uns dreien, und dass ihr schweigen könnt, weiß ich ja.« Erwin grinste.

Lisa, die bei ihnen stand, drehte plötzlich den Kopf in Richtung Dorf und lauschte. »Mama!« Eindringliches Flüstern: »Mama, hören. Lied.«

Ja, da war eindeutig Musik, und es war das alte Adventslied Macht hoch die Tür.

»Das sind die Sollensbacher Jagdbläser«, teilte Erwin bereitwillig mit, »sie üben vor der Kirche für den ersten Advent. So, jetzt muss ich aber wirklich. Wünsche dir noch einen schönen Tag, Sophie. Tschüs, kleine Maus.«

»Tschüs, Onkel Win.«

»Komm doch bald mal wieder auf Kaffee und Kuchen vorbei«, sagte Sophie.

»Da sag ich nicht Nein. Bis bald also.«

Erwin ging mit großen Schritten in Richtung Dorfplatz davon. Sophie schaute ihm lächelnd hinterher.

Danach saß sie noch ein Weilchen auf der Bank. Lisa war inzwischen auf ihren Schoß gekrabbelt, und Herr Württemberg hatte sich zu ihren Füßen zusammengerollt. Der glitzernde Schnee um sie herum und die Bläsermusik aus der Ferne verzauberten diesen Moment. Leise sang Sophie mit: »Macht hoch die Tür, die Tor macht weit.« Dann murmelte sie: »Ja, jetzt kann die Weihnachtszeit kommen.«

Pokerrunde

Kurz lächelte Heidi, nachdem sie die neu ausgegebenen Pokerkarten angesehen hatte. Nur für einen Sekundenbruchteil. Gleichzeitig zog sie die linke Augenbraue hoch, gefolgt von einem hörbaren Ausatmen.

Rita lehnte sich leicht auf ihrem Caféhausstuhl zurück und ließ sich nichts anmerken. Seit vielen Jahren schon trafen sich die drei Freundinnen Heidi Schwarzbeck, Rita von Fahrensbeck und Karin Mahler jeden Samstag in Tante Dottis Bistro zum Pokern. Was Ritas Freundinnen nicht ahnten: Sie hatte in dieser Zeit gelernt, in Karins und Heidis Bewegungen zu lesen wie in einem Buch. Anhand von winzigen kleinen Gesten und unbewussten Posen konnte Rita inzwischen mit sehr großer Sicherheit erkennen, ob Heidi und Karin ein gutes oder ein schlechtes Blatt hatten, wann sie nur blufften, wie sie weiterspielen würden. Was dazu führte, dass Rita meistens haushoch gewann.

Rita warf einen Blick in ihre eigenen Karten und dann wieder auf Heidi, die mit einem harmlosen, unverbindlichen Lächeln dasaß. Bluffte ihre Freundin? Wenn sie ein wirklich mieses Blatt hätte, würde sie nicht lächeln. Oder bedeutete das Lächeln, dass das Gegenteil der Fall war, und Heidis Karten waren in Wirklichkeit richtig schlecht? Sollte sie inzwischen gelernt haben, sich so zu verstellen? Nein, ausgeschlossen, dachte Rita. Sie hat gute Karten und ist sich sicher, dass sie gewinnt.

Eine Entscheidung musste her. Aus dem Augenwinkel schaute Rita auf Karins Hände. Karin trug ihre Fingernägel niemals lang und lackierte sie auch grundsätzlich nicht, aber ihre regelmäßige professionelle Maniküre versäumte sie nie. Und richtig, da war es. Kurz hob Karin die rechte Hand und berührte ihre perfekt gestylten silbergrauen Haare, dann den kleinen Perlenohrring. Wie, um sich zu vergewissern, dass die Welt noch in Ordnung war – abgesehen von ihrem wirklich miesen Blatt. »Ich bin raus«, sagte sie, genauso, wie Rita es erwartet hatte.

»Ich geh mit«, sagte Rita und schob einige ihrer Pokerchips in die Mitte des Tisches. Sie erlaubte sich einen kurzen Moment der Entspannung und nahm nun auch wieder den Rest ihrer Umgebung wahr. Regen schlug gegen die Fensterscheiben des Bistros, was die von kleinen Windlichtern beleuchteten Tische umso einladender wirken ließ. Aus der Küche war das gelegentliche Zischen der Espressomaschine zu hören, und immer wieder zog der Duft von frischem Kaffee durch den Raum. Im Hintergrund lief Musik, französische Chansons, die sich angenehm mit den leisen Gesprächen an den verschiedenen Tischen und dem dezenten Klappern von Kaffeegeschirr vermischten.

Wenig später legte Rita die gewonnenen Pokerchips auf ihren inzwischen zu beachtlicher Höhe angewachsenen Stapel. »Noch eine Runde? Wer will noch mal?«, fragte sie.

»Ohne mich«, stöhnte Heidi. »Du hast uns schon wieder bis aufs letzte Hemd ausgezogen. Wie machst du das bloß immer?«

»Ja«, pflichtete Karin ihr bei. »Rita, wie machst du das nur? Himmel, ich bin froh, dass wir immer nur um Plastikchips spielen. Sonst wäre mein Konto im Dauer-Minus.«

Rita erlaubte sich ein kleines, fröhliches Lachen, hütete sich aber, ihr Geheimnis zu erklären. Sie, die sonst ihr Herz auf der Zunge trug, hatte hart an ihren Poker-Kenntnissen gearbeitet. Und dabei war das Schwierigste tatsächlich gewesen, nicht so viel zu reden, wie es eigentlich ihrer Natur entsprach.

Zum Glück trat jetzt Sophie mit Lisa an den Tisch, sodass Rita weitere Fragen erspart blieben. In der einen Hand balancierte Sophie ein Tablett mit einem großen Milchkaffee für sich selbst sowie Kakao und Sandkuchen für ihre kleine Tochter, an der anderen Hand hing Lisa und schaute sich interessiert um.

»Ah, da ist ja unser kleines Patenkind. Komm her, Zuckerschnute, komm zu deiner Tante«, gurrte Rita.

Sophie ließ sich erleichtert auf einen Stuhl fallen. »Uff. Ich brauch mal eine kurze Pause. Was dagegen, wenn ich mich zu euch setze?« Sie rührte ihren Kaffee um, pustete auf den Milchschaum und nippte an dem heißen Getränk.

»Du und dein Milchkaffee«, sagte Karin freundlich. »Warum machst du dir überhaupt die Mühe, diesen Ort als Bistro zu tarnen?«

»Das«, sagte Sophie unerwartet heftig und stellte die Tasse auf dem Tisch ab, »das ist genau die Frage, die ich mir auch gerade stelle.«

»Was meinst du denn damit?«

»Gestern hat mir Lisa die Augen geöffnet. Nein, wirklich, schaut nicht so ungläubig. Wir standen draußen vor unserer Haustür, und sie hat mich gefragt, wie ›das hier heißt‹. So waren ihre Worte. Ist es ein Bistro, oder ist es ein Café?« Sophie rieb sich über die Stirn und schüttelte den Kopf. »Ich frage mich manchmal, ob es eine gute Idee war, das Mühlencafé einfach in Tante Dottis Bistro umzutaufen. Ja, sicher, wir machen beides. Mittags und abends die Bistrogerichte, am Nachmittag Kaffee und Kuchen. Aber vielleicht haben die Leute aus dem Dorf ja recht, wenn sie nie Bistro, sondern immer Café sagen.«

Jetzt hatte sie Lisas Aufmerksamkeit. Lisa blickte von ihrem Teller hoch und presste mit vollem Mund die Wörter »Dafé, Bisto« hervor, während Kuchenkrümel aus ihrem Mund sprühten.

»Lisa! Erst essen, dann darfst du reden«, ermahnte sie Sophie.

Lisa nickte gehorsam, kaute, schluckte und wiederholte noch einmal: »Dafé, Bisto!«

»Seht ihr?«, sagte Sophie. »So geht das schon seit gestern Nachmittag. Ich muss dauernd darüber nachdenken. Ich habe überlegt, ob ich hier vorne«, sie machte eine vage Handbewegung durch den Raum, »Tante Dottis Bistro lassen soll und den zweiten Gastraum neu gestalte und daraus ein separates Café mache. Ich könnte die Kuchentheke und eine Espressomaschine drüben aufbauen und hätte dann hier mehr Platz für die Mittagsgäste. Wäre das nicht schön? Was meint ihr?«

»Da hilft nur eins«, sagte Heidi energisch und sprang vom Tisch auf. »Wir müssen uns das Ganze ansehen.«

Inzwischen hatte Lisa ihren Kuchen aufgegessen und rutschte flink von Ritas Schoß herunter. Dass sie dabei eine Spur von Kakao und Kuchenkrümeln auf Ritas Rock hinterließ, schien diese nicht im Geringsten zu stören. »Mama, komm!«, rief sie ungeduldig und war schon halb auf dem Weg zur Tür. Sie hüpfte mit beiden Füßen voran und sang dabei vor sich hin: »Da – da – da – fé! Da – da – da – fé!«

»Sieht so aus, als würden wir jetzt zusammen rübergehen«, sagte Sophie lächelnd zu den anderen. »Kommt ihr auch mit?«

***

»O nein«, flüsterte Karin, »da sitzen ja noch Leute. Dann wird wohl nichts aus unserem Plan.« An einem der Tische saßen noch zwei Frauen mit dem Rücken zu ihnen. Die eine drehte sich sofort neugierig um und sagte: »Hallo, Sophie.«

»Ach, du bist es, Jennifer«, begrüßte Sophie ihre Freundin. »Und Susi ist auch da. Hallo, ihr zwei.« Hier im Ort kannte man sich. Zu den anderen sagte sie: »Kommt mit, wir setzen uns erst mal an den Tisch da drüben, da haben wir fast den ganzen Raum im Blick, und wir stören die anderen nicht beim Kaffeetrinken. Ich habe noch einen Schreibblock mitgebracht, da können wir direkt alles notieren, was uns einfällt.«

Heidi hatte in ihrem Berufsleben als Spitzenköchin schon zahllose Gasträume gesehen. Sie hatte keine Schwierigkeiten, die Raumgröße abzuschätzen, und fing sofort an zu skizzieren. »So, das ist der Grundriss.« Alle beugten sich interessiert über das Papier und schauten zu, wie Heidi nach und nach die vorhandene Einrichtung und die fest stehenden Gebäudeteile einzeichnete. »Hier ist der vordere Eingang, weiter hinten das große Doppeltor. Da an der Stirnseite ist der große Kaminofen ...« Sie zeichnete ein Viereck mit einem kleinen Holzfeuer. »Du würdest natürlich zusätzliche Tische brauchen. Mal sehen, wo passt denn hier noch etwas hin?«

»Über was für Tische reden wir?«, fragte Sophie. »Wie groß müssten die sein?«

Hier war Heidi ganz in ihrem Element. »Quadratisch, auf jeden Fall. In einem Café reichen achtzig mal achtzig Zentimeter für vier Personen.«

»O ja«, unterbrach Sophie sie begeistert, »man könnte aber auch zwei oder drei Tische zusammenschieben. Aber wohin damit?«

»Wir haben noch die ungenutzte Fläche da drüben, die ehemaligen Pferdeboxen. Zwei auf jeder Seite, dazwischen ein Gang«, sagte Heidi und tippte auf den skizzierten Plan. »Das ist schon nicht schlecht, eine durchschnittliche Box hat etwa zehn bis zwölf Quadratmeter ...«

»Und wie schön, dass die alten eisernen Stallfenster auch noch da sind«, ergänzte Rita. »Da ist Tageslicht, und die kleinen Scheiben sehen richtig gut aus. Sag mal, Sophie, warum hast du die Trennwände nicht schon längst rausgerissen? Du würdest so viel Platz gewinnen.«

»Weil ich den Platz bis jetzt nicht gebraucht habe, deshalb. Als wir den Raum damals hergerichtet haben, musste es schnell gehen, und wir haben nur eine einfache Bretterwand vor die Boxen gesetzt. Die kann man leicht wieder entfernen. Und du hast recht, Rita, die Trennwände brauchen wir auch nicht mehr, die können weg.«

»Ich habe eine bessere Idee.« Jennifer trat zu ihnen an den Tisch. »Entschuldigung, dass ich zugehört habe, ich wollte nicht neugierig sein, aber ihr habt so laut gesprochen ...«

Sophie lachte. »Wir müssen uns entschuldigen, dass wir dich und Susi stören. Aber verrate uns doch, was deine Idee ist.«

»Warum lässt du die Boxen nicht, wie sie sind? Das ist doch supergemütlich, jeder Tisch hätte seinen eigenen Bereich. Die Trennwände sind nur – wie hoch? Ungefähr eins fünfzig? Da fühlt man sich nicht eingesperrt und ist trotzdem für sich. Ich würde mich sofort da hinsetzen.« Jennifer zog sich mit diesen Worten wieder zurück an ihren eigenen Tisch.

Heidi gab zu bedenken: »Gemütlich wäre das schon, aber es ist schwierig beim Bedienen, weil keine freie Fläche rund um den Tisch ist. Du würdest viel Grundfläche verlieren, und du bist nicht so flexibel beim Anordnen der Tische.«

»Aber das Ambiente«, warf Rita ein, »das wäre so urig, das ist doch mit Geld nicht zu bezahlen. Wir müssen eben irgendwie anders Platz schaffen.«

»Noch mehr Reserven habe ich nicht.«

Alle schwiegen. Heidi sprang auf und fing an, den Raum zu durchschreiten. »Ich nehme mal grob Maß, das kann man ja später noch genauer machen.« Langsam ging sie durch den Raum und zählte die Schritte. Es dauerte nicht lange, bis Lisa es ihr nachtat und ebenfalls kreuz und quer durch den Raum ging und dabei vor sich hin brabbelte.

»Nein, nicht!« Sophie sprang auf, eilte quer durch den Raum und sammelte die zappelnde Lisa gerade noch rechtzeitig von der zweiten Sprosse der Holzstiege neben den Pferdeboxen ein, bevor sie weiter hochklettern konnte. »Lisa, guck mal, das ist hoch.« Sie zeigte nach oben. »Das ist der Heuboden, du könntest herunterfallen. Du darfst nicht da rauf, es ist gefährlich. Das ist sehr hoch ...« Plötzlich stockte Sophie. »Es ist sehr hoch«, wiederholte sie. »Sehr hoch. Der Heuboden ist genau über den Boxen. Der ist genauso groß wie die vier Pferdeboxen mit dem Gang. Mädels, ich hab's!«, rief sie triumphierend. »Kommt mal rüber und seht euch das an.« Sie zeigte auf den Heuboden. »Wir machen oben eine offene Galerie mit einem Geländer. Da passen locker noch mal drei oder vier Tische hin, selbst wenn man die Dachschrägen berücksichtigt. Dann ist es zwar immer noch kein besonders großes Café, dafür aber sehr gemütlich.«

»Und wie wirst du das Café nennen? Mühlencafé, so wie es früher bei Dotti hieß?«

Alle schwiegen.

»Wisst ihr, wie es alle in Wümmerscheid-Sollensbach nennen?«, fragte Rita. »Sie sagen niemals Tante Dottis Bistro. Sie sagen nicht Mühlencafé. Sie sagen alle ...«

»Das kleine Café an der Mühle!«, riefen die Freundinnen wie aus einem Mund.

»Ich würde sagen«, verkündete Rita feierlich, »wir haben uns einen winzig kleinen Schluck Prosecco verdient.«

Englisch wird überbewertet

Aufatmend schloss Karl-Friedrich Serghein die Tür seines Arbeitszimmers hinter sich. Er liebte seine Familie, wirklich, das tat er. Aber manchmal, wenn sich sonntags das Wohnzimmer mit der gesamten buckligen Verwandtschaft füllte (so nannte er sie heimlich), dann gab es Momente, in denen er sehr froh war, sich für ein Stündchen zurückzuziehen. Selbst durch die geschlossene Tür konnte er noch das Geschnatter der vier Cousinen seiner Frau hören, die sich heute zu Kaffee und Kuchen eingefunden hatten. Wie gut, dass er sein Arbeitszimmer hatte, und wie gut, dass er jetzt in aller Ruhe an seinem Computer ein paar wichtige Mails beantworten konnte. Das war noch nicht mal gelogen. Sein Postfach quoll über, und er musste dringend daran arbeiten. Unglaublich, wie viele Nachrichten er als Ortsvorsteher von Wümmerscheid-Sollensbach erhielt.

Er startete den Computer und begann den Posteingang zu überfliegen. Die Pfadfinder wollten ein Zeltlager auf der Gemeindewiese veranstalten. Erwin Körten-Buschmeier teilte ihm in deutlichen Worten mit, was er von dem neuen Müllabfuhrkalender hielt. Sein Amtskollege Armin Overhofen-Dümpels hatte ihm wieder einmal eine englische Mail weitergeleitet. Die kosteten ihn immer besonders viel Zeit, dabei war die Sprache eigentlich nicht besonders schwierig. Mit Schaudern dachte er an den Unterricht in Altgriechisch früher in der Schule. Der hatte ihn an seine Grenzen gebracht. Wie viel leichter war dagegen Englisch. Er holte sein altes Wörterbuch aus dem Regal und machte sich an die Arbeit, Wort für Wort. »Invite heißt einladen«, murmelte er, »brief brauch ich nicht nachzuschlagen, das ist natürlich ein Brief, und ...« Fast eine Stunde später hatte er sich auf diese Art ein grobes Bild davon verschafft, worum es in der Mail ging. Jetzt musste er noch eine passende Antwort schreiben.

»Karl-Friedrich!« Das war die Stimme seiner Frau, die von unten aus dem Flur schallte. »Kaaarl-Friiiiedrich! Kommst du? Du hast doch versprochen, dass du Lilli zum Bahnhof bringst.«

Karl-Friedrich Serghein fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Auch das noch. Das hatte er vollkommen vergessen. »Noch fünf Minuten, Liebes!«, brüllte er durch die geschlossene Tür. Wenigstens diese eine Mail wollte er heute noch erledigen. Es musste doch eine schnellere Möglichkeit geben, mit dem alten gedruckten Wörterbuch dauerte es einfach zu lange. Er öffnete ein neues Fenster und tippte seinen Suchbegriff ein: Englisch übersetzen. Zufrieden schaute er auf die Suchergebnisse und grinste. Warum war er nicht schon früher darauf gekommen? Er öffnete eine Seite, schrieb einen kurzen Text auf Deutsch, drückte auf Englisch und erhielt in einem anderen Fenster einen englischen Text, fix und fertig. Tadellos, dachte er, kopierte den Text in sein E-Mail-Programm und drückte auf Senden.

Henrys wunderbare Welt des Trödels

»Was wirst du heute Vormittag machen, Schatz?« Peter schaute Sophie beim Frühstücken erwartungsvoll an.